Liebe Freunde des OSM,

ja, was sind wohl „Assimilari“? Wo mögen die vorkommen, wie sehen sie aus, was genau sollen das für Wesen sein? Wenn ich euch heute, wo ich diese Zeilen schreibe (28. November 2018) erzähle, dass ich sie erst seit gestern kenne, dann solltet ihr das wortwörtlich nehmen. Vor gestern früh existierte das Wort „Assimilari“ in meinem Wortschatz noch nicht. Und das ist umso verblüffender, als ich das Wesen, um das es konkret geht, schon seit dem Herbst des Jahres 1984 kenne. Es hatte nur nie einen Namen und auch keine wirklich logische Verankerung in der Handlung des KONFLIKTS 13 „Oki Stanwer Horror“ gehabt.

Das sollte sich jetzt alles ändern, und zwar schlagartig und drastisch.

Wie genau kam das?

Machen wir eine kurze Zeitreise, nur über den Abgrund von 35 Realjahren, also etwas mehr als mein halbes Leben: Wir befinden uns im KONFLIKT 13, auf der Erde im Frühjahr 2124. Der CLOGGATH-KONFLIKT (CK) hat begonnen, weite Tei­le der Welt liegen schon in Schutt und Asche, und noch schlimmeres Chaos droht.

Zu diesem Zeitpunkt hat ein distinguierter Mann im altmodischen schwarzen Anzug seinen Auftritt und besucht ein Fotostudio im Londoner Stadtteil Mayfair. In der OSM-Episode „Der Glusem-Clan“, OSM-Band 275 (!), wird er noch als je­mand mit einem Spitzbart beschrieben. Das wurde später dann auf einen Schnurrbart reduziert, als ich in den 90er Jahren im Rahmen der Romanumar­beitung der Serie („DER CLOGGATH-KONFLIKT“) dazu überging, diese Szene neu zu strukturieren.

Aber wiewohl dieser „Bote“, wie er genannt wird, nur für einen relativ kurzen Gastauftritt die Bühne der Handlung betritt – in der Serie für zwei Episoden, im BUCH dann für ein Kapitel – , war ich auch bei Beendigung des CK-Kapitels 26 „Doucester“ nicht wirklich klüger.

Ich dachte mir: Verdammt, und der Bote hat immer noch keinen Namen. Wo kommt der eigentlich her?

Es mussten fünfzehn Jahre vergehen, ehe mir schlagartig etwas aufging und die Angelegenheit plausibler wurde. Wie ihr wisst, habe ich im Spätsommer und Herbst 2018 das erste CK-E-Book „DER CLOGGATH-KONFLIKT 1: Vorbeben“ ge­schrieben, was bis heute hoffentlich publiziert sein wird (es gibt da seltsame formattechnische Probleme, die uns behindern, und ich kann aktuell nicht be­haupten, sie zu verstehen).

Als ich mit diesem ersten CK-Buch fertig war, das im Jahre 2113 mit Oki Stan­wers Erscheinen auf der Erde formell beginnt und bis zum Frühjahr 2114 geht, war mir klar, dass anschließend ein zeitlicher kleiner Hiatus bis zum zweiten Ro­man zu überbrücken sein würde.

Im zweiten CK-Buch „Monstererwachen“ geht die Handlung los mit Oki Stan­wers Urlaub in Frankreich. Und ich konstatierte, dass er zuvor wohl einen an­strengenden Einsatz gehabt haben musste (über den ich aber weder in der Serie noch im CK bislang geredet hatte).

Das war der Moment, wo mir die Idee kam, eben jenen Einsatz zu schildern. Er findet im März des Jahres 2117 statt, und recht flink wusste ich auch, wo: an der Ostküste Englands. Genauer – auf einer fiktiven Insel in einer großen Bucht dort, die man „The Wash“ nennt.

Witzig genug: im KONFLIKT 18 „Kampf gegen TOTAMS Dämonen und Schergen“, der 25 Milliarden Handlungsjahre später spielt, hatte ich ebendort eine Insel namens Church Island erfunden und recht umfassend beschrieben. Und sehr schnell wurde mir klar, dass Church Island und die ebenfalls fiktive kleine Küs­tenstadt am Ufer von The Wash, Westcott, der Dreh- und Angelpunkt der Story werden würde.

Ein Titel tauchte schlagartig aus dem Nichts auf: „Das Geheimnis von Church Is­land“.

Dann spannte ich einen Handlungsfaden von einem der frühen Prologe des CK 1-E-Books bis hierher und stellte eine Gattung von Dämonenwesen ins Zen­trum, die üblicherweise übel beleumundet sind. Das hat nicht nur mit ihrem sprichwörtlichen Gestank zu tun, sondern auch mit ihrer allgemeinen Lebens­weise. Es handelt sich um Ghouls, kaltblütige, schleimige und unmenschliche Kreaturen, die üblicherweise in Tunnelsystemen unterhalb von menschlichen Friedhöfen leben und Leichen fressen. Der ihnen zugeordnete Dämon heißt Yokohr. Er soll diese vermeintlich orientierungslosen, egozentrischen und duck­mäuserischen Kreaturen kontrollieren.

Der Leser mag anfangs glauben, das geschehe allein aus strategischen Gründen, weil halt jedem Dämon bestimmte Dienerwesen zugeordnet sind. Aber so ein­fach ist das mit den Ghouls nicht. Während ich über der Struktur der oben ge­nannten Church Island-Geschichte grübelte, stellte ich zu meiner nicht geringen Verblüffung fest, dass ich sowohl im CK als auch schon in der OSH-Serie bereits einiges über die Ghouls ausgesagt hatte, das den Anschein erweckte, sie seien deutlich mehr als tumbe Aasfresser. Und das stimmte auch.

Als sie im Herbst 2123 in London in ihrem unterirdischen Labyrinth unter dem dortigen Henkershügel nahe der Themse Thor Gordenbeyl gefangen halten, ei­nen der Helfer des Lichts, erzählen sie ihm eine Legende über ein gottähnliches Wesen, das sie vor Urzeiten ausgeschwitzt haben soll.

Glusem.

Und während bald darauf die Auseinandersetzung mit den Glusem-Dienern und den Ghouls im schottischen Doucester stattfindet, wird man als Leser gewahr, wie erstaunlich komplex doch die Ghoul-Gesellschaft zu sein scheint. Ausge­wählte Individuen beherrschen in Maßen die Telepathie. Die Ghoul-Kolonien stehen miteinander in Verbindung. Sie haben so etwas wie Ältestenräte, so et­was wie Brutgruben.

Das Verhalten der Ghouls ist also durchaus sehr verschieden und kann nicht summarisch über einen Kamm geschoren werden. Sehr schön, dachte ich mir, der ich inzwischen solche stereotypen Darstellungen ganzer Völker – im OSM früher gang und gäbe, ehrlich – als zu plump und primitiv ablehne.

Aber irgendwie spürte ich, dass die Story um Church Island noch nicht richtig funktionierte. Es fehlten noch wesentliche Bestandteile. Okay, dachte ich, als ich den Anfang schrieb, Thor kommt nach Westcott, er hat auch einen Grund dafür. Aber wie geht es weiter?

Da kam mir der rätselhafte namenlose Bote der Spätzeit ins Gedächtnis, und es ereignete sich eine Art von kleiner kreativer Explosion.

Später, sinnierte ich, war dieser Bote ein Glusem-Diener. Aber was war er vor­her? Einfach nur ein Mensch? Das hörte sich irgendwie… simpel an. Falsch, um exakt zu sein.

Ich sinnierte darüber, und dann begann ich gestern früh munter loszuschreiben. Zeitpunkt der Handlung: Frühjahr 2117. Ort: Chichester. Genauer: ein altes, ge­heimes Gewölbe unterhalb von Chichester. Rings um einen Tisch in diesem Raum versammeln sich sechs Männer in schwarzen Anzügen und fahler Haut. Einer davon heißt Shuroshh – und da hatte ich den Namen, den ich seit 35 Jah­ren nicht kannte.

Shuroshh ist der Bote.

Ihr merkt schon am Namen – ein Mensch kann das nicht sein. Nein, ist er auch nicht. Dieses Wesen ist ein so genannter Assimilari.

Assimilari, begriff ich, während ich aus dem Stand die nächsten sieben Seiten ausarbeitete und ein immer genaueres Bild dessen bekam, was da WIRKLICH im CK-Kapitel 26 später passieren würde und was sich jetzt als Handlungshinter­grund für die Church Island-Geschichte herauskristallisierte, sind im streng bio­logischen Sinne Ghouls.

Na ja, dachte ich, aber sie sehen nicht aus wie sie. Keine schleimige Haut, keine Maulwurfskrallen, keine Reißerzähne, mit denen sie Knochen zerbeißen kön­nen… also so überhaupt nicht wie Ghouls. Wie sind sie so geworden, wie sie sind? Normal sehen sie ja nicht gerade aus, mit dem weißen Haar und dem albi­nohaften Teint und den wässrigblauen Augen. Eher wie ein klassisches Zwi­schendrin zwischen Mensch und Ghoul, und das kommt der Wahrheit schon sehr nahe. Es sind tatsächlich Hybride.

Jetzt wurde es monströs, und ich glaube, manche von meinen Lesern werden das Folgende als ziemliche Zumutung verstehen. Es erwies sich aber also abso­lut zwingend und phantastisch plausibel:

Die Evolution der Ghouls im Oki Stanwer Mythos, speziell im KONFLIKT 13, be­ginnt mit der Dämonenwaffe Glusem in grauer Vorzeit auf der Erde. Glusem er­schafft hier frühe Dienerkreaturen, die sich anschließend über zahllose Jahrtau­sende völlig von ihm abnabeln (müssen). Von diesem Moment an schlagen sie evo­lutionär mehrere Pfade ein.

Es gibt einmal die Linie, die man die „klassischen Ghouls“ nennen kann. Wesen mit schleimiger, halbtransparenter Haut, Mörderzahnreihen und einem grausi­gen Heißhunger auf kaltes Menschenfleisch, das sie auf den Friedhöfen vorfin­den. Diese Ghouls neigen dazu, duckmäuserisch zu sein und sich aus allen Kämpfen zwischen Dämonen und Dämonenjägern tunlichst herauszuhalten. Funktioniert nur bedingt gut.

Es gibt weiterhin eine Fraktion, die der ersten sehr ähnlich ist, die sich aber dem Dämon Yokohr von TOTAM anvertraut und unter seinem Schutz steht.

Eine dritte Gruppe sind die Assimilari. Man kann sie sich ein wenig vorstellen wie säkulare Juden im 19. und 20. Jahrhundert – eine zwar durchaus qua Ge­burt elitäre Gruppe von Wesen, die aber ihre ethnischen Eigenheiten weitge­hend ablegt, um sich in die normale Umgebungsgesellschaft einzugliedern, eben zu „assimilieren“, daher ihr Name.

Wie man es als Ghoul schaffen will, sich in die Gesellschaft zu assimilieren? Das klingt doch auf den ersten Blick wenig Erfolg versprechend? Das stimmt. Aber die Assimilari schaffen es dennoch. Irgendwann in der Frühzeit ihrer Entwick­lung entschließen sie sich nämlich dazu, menschliche Frauen nicht kurzerhand zu ermorden und zu fressen, sondern sie vielmehr als Gefangene zu halten und zu schwängern. Anfangs zweifellos eine scheußliche Zwangsmaßnahme, viel­leicht gar eine evolutionäre Entartung, aber im Laufe von Jahrtausenden entwi­ckeln die frühen Assimilari immer mehr Eigenschaften, die sie menschenähnlich machen.

Ihnen wachsen Haare. Ihre Haut verliert ihren schleimigen Charakter (wenn auch nicht die fahle Farbe und die Kälte). Und sie sind unter großen Mühen zu so etwas wie menschlicher, sexueller Fortpflanzung imstande. Das ermöglicht es ihnen, Teil der menschlichen Gesellschaft zu werden und sich hier im Rahmen von Krankenhausdiensten, dem Betrieb von Beerdigungsinstituten, Schlacht­häusern usw. auf relativ unkomplizierte Weise Nahrung zu beschaffen.

Dennoch werden die Assimilari natürlich von den „klassischen“ Ghouls als Per­versionen betrachtet, abstoßende Hybride, die sich mit dem „Nutzvieh“, also der Menschheit, gemein machen. Und deshalb bleiben die Assimilari im Unter­grund und verbergen sich vor den Blicken der Dämonen wie ihrer nicht mutier­ten Artgenossen. Allerdings sind sie so vermenschlicht, dass sie kühle Schlösser und Kellerwohnungen sowie menschliche Betten bevorzugen, in denen sie ja auch ihre durchweg menschlichen Frauen unterbringen und die gemeinsame Nachkommenschaft.

Im März 2117 nun, als die Story „Das Geheimnis von Church Island“ beginnt, tritt eine vierte Gruppe von Ghouls ans Tageslicht. Und sie ist fähig, den ohne­hin sehr fragilen Schwebezustand zwischen Menschen und Ghouls zu zerstören. Denn diese Ghouls der vierten Gruppe sind sehr viel aggressiver als alle ande­ren. Während die traditionellen Ghouls beider Fraktionen sich tunlichst mit Ak­tionen zurückhalten und die Assimilari aus reinem Selbstschutz im Schatten bleiben, sind diese Angehörigen der letzten Fraktion Revoluzzer. Krieger-Ghouls, die von allen anderen für vollkommen entartet gehalten werden… nicht nur wegen ihrer religiösen Fixierung, über die ich hier nichts sagen möchte, um der Geschichtenhandlung nicht vorzugreifen, sondern erst recht wegen ihrer Ag­gressivität und Ernährungsweise.

Ja, die Ernährungsweise, das ist wohl das Perverseste.

Normale“ Ghouls laben sich am Fleisch der Toten in ihren Särgen.

Die Assimilari tun das auch, aber sie sind auch durchaus willens, andere Kada­ver etwa aus Tierverwertungsanstalten oder Schlachthäusern zu verzehren. Sie haben also nicht nur ihr Aussehen und ihre Wohneigenheiten, sondern auch ihre Ernährungsweise diversifiziert und denen der Gesellschaft, in der sie exis­tieren, recht stark angenähert.

Die vierte Gruppe, die radikalen, gewalttätigen und unglaublich aggressiven Ghouls, verzehrt sowohl Leichen… als auch lebendige Opfer. Sie sind mit Wonne Kannibalen. Und sie wollen der Menschheit den Krieg erklären. Das wächst sich zu einer existenziellen Gefahr speziell für die Assimilari aus – und führt zu einer rigiden Gegenaktion.

Die geheimnisvollen Assimilari setzen auf die Kannibalen einen Gegner an, den sie fast selbstmörderisch auf den Plan rufen – Oki Stanwer und das Stanwer-Team, das formell ihr eigener Todfeind ist! Das klingt nach schierem Selbstmord, aber dank der Fähigkeiten der Assimilari wissen diese hochintelligenten Ghouls sehr genau, was sie da tun. In gewisser Weise bekämpfen sie Feuer mit Feuer.

Wie das alles ausgeht? Das erfahrt ihr beizeiten, sobald die Geschichte fertig ist. Tatsache ist jedenfalls, dass ich auf diese Weise sehr konsequent das bisherige Rollenklischee der stumpfsinnigen Leichenfresser durchbrechen konnte und auf einmal die Mosaiksteine, die über Jahrzehnte hinweg überhaupt keinen rechten Sinn zu ergeben schienen, zu einer neuen, modernen Theorie der Ghouls zusammenge­fügt habe.

Ich sage euch, das war echt ein toller Moment, als mir das so zu Bewusstsein kam. Manche Dinge dauern bei mir wirklich viele Jahre. Aber wenn mein Geist dann erst mal auf Hochtouren surrt, kommen so faszinierende, wenn auch viel­leicht moralisch empörende Tatsachen zum Vorschein.

Von den Assimilari werdet ihr vermutlich noch mehr hören. Lasst euch da mal überraschen.

In der kommenden Woche berichte ich dann wieder aus der Rubrik „Was ist ei­gentlich der OSM“, wo ich auch schon auf Folge 60 angelangt bin! Ich glaub’s kaum…!

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

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