Liebe Freunde des OSM,
ja, und damit sind wir dann im Frühjahr des Jahres 2015 angelangt, einem Jahr, in dem sich so vieles ändern sollte, das sich z. T. bis heute (Schreibdatum: 11. Juli 2018) nicht normalisiert hat. In mancherlei Hinsicht kann man sich fragen, ob es Normalisierung nach solchen Ereignissen überhaupt geben kann.
So konnte ich beispielsweise nicht ahnen, dass das Weihnachtsfest 2014 das letzte gewesen sein sollte, das ich mit meiner Mutter verbringen konnte. Und auch nicht, dass bis Ende des Jahres unser Elternhaus geräumt und verkauft sein würde, was dann einen ziemlich endgültigen Schlussstrich unter mehr als 30 meiner Lebensjahre zog. Ich denke, es ist evident, dass ich von einschneidenden Veränderungen spreche. Und wie das so ist… da ich auch als Mensch und Schriftsteller mit meiner Umwelt interagiere, erzeugte diese Kette an Ereignissen natürlich Rückwirkungen, die sich in meinem kreativen Werk ausprägten. Ich werde dazu im Detail noch kommen.
Anfang Januar sah die Lage noch stabil aus. Ich befand mich, nach wie vor auf Arbeitslosengeld II gesetzt, auf Arbeitssuche und schrieb an meinen in Arbeit befindlichen Werken weiter. Das bedeutete primär: kommentierte Abschriften von OSM-Episoden, normale Abschriften nicht-digitalisierter Episoden (primär KONFLIKT 14, 18 und KONFLIKT 24), Abschriften von Gedichten, gelegentliche Blogartikel.
Daneben feilte ich weiter an dem Archipel-Fragment „Miriam Tvallachs Alptraum“, der einen offenen Handlungspfad des Romans „Eine Adelige auf der Flucht“ verfolgte. Mit diesem Fragment hatte ich im Dezember 2014 begonnen, kam aber nicht sehr weit damit.
Ich machte erste Anstrengungen, an einem E-Book zu schreiben, das „Im Feuerglanz der Grünen Galaxis“ heißen sollte. Noch eine Geschichte, die eine unausgegorene Struktur hatte. Unausgegoren? In der Tat, denn ernsthaft: ich dachte darüber nach, die ersten 15 Episoden der OSM-Serie „Oki Stanwer – Bezwinger des Chaos“ darin zu integrieren… ihr werdet sehen, wie absurd das ist, wenn ihr Ende 2018 oder Anfang 2019 das fertige E-Book vorliegen habt. Ich versichere euch, drei Episoden sind weiß Gott schon genug an Stoff auf einmal… die Serie ist wirklich ziemlich komplex und hält keinen Vergleich mit der Serie „Oki Stanwer und das Terrorimperium“ stand, die ihr bisher aus den E-Books kennt. Vertraut mir.
Dann arbeitete ich weiter an dem Archipel-Fragment mit dem provisorischen Titel „Julianna“ und investierte ansonsten unglaublich viel Energie darin, eine digitale, ausführlich überarbeitete Fassung meiner Magisterarbeit von 2002 fertigzustellen. Dazu sollte ich wohl etwas mehr sagen, auch wenn es mit dem OSM oder der Phantastik allgemein rein gar nichts zu tun hat – es ist unter dem biografischen und kreativen Aspekt einfach unverzeihlich, so darüber hinwegzugehen. Darum also ein kleiner, aber ausgiebiger biografiehistorischer Exkurs an dieser Stelle:
Im Jahre 2002 machte ich meinen Magisterabschluss in Neuerer Geschichte an der TU Braunschweig, und zwar mit einer Arbeit, der ich den plakativen Titel „Dunkle Vergangenheit“ gab. Es ist ein vieldeutiger Titel, vollkommen mit Absicht, der im Leser verschiedenste Assoziationen auslöst. Es geht in der Arbeit um einen kleinen temporalen Ausschnitt der Historie der Technischen Hochschule Braunschweig (dem Vorläufer der heutigen TU). In den Jahren zwischen 1927 und 1937 existierte hier die so genannte „kulturwissenschaftliche Abteilung“, mit der ich mich befasste. Mein Fokus war ein biografiegeschichtlicher, weil ich als Manko der bisherigen universitären Geschichtsschreibung festgestellt hatte, dass die meisten Biografien von dort Lehrenden bis heute unerforscht waren (also „dunkel“, womit wir die erste Bedeutungsebene des Magisterarbeitstitels erreicht haben).
Außerdem fand ich, dass das bislang üblicherweise angelegte Raster in Täter und Opfer des NS-Regimes, dessen Zeithorizont sich ja mit der kulturwissenschaftlichen Abteilung überlappte, zu grob war. Bei meinem ausgiebigen Aktenstudium anlässlich der Recherchen der Magisterarbeit – daraus resultierte übrigens mein bis heute starker Neigungsfokus auf Archive und Archivarbeit – fand ich auch rasch die Vermutung bestätigt, dass die meisten Protagonisten, über die man hinreichend Material fand, in diese beiden Kategorien nicht einzusortieren waren. Im Gegenteil: je mehr ich mich mit „meinen Leuten“ befasste, desto klarer wurde mir, dass ein Schwarzweiß-Raster nutzlos war. Die meisten Personen gehörten in die Grauzone dazwischen. Wenn man also das „dunkel“ im Sinne von vertuschter Verstrickung in NS-Aktivitäten verstehen wollte (zweite Bedeutungsebene), dann würde man in der Erwartung ziemlich überrascht werden.
Ich war nicht auf Nazijagd.
Ich war auch nicht auf dem Opfertrip (wie so viele Historiker, die sich mit der jüngeren deutschen Geschichte befassen. Mein Kampf ist das nicht).
Ich war biografischer Spürhund und fahndete nach dem Ungesagten, nach den unglaublichen Dingen, die durch das grobmaschige Raster der bisherigen Fahndung hindurchgefallen war. Und da kam allerlei zutage. Da fand ich Architekten, die Französischlektoren wurden. Da fand ich einen ehemaligen Geheimagenten. Da wurde ich posthum Zeuge von offenkundigen Betrugsversuchen, absurden Schriftwechseln zwischen Hochschulen… und vielleicht (das ließ sich nicht restlos klären) auch Mitwisser eines in den Suizid getriebenen Hochschullehrers, dem man bis heute den Opferstatus absprach. Darüber kann man immer noch streiten.
Dass ich diese Arbeit seit 2002 einfach auf sich beruhen ließ, zeigt eigentlich ziemlich klar, wie gering meine Karriereambitionen ausgeprägt sind. Mir hätte das durchaus genügt… aber es gab eben jemanden, der sehr von dieser Arbeit begeistert war und sie viel zu schade fand, sie unerkannt irgendwo verstauben zu lassen. Die Person redete mir ins Gewissen, stachelte mich an, half bei erweiterter Recherche und diversen Passagen, für die ich mich nicht hinreichend kompetent hielt. Und so konnte die Arbeit unter dem neuen Titel „Sieben Leben“ Anfang 2015 in der Digitalen Bibliothek Braunschweig veröffentlicht werden. Seither ist sie also für weitere Forscher, die an der Universitätsgeschichte arbeiten wollen, allgemein als Quellenbasis zugänglich.
Dass man mich dazu überredet hat, freut mich bis heute sehr. Aus eigenem Antrieb hätte ich das vermutlich nicht getan. Ich bin in mancherlei Weise einfach zu genügsam.
Dies war jedenfalls der Grund, warum ich im Januar effektiv nur auf 20 beendete eigenständige Werke kam, darunter die reformierte Magisterarbeit.
Im Februar ging diese Rate auf 15 Werke zurück. Das hatte nun ebenfalls biografische Gründe – es ging meiner Mutter zunehmend schlechter. Ich war häufiger in Gifhorn, um in unserem gemeinsamen Projekt voranzukommen, dem „Gedächtnisskript“ ihrer Lebenserinnerungen. Irgendwo hatte ich unterschwellig wohl das nagende Gefühl, uns liefe die Zeit davon. Eine Einschätzung, die sich leider bewahrheiten sollte.
Ich arbeitete an den begonnenen OSM-Serienabschriften weiter und überarbeitete Geschichten wie „Ein Traum namens Frafra“ und „Wächter wider Willen“, die ich für meine nächste Storysammlung im E-Book-Format nutzen wollte.
Da schlug das Schicksal schon wieder zu: ein guter Freund von mir starb völlig unerwartet, erst wenig mehr als 50 Jahre alt. Da er leider erst Tage später gefunden wurde, gehen wir engen Freunde davon aus, dass er eine Art Gehirnschlag erlitt… ihr könnt euch denken, dass mich das, ebenso wie das Begräbnis, das in diesem Monat im Friedwald am Elm stattfand, doch gehörig in meinem Schreibdrang dämpfte. Ich reagiere auf so etwas einfach immer empfindsamer, je älter ich werde – das habe ich auch bei späteren Todesfällen bis in den Winter 2017 hinein gespürt. Das wirft mich einfach mächtig in meinem Schaffensdrang zurück.
Ich verfasste deshalb also mehrheitlich Blogartikel in diesem Monat, außerdem einen Nachruf auf meinen verstorbenen Freund Peter, und am Ende versuchte ich ein wenig fahrig, noch am Archipel-Roman „Die Suyenka“ weiterzukommen.
Kam ich allzu weit? Nein, natürlich nicht.
Wie gelang es mir dann, im März 2015 die Zahl fertiger Werke zu verdoppeln, also auf 30 zu kommen? Das hatte was mit Vorarbeiten zu tun, vielleicht auch damit, dass ich entsprechende Stimuli bekam. Tatsache ist, dass ich in diesem Monat drei E-Book-Skripte fertigstellen konnte: „Zurück zu den Sargkolonnen“, „Vaniyaa und die Shonta“ und „TRANCRAN-4462“, die ja auch wirklich eng verzahnt sind. Acht Blogartikel, ein Interview und ein Artikel zu meinem E-Book-Programm für das Garching-Conbuch 2015 kamen hinzu. Auch hatte der Besuch des DortCons, der dieses Jahr im März stattfand, sehr stimulierenden Einfluss und brachte mich gründlich auf andere Ideen.
Das führte auch dazu, dass ich an Werken weiterschrieb, die sonst eher stiefmütterlich behandelt wurden. Als da wären: „Tödliche Entscheidung“ (Band 54 der Serie „Oki Stanwer – Der Neutralkrieger“), die Archipel-Novelle „Sarittas Hilflosigkeit“, „Ziel – Liquidation“ (eine transuniverselle OSM-Geschichte), „Tengoor und Malisia“ (Archipel), „Rhondas Aufstieg“, „Die blonde Verlockung“ und „Raubgut“ (beides Archipel-Novellen). Hinzu kam die Weiterarbeit an der Abschrift des OSM-Romans „Kämpfer gegen den Tod“, der Beginn der Überarbeitung von „Die Kristalltränen“.
Gedichtabschriften und kommentierte Abschriften von OSM-Episoden kamen dazu. Außerdem war ich, was E-Books anging, so im Flow, dass ich schon damit begann, die E-Books „Reinkarnation und andere phantastische Geschichten“, „Auf Götterpfaden“ sowie „Hinter der Raumzeitwand“ vorzubereiten.
Alles in allem fühlte ich mich Ende März dergestalt, dass ich dachte, die Leistungskurve würde jetzt allmählich wieder aufwärts zeigen… nicht völlig unberechtigt, wie meine erwähnten Arbeiten bezeugen. Aber das war gewissermaßen nur die Ruhe vor dem Sturm. Es sollte sich alsbald leider ändern. Davon berichte ich im nächsten Teil meiner Artikelreihe.
Bis nächste Woche, Freunde, mit
Oki Stanwers Gruß,
euer Uwe.