Liebe Freunde des OSM,
ach, wenn ihr doch nur sehen könntet, wie gegenwärtig meine Wohnung ausschaut! Ihr würdet euch vermutlich ganz unweigerlich fragen, ob dies eine Art wüster Bücherflohmarkt sein soll, ein Räumungsunternehmen oder etwas in der Art… aber weit gefehlt. Es ist ein Projekt, das ich seit langer Zeit in Angriff hätte nehmen sollen, das sich aber nun beim allerbesten Willen nicht mehr aufschieben ließ. Ich weiß, jetzt – aktuell schreiben wir den 17. Dezember 2017 – ist der Zeitpunkt dafür denkbar ungünstig, weil es noch jede Menge anderes zu tun gibt… doch gibt es manchmal Dinge, die man tun MUSS, weil man ihnen wirklich nicht mehr ausweichen kann. Das hier ist so etwas.
Zunächst einen kurzen Blick auf den aktuellen Zustand, dann komme ich zur Erläuterung dessen, was hier eigentlich vor sich geht.
Wer heutzutage in meine Wohnung träte, würde gleich im Flur mit mehreren fast hüfthohen Stapeln Bücher konfrontiert werden, die von „Jean Ray: Das Storchenhaus“ bis „OMGUS: Ermittlungen gegen die I. G. Farben“ reichen (so die obersten Titel des ersten und des letzten Stapels.
Ein Blick nach links in die Küche offenbarte ein Dutzend weiterer Bücherstapel, die dort meinen Küchentisch so füllen, dass ich mein Frühstück, nähme ich es in der Küche ein, im Zentrum eines Büchergebirges einnehmen würde. Alle Bücher dort wurden von Verfassern oder Herausgebern verfasst, die mit Buchstaben B anfangen. Auf dem Boden befinden sich außerdem noch Bücherstapel für Ray Bradbury, Peter Berling und andere B-Autoren.
Ein weiterer Blick eine Zimmertür weiter den schmalen, von Bücherregalen zugestellten Korridor hinunter (diese Bücherregale bestechen auch weiterhin durch akkurate, unberührte Ordnung, ich erkläre gleich, weshalb), würde in mein Arbeitszimmer führen, das auf den ersten Blick aufgeräumt wirkt. Dann fiele aber bei einem Blick links zum Bücherschrank zwischen den CD-Regalen auf, dass die oberste Ebene rappelvoll ist mit Büchern, bei denen Autoren wie Charles Sheffield, Rupert Sheldrake und Brian Stableford auffallen. Die drei Schrankfächer darunter sind fast leer bis auf weitere unorganisierte Bücherstapel. Dasselbe Bild bieten auch zwei weitere Regalfächer gegenüber der Tür.
So kennt man mich gar nicht? Wahr. Aber das ist ja noch nicht alles.
Wer meine Wohnung kennt, dem ist klar, dass es natürlich noch zwei Räume mit Büchern gibt, das prominenteste ist mein Bibliothekszimmer hinter der Glastür am Korridorende. Inzwischen ist es fast unbetretbar, so viele Bücherstapel reihen sich hier am Boden links und rechts aneinander. Will ich an die hinteren Bücherregale, wo die Majorität meiner ungelesenen historisch-philosophischen Bücher steht, so muss ich mich nun mühsam zwischen den Bücherstapeln hindurchschlängeln. Schweißtreibend, wenn man dabei hohe Bücherstapel zu balancieren hat… und in den letzten Tagen habe ich auch schon mit ungeschickten Fußbewegungen den einen oder anderen Stapel zum Einsturz und mich zum verhaltenen Fluchen gebracht.
Ach ja, man muss erst durch das Tal des Chaos gehen, ehe sich Ordnung abzeichnet, fürwahr… mir war klar, dass das eine echte Knochenarbeit ist. Auf der anderen Seite ist sie absolut unverzichtbar.
Okay, ihr seht also, ich lebe derzeit in einem echten Sturm von Büchern, die jedes Antiquariat vermutlich gern sehen würde – aber das ist kein Versuch der Buchaussonderung (na ja, obwohl… eine Dublette gefunden habe ich schon, und ein Ziel dieser Aktion ist definitiv durchaus eine Verringerung des Buchbestandes, aber das ist nur so ein Nebeneffekt des Ganzen). Nein, das ist es also definitiv nicht. Was hingegen die Frage nach dem Warum nur umso verstärkter stellt.
Warum also verwandele ich meine Wohnung in einen Büchersumpf? Bin ich Masochist, der gern wissen möchte, wie viele zehntausend Seiten ich noch an ungelesenem Lesestoff vor mir habe? Nein, gewiss nicht. Ich bin mir darüber vollkommen im Klaren, ohne die Regale ausräumen zu müssen. Das hat einen ganz anderen Grund. Um den aber transparent zu machen, ist es erforderlich, dass ihr ein wenig von meiner systematischen Organisation der eigenen Bücherbestände erfahrt. Bis zum 22. April 2018, wenn dieser Artikel planmäßig erscheinen soll, wird das Chaos längst behoben sein und eine völlig neue Ordnung eingekehrt sein. Das ist das letztendliche Ziel.
Die bisherige Bücheraufstellordnung ist eine dreigeteilte. Ich unterscheide meine Bücher einmal nach a) historisch-philosophischen Werken (inklusive historische Romane und Zeitreisegeschichten), b) sonstiger Belletristik und Sachbüchern, und dann gibt es noch c) den Bestand der schon gelesenen Bücher.
Sinnvollerweise sollte man annehmen, dass alle Bestände gleich organisiert sind. Das ist bislang leider nicht restlos der Fall, und deshalb ist dieser Organisationstornado, den ich derzeit durchmache, unumgänglich gewesen. Ich habe mich jahrelang dagegen gesträubt, aus reinen Bequemlichkeitsgründen. Die Bestände a) und c) sind klar von A-Z durchorganisiert, wie man das ja erwarten würde. Der Bestand b) ist das prinzipiell auch, aber er hat eben auch ein Annuitätsprinzip. Will heißen: die noch nicht gelesenen belletristischen Werke stelle ich der Reihe nach jahrgangsweise auf. Innerhalb der Jahrgänge sind die Bücher alphabetisch geordnet. Es ist also nicht so, dass ich grundsätzlich eine andere Struktur darin hätte… ich sah nur davon ab, alle belletristischen Werke ungeachtet der Jahre in eine Reihung aufzunehmen.
Warum tat ich das? Weil mir natürlich der Nachteil der anderen beiden Bestände stets vor Augen stand: wenn ich Neuzugänge habe, muss ich den gesamten Bestand rücken – beispielsweise, wenn ich Bücher von Stephen Baxter oder Iain Banks oder so finde oder geschenkt bekomme.
Dann alles noch mal neu rücken? Bin ich verrückt?, dachte ich. Nee… das ist viel bequemer, die Bücher dann jahrgangsweise zu organisieren und sie anschließend innerhalb der Jahrgänge zu alphabetisieren…
Das stimmte prinzipiell auch. Theoretisch hätte ich auch eine Signatur vergeben und die alphabetische Struktur ganz außen vor lassen können (wie es in den meisten Bibliotheken geschieht, wo es allerdings in der Regel um völlig andere Buchzahlen in Größenordnungen von Hunderttausenden bis Millionen Werken geht). Aber das war mir dann doch des Aufwandes zuviel. Bei mir handelt es sich ja „nur“ um rund dreitausend Werke.
Tja. „Nur“ ist gut gesagt. Habt ihr mal dreitausend Bücher auf einem Haufen gesehen? Nur soviel: es ist ein höchst imposanter, einschüchternder Eindruck.
Mein aktueller Plan, der dem „wohlorganisierten Chaos“ zugrunde liegt, ist also folgender: Ich verschmelze die Bestände a) und b) miteinander. Da Bestand c) ja schon alphabetisch organisiert ist und ich nicht vorhabe, ungelesene und gelesene Werke miteinander zu vermischen, gibt es Bereiche der Wohnung, die vom Neuordnungswahn (lach) verschont bleiben. Dazu zählt, ich deutete das oben an, der gesamte Korridor mit seinen vier Regalen, das erste rechte Regal im Bibliothekszimmer und einige Bereiche des dritten Raumes, des Wäschezimmers. Und nein, in dem Raum gibt es derzeit zwar leere Regalfächer und einen leeren Schrank, aber keine Bücherstapel. Ich baue ja nicht alles zu…
Um jedenfalls erst mal eine Grundordnung zu erhalten, war es notwendig, das Regal im Bibliothekszimmer ganz links an der Fensterfront befindet, auszuräumen. Das hatte ich schon länger vor. Dort stehen die jahrgangsweise alphabetischen Bücher der Jahre 1998 bis 2002, jedenfalls war das so etwa der Horizont. Sie waren nahezu unzugänglich.
Weshalb das?
Das hat mit dem Erbe meiner verstorbenen Mutter zu tun: ich erbte auch einen erheblichen Teil meiner elterlichen historischen Buchbestände, und sie stapelten sich anderthalb Jahre lang direkt vor dem Regal auf dem Fußboden. Das war, fand ich, auf Dauer wirklich kein Zustand – und damit fing dann die Umstrukturierungsgeschichte eigentlich an. Um sie in das eben genannte Regal einzufügen, musste ich natürlich die dort stehenden Bücher entfernen.
„Dann kann ich doch auch gleich die Umsortierung in Angriff nehmen“, dachte ich. „Sonst habe ich hier einen Haufen Bücher am Boden rumstehen, und die Situation hat nur das Gesicht gewechselt, aber nicht die Struktur.“
Gesagt, getan… und der Bücherrausch fing an. Das ist so ein wenig wie ein Dominospiel, bei dem man die Steine aufstellt und dann aus Versehen gegeneinander stößt. Fällt einer, fallen sie – richtig aufgestellt – fast unvermeidlich alle. Auch hier zog eine Handlung die nächste nach sich, und das Resultat habe ich eingangs geschildert.
Aktuell habe ich mich durch die Buchbestände des Buchstabens A gearbeitet und die Bücher bis Bea aufgestellt. Ich glaube, Greg Bear war so ziemlich der letzte Autor dieses Blogs. In der Küche stehen jetzt die restlichen Stapel des Buchstabens B, einfach ziemlich unglaublich viele. Bin froh, wenn ich bei C ankomme, das sind dann deutlich weniger. Bei B habe ich halt solche Leute wie James Graham Ballard, Iain Banks, Ray Bradbury, Stephen Baxter usw., die viele Werke ungelesener Natur beisteuern. Buchstabengruppen wie C, E oder J sind vergleichsweise überschaubar (jedenfalls noch: ich habe noch nicht alle Jahrgangsbestände der Gruppe b) auseinander sortiert.
Warum, mögt ihr euch jetzt vielleicht fragen, gehört diese Erörterung unter „Logbuch des Autors“, wo das doch mit dem Schreiben nichts zu tun hat? Das will ich euch gern verraten. Dieser Gedanke ist nämlich ein Irrtum, wenn auch ein verständlicher.
Zum einen BIN ich gerade am Schreiben, und zwar aus aktuellem Anlass – was ich in dieser Rubrik halt immer tun wollte und mache. Insofern ist diese Erörterung hier sehr wohl am Platz. Zweitens aber wollte ich euch damit zeigen, was mich aktuell vom Schreiben wirkungsvoll abhält – es gibt eben Notwendigkeiten, die mich dann so vollkommen beanspruchen, dass ich fürs Schreiben an sich keinen Raum und keine Kapazitäten mehr habe. Ich kann zwar schlecht vermitteln, was für einen verführerischen Reiz es hat, statt an der Tastatur zu sitzen, an die Regale und Schränke zu gehen und die ungelesenen Bücher herauszuholen, um sie auf die entsprechenden Buchstabenstapel zu sortieren… aber vertraut mir, Freunde, das ist eine Verlockung, die mich heute Nacht immer wieder umgetrieben hat, bis nach 1 Uhr nachts.
Schlimm. Fehlt nur noch, dass ich von Bücherstapeln träume (heute früh hatte ich im Halbschlaf so das dumpfe Gefühl, das täte ich… aber als ich dann richtig erwacht war, hatte sich der Gedanke verflüchtigt, wie das leider meist so ist). Das würde echt passen.
So kann’s also kommen. Man ahnt nix Böses, und auf einmal steht man inmitten eines ausgewachsenen Büchertornados, der mich zum Teil mit Werken konfrontiert, die ich seit Jahren nicht mehr in den Händen hatte. Das ist toll. Und auf der anderen Seite entdecke ich Werke, die ich vor 15 oder mehr Jahren gekauft oder anderweitig erworben habe, wäge sie in der Hand und überlege: „Muss ich wirklich irgendwann mal ein Buch über Druiden lesen? Oder über die Deutschordensritter? Was ist mit diesen Romanen über den Zweiten Weltkrieg? Werde ich die jemals durchschmökern?“
Ihr merkt, es gibt da einiges an Potenzial, das meine Denkfähigkeit durchaus beansprucht. Es ist nicht nur stumpfsinniges Rausholen der Bücher, alphabetisches Zusammensortieren und wieder wegstellen… das erfordert durchaus einiges an Grips. Denn die Bücher, die ich so aus dem Bestand entferne, werden natürlich auch in meinen Bücherlisten und in der Buchkartei ausgetragen werden müssen, damit mir nicht solche dämlichen Dinge passieren wie ich sie jetzt schon entdeckt habe.
Wovon ich spreche? Na, ich sagte doch oben, dass ich schon eine Dublette entdeckte. Was ich ebenfalls gestern fand, war ein Buch, das aktuell immer noch auf meiner Suchliste steht, was ich aber schon seit mehreren Jahren besitze… verdammte blinde Flecken! Das kommt davon, wenn man viele ungelesene Bücher hat und manchmal vergisst, Erwerbungen aus den Suchlisten zu tilgen. Da kommt man in schönste Schwierigkeiten.
Gewiss, mich hält die Erwartung des endgültigen Anblicks der geordneten Bücherregale bei Laune, das will ich überhaupt nicht abstreiten. Das vorhin erwähnte ganz linke Regal im Bibliothekszimmer ist jetzt schon schöner als je zuvor strukturiert, reicht aber gerade mal bis Charles Baudelaire (so der aktuelle Stand. Da ich momentan nur die Bücher bis Ende 2016 zusammenstelle, wird das Jahr 2017 vorläufig noch einen „alten b)-Bestand“ ergeben und erst irgendwann im Sommer oder Herbst 2018 eingegliedert werden).
Also, ich bin gerade bei den Be-Büchern, da ist noch viel Arbeit voraus… aber ihr seht an dem, was ich eben schilderte, woran ich gerade laboriere. Und glaubt mir: mit einer wohlsortierten Bibliothek arbeitet es sich sehr viel besser und effizienter als bislang. Es gibt also viele gute Gründe, das gegenwärtige Chaos durchzustehen. Drückt mir die Daumen… kann ich gebrauchen.
In der nächsten Woche werden wir wieder bodenständiger, dann erzähle ich euch, was ich so im Januar 2018 alles kreativ geschafft habe.
Macht es gut und bis bald, mit
Oki Stanwers Gruß,
euer Uwe.