Liebe Freunde des OSM,
es gibt grässliche Lebensläufe im Oki Stanwer Mythos, von denen ihr bislang noch nicht sehr viel mitbekommen habt, weil noch so wenig vom Gesamtwerk erschienen ist. Aktuell lernt ihr gerade das unglaubliche Leben der yantihnischen Linguistin Vaniyaa kennen, wenn ihr meiner Serie „Oki Stanwer und das Terrorimperium“ (TI) folgt. Ihr habt auch schon in Annalen 1: „In der Hölle“ anno 2013 den armen Techno-Feinmechaniker Hanamanjin verfolgen können.
Das ist freilich nichts gegen das Schicksal, das ich gerade hautnah miterlebe, während ich den OSM-Band 1750 seiner Vollendung näher bringe (ist nicht mehr viel Stoff, die Geschichte ist fast vollendet). Heute möchte ich euch also ein wenig von der Welt berichten, in der ich mich gerade aufhalte, einem Planeten namens Tornolaan, und von einem Mann, der dort lebt und… ja, vom Schicksal geschlagen ist. Ich glaube, das trifft es ganz gut.
Alles ging im Mai 2015 eigentlich los.
Anfang Mai starb meine Mutter recht unerwartet im Alter von 75 Jahren, was angesichts ihres schlimmen Gesundheitszustandes zweifellos eine Erlösung für sie gewesen ist… mich stürzte dieser familiäre Trauerfall in eine kreative Turbulenz. Mein vorheriger Plan, die OSM-Episode „Tödliche Entscheidung“ in KONFLIKT 24, d. h. der Serie „Oki Stanwer – Der Neutralkrieger“ (NK) zum Band 1750 zu machen, erlitt einen schweren Rückschlag.
Wochenlang machte ich alles mögliche andere, aber ich beschäftigte mich kaum mit dem OSM… und als es dann endlich wieder soweit war, stolperte ich in Band 33 der Serie „Oki Stanwer – Der Insel-Regent“ (IR) hinein, in „Traum-Experimente“.
Moment, mögt ihr jetzt sagen, wenn ihr eure Detailkenntnis aus den Blogartikeln über den Aufbau des OSM – speziell aus dem Blogartikel 100 – noch präsent habt, Moment, Uwe, das ist doch KONFLIKT 4, der liegt rund 100 Milliarden Handlungsjahre früher als KONFLIKT 24…
Ja, das stimmt. Aber die Handlung ließ sich nicht aufhalten. Ich rauschte durch diesen Band 33 – Teil 1 einer Trilogie – hindurch wie ein heißes Messer durch ein Stück Butter, es war einfach phantastisch. Und noch schöner: während ich schrieb, tauchten die bislang unbekannten Titel der Bände 34 und 35 auch auf. Band 34 „Flug zur Museumswelt“ wurde dann recht unvermittelt zum OSM-Band 1749. Und der nächste Band, Nr. 35 mit dem Titel „Projekt Vergangenheit“, bedrängte mich.
Also änderte ich meinen Entschluss und begann, diesen Band in die Nr. 1750 zu verwandeln – ein Entschluss, den ich nicht bereue, wie ich sagen muss. Inzwischen hat dieses Werk schon 52 einzeilige Seiten, ich schätze, es könnte noch fünfzehn bis zwanzig weitere bekommen. Und das ist dann der Schauplatz meines aktuellen Schreibprozesses:
Wir schreiben im INSEL-Imperium Oki Stanwers und der Baumeister das Jahr 2562, und die Baumeister warten seit zweieinhalb Jahrtausenden auf die bedrohliche Attacke der Macht TOTAM, die irgendwo unlokalisierbar außerhalb der INSEL-Grenzen lauert. Als plötzlich Gebäude und Technos spurlos verschwinden – vgl. Annalen 1! – , da ist es ein einzelner Baumeister namens Naam, der diese Vorkommnisse beachtenswert findet.
Naam ist aber ohnehin schon eine schrullige Persönlichkeit gewesen, von seinen Artgenossen skeptisch beäugt, weil er sich mit so kuriosen Randerscheinungen wie „Matrixfehlern“ abgibt. Doch Naam ist auf einer heißen Spur, die sengend heiß wird, als er auf den Techno-Träumer Torkeron von Tushwannet stößt und auf seine Gefährtin Rilaan.
Torkeron besitzt eine unheimliche Gabe. Er scheint wie ein parapsychisches Radar Spuren TOTAMS ausfindig zu machen, und Naam lässt ihn und Rilaan auf den ZYNEEGHAR 98.199 am Rand der INSEL bringen, um Näheres herauszufinden.
Hier hat Torkeron eine grässliche neue Vision, die von der vollständigen Zerstörung eben dieses ZYNEEGHARS handelt, auf dem sie sich befinden… und zwar in der nächsten Zukunft. Einzige Chance, diesem Verhängnis zu entgehen, so geht es aus seinen Träumen hervor, ist der „Sektor 977“.
Dieser Sektor 977 ist eine Einteilung der alten Techno-Astronomie, und in diesem Sektor liegt nur ein einziges von Technos besiedeltes System, nämlich das Valuusch-System mit elf Planeten, deren fünfter den Namen Tornolaan trägt.
Tornolaan ist eine seltsame Welt, von der Zeit fast vergessen… manche nennen diesen Planeten auch „Museumswelt“, und das hat seine Gründe. Ich stellte das schnell fest, als ich in Blitzgeschwindigkeit Band 34 der IR-Serie schrieb. Parallel dazu entstand schlagartig der Anfang der Geschichte „Besuch in der Heimat“, die zu erheblichen Teilen auf Tornolaan spielen wird, einer wirklich beeindruckenden, phantastischen und durch und durch melancholischen Welt mit seltsamen Regeln.
Tornolaan wurde einige Jahrzehnte vor Gründung der INSEL besiedelt, und die Familie der Sanjaahel-Technos ergriff hier die Macht und baute sie im „Rat der Sekretäre“ immer weiter aus, bis sie schließlich eine Art von Erb-Monarchie darstellten. Das wäre unproblematisch gewesen, weil die Baumeister solchen Gesellschaftsformen aufgeschlossen gegenüberstanden… aber die Sanjaahel entwickelten von Anfang an eine ausgesprochene Paranoia gegenüber den Baumeistern und schlossen mit Oki Stanwers Bündnispartnern einen Pakt von weitreichender Konsequenz.
Wie der aussah? Nun, während auf Technoros, der Techno-Zentralwelt und zahllosen anderen Kolonialwelten des Techno-Imperiums recht schnell durch die Baumeister-Hightech eine dramatische Revolutionierung und Potenzierung der wirtschaftlichen Möglichkeiten eintrat, während dort durch die Errichtung von Baumeister-Portalen und der Etablierung der Kugelmaschinen-Technologie alle Energieversorgungsprobleme und Reisekomplikationen der Vergangenheit angehörten, verboten die Sanjaahel jedweden derartigen Technologietransfer ins Valuusch-System.
Keine Transmitter.
Keine Kugelmaschinen.
Keine Besuche von Baumeistern. Nie.
Und zwar solange, wie der Sanjaahel-Clan an der Macht blieb.
Die Baumeister waren der Auffassung, es sei nur eine Frage der Zeit, bis die Sanjaahel oder andere Technos im Valuusch-System Vernunft annähmen. Doch sie irrten sich. Die Sanjaahel klammerten sich an die Macht und schalteten nach und nach jedwede Opposition aus. Zumeist wurden Oppositionelle auf Lebenszeit in die INSEL verbannt. Auch in der Gegenwart sind die in zahlreiche Unterfamilien zersplitterten Sanjaahel auf Tornolaan nach wie vor an der Macht, das Abkommen ist also in Geltung.
Und dann wurde im Jahre 2500 INSEL-Zeitrechnung der Techno Scheverlay von der Linie der Yildar-Sanjaahel auf der Nordhalbkugel von Tornolaan geboren. Sein Name tauchte in mir wirklich blitzartig am 26. Mai auf, und binnen Stundenfrist tauchten so viele Details in mir auf, dass ich ihm im Band 35 der IR-Serie breiten Raum einräumte.
Er brauchte ihn, weil er die letzte große Person dieser Serie sein wird. Gewissermaßen ihr Schlussstein. Eine tragische Gestalt, wenn man so will.
Scheverlay Yildar-Sanjaahel ist ein für Techno-Maßstäbe erstaunlich großer Mann, und er wächst ganz so auf, wie die Sanjaahel-Sprösslinge auf Tornolaan das eben so tun – er wird von Robotlehrern unterrichtet, hat Klone als Freunde, und sein Sinnen und Trachten ist ganz auf die landwirtschaftlichen Besitzungen seines Clans ausgerichtet… jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, da ihn am 5. Zuntuur 2530 INSEL-Zeitrechnung eine seltsame, fiebrige Erkrankung für 24 Tage in ein unerklärliches Koma wirft.
Selbst die hoch entwickelte Biotechnologie von Tornolaan ist ratlos, was diesen Zustand und seine Ursache angeht. Als Scheverlay nach diesen 24 Tagen wieder erwacht, ist er gründlich verwandelt.
Auf einmal interessiert ihn seine bisherige familiäre Bestimmung kein bisschen mehr. Er entwickelt eine bizarre, unglaubliche Leidenschaft für Raumfahrttechnik und Astronomie – und schließlich lässt er sich in der fast völlig verlassenen Metropole Oplareen am Jaasis-Ozean von dem greisen Technik-Archivar Lhaiguur ebenfalls zum Technik-Archivar ausbilden.
Das Herzstück des großen Technikmuseums von Oplareen ist ein mächtiges, uraltes Raumschiff der Technos, die RASLOORED – ein Nachbau jenes ursprünglichen Siedlungsschiffes, mit dem vor mehr als zweieinhalb Jahrtausenden die Siedler hier nach Tornolaan gekommen sind.
Was niemand weiß, ist, was Scheverlay in seiner komatösen Zeit erlebt hat – er hat, und das ist dann eine beängstigende Entdeckung für die Zukunft, eine Art von Vision erlebt.
Wenn man das Vision nennen kann: Er sah sich an der Seite des Archivars Lhaiguur, den er noch nie gesehen hatte, im Technikmuseum von Oplareen, das ihm ebenfalls unbekannt war… und schließlich entdeckte er sich selbst, in der Zentrale der RASLOORED stehend, umringt von ihm unbekannten Technos… und dies alles, während sie mit dem Schiff durch den Weltraum flogen und ein fernes, bizarres Fahrtziel ansteuerten: eine unheimliche schwarze Welt unter dem glühenden Schein einer grünen, doch gleichwohl unsichtbaren Sonne.
Wer hier „TOTAM?“ und „Granat?“ wispert und sich an „In der Hölle“ erinnert, ist absolut auf dem richtigen Dampfer unterwegs.
All diese ungeheuerlichen Dinge, wie Scheverlay fand, würden an dem Tag beginnen, da ein Pfeilraumschiff der Baumeister in den Orbit um Tornolaan einschwenkte und ein leibhaftiger Baumeister namens Naam die Landeerlaubnis auf Tornolaan erbitte.
Für diesen unglaublichen Tag müsse Scheverlay vorbereitet sein. Und da er wieder und immer wieder in den folgenden 32 Jahren all diese Dinge träumt, teilweise wortgetreu immer von neuem, und da sich, je älter er wird, immer mehr von diesen Ereignissen in der Wirklichkeit abbildet, hat er bald das Gefühl, es handele sich um Schicksal.
Um eine göttliche Fügung oder dergleichen, jedenfalls um etwas, dem man vielleicht nur entgehen könne, indem man sich umbrächte. Doch das ist Scheverlays Sache nicht – vielmehr nimmt er diese Verpflichtung und Bürde, wie er sie versteht, an. Und erleichtert wird ihm das durch zwei Details seines präkognostischen Traumes (oder was immer es sein mag).
Zum einen sieht er in seinem Traum immerzu einen unglücklichen jungen Techno, von dem er recht bald weiß, dass sein Name Torkeron ist. Torkeron, so wird ihm klar, spielt eine bedeutende Rolle in den ganzen Ereignissen, in die sie beide eingeflochten sind. Und ihre Gaben sind von durchaus ähnlicher Form. Sie werden einander durch die bloße Gegenwart des Anderen zu trösten verstehen.
Und zum zweiten ist Scheverlay ebenfalls schnell bewusst, dass sein „Projekt Vergangenheit“, das er heimlich initiiert, die einzige Chance ist, um die INSEL vielleicht noch zu retten. Und mit der INSEL seine eigene Heimat und das Volk der Technos.
Wenn sie versagen, das wird ihm klar, ist alles verloren.
Er DARF sich also nicht kurzerhand umbringen, sonst würde er alle Intelligenzen in einem Umkreis von Tausenden von Lichtjahren zum sicheren Tod verurteilen.
Und schließlich, am 28. Naaled 2562 INSEL-Zeitrechnung, materialisiert tatsächlich nach vielen Jahrhunderten vollkommener Vernachlässigung durch die Herrscher der INSEL ein Raumschiff der Baumeister im Orbit um Tornolaan. An Bord: ein Baumeister namens Naam.
Scheverlay weiß, dass seine Stunde gekommen ist.
„Projekt Vergangenheit“ beginnt zu leben…
Ich sage euch, Freunde, diese Geschichte schreibt sich wie von selbst, es ist einfach phantastisch. Und ich schreibe sie ständig mit einem lachenden und einem weinenden Auge… lachend deshalb, weil es mich so glücklich stimmt, dass dies alles so flink von der Hand geht, dass es eine reine Wonne ist. Und weinend deswegen, weil mir klar ist: dies ist tatsächlich der Anfang vom Ende der INSEL. Unermessliches Grauen kündigt sich an, unaufhaltsam wie eine mörderische Lawine.
Nichts kann das jetzt mehr aufhalten.
Ein wenig fühle ich mich wie einst im Jahre 1997, als mein Großvater starb und ich in einem furiosen Sturmlauf, der keine Ablenkung mehr zuließ, wie rasend die Schlussbände im KONFLIKT 20 „Oki und Cbalon – Das Ewigkeitsteam“ (OuC) schrieb.
Gott stehe den armen Technos bei, sie haben mein volles Mitgefühl.
Ihr werdet es erleben, was da passiert, und zwar sehr bald auf diesen Seiten in meinem Blog. Es ist nicht anzunehmen, dass der Finalzyklus des KONFLIKTS 4 noch sehr lange auf sich warten lässt.
In der kommenden Woche wartet aber dann etwas leichtere Kost auf euch. Da werde ich euch wieder in die Reihe „Aus den Annalen der Ewigkeit – alt und neu“ entführen und etwas über das diesbezügliche Kreativjahr 1991 erzählen. Ich denke, das ist eine interessante Lektüre und freue mich drauf, euch wieder als neugierige Leser an dieser Stelle begrüßen zu können.
Oki Stanwers Gruß,
euer Uwe.