Liebe Freunde des OSM,
Filmrezensionen in meinem Blog sind selten. Das hat nichts damit zu tun, dass ich keine Filme anschaue, das tue ich häufig und gern. Es ist nur so, dass mir Buchrezensionen üblicherweise leichter fallen. Man ist dort auf seine eigene Imaginationskraft angewiesen, um die Geschichten zu beleben, während man bei Filmen zu einem weitgehend passiven Rezipieren genötigt wird. Das führt dann dazu, dass ich Filme eher selten rezensiere.
Manchmal gibt es dann Ausnahmen. Dies hier ist eine davon, eine weitere wird in naher Zukunft auch ihren Weg hierher finden.
Dieser Film der jüngsten Vergangenheit ist, bei all seinen Schwächen, doch ein interessanter Versuch, sich sowohl dem Thema Künstliche Intelligenz und ihrer Interaktion mit einer zukünftigen Menschheit zu nähern, außerdem dabei aber die Asimov’schen Robotergesetze nicht völlig aus dem Blick zu verlieren. Schade ist die starke Schwarzweiß-Polarisierung der Geschichte und die Verengung auf die Familie des Haupthandlungsträgers … aber das war ein Kritikpunkt, der mich am Film etwas störte. Das muss nicht allgemein bei euch so sein.
Obwohl also mein Fazit durchaus durchwachsen ist, halte ich The Creator für einen beeindruckenden Film, der eine differenzierte Besprechung verdient hat:
The Creator
(OT: The Creator)
Ein Film von Gareth Edwards
Erscheinungsjahr: 2023
Länge: 133 Minuten
Hauptpersonen: John David Washington, Madeleine Yuna Voyles, Gemma Chan, Ken Watanabe, Allison Janney u. a.
Produziert von Regency Enterprises, Entertainment One und New Regency
Musik: Hans Zimmer
Alle Welt redet über Künstliche Intelligenz (KI). Im Zeitalter grafischer KI und ChatGPT 4 ist das irgendwie vollkommen selbstverständlich. Natürlich geht diese Entwicklung, zumal in einer Zeit moderner Tricktechnik, auch am Science Fiction-Film nicht vorüber. Im Gegenteil. Der SF-Film war recht eigentlich der Vorreiter dieser Entwicklung, um schon frühzeitig die KI-Phantasien von SF-Autoren umzusetzen. Filme wie „Blade Runner“ oder „Terminator“ aus den 80er Jahren zeigen überdeutlich, dass es allenfalls eine Frage der Zeit sein konnte, bis es im Rahmen der allgemeinen digitalen technologischen Entwicklung ein Film zentral das KI-Thema behandeln würde. Edwards´ Film tut das auf eine interessante Weise, wie ich finde.
Wir befinden uns etwa in der Mitte des 21. Jahrhunderts. Die aktuelle technologische Entwicklung ist stürmisch vorangeschritten. Die Robotisierung des Alltags hat überall Einzug gehalten, Roboter und KI sind quasi allgegenwärtig. Dieser Trend scheint sich konsequent fortzusetzen … bis zu dem Moment, in dem in Los Angeles eine Nuklearwaffe gezündet wird und mehr als hunderttausend Menschen sofort tötet, darunter auch Joshua Taylors Eltern und Geschwister. Er selbst wird schwer verletzt, verliert einen Arm und einen Teil eines Beines. Daraufhin selbst zum Halb-Cyborg geworden, hat sich auch seine Einstellung gegenüber den Künstlichen Intelligenzen verständlicherweise zum Negativen hin verändert
Dieser Terrorakt, der nämlich nach allgemeiner Lesart auf die KI zurückgeht, führt dazu, dass die Welt sich in zwei Lager scheidet. Während die westlichen Staaten, allen voran die Vereinigten Staaten, Roboter und KI verbieten und vernichten, wo immer sie ihrer ansichtig werden, weil sie darin eine Gefährdung der Menschheit sehen, setzt „New Asia“ auch weiterhin fest auf die KI-Unterstützung und entwickelt sich demzufolge zu einem Rückzugsgebiet der KI-Technologie. Dort sind alsbald robotische Polizisten und Mensch-Maschine-Hybriden, so genannte Simulants, nicht mehr wegzudenken.
Die USA entwickeln daraufhin eine monströse orbitale Verteidigungsbasis namens NOMAD (North American Orbital Mobile Aerospace Defense), mit der sie insbesondere in den asiatischen Ländern massive Vernichtungsschläge gegen KI-Zentren ausführen, die von Bodenkommandos ausfindig gemacht wurden. In einer gewissen Weise reden wir hier von einer Art futurisiertem Vietnam-Krieg. Ähnlich endlos zieht sich die Auseinandersetzung hin, die Kosten steigen ins Unermessliche, Bürgerrechtsbewegungen agitieren gegen die NOMAD-Mordpolitik (das bekommt man allerdings nur flüchtig am Rande mit).
Es ist jedenfalls offensichtlich, dass das Militär schnelle Erfolge braucht.
Dies ist der Moment, wo Sergeant Joshua Taylor (John David Washington) eingesetzt wird. Er wird als vermeintlicher Dissident nach New Asia eingeschleust. Sein Auftrag: Er soll eine junge Frau namens Maya Fey umgarnen (Gemma Chan). Sie gilt als Tochter des geheimnisvollen „Nirmata“ (Schöpfer), der hinter der KI-Entwicklung steht. Aber er verliebt sich in sie und heiratet sie, bald ist ein Kind auf dem Weg … da wird sein Undercover-Einsatz brüsk durch ein amerikanisches Spezialkommando abgebrochen, Maya, inzwischen Maya Fey-Taylor, kommt dabei augenscheinlich ums Leben. Er selbst wird zurückgeholt und ist schwer traumatisiert.
Als das Militär 5 Jahre später – derweil der aussichtslose Krieg immer weiter fortgesetzt wird – wieder an ihn herantritt, weil Nirmata offenbar eine neue finale Waffe entwickelt hat, die man Alpha-O nennt (sinnig: Alpha-Omega, durchaus passend für eine ultimate Waffe), lässt sich Taylor nur zum Mitmachen bewegen, weil er hofft, dass es doch noch eine Chance gibt, seine geliebte Frau lebend wieder zu finden.
Doch die Waffe Alpha-O erweist sich als ein kleines Kind – und als Simulant (erkennbar an den gruseligen Kopftunneln). Und vor die Wahl gestellt, dieses Wesen zu töten, das ihn vielleicht zu Nirmata und seiner Maya bringen kann, entscheidet sich Taylor dafür, das Kind zu beschützen. Dies macht ihn in den Augen der Vorgesetzten zu einem Deserteur, der gnadenlos zu jagen ist. Und auch die robotischen und Simulant-Streitkräfte New Asias verfolgen ihn rigoros …
Die digitalen Bildeffekte von Industrial Light & Magic (ILM) und generell die faszinierende Zukunftslandschaft eines künftigen Asien machen den Film zu einem beeindruckenden visuellen Erlebnis, das den Zuschauer rasch gefangen nimmt. Die intensive Symbiose der digitalen Technik, die im asiatischen Raum (gefilmt wurde in Thailand) den Alltag dominiert, stellt eine durchaus plausible Weiterentwicklung der heutigen Trends dar. Das betrifft sowohl das Alltagsleben als auch die Überwachungstechnologie.
Die Storyline kann mit dieser Vorlage leider nur bedingt Schritt halten. Letztlich wird sie auf eine Familienstory reduziert und etwas sehr einseitig auf polarisierende Weise von dem zumeist eher hilflos reagierenden Taylor dominiert. Auf der Gegenseite steht die verbissene Soldatin Colonel Howell (Allison Janney), die ihre Kinder durch KI-Aktionen verloren hat und völlig verbittert ist. Sie ist demgemäß skrupellos, agiert als verlängerter Arm des sturen amerikanischen Militärs und ist in ihrem blindwütigen Hass zu keiner Veränderung ihres Verhaltens fähig – sie findet auch ein dementsprechendes Ende. Mir drängte sich da das biblische Wort auf „Wer durch das Schwert herrscht, wird durch das Schwert umkommen“. Oder auch: Gewalt zahlt sich langfristig nicht aus.
Dieser eindimensionale Dualismus, den man recht penetrant die ganze Zeit über spürt, zerstört meines Erachtens schöne Ansätze, die sich im Film durchaus finden. So kristallisiert sich auf glaubwürdige Weise heraus, dass die Künstlichen Intelligenzen im Wesentlichen nichts gegen ihre Schöpfer zu tun bereit sind (was nicht ausschließt, dass sie sich mit brutalen Mitteln wehren, wenn sie von der Zerstörung bedroht sind). Die morallose Gewalt geht hier ausschließlich vom überwiegend pathologischen Menschen aus, der dabei einseitig beim amerikanischen Militär lokalisiert wird.
Dagegen gibt es essenzielle Ansätze, dass in New Asia die Maschinen als Ersatzmenschen Teile der Familien werden. Sie werden zunehmend sogar in die spirituelle Sphäre mit eingezogen: So werden etwa klagende Menschen, die um „tote“ Maschinen trauern, gezeigt, eine Maschinenverbrennung, analog zur Verbrennung von Menschen, wie sie in Indien immer noch praktiziert werden, und es gibt sogar Tempel mit Roboterschreinen. Auch die rücksichtslose Kurzzeitspeicherung menschlicher Erinnerungen und das Hochladen derselben in ausgeschaltete Simulants – was Colonel Howell durchführt – und was literarische und filmische Vorbilder bei Peter F. Hamilton und der „Doctor Who“-Serie hat, würden mehr Aufmerksamkeit benötigen.
In dem permanenten Konfliktgeballer der Handlung sowie der ständig verfolgten Familienzusammenführungs-Geschichte um Taylor gehen solche interessanten Ansätze dann bedauerlicherweise weitgehend unter und sind nur für sehr aufmerksame Zuschauer zu erkennen. Von dieser Seite her enttäuscht der Film dann leider, von dem ich mir gerade in dieser Hinsicht etwas mehr erwartet hatte. Dennoch stufe ich ihn als unbedingt sehenswert ein, gern auch mehrmals aufzusuchen, um die genannten Feinheiten jenseits der Oberflächenhandlung besser würdigen zu können.
© 2023 by Uwe Lammers
Soweit für heute. Bis bald, mit
Oki Stanwers Gruß,
euer Uwe.