Rezensions-Blog 479: Der Preis der Begierde

Posted Oktober 22nd, 2024 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

Kommunikation ist, das weiß wahrscheinlich jede/r meiner Lese­rInnen aus eigener jahrelanger Erfahrung, ein schwieriges Busi­ness. Wie stellt man eigentlich sicher, dass man als Sender selbst vermeintlich eindeutiger Botschaften auf der Empfänger­seite auch richtig wahrgenommen wird? Das ist schätzungswei­se ein Feld, auf dem man bis ins hohe Lebensalter nicht aus­lernt. Und, damit wird es dann vergnüglich bis dramatisch, na­türlich entstehen aus Kommunikationspannen bisweilen haar­sträubende Abenteuer.

Ein solches schildert der vorliegende Roman, der der Lebensli­nie der frischgebackenen Architektin Emma Mayson folgt. Ei­gentlich will sie sich nur selbständig machen, muss aber natür­lich bis dahin auch ihre Rechnungen bezahlen. Und so geht sie ein Arrangement ein, das zu erstaunlichen Missverständnissen, Pannen und (beim Leser) zu zunehmenden Lachattacken Anlass bietet.

Willkommen in einem sehr unterhaltsamen, kurzweiligen Bezie­hungsroman mit ausdrücklich erotischer Ausrichtung – selbst wenn das, genau genommen, eher eine Panne ist. Wieso und warum? Ach, ich schlage vor, ihr schaut euch das einfach mal selbst an:

Der Preis der Begierde

(OT: The Erotic Secrets of a French Maid)

Von Lisa Cach

rororo 25356

288 Seiten, TB (2010)

ISBN 978-3-499-25356-0

Seattle ist für angehende Architekten ein hartes Pflaster. Das merkt auch die mit der Ausbildung fertige junge Architektin Emma Mayson. Und solange man keinen Namen hat, kommt man auch kaum an mögliche Stellen. Sie ist also zu ihrem nicht geringen Frust dazu genötigt, anderweitig ihr Geld für den Le­bensunterhalt zu verdienen … am besten mit einer Tätigkeit, die intellektuell nicht so fordernd ist und die ihr Zeit lässt, ihre Kar­rierepläne weiter zu verfolgen.

So fängt sie an zu putzen.

Einer der ihr empfohlenen Haushalte, in denen sie neu anfängt, ist der des reichen Unternehmers Russell Carrick, der in der lo­kalen IT-Branche zu enormem Vermögen gekommen ist. Schon am ersten Arbeitstag unterlaufen Emma allerdings eine Reihe von Missgeschicken, unter anderem lädiert sie fast den Porsche von Carricks Geschäftsfreund Kevin … was zur kuriosen Folge hat, dass Kevin sie zu daten versucht. Noch interessanter … Russell scheint durchaus etwas dagegen zu haben, dass das ge­schieht. Aber zugleich beteuert er Kevin gegenüber, an Emma überhaupt kein Interesse zu haben.

Die Dinge entwickeln sich seltsam, und das ist erst der Anfang. Der Leser beginnt hier bereits zu schmunzeln, und das steigert sich noch deutlich weiter. Denn Emma registriert zu ihrer Verwirrung, dass Carricks unglaublich luxuriöser Haushalt eigentlich keine Putzhilfe benötigt (das war auch nicht seine eigene Idee, wie schnell herauskommt). Und dann gehen die Lebensumstände von Emma baden – indem sie nämlich kurzerhand ihre Wohngemeinschaftspartnerin verliert und auch sonst eine Menge schief geht.

Russell trifft seine Putzfrau denn auch wenig später völlig aufge­löst bei sich an, was ihr schrecklich peinlich ist … und dann bie­tet er ihr doch tatsächlich seine kleine, gegenwärtig leerstehen­de Wohnung als Interimsbleibe an. Das kommt doch ziemlich überraschend. Und in der Folge hat Emma hat das Gefühl, sie könne doch noch mehr für ihn tun, etwa kochen. Denn wiewohl er eigentlich gar nicht ihr Typ ist, mag sie ihn doch inzwischen recht gern.

Ja, das wäre mit dem Kochen wäre eine interessante Idee, davon hat er selbst wenig Ahnung, zeigt sich der reiche Russell aufgeschlossen … und dann geht das Chaos richtig los. Denn in derselben Unterhaltung phantasiert Emma, immer gelockerter werdend, sie könne sich auch vorstellen, irgendwann mal als „Mätresse“ eines reichen Mannes tätig zu werden und sich ein paar Male in der Woche für sexuelle Dienste entlohnen zu las­sen.

Russell, der noch ganz auf dem „Koch doch für mich“-Trip ist, stimmt diesem Arrangement zu … und Emma interpretiert das – völlig überrumpelt – als Zustimmung zum „Mätressen“-Vor­schlag, was sie ganz fassungslos macht. Aber nicht bereit, das Missverständnis aufzudröseln, stellt sie sich der neuen Heraus­forderung. Und auch Russell, im Umgang mit Frauen eher ge­hemmt, hat zwar ein schlechtes Gewissen und begreift schnell, wie falsch sie ihn verstanden hat … aber wiewohl er sich vor­nimmt, das Arrangement schnellstens zu beenden, tut er’s nicht.

Und dann geht die emotionale Achterbahnfahrt so richtig los …

Es gibt Geschichten, die direkt nach Kauf so sehr reizen, dass man die Finger nicht davon lassen kann – das hier ist eine davon. Es ist zwar ein erotischer Roman, der allerdings wohltu­end Abstand von Fesselspielen und BDSM nimmt und stattdes­sen sehr viel mehr auf die komplizierte Psychodynamik der weiblichen Psyche Wert legt. Zugleich ist unübersehbar, dass die Autorin intensive Freundin von Komödien ist, denn diese Ge­schichte hat so viele komödiantische Einlagen und ist bisweilen so haarsträubend grotesk, dass es einen zwerchfellerschüttern­den Spaß macht, sie im Nu wegzulesen (gerade mal zwei Lese­tage legen beredtes Zeugnis davon ab, wie unterhaltsam das präsentiert wird).

Ein wenig anstrengend fand ich allerdings – wenn auch zweifel­los realistischer als die überschäumende, ekstatische Bereit­schaft, die aus den Zeilen romantischer BDSM-Romane entge­genströmt, die nun wirklich realitätsfremd ist – die gehemmte Emma, die, bei allem Respekt, doch etwas entspannter hätte sein können. Gewiss, die Situation war eigenwillig, und hier zu erleben, dass es schließlich Russ war, der deutlich konzentrier­ter bei der Sache war, hat überrascht. Auf der anderen Seite muss man zugeben, dass Lisa Cach Recht hat: viele Frauen kommen eben beim Beischlaf nicht zum Orgasmus, da spricht sie wahrscheinlich aus eigener Erfahrung, und auch dass viele Männer egoistische Wesen sind, die auf ihren eigenen Höhe­punkt fixiert sind, ist zweifellos plausibel.

Zum Ende hin wurde die Geschichte ein wenig zäher, hatte ich das Gefühl, vielleicht deshalb, weil dann der eher spielerische Anfang etwas auf der Strecke blieb. Es blieb allerdings witzig genug, das lag nicht zuletzt an den Freundinnen Beth und Daph­ne, die Emma gründlich zusetzten. Gleichwohl versprach der englische Originaltitel irgendwie mehr, als er letztlich hielt.

Als kurzweiliges, durchaus witziges Leseabenteuer zwischen­durch ist der Roman aber absolut zu empfehlen.

© 2017 by Uwe Lammers

Wirklich eine goldige Geschichte, die ich gern gelesen habe. Wie gesagt, nicht mit allzu viel Tiefgang, aber es muss ja nicht immer inhaltsschwer sein. In der nächsten Woche berichte ich von einem Roman, der mich echt kalt erwischte und den ich so­fort zu lesen beginnen musste. Immerhin hatte ich ein paar Jahrzehnte auf genau diese Geschichte gewartet (auch wenn ich nie geglaubt hätte, dass sie je geschrieben würde).

Klingt kurios? Ist kurios – und superspannend. Nächste Woche seid ihr schlauer.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

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