Liebe Freunde des OSM,
da kommen wir also zum Schlussakkord dieser romantisch-erotischen Beziehungstrilogie um die anfangs recht naive, sanftmütige Elena Volpe, die im Spannungsfeld zwischen ihrem ruhigen Freund Filippo und dem stürmischen, geradezu magnetisch-animalischen Leonardo gefangen ist. In einem Kräftefeld, in dem jede Entscheidung falsch zu sein scheint und sie auf dramatische Weise jeden Halt verliert.
Folgt mir in den letzten Band dieses Zyklus:
Ich will dich
(OT: Io ti voglio)
Von Irene Cao
Goldmann 48080
288 Seiten, TB
ISBN 978-3-442-48079-1
Aus dem Italienischen von Judith Schwaab
So sieht also die Realität aus, in der sich Elena Volpe wieder findet, nachdem sie in Rom endlich eine Entscheidung getroffen hat – und es war ganz offenkundig die falsche.
Als sie noch in Venedig arbeitete, nahm sie an, sie sei unentrinnbar im Kräftefeld zweier Männer gefangen. Auf der einen Seite ihr Jugendfreund Filippo Di Nardi, mit dem sich immer mehr sanftmütige Intimität entwickelte, auf der anderen Seite der stürmische, rücksichtslose und sexuell unendlich vereinnahmende Chefkoch Leonardo Ferrante, der sie zielstrebig verführte und beständig Elenas Horizont erotisch erweiterte. Bis er schließlich von einem Tag auf den nächsten mit ihr Schluss machte, weil sich zwischen ihnen Gefühle entwickelt hatten, die er nicht zulassen wollte.1
Elena, die vorher schon ein Zerwürfnis mit Filippo ausgelöst hatte, reiste daraufhin nach Rom, wo er als Architekt tätig war und versöhnte sich wieder mit ihm. Filippo begann sie als seine Verlobte anzusehen, und sie planten ein gemeinsames Leben, das sie wieder nach Venedig zurückführen sollte.
Und dann trat von neuem Leonardo in ihr Leben und ließ die alte Besessenheit aufflammen. Diesmal allerdings versuchte Elena ihn auf Distanz zu halten … doch vergebens. Und sie traf schließlich die schmerzhafte Entscheidung, sich von Filippo zu lösen und ihm zu gestehen, dass es einen anderen Mann in ihrem Leben gab, der ihr inzwischen auch gesagt hatte, dass er sie liebte.
Elena ging zu Leonardo … und stieß hier mit einer herrischen Frau namens Lucrezia zusammen, die genau dasselbe „Anker“-Tattoo wie Leonardo hatte. Und einen Ehering trug. Da wurde ihr voller Bestürzung klar, dass Leonardo verheiratet war, mit Lucrezia … und als sie sich anschließend aussprachen, entschied sich Leonardo letztlich für seine problematische, an einer bipolaren Störung leidende Gattin. Er bat Elena um Verständnis, aber das war natürlich nicht das, was sie hatte hören wollen.
Für Elena brach die Welt vollends zusammen.2
Es gelingt ihr nun zwar, einen sicheren Hafen in der Wohnung ihrer Restauratorenkollegin Paola Ceccarelli zu finden, aber innerlich fühlt sie sich wie ausgebrannt. Sie lässt sich gehen, vernachlässigt ihren Restauratorenjob, stürzt sich in immer neue Abenteuer mit fremden Männern, doch der Sex mit ihnen berührt sie überhaupt nicht.
Und dann ereignet sich auch noch das Chaos mit der Hochzeit ihrer besten Freundin Gaia in Venedig, das sie in den Armen eines Mannes beinahe vollständig verpasst – und das, wo sie doch die Trauzeugin sein soll. Von ihren Eltern und Freunden entfremdet, fühlt sich Elena nun vollständig entwurzelt, missverstanden und am Boden zerstört – und als dann schließlich auch noch Lucrezia auftaucht und ihr furienhaft vorhält, sie betrüge sie immer noch mit Leonardo, da ist endgültig das Ende der Fahnenstange erreicht … und das nächste, was sie mitbekommt, nachdem sie vor ein Auto gelaufen ist, ist das Aufwachen im Krankenhaus.
Und ER ist da.
Leonardo.
Auf eine seltsame Weise scheint er nun entschlossen zu sein, für ihr Wohl da zu sein. Er entführt Elena in seine Heimat, auf die Insel Stromboli am Fuße eines Vulkans, und neue Leidenschaft wächst in ihnen beiden, während sie sich auf eine Weise näher kommen, die Elena nicht mehr für möglich gehalten hat.
Aber das Paradies hat einen Preis und eine Schlange …
Die erste Hälfte des Schlussbandes der Trilogie ist manchmal wirklich schmerzhaft zu lesen. Zu sehen, wie sich die so selbstbewusste Elena Volpe gehen lässt und vom Liebesschmerz zerrüttet wird, ist einigermaßen peinigend – aber leider auch durchaus nicht unrealistisch. Nun wird überdeutlich, wieso im ersten Band die Notwendigkeit bestand, Elena an Alkohol und nicht vegetarisches Essen zu gewöhnen. Denn die brave Elena hätte sich niemals auf diese Weise völlig gehen lassen können.
Die Entdeckung von Elenas neuem Talent hingegen fand ich absolut konsequent und schön. Es hätte gegen Schluss vielleicht noch ein wenig detaillierter ausgearbeitet werden können, aber sei’s drum … letzten Endes entschädigt die zweite Romanhälfte sowohl für die Tatsache, dass die letzten beiden Bände auf „Normlänge“ gestutzt sind als auch dafür, dass das arme Mädel die ganze Zeit so sehr wie ein Hund zu leiden hatte, den man misshandelte. Der Roman wartet mit schönen Ideen, wunderbarem Natursetting, viel feinfühliger Romantik und Idylle auf, verharrt aber nicht beim Kitsch, sondern bleibt dabei durchaus auch den schwierigen emotionalen Komponenten der Beziehung verhaftet.
Alles in allem ein sehr zügig zu lesender, warmherziger Roman, aus dem man nur schwer wieder auftauchen kann. Eine eindeutige Leseempfehlung, nicht nur für Menschen, die die südländische Lebensart und das dortige Ambiente lieben – aber die haben von dem Roman natürlich noch deutlich mehr als ich.
© 2019 by Uwe Lammers
Anstrengend? Das kann ich nicht guten Gewissens abstreiten … aber es waren durchweg bemerkenswerte, faszinierende Romane mit glaubwürdigen Personen und sehr realistischen Konflikten, die sich, wie im realen Leben, einfachen Lösungen verweigerten. Auch das normale Leben ist ja nicht nur eitel Sonnenschein, nicht wahr?
Das ist euch ein wenig zu heftig gewesen? Na schön, dann schauen wir uns in der nächsten Woche mal etwas völlig anderes an.
Ihr erinnert euch doch an das Adelsgeschlecht derer von Baskerville, nicht wahr? Und an diesen monströsen Hund, der einen von ihnen in den Tod hetzte und damit die Aufmerksamkeit des Detektivs Sherlock Holmes erweckte? Nun, in der nächsten Woche kehren wir dorthin zurück. Und schauen uns an, was der berühmte beratende Detektiv offensichtlich übersah …
Bis dann, mit
Oki Stanwers Gruß,
euer Uwe.
1 Vgl. dazu den Rezensions-Blog 462 vom 26. Juni 2024.
2 Vgl. dazu den Rezensions-Blog 466 vom 24. Juli 2024.