Rezensions-Blog 470: Ich will dich (3/E)

Posted August 21st, 2024 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

da kommen wir also zum Schlussakkord dieser romantisch-eroti­schen Beziehungstrilogie um die anfangs recht naive, sanftmüti­ge Elena Volpe, die im Spannungsfeld zwischen ihrem ruhigen Freund Filippo und dem stürmischen, geradezu magnetisch-animalischen Leonardo gefangen ist. In einem Kräftefeld, in dem jede Entscheidung falsch zu sein scheint und sie auf dramatische Weise jeden Halt verliert.

Folgt mir in den letzten Band dieses Zyklus:

Ich will dich

(OT: Io ti voglio)

Von Irene Cao

Goldmann 48080

288 Seiten, TB

ISBN 978-3-442-48079-1

Aus dem Italienischen von Judith Schwaab

So sieht also die Realität aus, in der sich Elena Volpe wieder fin­det, nachdem sie in Rom endlich eine Entscheidung getroffen hat – und es war ganz offenkundig die falsche.

Als sie noch in Venedig arbeitete, nahm sie an, sie sei unent­rinnbar im Kräftefeld zweier Männer gefangen. Auf der einen Seite ihr Jugendfreund Filippo Di Nardi, mit dem sich immer mehr sanftmütige Intimität entwickelte, auf der anderen Seite der stürmische, rücksichtslose und sexuell unendlich vereinnah­mende Chefkoch Leonardo Ferrante, der sie zielstrebig verführ­te und beständig Elenas Horizont erotisch erweiterte. Bis er schließlich von einem Tag auf den nächsten mit ihr Schluss machte, weil sich zwischen ihnen Gefühle entwickelt hatten, die er nicht zulassen wollte.1

Elena, die vorher schon ein Zerwürfnis mit Filippo ausgelöst hat­te, reiste daraufhin nach Rom, wo er als Architekt tätig war und versöhnte sich wieder mit ihm. Filippo begann sie als seine Ver­lobte anzusehen, und sie planten ein gemeinsames Leben, das sie wieder nach Venedig zurückführen sollte.

Und dann trat von neuem Leonardo in ihr Leben und ließ die alte Besessenheit aufflammen. Diesmal allerdings versuchte Elena ihn auf Distanz zu halten … doch vergebens. Und sie traf schließlich die schmerzhafte Entscheidung, sich von Filippo zu lösen und ihm zu gestehen, dass es einen anderen Mann in ihrem Leben gab, der ihr inzwischen auch gesagt hatte, dass er sie liebte.

Elena ging zu Leonardo … und stieß hier mit einer herrischen Frau namens Lucrezia zusammen, die genau dasselbe „Anker“-Tattoo wie Leonardo hatte. Und einen Ehering trug. Da wurde ihr voller Bestürzung klar, dass Leonardo verheiratet war, mit Lu­crezia … und als sie sich anschließend aussprachen, entschied sich Leonardo letztlich für seine problematische, an einer bipo­laren Störung leidende Gattin. Er bat Elena um Verständnis, aber das war natürlich nicht das, was sie hatte hören wollen.

Für Elena brach die Welt vollends zusammen.2

Es gelingt ihr nun zwar, einen sicheren Hafen in der Wohnung ihrer Restauratorenkollegin Paola Ceccarelli zu finden, aber in­nerlich fühlt sie sich wie ausgebrannt. Sie lässt sich gehen, ver­nachlässigt ihren Restauratorenjob, stürzt sich in immer neue Abenteuer mit fremden Männern, doch der Sex mit ihnen be­rührt sie überhaupt nicht.

Und dann ereignet sich auch noch das Chaos mit der Hochzeit ihrer besten Freundin Gaia in Venedig, das sie in den Armen ei­nes Mannes beinahe vollständig verpasst – und das, wo sie doch die Trauzeugin sein soll. Von ihren Eltern und Freunden entfrem­det, fühlt sich Elena nun vollständig entwurzelt, missverstanden und am Boden zerstört – und als dann schließlich auch noch Lu­crezia auftaucht und ihr furienhaft vorhält, sie betrüge sie im­mer noch mit Leonardo, da ist endgültig das Ende der Fahnen­stange erreicht … und das nächste, was sie mitbekommt, nach­dem sie vor ein Auto gelaufen ist, ist das Aufwachen im Kran­kenhaus.

Und ER ist da.

Leonardo.

Auf eine seltsame Weise scheint er nun entschlossen zu sein, für ihr Wohl da zu sein. Er entführt Elena in seine Heimat, auf die Insel Stromboli am Fuße eines Vulkans, und neue Leiden­schaft wächst in ihnen beiden, während sie sich auf eine Weise näher kommen, die Elena nicht mehr für möglich gehalten hat.

Aber das Paradies hat einen Preis und eine Schlange …

Die erste Hälfte des Schlussbandes der Trilogie ist manchmal wirklich schmerzhaft zu lesen. Zu sehen, wie sich die so selbst­bewusste Elena Volpe gehen lässt und vom Liebesschmerz zer­rüttet wird, ist einigermaßen peinigend – aber leider auch durchaus nicht unrealistisch. Nun wird überdeutlich, wieso im ersten Band die Notwendigkeit bestand, Elena an Alkohol und nicht vegetarisches Essen zu gewöhnen. Denn die brave Elena hätte sich niemals auf diese Weise völlig gehen lassen können.

Die Entdeckung von Elenas neuem Talent hingegen fand ich ab­solut konsequent und schön. Es hätte gegen Schluss vielleicht noch ein wenig detaillierter ausgearbeitet werden können, aber sei’s drum … letzten Endes entschädigt die zweite Romanhälfte sowohl für die Tatsache, dass die letzten beiden Bände auf „Normlänge“ gestutzt sind als auch dafür, dass das arme Mädel die ganze Zeit so sehr wie ein Hund zu leiden hatte, den man misshandelte. Der Roman wartet mit schönen Ideen, wunderba­rem Natursetting, viel feinfühliger Romantik und Idylle auf, ver­harrt aber nicht beim Kitsch, sondern bleibt dabei durchaus auch den schwierigen emotionalen Komponenten der Beziehung verhaftet.

Alles in allem ein sehr zügig zu lesender, warmherziger Roman, aus dem man nur schwer wieder auftauchen kann. Eine eindeu­tige Leseempfehlung, nicht nur für Menschen, die die südländi­sche Lebensart und das dortige Ambiente lieben – aber die ha­ben von dem Roman natürlich noch deutlich mehr als ich.

© 2019 by Uwe Lammers

Anstrengend? Das kann ich nicht guten Gewissens abstreiten … aber es waren durchweg bemerkenswerte, faszinierende Roma­ne mit glaubwürdigen Personen und sehr realistischen Konflik­ten, die sich, wie im realen Leben, einfachen Lösungen verwei­gerten. Auch das normale Leben ist ja nicht nur eitel Sonnen­schein, nicht wahr?

Das ist euch ein wenig zu heftig gewesen? Na schön, dann schauen wir uns in der nächsten Woche mal etwas völlig ande­res an.

Ihr erinnert euch doch an das Adelsgeschlecht derer von Bas­kerville, nicht wahr? Und an diesen monströsen Hund, der einen von ihnen in den Tod hetzte und damit die Aufmerksamkeit des Detektivs Sherlock Holmes erweckte? Nun, in der nächsten Wo­che kehren wir dorthin zurück. Und schauen uns an, was der be­rühmte beratende Detektiv offensichtlich übersah …

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

1 Vgl. dazu den Rezensions-Blog 462 vom 26. Juni 2024.

2 Vgl. dazu den Rezensions-Blog 466 vom 24. Juli 2024.

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