Rezensions-Blog 463: König Davids Raumschiff

Posted Juli 3rd, 2024 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

alte Romane in meinem großen Speicher von verfassten Rezen­sionen bringen es mit sich, dass ich nicht alle bibliografischen Informationen damals bei Abfassung in die Rezension einbrach­te. Ihr kennt das. Dieser Fall liegt hier erneut vor … aber wer sich von dem Roman, dem Autor oder dem Sujet angesprochen fühlt, wird zweifellos mit den vorhandenen Angaben via Inter­netrecherche schnell fündig werden.

Die Besprechung des Buches ist ein wenig, ich sage mal, zwie­gespalten. Denn wenn man sie sich näher anschaut, stellt man fest, dass ich sowohl sehr kritische Bemerkungen mache, zu­gleich aber auch eine ausgesprochene Lesbarkeit unterstelle … und sie gleich wieder dahingehend relativiere, wenn ich den Le­serkreis als solchen eingrenze, den es überwiegend nach reiner Unterhaltung gelüstet.

Tja, solcherart waren damals meine Rezensionen im Jahre 2002, sie waren mit der heißen Nadel gestrickt und ein wenig grob­schlächtig. Der Roman ist schon lange nicht mehr Teil meiner Bi­bliothek, und ich gebe zu, das ist vermutlich eine gute Entschei­dung gewesen. Inzwischen gebe ich schon sehr viel schönere Bücher weg – allein aus schieren Platzgründen. Da hätte ein Jer­ry Pournelle wirklich keine lange Halbwerts-Verweildauer beses­sen.

Dennoch, vielleicht lohnt auch nach all der Zeit ein Blick auf die­sen archaischen Schauplatz Prinz Samuals Welt und die Versu­che, die die Planetarier unternehmen, um dem drohenden Ver­hängnis zu entrinnen.

Wer gespannt darauf geworden ist, was hier eigentlich ange­deutet wird, der schaue einfach mal weiter:

König Davids Raumschiff

von Jerry Pournelle

Bastei 22061, 1983

352 Seiten, TB

Übersetzt von Barbara Heidkamp

Nach Jahrhunderten des Krieges ist das irdische Sternenreich allmählich dabei, sich wieder zu konsolidieren. Die Imperiale Raummarine knüpft Kontakte zu einstigen Kolonialwelten, hilft hier gegebenenfalls, eine einheitliche Regierung „in den Sattel“ zu heben und die Planeten so auf ihre Wiedereingliederung vor­zubereiten.

Es gibt nur gewisse Dinge, die dabei mustergültig schiefgehen. Ein solcher Fall ist Prinz Samuals Welt.

Dieser annähernd erdähnliche Planet ist nach dem Abbruch der Kontakte zum Sternenreich der Menschheit, nuklearen Katastro­phen und jahrhundertelangen Überlebenskämpfen auf eine feu­dale Stufe zurückgefallen. Die Oberfläche des Planeten ist ge­sprenkelt von Baronien, Königreichen, Herzogtümern und Stadt­staaten, die sich einzeln munter bekämpfen und dann und wann wechselnde Allianzen schließen.

Wie auch auf der Erde führen die wechselhaften Zeitläufte dazu, dass die technische Innovation durch den Motor Krieg verstärkt angetrieben wird. Schließlich gelangen die wohlhabenderen Staaten Haven und Orleans bis hinauf zum Besitz von dampfbe­triebenen Wagen, Eisenbahnen und schwerer Artillerie.

In der Entscheidungsschlacht zwischen den beiden Hegemonial­mächten greifen jedoch die Imperialen zugunsten des König­reichs Haven ein, das vom Monarchen König David regiert wird. Orleans, fast zerstört, ebenso wie der atomisierte Ort Lechfeld, werden Teil von Haven, die Truppen aufgelöst.

Nathan MacKinnie, der Kommandant der Streitkräfte von Or­leans, muss verbittert mit ansehen, wie die Imperialen sich im­mer stärker breit zu machen beginnen. Er weiß jedoch auch, dass es unmöglich ist, gegen sie mit militärischer Macht anzu­gehen, weil sie schlicht viel stärker sind als jede Militärmacht auf Prinz Samuals Welt.

In diesem Moment, in einer verräucherten Schänke in Haven, beginnt sich sein Leben in eine andere Richtung zu drehen, denn ein Unbekannter nimmt Kontakt mit ihm auf. Dieser Kon­takt führt rasch zum Geheimdienstchef Malcolm Dougal von Ha­ven, dem Mann, der MacKinnies Hauptfeind ist. Und dieser eröff­net dem verbitterten Soldaten überraschende Perspektiven:

Die Imperialen haben einen besonderen Grund, weshalb sie ver­suchen, Havens lange gehegten Traum der planetaren Hegemo­nie zu erfüllen und zu unterstützen. Nur ein geeinter Planet mit einer einheitlichen Regierung kann ins Imperium aufgenommen werden. Und erst, wenn DAS geschehen ist, können die zu den Sternen fliegenden Menschen das tun, was sie eigentlich wollen – eine neue Klasse von Kolonisten auf Prinz Samuals Welt ein­führen, die selbst über dem König steht und damit über kurz oder lang das gesamte Gesellschaftssystem von Haven und al­len anderen Staaten des Planeten zersetzen wird. Die Bewohner des Planeten werden bessere Sklaven sein.

Dougal macht MacKinnie den Vorschlag, in die Dienste König Davids einzutreten und zum Besten seiner Welt zu dienen. Denn der Geheimdienstchef hat erfahren, dass das imperiale Lager gespalten ist. Mindestens in drei Fraktionen: in die Marine, in den Imperialen Händler-Verband und in die Kirche des Neuen Rom. Und so, wie es aussieht, ermöglichen die Händler aus dem Kosmos den einheimischen Händlern – wenn sie denn wagemu­tig genug sind – einen Ausflug zum 12 Lichtjahre entfernten nächsten Kolonialplaneten Makassar, einer hoffnungslos rück­ständigen Welt.

MacKinnie lässt sich überreden, als Händler getarnt, eine Grup­pe dorthin zu führen. Denn auf Makassar befindet sich in einem gigantischen, als Tempel missbrauchten Gebäude der Stadt Ba­tav, ein großes Archiv aus der Zeit vor den Stellarkriegen. Und darin befindet sich Wissen, das die Bewohner von Prinz Samuals Welt dringend brauchen.

Dougal ist völlig klar, dass eine Auflehnung gegen das Imperium sinnlos ist. Aber was sie erreichen können, ist, den Status ihrer Welt zu ändern. Als Kolonie sind sie weitgehend rechtlos. Doch ein Planet zweiter Ordnung hat einen eigenen Sitz im imperialen Parlament und weitere Rechte. Einzige Bedingung für diese „Reife“ ist der Beweis dafür, dass die Planetarier eigenständige RAUMFAHRT betreiben – etwas, wovon Prinz Samuals Welt noch mindestens ein Jahrhundert entfernt ist. Es sei denn, man kann das beschleunigen. Und zwar so, dass es die Imperialen nicht mitbekommen …

Man kann dem Roman nachsagen, was man möchte – beispiels­weise, dass er unangemessen blutrünstig ist und an manchen Stellen mit Schwarzweißklischees nicht spart – , die Überset­zung hingegen ist gelungen, auch die Schilderung der doch sehr antiquiert wirkenden Gesellschaft von Haven (Rolle der Frau!!). Es ist auch bemerkenswert festzuhalten, dass sich Pournelle den „einfachen“ Lösungen verweigert und ein wenig auf Umwe­ge setzt. Auf Makassar sind dies freilich überaus blutige, und er hat eine starke Begeisterung, militärisch zu brillieren und Ge­metzel zu beschreiben. Dabei rutscht er allerdings in die Kli­schees vollkommen ab.

Laut dem Militärhistoriker John Keegan1 ist eine Schlacht spätes­tens seit Waterloo nicht mehr konkret beschreibbar, eigentlich war sie es nie, sondern nur ein wilder Bilderreigen aus Einzelein­drücken, die allenfalls aus der Distanz zu einem halbwegs pas­sablen Bild zusammengefügt werden können. Aus eigener An­schauung kann ich allerdings ergänzen, dass diese zerstreute Perspektive auch schon auf die Schlachten der Antike zutrifft.2

Pournelle macht aus seiner generellen Geringschätzung für die klassischen Religionen wie den Katholizismus und den Islam kei­nen Hehl, und es wird gemetzelt, was das Zeug hält. Wenn man letztlich den Roman Revue passieren lässt, fragt man sich, wozu eigentlich. Manchmal ist das Gedröhne in Bezug auf Ehre und Kriegsruhm einfach nervig

Das Buch ist kurzweilig lesbar, aber bei aller Liebe zu den De­tails – an manchen Stellen – hin und wieder an den Haaren her­beigezogen. Halt ein SF-Abenteuerroman, ganz wie es auf dem Cover steht. Sogar mit einer sehr, SEHR dezenten Lovestory, die freilich schon sehr zeitig durchschimmert.

Angenehme Unterhaltung für Leute, die keinen Wert auf tiefsin­nige Romane legen und vielleicht selbst ein paar Klischees mehr im Kopf haben, insbesondere über Religion, den Dominanzan­spruch bestimmter Rassen und die prinzipielle Unbelehrbarkeit großer Teile der Menschheit …

© 2002 by Uwe Lammers

Na, das war doch mal wieder eine waschechte, altbackene Space Opera, hm? Versprochen, in der nächsten Woche wird es wieder sehr viel irdischer, und es gibt mehr Gegenwarts-Boden­haftung mit einem Roman aus dem Kosmos von Clive Cussler.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Vgl. John Keegan: „Das Antlitz des Krieges“, Frankfurt am Main 1991.

2 Z. B. gilt das für die Schlacht von Delion. Vgl. dazu Victor Davis Hanson: „Die Kriege der griechischen Antike“, Berlin 2001.

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