Liebe Freunde des OSM,
manchmal halten Romanzyklen einfach nicht das, was sie versprechen … und so sehr ich mich auch bemühe, hier ein wenig vorsichtig in der Lektüre zu bleiben, ist doch zu konstatieren, dass gerade die Schwemme an unbekannten Autorinnen auf dem Sektor der romantisch-erotischen Romane inzwischen so unüberschaubar ist, dass Missgriffe kaum ausbleiben können.
Ich rede hier nicht davon, dass es mir aufgrund fatal ununterscheidbarer Titelbildgestaltung immer wieder unterläuft, dass ich Bücher versehentlich doppelt und dreifach vom Wühltisch mitnehme. Stattdessen meine ich, dass es mir zunehmend schwer fällt, die Spreu vom Weizen zu trennen. In der Regel fällt mir so etwas erst auf, wenn ich wenigstens einen Band des Zyklus gelesen habe.
Da habe ich dann aber auch durchaus den – vielleicht falschen, vielleicht idealistischen – Ehrgeiz, den Zyklus dennoch komplett zu lesen, wenn der Anfangsband nicht wirklich ganz und gar unterste Schublade war.
Bei Susanna Quinn haben wir solch einen Fall (meiner bescheidenen Ansicht nach, die natürlich jederzeit widerspruchsfähig ist): Der erste Roman las sich ziemlich rasant und flüssig weg, auch wenn ich ihn letztlich eher als durchschnittlich einstufte. Aber eventuell sind ja solche kurz getakteten Werke Einstiegslektüre für all jene, die von hohen Seitenzahlen und langen Kapiteln abschrecken lassen … mich irritiert das nicht, ich lese z.B. gerade Mary Shelleys „Frankenstein“, der immerhin im Jahre 1818 entstand, auch habe ich mich erfolgreich durch Miguel de Cervantes Saavedras „Don Quichotte“ gegraben (ein enormer Lesegenuss, wenn man sich erst mal an seine Erzählweise gewöhnt hat).
Lange Kapitel, komplexe Romane und vielleicht schwierige Sprache müssen nicht per se abschrecken. Sie sind Herausforderungen, an denen man als Leser wachsen kann, wenn man nicht einfach nur den Geist auf Durchzug stellen und sich schriftlich berieseln lassen möchte wie bei einer Fernseh-Soap.
Schaut am besten selbst mal, in welche Kategorie ihr dieses Werk einreihen würdet – ob Top oder Flop:
Devoted 1: Geheime Begierde
(OT: The Ivy Lessons)
Von Susanna Quinn
Goldmann 48035
352 Seiten, TB
ISBN 978-3-442-48035-7
Aus dem Englischen von Andrea Brandl
Sophia Rose ist 22 Jahre jung und sieht sich eigentlich als völlig chancenlos, als sie beim arrivierten Londoner Ivy College vorspricht, um für eine Schauspielkarriere angenommen zu werden. Die Voraussetzungen sind auch wirklich nicht berauschend: Zwar ist sie seit Kindheit an begeisterter Fan der Bühne und träumt von einer Profikarriere als Theaterschauspielerin, aber auf dem Land wohnend (wenn auch nahe an London), für ihren frisch neu verheirateten Vater sorgend und so überhaupt nicht nahe an dem Puls der Kultur … welche Chancen soll sie da schon haben gegenüber Sprösslingen von Adelsfamilien, deren Eltern ihnen die beste Schulbildung an jahrhundertealten Colleges zukommen ließen?
Nun, Sophia Rose wird überrascht – als sie vorspricht, gelingt es ihr auf rätselhafte Weise, einen nachhaltigen Eindruck in dem Leiter der Akademie zu hinterlassen. Marc Blackwell, seines Zeichens exzentrischer und unglaublich harter Lehrmeister an der Schule, wie es allgemein heißt, der zwar nur fünf Jahre älter ist als sie, aber bereits als Filmstar in Hollywood zu Ruhm und Reichtum gelangt, ist tatsächlich von ihr angetan. Sie ist indes in diesem Moment noch fest davon überzeugt, alles falsch gemacht zu haben.
Kaum ist sie wieder daheim, flattert ihr jedoch zu ihrem Unglauben die Zusage (!) für ein Stipendium ins Haus. Sie ist nicht nur angenommen, sondern wird sogar favorisiert behandelt. Sophias engste Freundin Jen ist ganz aus dem Häuschen und freut sich für ihren Erfolg … doch Sophias Gefühle bleiben gemischt, insbesondere deshalb, weil sie unfassbar nervös wird, sobald der Blickkontakt zwischen Blackwell und ihr zustande kommt. Zwar schwärmen nahezu alle Schülerinnen am College für Blackwell, der wirklich sehr gut aussieht, aber in Sophias Fall sieht das doch nach mehr aus. Sehr bald wird ihr ebenfalls klar, dass das mehr als reine Nervosität ist und die Emotionen, die Blackwell in ihr auslöst, deutlich stärker sind als pures Lampenfieber.
Sophia Rose hat sich Hals über Kopf in ihren Lehrer verliebt.
Etwas, das natürlich überhaupt nicht angeht, die Katastrophe schlechthin! Eine verbotene Liebe, die insbesondere aufgrund der Tatsache, dass Marc Blackwell als Star sowieso ständig im Rampenlicht steht, von der Presse auf übelste Weise missverstanden werden kann: Star missbraucht Vertrauen seiner Schülerin … um noch das freundlichste Szenario zu skizzieren. Und Sophia, die gerade am Anfang einer möglicherweise faszinierenden Bühnenkarriere steht, kann sich mit einer solchen Beziehung gut ihren ganzen Lebensweg ruinieren.
Das kann nicht gut gehen, sagt man sich als Leser.
Das kann nicht gut gehen, sagt sich Sophia.
Das kann ich nicht mit meinem Gewissen als Lehrer vereinbaren, sagt sich Marc Blackwell. Eher muss ich das College verlassen – auch wenn die Schülerinnen und Schüler primär gekommen sind, weil er hier lehrt.
Dummerweise ist die magnetische Anziehung nicht einseitig, sondern beiderseitig. Und Marc weiß sehr wohl um das Problem, das daraus entstehen kann, und er versucht nach besten Kräften, die aufkeimende Liaison zu beenden, ehe sie Brenntemperatur erreichen kann.
Vergebens.
Schier unaufhaltsam nimmt das Schicksal so seinen Lauf …
In der Moderne der 2000er-Jahre hat sich ein Trend eingeschlichen, den ich persönlich ein wenig befremdlich finde – die Leidenschaft diverser Verlage für Klein- und Kleinstzyklen bislang unbekannter Autoren und primär Autorinnen, nicht selten auf dem Sektor des erotischen Romans. Wer heutzutage in Buchhandlungen geht, wird mit Titeln solcher Kurzserien regelrecht zubetoniert. Die Übersicht, was in welchen Verlagen erscheint, in welchen Reihen usw., geht dabei schnell verloren. Etablierte Buchreihen hingegen – etwa die Erotik-Buchreihe von Bastei, die es seit den 80er Jahren gibt – werden stattdessen kurzerhand ins E-Book-Milieu abgedrängt. So erging es übrigens erst im Januar 2017 auch der Erotik-Heftromanreihe „Shadows of Love“ von Bastei, die kurzerhand im Print eingestampft wurde.1
Damit will ich nicht sagen, dass alles an dieser Entwicklung nachteilig ist. Im Gegenteil, auf diese Weise unbekannten Talenten die Chance zu geben, sich zu entfalten, das ist durchaus zu begrüßen. Die allerdings mit den Kurzzyklen einhergehende suggerierte Atmosphäre der atemlosen Kurzschrittigkeit seitens der Verlage ist zu missbilligen. Sie wird vermutlich primär durch verändertes Leseverhalten und sinkende Absatzzahlen im Printbereich befördert.
Gleichwohl kann das nicht alles legitimieren. Man bekommt so nämlich als Leser das Gefühl, dass die Verlage nicht mehr auf lange Sicht planen, sondern nur noch von einer Buchmesse zur nächsten. Sollte es sich so verhalten, wäre das ein eindeutig falsches Signal an den Buchmarkt. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich damit Durchschnittskost häuft, rasch produziert und heruntergeschrieben „nach Rezept“, steigt damit vermutlich ebenfalls an.
Ich war darum neugierig, ob die Autorin Susanna Quinn (die aus unverständlichen Gründen den Vornamen für diese Veröffentlichung verkürzt, was umso weniger Sinn macht, als der volle Name hinten im Roman genannt wird…) solchen Rezepten erliegt und ob die vom Verlag favorisierte geistlose Covergestaltung, die keinerlei Inhaltsbezug hat (dasselbe gilt für den Zyklustitel, der im Englischen keine Entsprechung hat), im Innern wohl fortsetzen würde. Nun, zunächst entdeckte ich zu meiner Überraschung eine sehr starke Subgliederung in nicht weniger als 75 (!) Kapitel. Das führt zwar zu raschem und geschwindem Lesetempo, besonders forciert durch fließende Kapitelübergänge, die Quasi-Cliffhanger-Charakter besitzen (wie ich es etwa bei Sandra Henke schon entdeckte), aber bedauerlicherweise auch zu einer starken Flüchtigkeit der Handlung. Jenseits der beiden Hauptpersonen bleibt darum die Charakterisierung nahezu aller anderen Handlungspersonen flüchtig und ein wenig beliebig, man ist fast geneigt zu sagen: schematisch. Neidische Mitschülerinnen, beste Freundinnen, schusseliger Vater, überforderte Stiefmutter … irgendwoher kennt man das strukturell alles schon.
Wenn man im Gegenzug dann auch entdeckt, dass ein Roman annähernd derselben Länge – etwa „Blue Mondays“ von Emily Dubberley2 – es lediglich auf 8 Kapitel bringt (freilich, zugegeben, mit stärkerer Binnengliederung innerhalb der Langkapitel) und dabei eine deutlich stärkere Personenzeichnung mitbringt, dann ist man doch ein wenig befremdet von der aktuellen Lektüre.
Quinn schreibt, fand ich darum, erkennbar für Leser mit einer geringeren Aufmerksamkeitsspanne und hat vielleicht die Geschichte schon in Fortsetzungen im Netz publiziert. Für die Veröffentlichung wäre es geschickter gewesen, die zahlreichen sehr kurzen Kapitel (selten mehr als 5 Seiten lang) in einer übergeordneten, weitläufigeren Struktur einzufangen.
Wieder fällt außerdem der relativ starke Tunnelblick auf, die intensiven Selbstzweifel Sophias beginnen etwa ab der Hälfte des Textes ein wenig zu nerven. Interessant dagegen ist es, dass die Autorin ihr Pulver nicht schon im ersten Teil der Trilogie verschießt, sondern sich deutlich Potenzial für die Fortsetzungen aufhebt.
Man kann also mit dem Roman bei rascher Leseweise – bei mir: 3 Tage – durchaus warm werden, und ich schätze die Intensität des Textes höher ein als etwa bei Vina Jackson, gleichwohl bin ich mir noch nicht sicher, wie gerne ich diese Trilogie bei mir behalten werde … aktuell gebe ich dem Band 3 von 5 möglichen Sympathiepunkten, also attestiere ich eine eingeschränkte Leseempfehlung, primär für Leser mit einem eher begrenzten Lesehorizont (so dass ihnen Vergleichsmöglichkeiten mit besser gelungenen Romanen des Genres fehlt) und für jene, die eher wenig Zeit am Stück in eine Romanlektüre investieren können.
Es kann natürlich sein, dass Quinn sich noch steigert. Aber wenn man sieht, dass Teil 2 des Zyklus bei vergleichbarer Romanlänge auf 109 (!) Kapitel kommt, ist das wohl eher nicht zu erwarten.
Die Analyse dieses zweiten Bandes folgt darum alsbald.
© 2018 by Uwe Lammers
Ihr merkt deutlich: Am Ende war ich nicht mehr so gar begeistert. In drei Wochen bespreche ich dann den zweiten Teil. In der nächsten Woche kommt ein Werk zur Vorstellung, das ein völlig anderes Kaliber darstellt. Lasst euch da mal überraschen.
Bis bald, mit
Oki Stanwers Gruß,
euer Uwe.
1 Die kurzlebige, sich daran anschließende E-Book-Serie wurde ebenfalls nach wenigen Bänden eingestellt … in meinen Augen das ganz falsche Signal.
2 Vgl. dazu den Rezensions-Blog 235 vom 25. September 2019.