Rezensions-Blog 188: Die Diebe von Bagdad

Posted Oktober 31st, 2018 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

wer von euch jetzt denkt, ich habe den Titel falsch zitiert und glaubt, ich meinte doch wohl recht eigentlich „Der Dieb von Bagdad“, also einen alten Hollywood-Film, der hat sich bei mir in den falschen Blog verlaufen. Ich rezensiere (übli­cherweise) keine Filme. Gelegentliche Ausnahmen kommen vor.1 Es kann aber andererseits als sicher gelten, dass der Übersetzer bzw. Verantwortliche im Ver­lag, höchstwahrscheinlich sogar schon in den USA, diese Anspielung im Titel vollkommen beabsichtigt einfügten (wie ich schon in der Rezension selbst ver­mutet habe).

Gleichwohl sei gleich darauf hingewiesen, dass es sich nicht um eine humorvol­le Geschichte handelt, wiewohl sie unbestreitbar abenteuerlich ist. Und durch den Verfasser entbehrt sie dann definitiv auch nicht gelegentlich witziger Passa­gen, was sie sehr lesbar macht. Grundsätzlich aber geht es hier um ein Verbre­chen von unglaublichen Dimensionen und um den Versuch, das Diebesgut wie­der ausfindig zu machen – eine Aufgabe, die meiner Vermutung nach immer noch andauert und so schnell wohl auch nicht zufriedenstellend abgeschlossen werden kann.

Wir haben es mit Kunstraub zu tun, mit organisiertem Verbrechen – und mit den Taten einer kleinen Gruppe entschlossener, rechtschaffener Männer, die bereit waren, Vorschriften einfach mal Vorschriften sein zu lassen und zu tun, was ihnen ihr Gewissen eingab, allen voran der Berichterstatter Colonel Matt­hew Bogdanos.

Bereit für seinen Reisebericht in den Alptraum? Dann folgt mir einfach. Auf in den Kampf und den Irak des Jahres 2003:

Die Diebe von Bagdad

Raub und Rettung der ältesten Kulturschätze der Welt

(OT: Thieves of Baghdad)

Von Matthew Bogdanos

DVA, 436 Seiten, geb.

München 2006

ISBN 13: 978-3-421-04201-9

Aus dem Amerikanischen von Helmut Dierlamm

Scheinbar beginnt die Geschichte mit einer mehrfachen Katastrophe: Colonel Matthew Bogdanos befindet sich am 3. Mai 2003 im Irakischen Nationalmuse­um und versucht sich mit seinem Team und den wieder aufgetauchten Muse­umsmitarbeitern ein Bild davon zu machen, wie verheerend die Auswirkungen der in den Medien verbreiteten Plünderung tatsächlich sind. In den medial ver­heerenden Berichten ist die Rede davon, dass 170.000 antike Artefakte aus dem Irakischen Nationalmuseum in Bagdad geraubt worden sind, und, schlimmer noch, dass die amerikanischen Interventionstruppen zwar das Ölministerium bewachen ließen, aber nicht das Museum, das daraufhin von einem fanatischen Mob gestürmt und ausgeraubt worden sein soll.

Bogdanos befindet sich vor Ort, um wenigstens Schadensbegrenzung zu betrei­ben, vielleicht auch, um die Wahrheit herauszufinden. Denn er stellte schnell fest, dass hier einiges nicht stimmt. An diesem 3. Mai 2003, als er mit der Mu­seumsdirektorin Dr. Nawala al-Mutwali, seinen Marines und einer Gruppe von BBC-Fotoreportern in die Kellerräume des Museums hinabsteigt, wo in Räumen unter anderem Tausende von kostbaren Tonsiegelzylindern und Goldmünzen sein sollen, erlebt er ein Drama ganz eigener Art.

Die Lagerräume haben zwei Zugänge, wie Nawala nach Zögern zugibt. Zu dem einen sind die Schlüssel derzeit nicht auffindbar. Der zweite aber ist ein Ge­heimzugang, der zugemauert worden ist. Doch als sie vor Ort sind, entdecken sie, dass die obersten Reihen der Ziegel herausgebrochen sind. Die Diebe sind hier eingedrungen – der Raum dahinter, voll von braunen Metallspinden, ist kniehoch mit leeren Pappschachteln übersät. Dass sie grundsätzlich leer waren, wird erst später klar. Der Moment ist aber traumatisierend… und Nawala bricht ohnmächtig zusammen und kollabiert in der stickigen, finsteren Hitze der Kel­lerräume. Sie ist nicht transportabel.

Bogdanos halluziniert schon panisch von einer grässlichen Schlagzeile: „Be­rühmte irakische Expertin stirbt in amerikanischem Gewahrsam.“ Zweifellos das Allerletzte, was er sich wünschen könnte.

Es erweist sich aber als schwierig, Nawala Hilfe zukommen zu lassen, denn sie ist Muslimin, und das macht Rettung durch männliche Hilfskräfte undenkbar. Also brauchen sie ein paar Frauen aus dem Erdgeschoss hier unten – nächstes Problem: sie verstehen kein Englisch, und Bogdanos kann nicht hinreichend Ara­bisch. Nächstes Problem: sie weigern sich, in Gegenwart von Männern aktiv zu werden (das nächste Tabu). Außerdem hat das inzwischen wie ein Lauffeuer kursierende Gerücht von Nawalas Tod schon um die 40 Schaulustige in den Kel­ler gebracht… und der Keller ist immerhin nach Bogdanos´ eigener Auffassung ein Tatort, an dem Spurensicherung stattfinden soll…

Kurzum: es gelingt, Nawala am Leben zu erhalten und Rücksicht auf ihre Gefüh­le zu nehmen. Doch zeigt dieses kurze Schlaglicht am Anfang von Bogdanos´ Buch sehr deutlich mehrere Dinge. Zum einen, dass entgegen vereinfachender journalistischer Berichterstattung die Sachverhalte vor Ort in Bagdad in den Wochen, in denen die Stadt von den alliierten Interventionstruppen eingenom­men wurde, alles andere als simpel und einfach waren. Und zweitens, dass US-Soldaten keineswegs als befehlshörige, kulturell banausenhafte Trottel und Kommissköppe zu verstehen sind, sondern man sie grundsätzlich mit allen Vor- und Nachteilen als das ansehen muss, was sie sind: nämlich Menschen mit Vor­schriften, kulturellen Vorprägungen und Unsicherheiten, die natürlich manch­mal auch Fehler im Gefolge haben können.

Matthew Bogdanos ist eigentlich in seinem zivilen Beruf Staatsanwalt in Man­hattan, ist verheiratet und hat mehrere Kinder. Er stammt von einer Familie griechischer Einwanderer ab, sein Vater betreibt während seiner Kindheit meh­rere griechische Lokale in New York, und es gibt eine Menge zu lesen über Bog­danos´ faszinierende Kindheit. Doch, man kann dieses Buch nicht nur unter dem Aspekt genießen, dass es uns in den Irak entführt und zu den ältesten Kul­turschätzen des Zweistromlandes, sondern auch als eine beeindruckende und sehr humorvoll geschriebene Biografie des Erzählers. Und das erweist sich auch als zwingend erforderlich, wie man schnell entdecken soll.

Es ist eigentlich gar nicht intendiert, dass Bogdanos zum Militär geht, im Gegen­teil, es ist auch nicht ausgemacht, dass er Staatsanwalt wird. Stattdessen wird er von seinen Eltern darauf vorbereitet, ein Restaurant zu übernehmen, und es ist davon zu lesen, wie er dort serviert, wie er zur Unterhaltung der Gäste griechische Tänze vorführt und dergleichen… was äußerst vergnüglich und kurzweilig ist. Und er saugt mit der Lektüre seiner Kindheit die griechisch-römischen Klassiker in sich hinein, schläft mit der „Ilias“ unter dem Kopfkissen wie weiland Alexander der Große, und die Geschichte Griechenlands und des alten Mesopotamien begeistert ihn schon als Kind.

Aber er soll ja ein Restaurant übernehmen, nicht wahr?

Wie er dann auf dem Umweg über das Tanzstudio seine Boxerqualitäten ver­bessert und schließlich den alkoholseligen Entschluss fasst, ins Marine Corps einzutreten (wofür man zuvor studieren muss, was er eigentlich gar nicht im Sinne hatte), und wie er dann im Griechischunterricht den Lehrer bei der Inter­punktion korrigiert… also, diese Dinge sollte man echt gelesen haben, ganz gleich, ob man US-Soldaten mag oder nicht. Das macht einfach Spaß und cha­rakterisiert den Verfasser auf wunderbar warmherzige Weise. Man muss ihn danach ganz einfach mögen.

Es dauert auch geraume Zeit, bis man eigentlich versteht, wie er in den Irak kommt, und dafür spielt die traumatisierende Erfahrung des 11. September 2001 massiv hinein in die Geschichte, die Bogdanos hautnah in New York macht. Zornig über diese Attacken und bereit, das Leben seiner Familie und sei­nes Landes zu verteidigen – man erinnere sich daran: er hat das Heldenethos der Antike durch seine Lektüre in sich aufgesogen, und das schlägt sich massiv in seinen moralischen Vorstellungen nieder – , meldet er sich freiwillig und wird natürlich von seinen Vorgesetzten für diesen Dienst freigestellt.

Zu dieser Zeit ist Bogdanos schon dreizehn Jahre Staatsanwalt in New York, und besonderen Wert legt er dabei auf Spurensicherung und Strafverfolgung (durchaus mit Qualitäten, die einem Sherlock Holmes zur Ehre gereichen wür­den). Folglich wird er auch nicht als Kampfsoldat eingesetzt, als er im Südirak bei Basra in den Einsatz kommt, sondern er und sein gemischtes Team aus Er­mittlern unterschiedlichster Behörden sucht nach Hinweisen auf Devisen­schmuggel, Verbrechen des Regimes, verschwundene Menschen und derglei­chen.

Und hier in Basra hört er zum ersten Mal von dem Vorfall, der sein Leben verän­dern soll. Am besten ist hier ein Zitat:

Wir konnten in 20 Tagen nicht alle Bedürfnisse der irakischen Bevölkerung be­friedigen, aber im Rahmen der Operation Desert Scorpion wurden 1000 Anhän­ger von Saddam festgenommen und 9.463.000 US-Dollar, 1.557.000.000 iraki­sche Dinar, 1071 Goldbarren und zahlreiche unerlaubte Waffen beschlagnahmt.

Trotzdem war nicht jedermann erfreut über unsere Arbeit.

Am 15. April [2003] war ich wieder in Basra, als eine wütende Journalistin auf mich zurannte und schrie: „Ihr Macho-Arschlöcher sucht hier unten nach Geld und Raketen, und in Bagdad ist gerade das schönste Museum der Welt ausge­raubt worden.“

Ich rief Senior in unserem Quartier in Um Kasr an, berichtete ihm von dem Vor­fall und sagte: „Wovon zum Teufel spricht die eigentlich?“

Er sagte: „Ich kriege es heraus, Sir.“

Ich sagte: „Ich will es sofort wissen.“2

Nun, und dann kommen Schlagzeilen wie diese zutage, und nichts davon ist ir­gendwie witzig:

MUSEUM TREASURES NOW WAR BOOTY (Museumsschätze jetzt Kriegsbeute). „Alles, was sich wegtragen ließ, ist aus dem Museum verschwunden.“ Associa­ted Press, 12. April 2003.

PILLAGERS STRIP IRAQ MUSEUM OF ITS TREASURES (Plünderer rauben dem Irakmuseum seine Schätze). „Es dauerte 48 Stunden, bis das Museum zerstört war und die Plünderer mindestens 170.000 Artefakte entwendet hatten.“ New York Times, 13. April 2003.

U.S. BLAMED FOR FAILURE STOP SACKING OF MUSEUM (USA wird vorgeworfen, die Plünderung des Museums nicht gestoppt zu haben.) „Nicht ein einziges Ge­fäß und keine einzige Ausstellungsvitrine blieben intakt.“ Independent, 14. April 2003.

Für Bogdanos und seine Leute ist in diesem Augenblick schlagartig klar: dies ist ihr Fall. Sie sind die einzigen Strafverfolgungsexperten im Land, und es ist keine Zeit zu verlieren, auch wenn um Bagdad zu diesem Zeitpunkt noch gekämpft wird und von Lageberuhigung keine Rede sein kann. Jeder Tag Verzögerung be­deutet zum einen, dass sich die Empörung im internationalen Raum über die „Kulturbarbarei“ der US-Soldaten, wie man schnell sagt, ausbreitet, zum ande­ren aber, und das ist für Bogdanos ungleich wichtiger, je mehr Zeit sie verlieren, desto weniger aussagekräftig sind die Spuren. Desto mehr Zeit bleibt den Plün­derern, das Raubgut wegzuschaffen, womöglich aus dem Irak heraus… und die Chancen, die Dinge dann wiederzubekommen, sind ungleich schlechter, als wenn man zeitnah vor Ort aktiv wird.

Bogdanos überschreitet also seine Befugnisse, trommelt eine Gruppe von Leu­ten zusammen, die er für qualifiziert und befähigt hält, ihn in seiner Arbeit zu unterstützen, und er macht sich direkt auf den Weg in die Kampfzone.

Bagdad hat natürlich für Bogdanos mit seiner historischen Vorbildung einen sa­genhaften Klang, und alle Stätten, an denen er vorbeikommt, sind durch Jahr­tausende glorreicher Geschichte geprägt, wenn auch inzwischen weitgehend desolat und heruntergekommen. Und das Nationalmuseum in Bagdad erweist sich dann schließlich als ein einziger Alptraum, in mehrfacher Hinsicht.

Zum einen handelt es sich nicht um ein Gebäude, sondern um einen gewaltigen Komplex, der sich über 4,5 Hektar erstreckt, also 45.000 Quadratmeter. Zum zweiten finden Bogdanos und sein Team auf dem Gelände so wenig vertrau­enerweckende Dinge wie Scharfschützenstellungen, ausgehobene Verteidi­gungsgräben, Splitterschutzwände und Hunderte von abgefeuerten Munitions­hülsen, später sogar raketengetriebene, panzerbrechende Munition. Es erweist sich darum, dass das Museum von der irakischen Staatsführung durch die Repu­blikanischen Garden planmäßig zu einer Abwehrbastion ausgebaut worden ist (und in der Tat wird von dort aus ein Panzer der Amerikaner beschossen – als er zurückschießt, stanzt seine Granate ein Loch in die Fassade des Kindermuse­ums, das an das Museum angebaut worden ist. Es wird in der medialen Bericht­erstattung aber gern vergessen, dass genau dort, wo die Granate einschlug, ein Raketenschütze mit panzerbrechender Waffe stationiert war, dass dies also ei­nen Akt der Notwehr darstellte).

Noch schlimmer: die meisten Museumsmitarbeiter sind Mitglieder der Baath-Partei, also Saddam Husseins Parteigänger (was für ganz besondere Komplikationen in der Folge sorgen sollte). Und dann diese Kompetenzen… dieses Miss­trauen…

Niemand hat alle Schlüssel für alle Bereiche des Museums. Manche Bereiche sind nur gewissen Personen vorbehalten. Es gibt keine übersichtlichen Listen der Artefakte, von vollständigen mal ganz zu schweigen. Bogdanos und seine Mitarbeiter stellen zudem schnell fest, dass auch Wahrheit etwas ist, dessen Grenzen im Museum fließend sind. Die Museumsmitarbeiter widersprechen einander, halten gezielt Informationen zurück.

Und es wird bald immer deutlicher: die in den Medien genannten Zahlen sind utopisch überzogen. Viele dort referierte „Fakten“ sind einwandfrei falsch. Es gibt erhaltene Vitrinen. Viele Vitrinen sind bereits vor der Plünderung leer ge­wesen. Zahlreiche Kunstwerke sind an andere Orte ausgelagert worden (aber niemand rückt damit heraus, wohin). Manche Artefakte können relativ bald im Zuge eines einmaligen Amnestieprogramms wiederbeschafft werden (in der Re­gel gegen eine Einladung auf eine Tasse Tee).

Aber es gibt eben auch ein paar sehr beunruhigende Fakten, die besonders die wichtigsten Exponate des Museums betreffen, etwa den so genannten „Frauen­kopf von Warka“. Sie werden in einen Restaurierungsraum gebracht, nicht gesi­chert und im Vorfeld der Invasion von dort gestohlen. Bogdanos resümiert, dass sich das eigentlich durchaus danach anhört, als habe ein finanziell potenter Sammler gewissermaßen seine Wunschliste zusammengestellt und dann ein­fach im Museum einsammeln lassen, was er gerne haben wollte.

Überhaupt konstatiert der Verfasser gegen Ende des Buches höchst kritisch und zutreffend, dass eine konzertierte Arbeit gegen internationalen Schmuggel – und dabei ist ja die Plünderung des Irakischen Nationalmuseums nur der An­fang – zumeist im Ausland unterbunden wird, weil Museen, Sammler und Politi­ker miteinander im Grenzland des schwarzen Antiquitätenhandels dicht verfilzt sind. Viele Stücke, die damals 2003 im Irak tatsächlich gestohlen wurden, sind bis heute nicht wieder aufgetaucht (wenigstens nicht bis zur Publikation des Bu­ches). Hier sei, sagt Bogdanos, und das tut er mit Recht, noch viel zu tun, um derlei Verfilzungen aufzulösen und die Strafverfolgungsbehörden auszubilden und zu unterstützen. Er selbst ist seit dem Ende seiner aktiven Dienstzeit im US-Militär wieder bei der New Yorker Staatsanwaltschaft tätig, wo er weiter gegen den illegalen Kunst- und Antiquitätenhandel ermittelt.

Man erfährt also in diesem vielseitigen, packenden und sehr lebendig geschrie­benen und übersetzten Buch sehr viel über das Thema des Raubzugs im Natio­nalmuseum von Bagdad (und ja, der Titel ist natürlich eine Anspielung auf den Film „Der Dieb von Bagdad“, wie überhaupt das gesamte Buch von unglaublich vielen Zitaten und historischen Seitenhieben wimmelt – wer also eine umfas­sende Bildung besitzt, kommt hier voll auf seine Kosten!). Und ja, natürlich be­kommt man auch eine ganze Menge mit über das US-Militär… solche Passagen kann man, wenn man sich damit nicht anfreunden möchte, natürlich etwas flüchtiger lesen. Es ist nur wichtig, festzuhalten: es handelt sich bei dem Buch nicht um eine apologetische Schrift eines amerikanischen Soldaten höheren Dienstgrades. Vielmehr geht es Bogdanos tatsächlich darum, darzustellen, dass er und sein Team sich – oft auch gegen bürokratische Vorbehalte der Vorgesetz­ten – idealistisch eingesetzt haben, um ein Verbrechen aufzuklären.

Dieses Ziel wird weitgehend erreicht. Und dass Bogdanos dafür auch seine indi­viduelle Biografie in die Waagschale wirft, um verständlich zu machen, warum er so gehandelt hat, wie er handelte, macht das Buch noch lesenswerter und weckt Hoffnung. Hoffnung darauf, dass zum einen bei den US-Streitkräften nicht nur Kraftmeier und ideologische Scheuklappendenker sind (Bogdanos ent­spricht diesem gern in den Medien gebrauchten Klischee wirklich gar nicht), zum anderen aber auch darauf, dass die Journalisten einmal lernen sollen, aus ihrem kurzatmigen Trott aufzuschrecken, der sie vielfach Sensationsmeldungen nachlaufen lässt, die nachher – nicht selten jahrelang – mühsam dementiert werden müssen, weil sie schlicht falsch sind.

In diesem besonderen Fall war die spektakuläre Beschädigung des irakischen Kindermuseums und die Plünderung des Irakischen Nationalmuseums natürlich ein gefundenes Fressen für antimilitaristische Berichterstattung weltweit, die höchst bereitwillig das US-Militär als Horde von stumpfsinnigen, obrigkeitshöri­gen Kulturbarbaren im Dienste George W. Bush jrs., „schlimmer als Dschingis Khan“ (!), hinstellten.

Wer indes wissen möchte, wie die Dinge tatsächlich abgelaufen sind, sollte sich dieses Buch zu Gemüte führen. Es ist in der Tat, wie der Klappentext sagt, „eine Mischung aus Kunstkrimi und Abenteuergeschichte“. Und sie lohnt jede Stunde der Lektüre.

© 2013 by Uwe Lammers

Ich halte auch nach fünf Jahren dies immer noch für ein Werk, das einer breite­ren Leserschaft sehr ans Herz gelegt werden sollte. Insbesondere in Zeiten, in denen die Medien voll sind von Schreckensmeldungen über Plünderungsaktio­nen und Zerstörungen von Kulturgütern vergangener Jahrtausende, beispiels­weise durch die kulturlose Terrormiliz „Islamischer Staat“, die damit schon durch die eigene Namensgebung die islamische Religion in den Schmutz zieht, sollte man sich nicht als Leser, Hörer und Zuschauer der aktuellen Berichterstat­tung mental in fatalistische Stimmung versetzen lassen.

Natürlich sind diese Ereignisse grässlich, das ist unstrittig, und natürlich sollte man sie lieber heute als morgen unterbinden. Aber wer denkt, es gäbe nicht einmal den Hauch eines Lichtstreifs am Horizont, und alles würde nur schwarz in Schwarz gemalt werden, der kann sich neben seiner Hoffnung gleich begra­ben lassen und zur ewigen Ruhe betten. Wer hingegen solche Berichte wie die von Bogdanos liest, begreift, dass es durchaus eine Gegenbewegung gibt und sehr viele Menschen, die bereit und willens sind, gegen derlei Auswüchse des Kulturbanausentums und der Hehlerei anzugehen.

Allein schon aus diesem Grund ist das Buch strikt empfehlenswert, auch wegen der darin geleisteten differenzierten Durchdringung der mitunter sehr theatrali­schen Berichterstattung, die, wie erwähnt, in vielen Fällen schlicht völlig in die Irre geht und nahezu alle relevanten Fakten außen vor lässt.

Ihr versteht, dass ich als Historiker und Fan des alten Orients – aktuell lese ich gerade mal wieder den wunderbaren Klassiker „Götter, Gräber und Gelehrte“ von C. W. Ceram, der meine Neigung zum klassischen Altertum, also zu den Ägyptern, Mesopotamiern und Maya sowie Azteken entflammte, als ich noch ein kleines Kind von 9 Jahren war – dieses Buch nicht nur mit Gewinn gelesen habe, sondern es mir auch ein Herzensanliegen war, es zu rezensieren. Ich hoffe sehr, Bogdanos´ Buch findet auch in diesem Medium des Rezensions-Blogs eine Menge interessierter Leser. Und ich wünsche Staatsanwalt Bogdanos weiterhin viel Erfolg bei seiner Arbeit – hol die geraubten Kulturschätze zurück und be­strafe die Hehler und unrechtmäßigen Neubesitzer, wo du kannst! Halte es mit Indiana Jones, der das bezüglich des Kreuzes von Coronado im dritten Teil sei­ner Filmreihe ausdrücklich ruft: „Es gehört in ein Museum!“

Ganz meine Meinung!

In der kommenden Woche haben wir es dann wieder mit sehr viel sanftmütige­rer Kost zu tun und begleiten Cassie Robichaud in New Orleans in ihrem ab­schließenden dritten Abenteuer im Auftrag der Geheimorganisation S.E.C.R.E.T.

Bis dann, Freunde, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Vgl. dazu den Blogeintrag 125 vom 16. August 2017.

2 Bogdanos, S. 160.

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