Rezensions-Blog 52: Die Vampire

Posted März 23rd, 2016 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

heute steigen wir mal in ein Leseabenteuer für Neugierige ein, für vielseitig in­teressierte Phantastik-Fans, die umso mehr von dem vorliegenden Roman ha­ben, wenn sie sich in der Realzeit zwischen, sagen wir, 1880 und 1965 solide auskennen. Das bezieht die Realgeschichte ebenso ein wie die literarische Ge­schichte, denn in dem vorliegenden Roman werden munter Personen der Zeit­geschichte mit solchen der Populärkultur gemischt.

Das ist strukturell grundsätzlich reizvoll – sofern der Spagat gelingt und man die fiktiven Elemente harmonisch in die zeitgeschichtlichen Kontexte einzuflechten versteht. Da ich Historiker wie auch Phantast bin und mich in beiden Bereichen, wie ich denke, recht solide auskenne, hatte der vorliegende Roman, der eigent­lich eine ganze Trilogie kompakt vereint, für mich außerordentlichen Reiz. Gleichwohl zögerte ich etwas, mich in dieses Leseabenteuer zu stürzen.

Warum? Nun, weil ich generell leicht gereizt reagiere, wenn das Thema auf Vampire kommt. Ich habe einfach in meiner Heftromanzeit der 80er und frühen 90er Jahre unzählige Romane mit solchen Protagonisten gelesen und konnte sie schließlich echt nicht mehr ausstehen.

Verzeiht also, wenn ich unten dann in der Beurteilung auch sehr kritische Töne anschlage und die Besprechung dieses ansonsten äußerst beeindruckenden Ro­mans ein wenig zwiespältig ausgefallen ist. Dennoch halte ich ihn grundsätzlich für ein vorstellenswertes Werk, und so kommt ihr in den Genuss dieser schon vor Jahren in einem Fanzine mit kleiner Auflage publizierten langen Rezension. Ich wünsche euch viel Lesevergnügen.

Auf ins Abenteuer:

Die Vampire

von Kim Newman

enthält die Romane

Anno Dracula

Der Rote Baron

Dracula Cha-Cha-Cha

Heyne 53296

1280 Seiten, TB

Aus dem Englischen von Thomas Mohr (1./2. Buch)

und Frank Böhmert (3. Buch)

ISBN: 978-3-453-53296-0

Um es vorweg zu sagen, was vielleicht allgemein bekannt ist: ich mag eigentlich keine Vampire. Dennoch habe ich nicht allzu lange gezögert, diesen wirklich „di­cken Schinken“ zu kaufen (okay, könnte man einwenden, vielleicht hatte ich ja nichts mehr zu lesen, und im Antiquariat kann man beim angebotenen Preis von 4 Euro hier wenig falsch machen… und gleichwohl ist auch diese Vermu­tung falsch). Der Grund liegt ein paar Jahre zurück und hat seine Wurzeln in meiner Passion für die historischen Wissenschaften. Das klingt jetzt alles etwas seltsam? Aye, also, hier die Auflösung, ehe ich zu der Besprechung der Bücher selbst übergehe:

Vor über zwanzig Jahren las ich Bram Stokers „Dracula“ in der deutschen Über­setzung und fand ihn, von Struktur wie Duktus her, doch eher etwas anstren­gend. Puristen mögen mir verzeihen. Ich versenkte Stoker und das Vampirgenre darum wieder im Vergessen. Geraume Zeit später wurde mein Interesse an dem historischen Mordfall „Jack the Ripper“ geweckt, und ich habe wirklich einiges dazu gelesen. Nun, und schließlich lief mir Kim Newmans Buch „Anno Dracula“ über die Füße und verband nicht nur beide Themen, sondern auch noch eines meiner historischen Steckenpferde, nämlich die historische Kontrafaktik: was wäre geschehen, wenn…? In solchen kontrafaktischen Geschichten, die eng mit Parallelwelten und Alternativzeitlinien verzahnt sind, läuft die menschliche Ge­schichte mitunter bestürzend anders ab als in der Realität. Und was hatte Kim Newman daraus gemacht? Folgendes als Ausgangspunkt (!) seines Romans „Anno Dracula“: Van Helsing ist gescheitert und getötet worden. Dracula hat sich nach England eingeschifft und das nicht nur überlebt, sondern, schlimmer noch, er hat Queen Victoria geheiratet und ist Herrscher von England… und er breitet den Vampirismus aus!

Ich dachte, ich fall’ vom Hocker.

So wenig ich auch für Vampire übrig habe, dies klang mir nach einer schier wahnwitzigen Konstellation mit hohem literarischem Reiz (ich hatte ja noch gar keine Ahnung!), also kaufte ich mir anno 1999 das Wühltischbuch… und ver­senkte es in meinen Bücherregalen, in denen es wirklich von lesewilligen Bü­chern nur so wimmelte. Und dann stolperte ich Anfang 2010 also über diesen dickleibigen Wälzer und musste mit einer gewissen Fassungslosigkeit verstehen: he, das ist nicht nur EIN einzelner Roman, Newman hat gleich eine ganze TRILO­GIE darüber geschrieben!

Ja, ich zögerte dann doch einen Moment. 400 Seiten Vampire sind eine Sache, dachte ich, die zu lesen, das kriege ich dann wohl noch hin. Aber fast 1300… hrm. Ich blätterte das Buch ein bisschen durch und las auf Seite 465 (Beginn des zweiten Romans) die Titelzeile „Im Westen nichts Neues“1 und wusste dann schlagartig: verdammt, da geht es nicht um irgendeinen Vampirbaron, sondern um DEN Roten Baron. Es geht um den Ersten Weltkrieg (dummerweise noch so ein Steckenpferd von mir)… tja, und da war’s dann ganz vorbei. Vier Euro bezah­len, Buch einstecken und schnell gehen.

Dennoch hat es gedauert, das Lektüreergebnis vorzulegen. Aber ich versichere euch, das Buch hat es wirklich in sich. Fangen wir mal ganz harmlos an…

Buch 1: Anno Dracula („Anno Dracula“)

Es herrscht Vampirwetter in England im Herbst 1888.

Seitdem Graf Dracula Queen Victoria geehelicht hat, ist das Regentenpaar aus der Öffentlichkeit nahezu verschwunden. Die so genannte Karpatische Garde, blutrünstige, grausame Uraltvampire, sind Draculas Leibwache, und sie sind in der Bevölkerung berüchtigt wegen ihrer Exzesse, Morde und ihrer brutalen Be­strafungsaktionen (Pfählen!). Die Finsternis ist über der Insel herabgesunken, und das kann man sehr physisch verstehen. Schlimmer noch: seit sich die Mon­archie so verändert hat, gilt es als sinnvoll, um nicht zu sagen als opportun, sich selbst zum „Neugeborenen“ machen zu lassen und „Blutspaten“ zu suchen, um gesellschaftlich aufsteigen zu können. Vampirhuren, vormalige leichte Mäd­chen, die nun als Untote ihrem ursprünglichen Beruf (freilich etwas scharfzüngi­ger als zuvor) nachgehen, sind ein allgemeiner Anblick. Lokale, in denen Blut ausgeschenkt wird, haben eröffnet… und dann geschieht das vielleicht Undenk­bare: ein Mord.

Nun sind Morde an und für sich nichts Neues, die hat es in der Themsemetro­pole immer schon gegeben. Aber es ist einfach sehr schwer, Vampirdirnen um­zubringen… es sei denn, man hat ein Messer aus Silber, und ein solches verwen­det der Mörder. Der Volksmund – hin und her gerissen zwischen Sympathie, weil man Vampire wirklich nicht schätzt, und Furcht, denn wer sagt, ob das nicht ein Wahnsinniger ist, der sich nach den Vampiren auch die Warmblüter vornimmt? – nennt ihn bald „Silver Knife“. Und da er beim herrschenden Re­gime auch als „Terrorist“ gegen die Vampire wahrgenommen wird, wird bald Or­der ausgegeben, diesen Kerl zu finden und auszuschalten.

Wir haben für diesen „Silver Knife“ einen anderen Namen: Jack the Ripper. Und Kim Newman hat für ihn eine völlig andere Biografie und atemberaubende Be­weggründe für seinen zerstörerischen Hass…

Im Zuge des Romans lernen wir außerdem kennen: die Vampirälteste Geneviè­ve Dieudonné, im Körper einer etwa Sechzehnjährigen hausend, und zwar seit einigen hundert Jahren, eine Vampirin mit erstaunlichem Großmut und einer sehr sozialen Ader, die zusammen mit dem voll und ganz lebenden Dr. Seward in Whitechapel ein Hospital für die Ärmsten betreibt; Inspector Lestrade vom Scotland Yard (der als „Neugeborener“, also als Vampir, auf Seite 18 des Ro­mans für einen ziemlichen Schock sorgte, schließlich ist er eine Romanfigur aus dem Sherlock-Holmes-Kosmos!); Sherlock Holmes (quasi gleich darauf, Seite 25 – wo man erfährt, dass er vom Regime in ein „Konzentrationslager“ verbracht worden sei, weil er „gewisse Differenzen mit der gegenwärtigen Regierung“ ge­habt habe!); die Journalistin Kate Reed, die sich als Frauenrechtsaktivistin und Regierungskritikerin hervortut und damit einige Schwierigkeiten bekommt.

Außerdem erfahren wir, dass Bram Stoker (!) spurlos verschwunden ist (seine Frau ist ebenfalls Handlungsperson), wir machen die Bekanntschaft mit Charles Beauregard (*1853), einem jungen, aufstrebenden Diplomaten, dessen Verlob­te Penelope Churchward sich nun in eine Vampirin verwandeln lässt, was dazu führt, dass er seine Verlobung löst, weil Beauregard nicht vorhat, sich zu ver­wandeln. Prinzipientreue ist nicht eben etwas, was hier gern gesehen wird, und wenn man Beauregard eines zuschreiben kann, dann Prinzipientreue.

Beauregard ist eine der zentralen Figuren des Romans, abgesehen vom Mörder vielleicht die zentralste. Er steht, und das war dann der nächste Schock für mich als Leser, im Dienst des „Diogenes-Clubs“ (auch aus Sherlock Holmes´ Geschich­ten bekannt), und als dann Mycroft Holmes, Sherlocks dickleibiger, hochintelli­genter Bruder und graue Eminenz im Diogenes-Club, in Erscheinung trat, da verblüffte mich das nicht mehr so richtig.

Als der Diogenes-Club Beauregard den Vampir-Gardisten Danny Dravot an die Seite stellt2 und ihn mit dem Fall „Silver Knife“ beauftragt, wird bald klar, dass die Clubführung eine Gratwanderung vollführt: Mycroft hält nichts von Dracula, steht aber loyal zur Königin. Insofern sieht er die Metzeleien von „Silver Knife“ nicht ohne eine gewisse Sympathie, da dieser Mörder nur Vampire tötet. Ja, vielleicht sieht er sogar bestimmte… Möglichkeiten. Das darf natürlich niemand erfahren.

Und Beauregard als Warmblütiger, der bald an der Seite von Geneviève Dieu­donné und Kate Reed gegen Vampirintrigen, menschliches Machtgerangel, Op­portunismus, Wahnsinn und gegen einen offensichtlich geistesgestörten Vam­pirmörder zu kämpfen hat, wendet sich, als rasche Erfolge ausbleiben und im­mer mehr Morde geschehen, fragwürdigen Wissenschaftlern zu, die vielleicht Aufklärung schaffen könnten… zwei Doktoren namens Dr. Jekyll und Dr. Moreau (wie, die kommen bekannt vor? Gut, es sind genau DIESE Herren!).

Was aber in Wirklichkeit hinter dieser ganzen Angelegenheit steckt und vor al­len Dingen, wie der Diogenes-Club vorhat, Jack the Ripper zu instrumentalisie­ren, das kommt erst sehr, sehr spät ans Licht, und der Roman versinkt am Schluss in einem einzigen Sumpf des blutroten Grauens…

Buch 2: Der Rote Baron („The Bloody Red Baron“)

Man schreibt das Jahr 1918, das Morden während des Weltkriegs geht in das vierte Jahr, und noch immer ist kein Ende in Sicht. Die Welt hat sich nicht zum Besseren verändert, seit die Lage in England vor dreißig Jahren entschärft wer­den konnte – es kam damals im Gefolge der Jack-the-Ripper-Morde zum Sturz Graf Draculas und zu der Vertreibung des Karpaters mitsamt seiner Garde ins Ausland.

Leider beendete das nicht das Ausbreiten des Vampirismus – daran konnte schon Leuten wie dem damaligen Premierminister Lord Ruthven nicht gelegen sein, der selbst zu einem geworden war und sich nach Draculas Sturz hartnäckig für die Ernennung von König Viktor stark machte. So kam es, dass Vampire wei­terhin in der Regierung blieben und zahllose Menschen auch in den drei Jahr­zehnten nach Draculas Sturz die „Neugeburt“ anstrebten. Lord Ruthven regierte als Premierminister auch noch 1918 Großbritannien, und er verfolgte die Karrie­re des Obervampirs mit Argusaugen.

Dracula floh zunächst nach Russland, wo er die Romanow-Familie in seinen Bann zog. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde er dann aber gezwungen, zu flüchten und wurde auf der Yacht „Hohenzollern“ des Regenten Wilhelm II. von Deutschland anno 1905 gesichtet. Der deutsche Herrscher gab Dracula nicht nur Obdach, sondern einen deutschen Grafentitel und politische Ämter. Im Raum der Mittelmächte wurde daraufhin der Vampirismus salonfähig, und als Dracula seit 1914 Oberbefehlshaber des deutschen Heeres wurde, konnte der nächste Alptraum beginnen: der Erste Weltkrieg.

Diesmal wurde es ein Krieg, in dem Lebende und Vampire miteinander rangen, und dennoch war es ein Gemetzel, das sich ganz wie in unserer Welt in Nord­frankreich in einem Schützengraben-Stellungskrieg festfraß und eigentlich seit Herbst 1914 verloren war. Der vermeintlich auf 4 Wochen bemessene Waffen­gang währte nun schon vier Jahre und hatte die halbe Welt in Flammen gesetzt. Es betraf nicht länger nur Deutsche, Russen, Franzosen, Belgier und Engländer, sondern inzwischen waren die Türken im Krieg, der Balkan brannte, Rumänien, Teile Afrikas befanden sich im Kolonialkrieg, und die Amerikaner und Australier mischten sich inzwischen ein. Und hinter den Kulissen des aktuellen Krieges tobte natürlich auch der unerklärte, geheime Krieg im Hintergrund.

Federführend für diese Art der Kriegsführung ist, ganz wie im ersten Roman, der „Diogenes-Club“, noch immer geleitet von dem inzwischen schwer kranken Mycroft Holmes. Sein loyalster Mitarbeiter ist nach wie vor Charles Beauregard, der eigentlich an den Ruhestand denkt, weil er auf das 65. Lebensjahr zugeht und nach wie vor warmblütig ist. Dank einiger Blutauffrischungen, die er Gene­viève Dieudonné zu verdanken hat und die sein Leben verlängert haben, ahnt voraus, dass die Deutschen an der Westfront irgendeine finstere neue Sache ausbrüten. Es gibt vage Gerüchte über eine bevorstehende „Kaiserschlacht“ und eine dabei zum Einsatz kommende „Geheimwaffe“, die im von Deutschen besetzten, frontnahen „Chateau de Malinbois“ entwickelt wird. Genaues ist nicht bekannt.

Beauregard schickt seinen verdienten jungen Mitarbeiter Edwin Winthrop ins Feld, der sich als warmblütiger Pilot dem alliierten „Geschwader Condor“ an­schließen soll. Hier dienen sowohl Vampire als auch Warmblüter als Soldaten, das ist ganz ähnlich wie im Heer, und der Tonfall ist rauh, aber herzlich.

Chateau de Malinbois erweist sich tatsächlich als Brutstätte des Bösen: das deutsche Oberkommando hat hier eine Reihe von verdienten Ärzten – Dr. Cali­gari, Dr. Mabuse und Dr. Murnau (wer diese oder auch weitere erwähnte Na­men zu kennen meint, hat Recht – Newman verknüpft auch hier auf abenteuer­liche Weise Roman- und Filmfiguren mit der zeithistorischen Handlung auf eine geradezu aberwitzige Weise) – zusammengezogen, die unter der Anleitung des Arztes Dr. tenBrincken sinistre medizinische Experimente mit den Fliegern des Jagdgeschwaders 1 (JG 1) vollführen.

Und dieses Jagdgeschwader gab es ja wirklich, ebenso wie die in Folge auftre­tenden Fliegerasse Ernst Udet, Erich von Stalhein, Hermann Göring (!) sowie Lo­thar und Manfred Freiherr von Richthofen. Letzterer gilt aufgrund seiner zahlrei­chen Abschüsse und seiner scheinbaren Unbesiegbarkeit als „Roter Baron“ und ist damit die Titelfigur dieses Romans.

Es wäre gar zu verräterisch, fürchte ich, sehr in die Details des notwendig bruta­len und blutrünstigen Romans zu gehen, aber es sei darauf hingewiesen, dass es bei dem Geheimnis von Chateau de Malinbois um eine ganz ungeheuerliche Form der Flugtechnik geht und die Schrecken des Krieges hierin sowohl in sozia­ler wie in politischer und physischer Realität äußerst drastisch geschildert wer­den. Personen wie Mata Hari und der brave Gefreite Schwejk haben ihre Auf­tritte als Vampire, zum Erschrecken und zur Bestürzung des Lesers tauchen Leu­te wie Franz Kafka, Edgar Allan Poe (!) und Hanns Heinz Ewers nicht nur unbe­dingt am Rand auf, sondern die beiden letzten, Vampire durch und durch und einfach unglaublich individuell geschildert, agieren über weite Teile des Ro­mans.

Haarsträubend ist dann auch, zu erleben, dass der Generalstab auf der alliierten Seite fast flächendeckend aus – sehr prominenten – Vampiren besteht: Winston Churchill (!), General Jack Pershing (!) und Douglas Haig (!). Den graugesichti­gen, alten und warmblütigen Charles Beauregard dabei zu sehen, der sich im­mer noch prinzipientreu weigert, ein Vampir zu werden, tut schon fast weh. Aber es lässt natürlich den Respekt vor ihm wachsen.

Ähnlich ist es mit der verstörenden Wandlung, die mit Edwin Winthrop vor sich geht, der zwischendurch im Niemandsland strandet und eine wahre Alptraumodyssee durchmacht, die zu den schrecklichsten Passagen des Buches gehört. Nun, und dann ist da selbstverständlich noch „Miss Maus“, die Journalistin Kate Reed, seit dreißig Jahren untot und kein bisschen weniger renitent als zuvor, im­mer noch unbequem und am Rande des Hochverrats balancierend.

Als dann die „Kaiserschlacht“ beginnt, wird rasch klar, dass beide Seiten sich verkalkuliert haben. Das Blutvergießen eskaliert, und die Monster werden los­gelassen…

Buch 3: Dracula Cha-Cha-Cha („Dracula Cha Cha Cha“)

Der Zweite Weltkrieg und all seine Schrecken liegen hinter uns – und im späten Charme des Italiens gegen Ende der Fünfziger Jahre hat sich in der Welt eine neue Gesellschaft etabliert, die inzwischen relativ liberal mit der Allgegenwart der Vampire – sowohl der Ältesten als auch der Neugeborenen – umzugehen gelernt hat.

Was spielt es für eine Rolle, dass sich die Sowjetunion und die USA unter dem drohenden Banner der Nuklearwaffen belauern? Wen kümmert es schon groß­artig, dass die Welt schnelllebiger geworden ist und alle Welt auf Miniröcke, Rock’n Roll, Vespas, südländische Partys und glamouröses Filmbusiness schielt, auf den ständigen Wettbewerb zwischen dem römischen Cinecittá einerseits und Hollywood andererseits?

Für die Ältesten der Vampirfamilien scheint die Welt gleichsam versteinert zu sein, etwa für Graf Dracula, der beide Weltkriege überstanden und, reich ge­worden durch die Investition in die moderne Kunst, inzwischen auf Schloss Otranto vor den Toren Roms seinen Ruhesitz gefunden hat. Die Welt hat ihren Frieden mit den Vampiren gemacht, so will es scheinen… die Welt…? Nun, viel­leicht.

Als im Juli 1959 das Gerücht Substanz annimmt, dass Graf Dracula ein weiteres Mal zu heiraten gedenkt, diesmal Asa Vajda, eine untote moldawische Prinzes­sin (und bekanntlich liegt Moldawien, Teil Rumäniens, zu diesem Zeitpunkt hin­ter dem Eisernen Vorhang und wird vom warmblütigen Nicolae Ceausescu re­giert!), reagieren viele Leute mit Neugierde darauf, nicht nur Älteste, sondern auch Geheimdienste in West und Ost. Journalisten treffen hier ein, beispiels­weise die sattsam bekannte Kate Reed, die schon in den ersten beiden Roma­nen eine zentrale Rolle spielte.

Sie hat aber eigentlich nicht Graf Dracula zum Ziel – sie möchte dem Mann, den sie immer begehrt hat, aber nie zu halten vermochte, noch einmal einen Be­such abstatten: Charles Beauregard, der in Rom lebt und hier in hohem Alter (er ist inzwischen 105 Jahre alt und immer noch warmblütig!) von seiner Langzeit-Geliebten gepflegt wird, Geneviève Dieudonné, die für immer und ewig seit dem 14. Jahrhundert in ihren schönen 16jährigen Leib eingesperrt ist.

Ehe Kate die beiden erreicht, wird sie allerdings schon Zeugin eines Doppelmor­des an Vampirältesten, direkt am Trevi-Brunnen, und um ein Haar findet sie da­bei selbst ebenfalls den Tod. Doch der Mörder, eine clowneske Hünengestalt, verschont sie. Und wer ist dieses blassgesichtige Mädchen, das Kate als einzige am Tatort entdeckt und das gleich darauf verschwunden ist…?

Man entdeckt schnell, dass Charles, wiewohl steinalt und gebrechlich, doch noch über einen scharfen Verstand verfügt und viele Verbindungen in die selt­samsten Kreise. Und er empfängt, sehr gegen Genevièves Wünsche, immer noch Gäste – beispielsweise einen smarten britischen Vampir-Agenten namens Hamish Bond (unschwer zu erraten, wer da wohl Pate stand, und man sieht un­weigerlich den jungen Sean Connery vor sich, ebenso unbekümmert in seinen Leinwandliebeleien wie in seinen Leinwandmorden im Dienst Ihrer Majestät). Wir treffen auf mechanische Killerwesen und einen nicht minder mordlüster­nen Golem, auf einen Smersh-Agentenchef, den man „den Kater“ nennt (und ja, es ist wirklich ein Schock, in einer Agentenzentrale dann einen Mann in Mao-Uniform zu sehen, der ein weißes Kätzchen auf dem Arm trägt und es streichelt… wer da nicht an Blofeld denkt, hat keine Ahnung!3).

Nun, und als wenn das alles noch nicht reichen würde, ist dann da auch noch die Frage von Lord Draculas Hochzeit. Warum ausgerechnet Prinzessin Vajda? Was will Dracula mit dieser Heirat erreichen? Und wer, um alles in der Welt, ist dieser wahnsinnige Vampirmörder, der ausschließlich Älteste meuchelt?

Uns läuft im Palast des uralten Vampirs ein menschlicher Bediensteter über die Füße, ein charmanter, junger Amerikaner namens Tom, der schon mal einen Vampir kurzerhand massakriert und das als Unfall getarnt hat (ich musste un­weigerlich an Tom Ripley von Patricia Highsmith denken, weiß aber nicht, ob der Roman anno 1959 spielt, ich habe ihn noch nicht gelesen… verblüffen wür­de es mich nicht). Dann machen wir einmal mehr die Bekanntschaft von Pene­lope Churchward, der früheren Verlobten von Charles Beauregard anno 1888, von der er sich löste, nachdem sie sich für die vampirische Neugeburt entschied – diesmal ist sie gewissermaßen die Gouvernante von Draculas Haushalt.

Oder wie ist es mit Orson Welles, der als Zauberkünstler, Filmschauspieler und Dramaturg mit einem Zauberschwert in Erscheinung tritt (dass Kate mit diesem Schwert nachher einen Kopf kürzer gemacht werden soll, sei hier nur angedeu­tet… die Szene ist absolut grotesk, nicht zuletzt wegen der Erdbeermarmelade!). Der Leser kann auch Leute wie Kirk Douglas, Sophia Lo­ren, Andrej Gromyko, Edgar Allan Poe und zahllose weitere in Gastrollen erle­ben… doch die wahre Hauptfigur ist der rote Henker und das Wesen, das hinter ihm steht und einen Plan verfolgt, der absolut tödlich ist – nicht zuletzt für eine lebende Legende namens Dracula selbst…

Der letzte der drei Romane dieser Trilogie steuert zwar zu dem gesamten Hand­lungsensemble noch einiges Amüsante und einiges Unterhaltsame bei, garniert – insbesondere gegen Schluss – mit einer Menge interessanter und fast philoso­phischer Reflexionen, erweist sich aber im Gesamtbild bei genauer Betrachtung in gewisser Weise als… nun… blutleer. Eine nett arrangierte Hülle, in der jede Menge Bühnenzauber entfaltet wird. Es gibt eine Menge Geballere, Action, spektakuläre Todesfälle, rätselhafte Wesen, die auftauchen und wieder ver­schwinden, theatralische Beichten und rauschende Festinszenierungen… und doch hat man von Anfang an das dunkle Gefühl, als wenn der Roman eine Aura der Dekadenz und des Zerfalls ausatmet.

Die Ära der alten Vampire, so klingt es ganz zum Schluss, scheint sich dem Ende zuzuneigen. Die menschlichen wie die unmenschlichen Protagonisten verlieren im Räderwerk der modernen Welt ihre Funktion, haben sich gewissermaßen überlebt und sind atavistisch geworden. Und damit fällt dann der Vorhang über die Szenerie. Ja, und so liest sich die Geschichte dann auch, fast ein wenig weh­mütig-fatalistisch. Ein wenig ziellos.

Natürlich, manche Hauptpersonen bestehen weiter, und prinzipiell könnte Kim Newman eine Fortsetzung ausarbeiten. Aber ich bin der Ansicht, dass dies ein Fehler wäre, aus mehrerlei Gründen. Einmal macht er am Ende dieses Romans Dracula tatsächlich den Garaus, auf eine endgültige Weise. Die Ära Dracula ist definitiv vorbei. Zum zweiten berichtet der Autor davon, dass sich die Ältesten an den Takt der modernen Zeit nicht anzupassen wissen, dass sie vom Fort­schritt buchstäblich überholt und links liegen gelassen werden. Die Zukunft ge­hört jenen Vampiren und warmblütigen Menschen, die imstande sind, sich an­zupassen, neu zu erfinden und sich den Herausforderungen der Gegenwart letztlich gewachsen zeigen.

Es gibt aber noch einen dritten Grund, und er kristallisiert sich im Laufe der ge­samten 1280 Seiten immer stärker heraus: Kim Newman ist dem Mythos Dracu­la nicht gewachsen. Dieser Gedanke, der mich im zweiten Band immer stärker überraschte, ist im dritten nicht mehr zu übersehen. Er lässt sich folgenderma­ßen formulieren:

Die Ära der Vampire, das macht er an vielen Stellen deutlich, ist zentral mit dem Namen von Vlad Tepes, also Graf Dracula, verknüpft. Als er im ersten Band sei­nen Widersacher van Helsing überwältigt und tötet (da das schon passiert ist, als der Roman beginnt, muss man das gewissermaßen in Parenthese setzen), um dann Queen Victoria zu ehelichen und sein Terrorregime in England aufzu­richten, ist er es, Dracula, der den Vampirismus salonfähig macht. Seit diesen Tagen der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts ist der Aufstieg des Vampirismus weltweit unaufhaltsam. Selbst die KZs der Nazis, in die die Vampire eingesperrt wurden, hat sie nicht vernichten können. Gleichwohl, in „Anno Dracula“ taucht der Fürst der Finsternis erst ganz zum Schluss auf, mehr als eine Form von Schreckensvision denn als Handlungsfigur. Und kaum ist er aufgetaucht, ist er auch schon wieder fort, wie ein Gespenst.

Im Ersten Weltkrieg – also im zweiten Roman des Zyklus – wird der Schrecken des Krieges zentral eigentlich an der „Normalität“ des Krieges demonstriert. Auch hier steht Dracula nur als Menetekel, als Name im Hintergrund. Er selbst taucht niemals auf (das sind dann nur nachher seine Double wie Bela Lugosi), im gesamten Roman nicht. Hier ist er gewissermaßen eine Nicht-Hauptfigur. Sehr auffallend, wie mir schien.

Erst im letzten der drei Romane kommt Dracula dann wieder zum Vorschein – aber auf was für eine Weise! Obwohl sich offiziell der gesamte Roman zentral um Draculas neue Hochzeit dreht, ist der Bräutigam doch im Grunde genom­men bis ins hintere Viertel des Romans abwesend, und er spricht kein einziges Wort (wer bis dorthin gelesen hat, wird verstehen, warum Dracula selbst dann nicht spricht, als er physisch auftaucht!). In diesem Roman wird, statt die Inkar­nation des Bösen angemessen in Szene zu setzen, der Dracula-Mythos zentral zerlegt und demontiert.

Das geschieht auf interessante, aber eher doch intellektuelle Weise. Vergleicht man die Trilogie darum mit einer Art von Cocktailreihe, so nimmt die Ge­schmacksintensität vom ersten zum dritten Band kontinuierlich ab, und abgese­hen von einigen launigen Höhepunkten auf den letzten paar hundert Seiten liest sich der dritte Roman dann etwa so, wie Spülwasser schmecken dürfte.

Gut also, dass der Gesamtroman nicht den Titel „Draculas Vampire“ oder so ge­tragen hat, sondern sehr allgemein „Die Vampire“ hieß. Das passt durchaus und ist, wie oben schon gesagt wurde, nicht ohne Reiz. Dennoch denke ich mir, hät­te sich Kim Newman den letzten Band besser erspart. Er bietet, bei allem Re­spekt und handwerklicher solider Schreibkunst, doch zu wenig Eigenständiges und Substantielles, und ein Epilog von vierhundert Seiten ist dann doch etwas schauerlich. So ähnlich verhält es sich hierbei leider. Mit irgendwelchen Sequels hierzu verhielte es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit recht ähnlich. Der erste Roman war – wie das meist so ist – der eigenständigste und interessanteste, da­nach wird die Geschichte fortwährend verwässert.

Wer also Vampir-„Fan“ ist, kommt mit diesem dicken Schinken ohne Zweifel voll auf seine Kosten. Skeptiker wie ich hingegen sollten sich nach diesem Buch sa­gen: okay, der Rest des Vampir-Hype kann auch weiterhin ohne mich stattfin­den…

© by Uwe Lammers, 2011

Ja, meine Freunde, ich weiß, das war wieder einer der sehr langen Beiträge. Da­für werde ich euch in der kommenden Woche mit etwas SEHR kurzem und vor allem sehr Kurzweiligem beschäftigen. Da geht es dann um Zeitmaschinen… wenn ihr neugierig seid, schaut einfach rein.

Bis nächste Woche,

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Eine direkte, gezielte Anspielung auf Erich Maria Remarque, es gibt noch viele solche Fälle bei Kapitelüberschriften in allen drei Romanen.

2 Ich gestehe, bei der Lektüre habe ich halb und halb immer gehofft, Danny Dravot würde sich als Pseudonym eines vampirisierten Sherlock Holmes entpuppen, aber diese Hoff­nung wurde enttäuscht…

3 Und WER an Blofeld denkt, wird goldig überrascht – wie ich beim Lesen auch!

Liebe Freunde des OSM,

und schon wieder sind zehn Wochen ins Land gestrichen… man staunt wirklich als kreativer Phantast, wie flink das geht. Aber wir sind zugleich in dieser Subar­tikelreihe meines Blogs schon bis zum Anfang des Jahres 1997 vorgestoßen. Da wollen wir mal keine Zeit vergeuden, denn Zeit und Platz habe ich hier stets zu wenig.

Das Jahr 1997 lässt sich sehr schnell abhandeln, aus einem ganz einfachen Grund – für die Geschichtensammlung „Aus den Annalen der Ewigkeit“, um die es uns hier zentral geht, ist dieses Jahr nahezu ereignislos.

Ja, zwar schloss ich am 23. März 1997 die 20. OSM-Ebene, also die Serie „Oki und Cbalon – Das Ewigkeitsteam“ (OuC) ab, an der ich seit 1984 gearbeitet hat­te, und am 14. Juni konnte ich auch den vermeintlichen Band 1100 des OSM schreiben (es handelt sich, nur so informationshalber, um Band 27 des KON­FLIKTS 22 „Oki Stanwer – Der Schattenfürst“ (DSf), Eigentitel: „TVESTHIL oder Das Blut der Matrix“), der dann leider ebenfalls wegen eines Zählfehlers zu Band 1102 wurde. Ihr kennt das von dem jüngst erwähnten Roman „Inferno in Arc“ schon.

Also, das bekam ich zwar hin, ja. Aber das Studium in Braunschweig nahm mich so sehr in Anspruch, zusammen mit Pflichtpraktika, die ich ableistete, dass ich keine Konzentration für Annalen-Werke aufbringen konnte. So stellte ich denn auch erst am 18. August den Roman „Kämpfer gegen den Tod“ fertig, den ich schon verschiedentlich kursorisch in den Blogartikeln erwähnte. Es soll­te das einzige Werk für die Annalen in diesem Jahr bleiben.

Kämpfer gegen den Tod“ fängt mit dem Tod der Hauptperson an und ist aus genau diesem Grund bis heute paradigmatisch für mich und spannend zu lesen. Der Geschäftsmann Alan Bannister, der bei einem Verkehrsunfall auf der Erde stirbt, muss nämlich die verstörende Erfahrung machen, dass seine atheistische Perspektive nicht korrekt ist.

Von wegen: Man stirbt, Licht aus, und das ist es dann gewesen.

Nein, Alan Bannister findet sich auf einer fremden Welt wieder, ausgespien von einem schwarzen Kristallmonolithen, einem so genannten HEIMATSTÜCK. Und er steckt im Körper eines lebenden menschlichen Skeletts, das einen schwarzen, kristallenen Brustpanzer trägt.

Er ist ein Totenkopf geworden, Teil von TOTAMS ewiger Armee.

Soweit wäre das für den OSM-Leser vertraut. Aber dann gibt es Dinge, die nicht ganz zusammenpassen – Bannister besitzt beispielsweise die Standardbewaff­nung nicht, die Totenköpfe normalerweise aufweisen. Er bekommt bald mit, dass er einen mentalen Parasiten in sich trägt, der ihn zeitweilig völlig kontrol­liert. Und, noch schlimmer, die schwarzen Monolithen sind Trümmerstücke des Planeten TOTAM, der Heimat.

Auf der Suche nach Erklärungen und Lösungen springt Bannister von Welt zu Welt und von Galaxis zu Galaxis und hat bald das grässliche Gefühl, dass die Dinge immer schlimmer werden und Mächte ihr Unwesen treiben, die man fast überhaupt nicht mehr verstehen kann…

Ich habe Jahre der Arbeit an dieser Geschichte gebraucht, um zu kapieren, in welchem Universum sie eigentlich spielt, ohne Witz. Aber gegen Schluss wusste ich dann Bescheid… aktuell schreibe ich diese Geschichte gerade ab, um sie in naher Zukunft als E-Book in der „Annalen“-Reihe zu publizieren. Dann könnt ihr euch persönlich direkt ins Abenteuer stürzen, und ich versichere euch, das lohnt sich echt.

Tja, damit war dann das Jahr 1997 auch schon wieder Vergangenheit. Schauen wir ins Jahr 1998.

Am 11. Januar 1998 schloss ich, das erwähne ich nur der Vollständigkeit halber, weil das in meinen Statistikheften eigens hervorgehoben ist, mit „Zusammen­hänge“ den dritten Teil meines Buch-Projekts „DER CLOGGATH-KON­FLIKT“ ab. Allein dieser Teil erreichte – in damals noch nicht redseligen Zei­ten! – satte 799 Seiten, es ist also begreiflich, warum das jahrelang soviel Ener­gie gebunden hat.

Dann ist die nächste Zäsur für den OSM der 24. Mai 1998, als ich den KON­FLIKT 16 „Oki Stanwer – Der Mann aus dem Nichts“ (DMadN) beendete, an dem ich seit Ende 1983 geschrieben hatte… wahrlich, es wurde wirklich Zeit da­für.

Die nun freiwerdenden kreativen Energien verwendete ich auf den 11. Oki Stan­wer-Roman „Schatten der Vergangenheit“, der am 10. Juli vollendet wurde. Ich habe ja jüngst schon erzählt, dass in dieser Romanreihe Oki Stanwer in der Galaxis Milchstraße des 75. Jahrhunderts Maske machte, um in der Identität des verschollenen menschlichen Milliardärs Eon Seggar den Versuch zu machen, die völlig zerstreuten Kräfte der galaktischen Völker gegen TOTAM zu einer Allianz zusammenzuschmieden. In diesem Band geht es nun wesentlich darum, dass, nachdem die Komplikationen auf dem Planeten Mira Ceti – Eon Seggars Heimatwelt – ausgestanden sind, die erste Expedition zu Bündnisvölkern gestartet wird.

Die FRATERNITÉ, Eon Seggars alte, von den Okis optimierte Raumyacht, dringt in den Spiralarm III vor, den Herrschaftsraum der uralten pflanzlichen PSI-Intelligenzen, die inzwischen schon längst einen Feldzug gegen die zersplit­terte Menschheit führen und einen Schattenplaneten namens „Schrecken“ auf Kollisionskurs mit der verlassenen Erde gebracht haben.

Und natürlich ereignet sich gleich eine zweifache Katastrophe…

Nur 18 Tage nach Abschließen dieses Romans vollendete ich dann den ersten Roman des Archipels, „Die drei Strandpiratinnen“, der mit mehr als 300 Ma­nuskriptseiten unglaublich viel länger war als der obige OSM-Roman. Und wäh­rend ich hier noch in den Endarbeiten steckte, dämmerten auch schon Bildse­quenzen eines weiteren Archipel-Romans empor, der dann am 2. August 1998 unter dem Titel „Evi und Petra“ begonnen werden sollte.

Mir war zu diesem Zeitpunkt natürlich überhaupt noch nicht klar, was ich hier entdeckt hatte und was für unglaubliche kreative Höhenflüge mir diese un­scheinbare tropische Welt entlocken sollte. Aber, wie ihr euch das denken könnt, diese Ableitung kreativer Energien hatte selbstverständlich Konsequenzen für meine Arbeiten am Oki Stanwer Mythos.

Ein Schreibmaschinenschaden im August 1998 warf mich dann wochenlang weiter zurück und führte dazu, dass ich im Jahresrückblick nur auf 103 Werke im gesamten Jahr kam – und kein einziges „Annalen“-Werk mehr dabei war.

Werfen wir noch ein paar Blicke ins Jahr 1999, das auch nicht witziger aus­schaute, sondern eher noch trüber. Das Jahr fing schon unschön am 9. Januar an, als mich ein erneuter Schreibmaschinendefekt völlig lahmlegte. Da ich seit 1998 auch die Chefredaktion für das Fanzine „Baden-Württemberg Aktuell“ (BWA) des Science Fiction-Clubs Baden-Württemberg innehatte, das ja im Monatstakt erschien, könnt ihr euch gut denken, dass ich hier nun auf eine völlig ungewohn­te Weise wieder beansprucht wurde.

Zeit wurde zu einer echt knappen Ressource.

Außerdem hatte ich ja parallel dazu vor, mein Studium allmählich beenden zu wollen. Ich befand mich inzwischen im 9. Semester. Die Regelstudienzeit bei Historikern beträgt 8 Semester, und selbst wenn ich mich damit trösten konnte, durch drei Praktika schon eine Menge Zeit „verloren“ zu haben, was die Über­ziehung rechtfertigte, war mir doch klar, dass ich jetzt allmählich Gas geben sollte.

Ihr seht, jede Menge Ablenkung von den „Annalen“, leider.

Und dann war da eben auch noch die frisch entdeckte Welt des Archipels, die mich immer stärker umschlang und mit Beschlag belegte.

Da kam ich auch zuallererst weiter – am 16. April vollendete ich „Evi und Pe­tra“, auch ein Wälzer von mehr als 300 Manuskriptseiten, atemberaubend, wie ich fand. Richtig zur Ruhe kam ich auf dem Sektor jedoch nicht, wie ich eigent­lich halb und halb gehofft hatte. Im Gegenteil. Ein offener Handlungsstrang des ersten Archipel-Romans um die schöne Blondine Christina brachte mich im Mai dazu, mit dem nächsten Archipelwerk, „Christinas Schicksal“ zu beginnen.

Was ich da eigentlich begonnen hatte, ahnte ich nicht im Traum. Ich werde dazu später noch kommen.

Dass ich im Oki Stanwer Mythos wirklich vorankam, brauchte tatsächlich bis zum Oktober dieses Jahres. Am 6. Oktober entstand mit „Der Feuerspürer“ ein vollkommen singulärer OSM-Roman, der eine ganz neue Persönlichkeit einführ­te, nämlich den Feuerspürer Shorex’uss aus dem Volk der Xin.

Ich hatte die Xin bereits in KONFLIKT 20 „Oki und Cbalon – Das Ewigkeits­team“ kennengelernt, dort aber nicht wirklich viel über sie erfahren. Die Xin waren außerdem in KONFLIKT 24 „Oki Stanwer – Der Neutralkrieger“ (NK) unterwegs, dort in der sterbenden Galaxis Feuerrad, und von dort kam auch die Inspiration, über dieses rätselhafte Volk zu schreiben.

Die Xin sind Kollektivwesen mit einer höchst eigenartigen Genese und einer vielleicht noch seltsameren Wahrnehmungsweise der Umwelt. Und der kleine Shorex’uss ist der eigentümlichste von ihnen. Bevor er sehen kann, wird sein wachsender Geist bereits von unbegreiflicher Pein heimgesucht, den so genann­ten „Feuerschmerzen“ – und dies sind Ausstrahlungen kosmischer Phänomene, die in Feuerrad ganze Sonnensysteme auslöschen. Shorex wird schon von frühes­ter Kindheit deshalb essentiell wichtig für sein Heimatschiff und sein Mutterkollektiv, ohne dass er verstehen könnte, was ihn eigentlich peinigt und ihn zu einem Außenseiter seiner eigenen Gesellschaft macht.

Der erste Shorex-Roman – es gibt inzwischen eine ganze Reihe davon, und mehrere sind in ihrer Ursprungsgestalt auf der Homepage www.sfcbw-online.de des Science Fiction-Clubs Baden-Württemberg nachzulesen – ist darum der Auf­takt einer biografischen Forschungsreise in einer fremden Spezies und insofern reichlich singulär.

Man merkt hier übrigens, das sollte ich andeuten, ein faszinierendes Crossover zwischen meinen historischen Leidenschaften und meinen phantastischen Aus­prägungen in eigenen Geschichten: Ende der 90er Jahre begann ich mich mehr und mehr für Biografiegeschichte zu begeistern. Während ich nach einem pas­senden Thema für meine Magisterarbeit zu suchen begann, entstanden überall biografische Geschichten. Die obigen Archipel-Romane sind ganz in diesem Kontext zu verstehen, ebenso die Shorex-Romane oder auch solche Stories wie „Alles wandelt sich“ oder „Edgars Sorgen“, die ich hier nicht weiter behandelt habe, weil sie autonom sind und mit dem OSM nichts zu tun haben.

Über das Jahr 2000, wo der OSM noch tiefer ins Nirgendwo abrutschte, schreibe ich dann in der nächsten Ausgabe dieser Artikelreihe. Für heute sollen meine Er­örterungen erst mal genügen.

Nächste Woche an dieser Stelle findet ihr meinen Bericht, wie sich mein kreati­ve Output für den Dezember 2015 entwickelt hat.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 51: Das Wing-4-Syndrom

Posted März 16th, 2016 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

vor sechs Wochen machte ich euch auf eine der beunruhigendsten Dystopien der Science Fiction aufmerksam, die meiner Meinung nach zu Unrecht in den Dämmer des weit gehenden Vergessens gerückt wurde. Mit „Wing 4“ schrieb Jack Williamson einen bestürzenden Roman über den Kampf zwischen roboti­scher Perfektion und menschlicher Unvollkommenheit.

Wer den Roman inzwischen gelesen hat – eine äußerst lohnende Lektüre, lasst euch das noch einmal ins Stammbuch schreiben – , der wird sich vielleicht fra­gen: Wie ist es auch nur denkbar, dass es davon eine Fortsetzung geben kann?

Das habe ich mich ebenfalls gefragt, als ich das vorliegende Buch entdeckte. Aber ihr werdet, wenn ihr euch dieses ebenfalls recht dünnleibige Werk einver­leibt (dünnleibig, gemessen an den dicken Täuscher-Schwarten, die heutzutage den Buchhandel dominieren), schnell entdecken können, dass dünnleibig nicht mit gehaltlos gleichgesetzt werden kann. Das Gegenteil ist der Fall. Mit den Welten Malili und Kai im Sonnensystem der „Katze“ lernt ihr zwei Welten wie Tag und Nacht kennen, aufregende Protagonisten – und, ja, eine alte, Furcht er­regende Bedrohung.

Die Humanoiden von Wing 4. Die Herrscher der Galaxis.

Und wie die Konfrontation ausgeht, möchte ich nicht vorwegnehmen. Schnup­pert erst mal ins Thema rein:

Das Wing-4-Syndrom

(The Humanoid Touch)

von Jack Williamson

Moewig Science Fiction 3617

240 Seiten, TB (1983)

Übersetzt von Heinz Nagel

Sie sind doch nur eine Legende. Ein Kinderschreck. Etwas, womit sich der Schutztrupp wichtig machen möchte, um die alte Macht zurückzuerlangen, nicht wahr? Wer auf den Schiffsdecks von Kai glaubt denn noch an diese uralten Mythen von den schrecklichen Humanoiden?

Das ist die Hypothek, mit der der junge Keth Kyrone aufwächst, das einzige Kind des Schutztruppführers Kyrone, der zusammen mit seiner zweiten Frau Cyra Sair der letzte ist, der die einstmals machtvolle Organisation des Schutztrupps darstellt, der einst gegründet wurde, um die Menschen des Planeten Kai vor je­ner unermesslichen Gefahr zu warnen, die in den Tiefen des Kosmos drohte: vor den Humanoiden des Planeten Wing 4. Aber tausend Jahre sind eine lange Zeit, und das Gedächtnis der Menschen ist so schrecklich kurz…

Wir erinnern uns: in der fernen Zukunft der Menschheit, in der die Erde längst der Vergessenheit anheim gefallen war, stiegen neue Sternenreiche zu beschei­dener Blüte auf, zerfressen vom Gift der Rivalität und der ewig alten Geißel des Krieges. Ein genialer Wissenschaftler namens Warren Mansfield entwickelte in jenen Tagen voller Verzweiflung einen perfekten Roboter, den so genannten Humanoiden, auf dem Planeten Wing 4, wo ein rhodomagnetisches Gehirn mit überlichtschnellen Impulsen die Maschinen fernsteuerte. Sein erstes Gesetz be­sagte, dass die Humanoiden die Menschen vor Gefahren und Selbstzerstörung schützen und ihnen Glück bringen sollten. Sie sollten vor allen Dingen das menschliche Unglück und Leiden auslöschen. Später taten sie das mit einer Dro­ge namens Euphorid. Doch die Maschinen waren zu perfekt, und ihre unbarm­herzige Fürsorge entpuppte sich als entsetzliche Diktatur, die jede Freiheit er­stickte. Mansfields eigener Versuch, die Roboter aufzuhalten, war zum Schei­tern verurteilt.

Schließlich erreichten die Humanoiden auch jene Welt, auf der der unglückliche Wissenschaftler Clay Forester lebte, der selbst den Rhodomagnetismus ent­deckt hatte und dicht davor stand, Wing 4 mit rhodomagnetischen Geschossen zu zerstören. Auch er scheiterte, das maschinelle Friedensimperium der Huma­noiden dehnte sich nach seiner Niederlage immerzu weiter aus und erreichte sogar schon die Nachbargalaxis Andromeda.1

Doch die Sklaverei, die letzten Endes sogar imstande war, menschliche Mutan­tengehirne fernzusteuern, hatte offensichtlich Lücken. Denn lange nach dem ersten Erscheinen der Roboter gelang es Lance Mansfield, dem Enkel des unse­ligen Warren Mansfield, der unter der Obhut der Humanoiden leben musste, sein Schiff „Deliverance“ zu bauen und zu flüchten. Die Menschen der „Deliver­ance“ strandeten im Doppelsonnensystem der „Katze“, wo der Planet Malili von dem kleineren und kälteren Kai umlaufen wird. Doch während Malili zwar para­diesisch, aber wegen des Virus der Blutfäule unbewohnbar war, mussten sich die Raumfahrer auf Kai einrichten, wo sie große, bunkerartige Städte errichte­ten, deren interne Gliederung nach den Schiffsdecks vorgenommen wurde. Führende Organisation war der Schutztrupp, denn es war allen klar, dass die fürsorglichen Humanoiden irgendwann ihre Spur finden würden, dann musste man bereit sein.

Jahrhunderte vergingen.

Die Städte zerstritten sich, nukleare Kriege wurden geführt, Hunger, Armut und Degeneration breiteten sich aus. Schließlich gingen die Ressourcen zur Neige, und voller Verzweiflung griffen die Bewohner von Kai nach Malili aus, sterilisier­ten mit Neutronenwaffen Teile der Planetenoberfläche und versuchten hier, un­ter Lebensgefahr, Rohstoffe abzubauen. Dabei war es ihnen völlig gleichgültig, dass sie damit den Lebensraum einer anderen humanoiden Rasse zu zerstören begannen – der wilden, nackten Leleyo, die von einem ganzen Netz kryptischer Geheimnissen umwittert waren.

Und fern im All lauerten und lauschten die Humanoiden. Sie fingen die Emissio­nen der Neutronenexplosionen auf und sandten schließlich ihre gebirgshohen Schlachtschiffe aus, um den kriegerischen Menschen ihren Segen des ultimaten Friedens zu bringen. Doch als sie erschienen, gab es, wie gesagt, nur noch weni­ge, die überhaupt daran glaubten, dass sie mehr als ein ferner Schatten der Le­gende waren. Und die Schutztrupp-Angehörigen befanden sich auf der Flucht, des Mordes bezichtigt.

Denn es waren über tausend Jahre vergangen. Und die Humanoiden hatten ge­lernt. Unter anderem gelernt, dass Lüge nicht im Widerstreit mit dem Ersten Gesetz stand…

Mit „The Humanoid Touch“ – sehr unglücklich, wenn auch sehr durchsichtig mit „Das Wing-4-Syndrom“ übersetzt – kehrt Jack Williamson auf spektakuläre Wei­se zurück in jenes Universum seines monströsen Robotersterns Wing 4. Wenn­gleich das auch nicht nach „30 Jahren“ geschieht, wie der Klappentext groß­sprecherisch behauptet, sondern nach 18 (der Roman wurde 1980 geschrieben, der Ursprung war, wie gesagt, 1962). Leider ist die Übersetzung auch reichlich mit Druckfehlern gesättigt, darüber hilft auch das – zu viel verratende – Nach­wort von Hans-Joachim Alpers nicht hinweg. Das schmälert dann den Lesege­nuss durchaus.

Da die Roboter erst recht spät im Roman auftauchen, konzentriert sich die Schilderung der Handlung zunächst auf die miteinander verflochtenen Völker der Menschen von Kai und der Leleyo von Malili (unübertroffen sanft und ero­tisch die Schilderung der Leleyo Nera Nyin!). Und hier gibt es vieles zu entde­cken.

Wenn man den leider sehr kurzen Roman langsam und behaglich liest, wie es sich gehört – er ist einfach zu gut, um ihn rasch zu verschlingen, dabei gingen viele Anspielungen schlicht verloren – , dann stellt man faszinierende Dinge fest. Die fest gefügte, hierarchische Gesellschaft von Kai, die sehr von militaristi­schen Traditionen und Militärhochschulen geprägt ist, kommt ausgesprochen schlecht weg. Parallelen zu Militärakademien wie West Point in den USA sind hier so deutlich, dass man Williamson wegen der Tiefgründigkeit seiner Gedan­ken wirklich bewundern muss. Noch heute führt solche Glorifizierung von solda­tischer Ehre dazu, dass junge Menschen dermaßen verbogen und ihre Möglich­keiten beschnitten werden, bis aus ihnen mörderische Soldaten und, im schlimmsten Fall, Kriegsverbrecher werden. Gesellschaften, die so geprägt sind, das strahlt der Roman überdeutlich aus, sind in sich krank und ungesund.

Das Gegenbild ist die krass „natürliche“ Gesellschaft von Malili, jene Gesell­schaft, die die Menschen von Kai gerade zu vernichten im Begriff sind. Hier übertreibt Williamson zwar ein wenig, aber gleichzeitig thematisiert er sowohl Erstkontakt als auch die Vernichtung indigener Kulturen und der Natur an sich, wie sie auf unserer Welt im Spannungsfeld von „Erster Welt“ und „Dritter Welt“ nach wie vor auf der Suche nach Ressourcen unablässig vorkommen. Auch hier ist Williamson extrem zeitgemäß und kritisch, und selbst nach 20 Jahren, die seit dem Erscheinen dieses Buches inzwischen verstrichen sind, hat die reale Menschheit nicht gelernt, dieser Selbstdestruktion vorzubauen. Bedauerlich genug.

Und dann die Humanoiden.

Mein Gott, die Humanoiden.

Als zum ersten Mal die schnurrenden Maschinenstimmen sagen: „Zu Ihren Diensten“, da läuft es dem wissenden Leser eisig den Rücken herunter, und er spürt den erbarmungslos-freundlichen Griff dieser schwarzmetallenen Amei­sen, die allgegenwärtig sind, nie schlafen müssen und nie in ihrer Aufmerksam­keit nachlassen. Durch einen Humanoiden verhört zu werden, dessen starre Miene man nie durchschauen kann, ist einer der größten Alpträume, die Wil­liamson je erdacht hat, und man kann ihn in diesem Roman erleben.

Am Schluss, als sich alles auf die Frage zuspitzt, ob die Humanoiden alles Leben im System der Katze unterwerfen werden, da muss man sich ernstlich fragen, ob das alles so schrecklich ist, wie es scheint. Denn die Menschen von Kai sind so offensichtlich wahnsinnig, dass eine Nervenheilanstalt der richtige Ort für sie ist.

Nur muss er dann von schwarzen Robotern geführt werden?

Der Schauder bleibt bestehen. Und der Leser denkt sich: Manche Alpträume enden wahrhaft nie.

Dennoch ist der Roman eine der wichtigsten Dystopien der SF, ebenso wie sein Vorgänger, und es ist schade, dass er heute allgemein so sehr vergessen ist. Er ist vielleicht aktueller, als man glauben mag…

© by Uwe Lammers, 2005

Ja, es ist in der Tat inzwischen mehr als ein Jahrzehnt her, dass ich diesen Ro­man rezensiert habe – und dennoch empfinde ich ihn nach wie vor als ein fun­kelndes Schmuckstück in meiner umfangreichen Buchsammlung. Sehr lesens­wert und nachdenklich stimmend, nicht zuletzt in Zeiten eines scheinbar un­endlichen „Krieges gegen den Terror“ und des Hasses gegen alles Andersartige, wie wir es vielerorts in unseren Tagen erleben können.

In der kommenden Woche kümmern wir uns um einen Alptraum völlig anderer Art. Dort gehen Zeitgeschichte, fiktive Personen aus Detektivromanen und rein phantastische Zutaten eine mehrhundertseitige Symbiose ein, die mich in ihren Bann zog, auch wenn ich das Zentralthema normalerweise gar nicht schätze… Vampire...

Mehr dazu in einer Woche an dieser Stelle.

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Dies ist Thema des ersten Romans „Wing 4“, erschienen im Jahre 1962. Vgl. dazu auch den Rezensions-Blog 45 vom 3. Februar 2016.

Liebe Freunde des Oki Stanwer Mythos,

wer von euch der Serie „Oki Stanwer und das Terrorimperium“ (TI) langfristig geduldig gefolgt ist, der wird vielleicht allmählich nervös geworden sein ange­sichts dessen, was gegen Ende von Band 15 „Die Macht der Liebe“ angedeutet wurde. Ich möchte das noch mal kurz resümieren, weil dieser Band ja nicht ge­rade gestern erschienen ist:

Die yantihnischen Raumfahrer der GHANTUURON-Mission, gerettet aus dem Hexenkessel des Sonnensystems „Sianlees Rast“, fanden sich auf der Dschungel­welt Shookash wieder, in der „Obhut“ der reptiloiden Allis. Und diese „rätsel­haften Retter“ wiederum handelten auf höheren Befehl – sie selbst stammten nicht einmal aus der Galaxis Twennar, sondern waren Angehörige einer interga­laktischen Streitmacht, die sich als Interventionstruppe verstand und den Vor­marsch eben jenes Feindes aufhalten sollte, mit dessen Vernichtungsmaschinen die Yantihni von der GHANTUURON schon konfrontiert worden waren.

Und der Verkünder Jodaarin signalisierte, dass die Yantihni bald Besuch von ei­nem so genannten „Baumeister“ bekommen würden, der ihnen Näheres erläu­tern würde.

Kommandant Ghaynor und seine Begleiter kannten keine Baumeister, und sie reagierten naturgemäß völlig falsch. Ihr seid inzwischen durch die Kenntnis von solchen Geschichten wie „Die Intervention“ schon deutlich klüger und habt vielleicht ob dieser Frechheit, mit der Ghaynor über diese Ankündigung hinweg­ging, nach Luft geschnappt, so ähnlich wie die Allis.

Ein Baumeister… das ist nicht einfach irgendwer.

Und dieser Baumeister, der nun den Planeten Shookash besucht und sich den Yantihni offenbart, das ist erst recht nicht irgendjemand.

Sein Name ist Nogon, und er hat einen Schock für die weit gereisten Raumfah­rer im Gepäck, den sie beim besten Willen nicht erwarten. Und erst recht kön­nen sie sich nicht vorstellen, dass sie nun an der Schwelle zu einem neuen Zeit­alter stehen.

Die neue Zeit beginnt in TI 24 „Gelüftete Schleier“, dem ersten Band einer neu­en Trilogie. Und es ist kaum übertrieben, zu sagen, dass binnen dieser drei Bän­de die Welt der Yantihni gründlich auf den Kopf gestellt wird.

Zum Guten hin? Zum Schlechten? Das könnt ihr ab sofort zu ergründen begin­nen. Heute ist der neue Band der Serie „Oki Stanwer und das Terrorimperium“ erschienen, „Gelüftete Schleier“. Er ist zum Preis von 1,49 Euro wie üblich auf Amazon-KDP erhältlich. Der einmalige Gratisdownload ist am 22. März 2016 möglich.

Ich wünsche euch angenehmes Lesevergnügen.

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Liebe Freunde meiner Geschichten,

ich glaube, ich zähle auch nach drei Jahren des konstanten Publizierens von phantastischen E-Books nach wie vor nicht zu denjenigen Menschen, die son­derlich abgebrüht sind und kaltblütig auf jeden neuen Event losgehen, in der un­erschütterlichen Erwartung: kenne ich alles schon, da kann nix schief gehen.

Nein, so sieht das bei mir nicht aus. Vielmehr bin ich stets besorgt, dass irgend­was nicht klappen könnte, und möglicherweise verkrampfe ich mich dann ein wenig zu sehr und organisiere besonders akribisch.

So ging das also auch mit meiner inzwischen vierten Lesung – und der dritten, die ich im Restaurant „Lord Helmchen“ in Braunschweig plante. Eigentlich, so waren mein vormaliger Mitorganisator und Mit-Vortragender Tobias Tantius von der Literaturwerkstatt Gifhorn verblieben, wollten wir als nächstes wieder eine thematische Lesung machen. Ich schlug vor, jahreszeitlich bedingt: Machen wir doch „Unheimliches“.

Tja, und da fing es dann im Laufe der folgenden Monate schon an, schwierig zu werden – denn mir wurde signalisiert, dass da auf der Gegenseite kein passendes Lesematerial vorläge. Ich müsse den Event also alleine stemmen.

Okay, da musste ich schon mal schlucken.

Aber Herausforderungen sind dazu da, angenommen und bewältigt zu werden. Und von einer weiteren Lesung wollte ich wirklich nicht aus diesem Grund Ab­stand nehmen. Ich blieb also hartnäckig. Okay, dann also eine Solo-Lesung. Why not?

Nächste Klippe: Tobias hatte bislang die Plakate für die Veranstaltungen reali­siert, ich hatte und habe grafisch nicht viel drauf. Also suchte ich Ersatz und fand ihn in meiner versierten Brieffreundin Angelika, die mit Hilfe von mir ge­lieferter Bildvorlagen eine tolle Plakatversion lieferte.

Es konnte also losgehen: Kopien des Plakats machen, in der Stadt verteilen, in­teressierte Leute ansprechen und dergleichen… wie sich das halt so für eine zünftige Lesung gehört. Der Verfasser hat da immer etwas Mehrarbeit auf den Schultern, doch hey, es ist Marketing in eigener Sache, da sollte so etwas höchst bereitwillig gemacht werden. Und so lief das dann auch.

Meine Planung für den Abend sah folgendermaßen aus: Nach einem kurzen bio­grafischen Einstieg plante ich, das Prosagedicht „Ode an die Toten“ zu bringen, in dem ich ein reales Ereignis des Jahres 2003 thematisierte – und die hier „be­sungenen“ Toten waren rücksichtslos gefällte Eschen im Hinterhof meines Hau­ses gewesen.

Sodann sollte die unheimliche Story „Erlösung“ folgen, die in Form eines ein­seitigen Telefonats eine schaurige Geschichte darbot, in der ein Geistersucher eine ganz spezielle Begegnung mit dem Tod hatte.

Im Anschluss plante ich dann eine kurze Pause, ehe ich weiter voranzuschreiten gedachte – aber von diesem Plan kam ich dann wirkungsvoll in der Ausführung ab und schloss gleich das zweite Prosagedicht „Wunschtraum“ an. Zuvor ent­zündete ich allerdings ein Teelicht auf einem Kristallglasuntersetzer und stellte das alte Foto meines 2013 verstorbenen Vaters Johannes Lammers auf.

Warum dies? Weil er in dem zweiten Prosagedicht die zentrale Rolle spielte.

Danach war geplant, den Einstieg in den OSM zu realisieren und hier 4 Auszüge aus dem E-Book „In der Hölle“ zu lesen. Hiernach wäre eine Pause nun zwei­fellos angebrachter, ehe ich mit dann mit der Lesebegegnung mit William Taylor junior in den zwei Auszügen des geplanten sechsten Annalen-Bandes „Mein Freund, der Totenkopf“ die Lesung zu schließen gedachte.

Für weiteres Hörerinteresse hatte ich mich mit zwei weiteren Abschnitten von „Mein Freund, der Totenkopf“… ja, man könnte sagen, „munitioniert“, für alle Fälle. Aber Lesungen sind eben immer etwas Spontanes, und die beste Pla­nung kann Kursänderungen nicht beeinflussen. In diesem Fall machten a) die Gegebenheiten und b) ich selbst mir dicke Striche durch die Rechnung.

Ich war dann am 12. März zwar wieder zeitig vor Ort (ca. 18.20 Uhr) und konn­te mit tatkräftiger Unterstützung den Raum für die Lesung einrichten, doch da­nach wurde es dann erst richtig interessant. Als erste traf eine befreundete Lite­ratin ein, die am Tag zuvor noch ihre Zusage bekundet hatte. Wenig später tru­delte ein guter Freund von mir ein, und später noch ein paar weitere Gäste. Vie­le, die mir ihr Kommen zugesagt hatten, tauchten leider nicht auf… und so be­gann die Lesung schon mal mit einer etwas getrübten Stimmung meinerseits. Werbung machen ist schön, mehr Werbung machen (wie in diesem Fall) heißt dann leider im Umkehrschluss eher nicht, dass mehr Besucher kommen. Das be­trübt dann durchaus.

Nun, ich ließ mich nicht verdrießen, stellte mich vor, wie es sich gehört und wies dann, indem ich das Teelicht anzündete, schon zeitnah darauf hin, dass ich noch einen speziellen Gast erwarten würde. Dass es sich um meinen verstorbe­nen Vater handelte, durchaus passend zum Thema „Unheimliches“, thematisierte ich nicht.

Plangemäß begann ich mit der „Ode an die Toten“, die überraschenderweise für mich dezenten Applaus hervorrief. Anschließend ging ich über zu der Story „Erlösung“, die später mehrfach als „einfach brillant“ bezeichnet wurde. Hier legte mir später eine Zuhörerin ausdrücklich den Plan nahe, diese Geschichte doch mal einsprechen und dann auf CD brennen zu lassen. Das ist tatsächlich ein Plan, den ich in naher Zukunft verfolgen werde.

Da wir sehr gut im Zeitplan lagen, schloss sich das zweite Prosagedicht an, wo­bei ich im Vorfeld das alte Foto meines Vaters aus dem Nachlass meiner verstor­benen Mutter aufstellte und halt erklärte, dass er im Dezember 2013 verstorben war und ich rund anderthalb Jahre später dann beim morgendlichen Aufwachen das bizarre Halbtraumerlebnis gehabt hatte, das zum Kondensationskeim von „Wunschtraum“ wurde.

Auch dieses Prosagedicht kam sehr gut an.

Meine eingestreute Bemerkung, daraufhin eine kurze Pause zu machen, wurde abgewiesen, so dass ich dann mit „In der Hölle“ weiter fortfuhr. Allerdings erst, nachdem ich ein paar Basics über den Oki Stanwer Mythos und den KONFLIKT 4 im Speziellen gemacht hatte.

Hier zeigte sich nun bald der zweite Pferdefuß, und daran war nicht die geringe Teilnehmerzahl Schuld, sondern mein eigenes mangelndes Einfühlungsvermö­gen in die Zuhörerschar – die ausgewählten Passagen waren nämlich samt und sonders zu lang. Wiewohl ich ein Prinzip anwandte, das ich auf dem Autorentag am Tankumsee anno 2015 kennen gelernt hatte, nämlich das Paraphrasieren von Romanpassagen zwischen den zu lesenden Etappen, hätte ich daran noch deut­lich feilen müssen. So erzeugte ich mutmaßlich Überforderung und Verdruss, und zwei Zuhörer verabschiedeten sich, ehe ich den dritten Abschnitt von „In der Hölle“ erreicht hatte.

Dann kam tatsächlich die Pause, die aber nur recht kurz ausfiel. Das Hörerfeed­back, das nun reichlich kam, deutete unzweifelhaft in Richtung auf: Eigentlich können wir nichts mehr aufnehmen… was ich sehr bedauerlich fand. Da ich un­bedingt noch ein kleines Stück von „Mein Freund, der Totenkopf“ präsentie­ren wollte, bat ich noch um ein paar Minuten Aufmerksamkeit, die ich dann freundlicherweise auch bekam. Die wirklich schönen Stellen konnte ich dann al­lerdings – der fortgeschrittenen Zeit und Williams ausuferndem, unsortiertem Redestil geschuldet – nicht mehr vortragen. Insgesamt kam ich bis Seite 33 des Manuskripts.

Nun, gleichwohl war ich sehr dankbar über das konstruktive Feedback, das mir an diesem Abend dann noch zuteil wurde, der gegen 21.30 Uhr endete. Ich habe eine Menge gelernt und festgestellt, dass es kurze Geschichten besonders gut an­kommen, präzise und nicht zu schnell vorgetragen (später bin ich dann speziell bei den dramatischeren Passagen von „In der Hölle“ darin verfallen, zu zügig zu sprechen), und auch die Prosagedichte kamen bemerkenswert gut an. Mir wurde sogar explizit nach der Lesung der Vorschlag gemacht, doch mal separate Lesungen zu inszenieren – eine für Prosagedichte und Non-OSM-Geschichten kürzeren und kürzesten Zuschnitts sowie eine speziell für OSM-Texte, dort frei­lich mit sehr viel kürzeren Textausschnitten.

Das werde ich mir durch den Kopf gehen lassen.

Im Anschluss an die Lesung konnte ich dann gemeinsam mit einer Zuhörerin auch noch eine schmackhafte Currywurst essen und eine angeregte fachliche Diskussion führen, die erst deutlich nach 22 Uhr endete. Ich werde auf jeden Fall aus diesem Event lernen und schauen, dass ich meine nächste konstruktiv vorbereite und die Probleme dieser Lesung vermeide.

Schaut so aus, als wenn die nächste Veranstaltung in ein paar Monaten in Wolfs­burg stattfinden wird. Mal sehen, ob das so klappt, wie wir uns das alle vorstel­len… ich halte euch auf dem Laufenden, Freunde!

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Wochen-Blog 158: Der OSM im Bild, Teil 12

Posted März 13th, 2016 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

und schon wieder sind zehn Wochen verflogen… man glaubt gar nicht, wie fix das geht, Freunde. Heute geht es in dieser Rubrik „Der OSM im Bild“ in den Endspurt, was die zahlreichen Titelbilder angeht, die mein heutiger Grafikdesi­gner Lars Vollbrecht zu Zeiten in den späten 80er Jahren beisteuerte, als er „nur“ freischaffender Künstler war, ein Fan ganz wie ich selbst auch. Da war es ein­fach selbstverständlich, dass man sich gegenseitig gewissermaßen auf Augenhö­he half.

Wie ihr seht, war das eine äußerst fruchtbare Zusammenarbeit, selbst wenn man berücksichtigt, dass ich ihm zumeist die eigenen Titelbilder motivisch vorgab. Was Lars daraus gemacht hat, war in den allermeisten Fällen innovativ und stets besser als meine bescheidene Vorlage.

Drei Bilder verbleiben noch, um die wir uns zu kümmern haben. Zuletzt hatte ich über den Band 27 des KONFLIKT 14 „Oki Stanwer – Feldherr der Cranyaa“ (FdC) gesprochen, also die Episode „Die Ruinenwelt“, zu der Lars ja zwei Bildentwürfe kreierte.

Der letzte Band in Reihenfolge war das Cover zu Band 28 der Serie, „Landung auf Runix“. Das ist ein Bild, das man ohne meine Erläuterungen kaum verste­hen würde. Wir sehen folgendes:

Unter dem von Lars entworfenen Schriftzug „Der Oki Stanwer Mythos“ (damals allerdings noch recht schlicht mit schwarzer Tinte entworfen und durchaus nicht vergleichbar mit dem neuen golden-digitalen, der allerdings, soweit trägt die Analogie dann doch wieder, ebenfalls von Lars Vollbrecht geschaffen wurde) befindet sich ein großer rechteckiger Kasten, den ihr euch etwa so vorstellen dürft wie den aktuellen Titelbildrahmen der Zeitschrift GEO nach ihrem Re­launch im Jahre 2015.

Unterhalb des Schriftzuges ist ein schmaler Kasten abgesetzt, in dem etwas von Lars gestrichen wurde (no idea, what), dahinter steht „Band“ und, in einer Art von Stern-Button, die Nummer 28 der Episode. Der Serientitel wurde freilich leider vergessen, was ein ziemliches Manko darstellt.

Der Titelschriftzug selbst ist comiclike in Weiß mit schwarzer Umrandung, kom­plett in Großbuchstaben oben rechts im Bild zu sehen. Am unteren Rahmenrand gibt es noch einen kleinen eingefügten rechteckigen Kasten, in dem „von Uwe Lammers“ geschrieben steht.

So weit, so formal.

Das Bild selbst ist dann verwirrend. Im Bildvordergrund erkennt man eine nach links blickende Gestalt mit zwei Köpfen und einem sehr klobigen Körper, der nur bis zur Brust zu erkennen ist. Die beiden Köpfe wirken mit ihren Hörnern und der gedrungenen Silhouette eher wie Nashörner denn – wie sie eigentlich aussehen sollten – wie Echsenwesen. Es handelt sich um ein Individuum des Volkes der Calnarer, das nahe dem Zentrum der Galaxis Hun’arc siedelt und ein Volk von genialen Raumschiffstechnikern darstellt. Mit dem prekären Schwach­punkt, dass sie wegen der Zweiköpfigkeit samt und sonders schizophren sind.

Man bekommt als Betrachter des Titelbildes aber nicht nur das komische Ge­fühl, dieser Calnarer besäße keine Arme (was falsch ist), sondern wegen des Halsreifes und dreier von dort nach rechts aus dem Bild führender Rohrgestänge (!) auch das Gefühl, er sei irgendwo festgeschweißt worden (was auch falsch ist).

Im fast komplett schwarzweißen Hintergrund zuckt von der Bandnummer aus nach links unten ein weißes Gebilde, das man, wenn es denn auffällt, für einen Meteor oder Kometen halten könnte. Es ist aber nichts von beidem, sondern die Lichtfestung OREOC, die sich anschickt, auf dem Zentralplaneten Runix zu lan­den.

Darum auch der Titel.

Alles in allem ein nicht wirklich optimales Werk, das eine Menge Gehirn­schmalz seitens des Betrachters wie auch des Lesers erfordert. Das Bild entstand bereits im Frühjahr 1989, also unmittelbar vor Beginn meines Zivildienstes, der dann leider auch das unwiderrufliche Ende sowohl meiner Brieffreundschaft mit René Mostard mit sich brachte, mit dem zusammen ich ja die alte FdC-Serie – plus Lars´ Titelbilder – an die Öffentlichkeit zu bringen trachtete. Außerdem dünnte sich der Briefkontakt zu Lars immer mehr aus, und damit hörte dann un­sere Zusammenarbeit auf.

Aber wenn ihr jetzt rätselt: Wieso hat denn der Uwe eben noch von DREI Titel­bildern gesprochen, wo er jetzt nur EINS besprochen hat?, nun, dann habt ihr gut aufgepasst, Freunde. Die Auflösung erfolgt nun:

Lars hatte nämlich in den Jahren 1987 und 1988 noch zwei weitere Titelbilder gestaltet. Ich kann nicht mehr rekonstruieren, warum gerade diese, aber so ver­hält es sich. Und weil sich mit dem letzten eine etwas komplizierte Geschichte verbindet, fange ich zunächst mit der – episodenmäßig – spätesten Bildgestal­tung an.

Es handelt sich dabei um das Cover von FdC-Band 96 (!): „Götze der Cranyaa“, die ich auch 1987 schrieb. Möglicherweise habe ich ihm damals mein ak­tuelles Episodencover geschickt, und er fühlte sich spontan inspiriert… nein, ich habe gerade noch mal nachgesehen, das kann nicht sein.

Folgendes ist auf dem Titelbild zu erkennen: Das ohne Schriftzüge gestaltete Cover ist nahezu vollständig weiß und arbeitet mit minimalistischen Umriss­strukturen und punktierten Clustern anstelle von Schraffuren. Oben links sieht man eine große Sonne, rechts daneben ein kleines Raumschiff, das ganz eindeu­tig Oki Stanwers Raumschiff „Sieg des Lichts“ darstellt.

Die „Sieg des Lichts“ ist eine Raumschiffskonstruktion, die ihr euch als drei Ku­geln vorstellen könnt, die im Dreieck angeordnet und durch jeweils eine Röhre verbunden sind. Der Triebwerksfokus befindet sich im Brennpunkt der drei Röh­ren im freien Zentrum.

Mit der „Sieg des Lichts“ gelingt Oki Stanwer der Ausbruch aus dem so genann­ten „Zeituniversum“, in das er geschleudert worden war, also in eine dystopische Vergangenheit, fast 600.000 Jahre im Abgrund der Zeit. Über mehrere Zeittrans­mitterstationen der Dämonen von TOTAM näherte er sich immer mehr der Ge­genwart und der Galaxis Hun’arc.

Hier legte er dann aber Jahrtausende vor der Gegenwart Zwischenstopps ein, und einer davon führte ihn auch direkt zur Cranyaa-Heimatwelt Wislyon, wo sich ein Dämon von TOTAM namens Craathava eingenistet hatte. Craathava war dabei, das Volk der Cranyaa auf TOTAMS Seite zu ziehen und somit Oki Stanwers künftige Bündnispartner auszuschalten. Dafür hatte er den Gastkörper eines „besessenen“ Cranyaa gewählt.

Das Cover zeigt nun die gespenstische Metamorphose, wie aus dem Körper ei­nes dreigliedrigen Cranyaa der Schattenleib eines Dämons nach oben heraus­wächst. Der Kopf ist also schon der eines Kapuzinermönchs, ebenfalls die Schultern und Teile der Arme, während der Unterleib noch insektoid ist. Das Metamorphosewesen wächst dabei aus einem Kreis von sieben Kristallen her­aus, die am Boden liegen – die damals klassische Darstellungsform eines TO­TAM-Transmitters. Geschickt und beeindruckend gemacht, muss ich sagen. Es blieb sogar noch genug Raum für eventuelle Schriftzüge.

Ja, und dann ist da noch ein weiteres Bild von Lars… oder eigentlich eine Nach­zeichnung, und zwar nicht nach meinem Vorbild wie so oft, sondern… aber dazu gleich noch etwas. Erst mal sollt ihr wissen, was man sehen kann.

Es handelt sich um das 1988 entstandene Titelbild für die OSM-Episode 93: „Srakkonar Eins“, entstanden 1987. Srakkonar ist eine Galaxis im Oki Stanwer Mythos, die hier erstmals auftaucht. Durch die Zeitsprünge im „Zeituniversum“ überspringt Oki Stanwer hier mehrere Jahrtausende und stößt in dieser Zeitepo­che auf eine stark armierte Festung eines Dämons von TOTAM, eben „Srakko­nar Eins“, die er mit der „Sieg des Lichts“ attackiert, um den Durchbruch in die nächste Zukunftszeitphase zu schaffen.

Man sieht hier also die eben schon beschriebene „Sieg des Lichts“ von schräg hinten, mit aktiviertem Antriebszentralfeld unten rechts im Bild. Links in der Bildmitte ist noch die Rundung jenes Planeten zu erkennen, in dessen Orbit die große, annäherungsweise pyramidenförmige Station Srakkonar Eins schwebt. Im Hintergrund erkennt man einige bizarr nahe Planeten und fern eine Reihe von Pyramidenraumschiffen, die sich nähern.

Der Bildvordergrund ist ganz schwarz gehalten, ebenso Teile des oberen Randes, dazwischen ist alles nahezu ganz weiß. Grundsätzlich ein faszinierendes Bild, das aber ein paar Schwierigkeiten aufweist.

Zum einen ist es vollständig statisch. Bei den bisherigen Bildern fiel das nicht so auf, aber hier gibt es dummerweise eine Vorlage, und der Vergleich fällt leider zu Lars´ Ungunsten aus.

Zum zweiten störten mich damals wie heute diese unmotivierten nahen Plane­ten, die hier einfach nicht hingehören und bei denen man deutlich merkt: da wollte der Zeichner nur leeren Raum füllen.Und die große weiße Fläche ist ei­gentlich auch nicht soo optimal gelungen. Man merkt hier schon relativ starken Schematismus und nachlassende Begeisterung.

Kurz zuvor hatte nämlich ein anderer Brieffreund von mir, dessen Spuren sich leider auch vollständig verloren haben, an eben dieses Titelbild gemacht. Da ich das heute nicht mehr nachvollziehen kann, ohne gründlich meine alten Brieford­ner zu konsultieren, versuche ich das mal aus dem vagen Erinnerungsvermögen zu rekonstruieren.

Dieser Brieffreund hieß Norbert Wiesneth, und ich fand diese einzige Bildpro­be, die er mir lieferte, sehr faszinierend. Sie zeigt, ebenfalls 1988 entstanden, ge­nau dasselbe Motiv, das Lars nachher – wohl nach Vorlage der Wiesneth-Kopie – anfertigte und von der ich oben schrieb. Man sieht die „Sieg des Lichts“ im Anflug auf den Orbit der Zeitfestung Srakkonar Eins.

Der Winkel ist fast derselbe, allerdings ist man hier als Betrachter deutlich dich­ter am Heck der „Sieg des Lichts“ dran, die Schraffuren sind hier mit sehr viel mehr Akkuratesse und Liebe zum Detail angefertigt, und der hyperenergetische Antriebstrichter im Zentrum des Dreieckschiffes ist ein wirbelnder, lebhafter Mahlstrom an Kräften. Auch sieht man deutlich eine Art von „Bugwelle“ um das Dreikugelschiff, was einen ungemein dynamischen Eindruck erzeugt.

Links erkennt man um den Planeten sehr deutlich die Atmosphäre, zusammen mit Wolkenmassiven und Wolkenschatten (!), um die Zeitfestung ist deutlich ein fahler, runder Energieschild zu erkennen. Die Pyramidenschiffe, die im Hinter­grund im Anflug sind, haben lodernde Antriebsflammen, und da die „Sieg des Lichts“ auf ein Feindschiff rechts voraus feuert, sieht man eine sehr schön aus­gearbeitete Explosionswolke.

Nachteil an dieser Zeichnung und wahrscheinlich der Anlass, warum ich Lars dann um Nachzeichnung bat, ist darin zu sehen, dass der Bildhintergrund vor Planeten nur so wimmelt. Spontan würde ich sagen, es sind wenigstens zwan­zig… ein völlig absurder Anblick für ein Sonnensystem. Das war zwar sehr schön von Norbert gemeint, und das Bild strahlt wunderbar verhaltene Kraft und Dynamik aus… aber mit der deutlich nüchterneren Realität hat das kaum etwas zu tun.

Viel Phantasie, leider viel zu wenig Realitätssinn.

Ich könnte mir vorstellen, dass eine so ähnlich geäußerte Kritik ihn damals nachhaltig davon abbrachte, mir weiterhin helfen zu wollen… und ich muss zer­knirscht eingestehen, dass ich damals wirklich wenig semantisches Feingefühl besaß.

Heute würde ich schon gern wissen, was aus Norbert geworden ist und was er wohl heute so macht – also, alter Freund, falls du diese Zeilen lesen solltest oder jemand, der dich kennt, so wäre es klasse, wenn ich wieder von dir hören könn­te.

Mit diesen Bildern also war dann Lars Vollbrechts Engagement der 80er Jahre für den Oki Stanwer Mythos beendet. Aber das heißt jetzt nicht, dass es gar kei­ne weiteren Cover oder Illustrationen zum OSM mehr gab. Was das konkret heißt, erfahrt ihr in der nächsten Folge dieser Artikelreihe.

In der nächsten Woche springen wir in der nächsten Folge der Reihe „Aus den Annalen der Ewigkeit – alt und neu“ ins Jahr 1997 zurück. Da kann ich euch dann erzählen, wie der Schatten des Archipels auf mich fiel und der OSM fast verkümmerte…

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Liebe Freunde meiner E-Books,

auf in den Dschungel, könnte man sagen, wenn man die Ereignisse des letzten E-Books der Reihe „Oki Stanwer und das Terrorimperium“ (TI) verfolgt hat – der tollkühne Aktionismus der gefangenen Raumfahrer des yantihnischen Missi­onsschiffes GHANTUURON hat zu einem unschönen Ergebnis geführt. In der Serviceebene unterhalb ihres Gefangenenlagers wurden sie von den raffinierten Echsenkriegern der Allis in einen Hinterhalt gelockt und überwältigt.

Nun, aber zwei Mitglieder des Stoßtrupps sind der Falle entkommen… hinaus in den supermetabolischen Urwald der Dschungelwelt Shookash. Natürlich ma­chen sich die im Lager zurückgebliebenen Raumfahrer daraufhin berechtigte Sorgen, was Vanshcor und seiner Geliebten Rayani dort draußen wohl zustoßen mag. Und das ist ja auch ganz deren eigene Sorge.

Aber es gibt eine Macht in den Tiefen des Urwaldes, denen die beiden Yantihni auffallen. Und dann gibt es da auf einmal diese verwitterte Ruinenstadt…

Ich glaube, ihr werdet faszinierende Entdeckungen in den dichten Urwäldern von Shookash machen, wenn ihr mir in den Abschlussband der neuen Trilogie der Serie „Oki Stanwer und das Terrorimperium“ folgt. Ab sofort liegt bei www.beam-ebooks.de Band 15 der TI-Serie, „Die Macht der Liebe“, im EPUB-Format vor, damit ihr den Schluss dieses Abenteuers lesen könnt. Den Schluss, der zugleich Auftakt zu dem nächsten Schritt in der Serie ist, der euch dann endgültig mit den großen kosmischen Mysterien des Oki Stanwer Mythos in Kontakt bringt.

Wie üblich ist auch „Die Macht der Liebe“ zum Preis von 1,49 Euro erhältlich.

Ich wünsche euch angenehmes Lesevergnügen!

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 50: Feuer und Stein (1)

Posted März 9th, 2016 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

ihr könnt es euch vorstellen, nicht wahr, dass ich für die kleinen und großen „Ju­biläen“ der Blogartikelreihe immer besondere Leckerbissen aus meiner Lektüre auswähle. Das war neulich schon so beim Blogartikel 25, das wird beim Blogarti­kel 75 und 100 ebenso der Fall sein, da lasst euch beizeiten mal überraschen.

Heute kommt ein Roman, den man zu den „Favorites“ zählen könnte, die meine Bücherregale bevölkern. Ein Buch, das ich immer wieder gern zur Hand nehme und zig Male gelesen habe. Seit einer Weile gibt es hierzu sogar ein faszinieren­des mediales Phänomen, auf das ich erst mit Verspätung gestoßen bin: die Ver­filmung in Form der Fernsehserie „Outlander“. Bisher habe ich davon nur die ersten drei Episoden (von 16) gesehen, aber bis dieser Artikel erscheint, könnte es gut sein, dass ich sie alle angeschaut habe.

Da diese erste Staffel der Serie sich ausschließlich mit dem Inhalt des vorliegen­den Romans befasst und ich ihn wahrlich oft genug „inhaliert“ habe, haften die Details dieses Werkes immer noch recht gut, und so war ich imstande, necki­sche Abgleiche zwischen Romantext und filmischer Adaption anzustellen.

Die Serie, um dies einleitend vor der Rezension selbst zu sagen, gefällt mir aus­nehmend gut. Es gibt zwar eine ganze Reihe von dramaturgischen Anpassungen – so ist die Hauptperson Claire Randall im Roman nicht vor dem Zeitsprung in der Ruine von Castle Leoch gewesen, und den Steinkreis hat sie zunächst allein erkundet, auch fehlt in der Verfilmung der Gegenwartsszenerie ein Kind, das später zu einem tragenden Charakter späterer Romane werden wird (Kenner wissen, dass ich von Roger Wakefield rede), aber ansonsten ist die Umsetzung des Romanstoffes beeindruckend gut gelungen. Nun, die Fans haben auch weit mehr als zehn Jahre darauf warten müssen. Solche Planungszeit sollte sich ir­gendwann in der Qualität der Umsetzung niederschlagen.

Phantastikfans, die die mediale Umsetzung ihrer Lieblingsromane kritisch ver­folgen, werden an dieser Stelle wahrscheinlich auch an George R. R. Martins Westeros-Romane denken, besser bekannt unter dem Titel „Game of Thrones“, doch da ich dort nicht sattelfest bin, schweige ich davon. Ich habe jedoch ver­schiedentlich begeisterte Kommentare über die Adaption dort gehört und gehe davon aus, dass sie ähnlich gut wie bei „Outlander“ gelungen sein dürfte.

Ehe ich in die Rezension überleite, noch eine kurze Vorbemerkung zur Publikati­on der Gabaldon-Rezensionen in diesem Blog: Wie ihr an den eingeklammerten Ziffern seht, handelt es sich – wie etwa auch bei Peter F. Hamiltons „Armaged­don-Zyklus“ um ein mehrbändiges Werk. Da ich den Zyklus aber noch nicht rest­los gelesen habe und die Romane in deutlich größerem zeitlichem Abstand zu­einander erschienen sind, ziehe ich infolgedessen auch die Einzelrezensionen etwas auseinander. Die ersten drei folgen vergleichsweise dicht aufeinander, die späteren deutlich danach.

Ich schaue, dass ich dann immer einleitend auf die vormaligen Teile hinweise, damit ihr lesend das Kontinuum mühelos wieder herstellen könnt und nicht lan­ge zu suchen habt… aber wenn ihr sowieso gleich Feuer und Flamme seid nach der Lektüre des ersten Bandes, dann werdet ihr sowieso sehr viel geschwinder sein als ich bei meinen veröffentlichten Rezensionen.

Denn Tatsache ist: der vorliegende Roman ist hoher Suchtstoff, und ihr werdet meine Begeisterung durch manche dieser Rezensionen hindurchlodern spüren können. Machen wir also heute mal eine abenteuerliche doppelte Zeitreise. Erst auf ins Jahr 1945 und sodann weiter über eine magische Verbindung in die Mitte des 18. Jahrhunderts.

Bon voyage!

Feuer und Stein

(am. OT: Outlander, engl. OT: Cross-Stitch)

von Diana Gabaldon

Blanvalet

800 Seiten

Gebundene Neuausgabe 20021

Übersetzt von Elfriede Fuchs und Gabriele Kuby

Wenn eine Wissenschaftlerin sich gänzlich aus ihrem Themengebiet entfernt und in das Abenteuer stürzt, etwas vollkommen anderes zu erproben, kommen dabei nicht selten Katastrophen heraus, möchte man meinen. So hätte es auch sein können, als die Honorarprofessorin für Tiefseeökologie und Computerspe­zialistin Diana Gabaldon den Entschluss fasste, sich einmal an einem histori­schen Roman zu versuchen. Was kam dabei heraus? Nun, ein Bestseller, und zwar dieser:

Man schreibt in England das Frühjahr 1945, als die Wirrnisse des Zweiten Welt­krieges Claire Beauchamp Randall und ihren Mann Frank endlich wieder loslas­sen und von neuem zueinander führen. Während er im diplomatischen Dienst tätig war (was er erlebt hat, verrät er nie), arbeitete Claire als Krankenschwester in einem Kriegshospital und folgte damit ihrer beruflichen Laufbahn. Jetzt ist sie knapp dreißig und hat eigentlich nur den sehnlichen Wunsch, die Flitterwochen nachzuholen und ein Kind zu empfangen.

Frank, von Beruf Historiker, folgt zunächst den Pfaden seiner Ahnen und schleift die reichlich desinteressierte Ehefrau mit sich nach Inverness, wo sich Doku­mente aus der Zeit der Jakobitenkriege erhalten haben. In dieser Zeit spielte Franks Ahne Jonathan Randall, der aus unbekannten Gründen „Black Jack Ran­dall“ genannt wurde, eine entscheidende Rolle. Er vertieft sich mit dem Reve­rend Wakefield in diese Unterlagen, die Claire despektierlich als „Haufen schmutziger Papiere“ bezeichnet.

Während Claire bald selbsttätig loszieht, um Kräuter zu sammeln, stößt sie auf einen seltsamen Hügel mit einem uralten Steinkreis darauf. Das ist eher etwas für Frank, denkt sie und kehrt zurück nach Inverness. Als sie jedoch wenig spä­ter auf der Suche nach seltenen Pflanzen diesem Steinkreis einen erneuten Be­such abstattet, verschwindet sie spurlos.

Jedenfalls für ihren Mann und alle ihre Zeitgenossen.

Was ihr widerfährt, ist Claire selbst nicht klar: eben noch ist sie im Steinkreis und sucht Pflanzen, im nächsten befindet sie sich in einem kreischenden, un­vorstellbaren Malstrom, der sie schier zu Tode ängstigt und am Ende ohnmäch­tig werden lässt – als sie wieder erwacht, befindet sie sich am Fuße des Berges und in einem Alptraum.

Wenn es einer wäre.

Der Alptraum ist eine wilde Verfolgungsjagd von Kilt tragenden, brüllenden Schotten und englischen Soldaten in den Uniformen König Georges. Zunächst hält die Krankenschwester das für eine bizarre Art von Film, aber recht schnell und drastisch muss sie, von den Schotten kurzerhand niedergeschlagen und dann entführt, realisieren, dass es sich um viel Schlimmeres handelt: Allen Indi­zien zufolge befindet sie sich im Jahre 1743 und mitten in den beginnenden Wirren des zweiten Jakobitenkrieges.

Sie ist eine Engländerin, eine „Sassenach“, wird von den Schotten misstrauisch beäugt, nicht zuletzt wegen ihres französischen Nachnamens (denn den Ehena­men hat sie sicherheitshalber abgelegt – nachdem sie dem sadistischen Ahnen ihres Mannes Frank, Jonathan Randall, in den Wäldern erheblich näher gekom­men ist, als ihr eigentlich lieb war!), zugleich aber auch von den Briten gesucht, und beide Seiten sehen in ihr eine Spionin, nur weiß eben niemand, für welche Seite. Und Claire selbst… nun, sie will nichts dringlicher, als zurück zum entsetz­lichen Steinkreis und verschwinden. Stattdessen wird sie nur weiter nach Nor­den verschleppt, mitten hinein in den Filz der Clanwirren.

Und, um die Sache noch schlimmer zu machen, sie trifft den jungen Jamie Mc­Tavish, der nicht McTavish heißt, einen von Auspeitschungen schrecklich zer­furchten Rücken besitzt, und ehe Claire eigentlich richtig klar wird, was los ist, steht sie mit ihm vor dem Traualtar.

Nun könnte man meinen, sie könne sich all dem natürlich schleunigst entzie­hen, indem sie unter welchen Umständen auch immer die Flucht ergreift, den Steinkreis aufsucht und durch die Zeiten in die Gegenwart flüchtet… aber das ist jetzt nicht mehr so einfach, denn der festeste aller Anker hält sie im Gestern – der Anker der Liebe, gegen den selbst das metallene, goldene Versprechen an ihrem Finger, das sie tagtäglich an Frank Randall erinnert, ihren ersten, gegen­wärtig noch nicht mal geborenen Ehemann, nicht ankommt.

So wird Claire Beauchamp Randall Fraser, wie sie nun heißt, geradezu zerrissen zwischen den disparaten Wünschen ihres Herzens. Es geht nicht mehr nur um sie, es geht auch um Jamie, seine Verwandten und vieles andere mehr. Am schlimmsten jedoch brennt jene Sorge in ihr, die vom Wissen um die Zukunft genährt wird: sie weiß, in wenigen Jahren wird all das, was sie hier liebt, unter­gehen und vernichtet werden – wenn der Thronprätendent Charles Edward Stuart, „Bonnie Prince Charlie“, wie man ihn noch im 20. und 21. Jahrhundert nennt, seine Landsleute zum Aufstand aufruft und das Land im Blut ertrinken wird.

Claire könnte fliehen… aber dazu müsste sie auch alles im Stich lassen, inklusive die Liebe ihres Lebens…

Diana Gabaldons Romanerstling ist ein Buch, das man spätestens in dem Mo­ment rauschhaft zu verschlingen imstande ist, wenn man sich an die Ich-Erzäh­lerin und ihren sagenhaft trockenen, lakonischen Humor gewöhnt hat. Das geht sehr schnell, und ehe man sich versieht, verdunsten gleichsam Dutzende und Hunderte von Seiten pro Tag, bis man schließlich verdutzt blinzelnd das Buch schließt, sich wundert, warum das Vergnügen schon vorbei ist und nach mehr ruft.

Denn natürlich kann sie den langen Handlungsbogen, der sich bis zur Schlacht von Culloden im Jahre 1745 spannt, nicht in diesem Buch beenden. Das war ihr schon klar, als der Roman zum Endspurt auf die letzten 150 Seiten ansetzt. Fol­gerichtig gibt es einen zweiten Band.2

Wenn wir von der Seite des Historikers an diesen Stoff herangehen, fällt auf, wie erfreulich eng sich Gabaldon an die historischen Fakten gehalten hat. Ignorieren wir fürs erste einmal den obskuren Steinkreis, der 200-Jahres-Reisen in die Ver­gangenheit und Zukunft ermöglicht und geradewegs aus dem Herzen der Fanta­sy stammt. Von sonstigen „Fantasy“-Zutaten macht sie in dem Buch keinen Ge­brauch, was schließlich dazu führt, dass man bis auf dieses Vehikel einen rein­rassigen historischen Roman vorliegen hat, der zur Zeit der Jakobitenkriege spielt. Bis auf Claires Ursprung, natürlich. Diese mentale Verwerfungslinie einer in die Vergangenheit verschlagenen Frau macht die Geschichte zusätzlich kniff­lig und verleiht ihr eine eigene, zusätzliche Würze.

Gabaldon erfindet fiktive Orte wie das Dorf Cranesmuir und Lallybroch, auch hat sie – wie sie später verlegen gestehen wird – echte Probleme mit schotti­schen „Zitaten“, die sie notorisch falsch einsetzt (und übersetzt), und zudem er­kennt man noch deutlich die Unbedarftheit, mit der sie geradezu spielerisch mit der Vergangenheit umgeht… doch was die Alltagsbeschreibungen angeht, Klei­dung, Sitten und insbesondere die Details der medizinischen Versorgung – wenn man das so nennen möchte – , so bemüht sie sich sehr, akkurat zu sein und das Element des Zufalls nicht zu sehr überzustrapazieren, wie es Neulinge in der Branche des Schriftstellertums gerne machen. Insofern hat sie ihre Haus­aufgaben gut erledigt und kann des anerkennenden Nickens sicher sein.

Die Geschichte selbst ist ein interessantes, vielfältig facettiertes und mäandern­des Band von verschiedenen Handlungssträngen, die nur langsam zu einem Ganzen gefügt werden. Bis zum Schluss bleiben Fragen offen, ganz wie im nor­malen Leben auch. Und wenn es sich oben so las, als würde Claire sich sehr rasch Hals über Kopf in Jamie verlieben, so entspricht das absolut nicht der Rea­lität – und selbst, ALS das passiert, bleibt diese Beziehung alles andere als stö­rungsfrei. Die sich daraus ergebenden Komplikationen, die eng in Zusammen­hang stehen mit köstlichen, wütenden Disputen, seltsam abgleitenden und bald von unbändigem Kichern erfüllten Erzählungen sowie zahlreichen Handlungen, die interessante moralische Differenzen zwischen einer Protagonistin des 20. Jahrhunderts und einem jungen Mann des 18. Jahrhunderts zur Folge haben, lassen wahrhaftig keine Langeweile aufkommen.

Der Titel des Buches mag zwar äußerst irreführend gewählt sein; die Übersetze­rinnen mögen an manchen Stellen des Buches zu drastischen Reduktionen des Textes geneigt haben und zu ziemlich abenteuerlichen Fehlübersetzungen (so wird beispielsweise Claires erstaunliche Körpergröße, die umgerechnet etwa einen Meter achtzig beträgt, hastig nach unten verringert, wie Leser der ameri­kanischen Originalausgabe feststellen können), doch alles in allem ist das Buch eine äußerst solide, sehr unterhaltsame Leistung.

Nicht nur Leute, die abenteuerliche Liebesgeschichten in historischem Ambien­te mögen und erst recht nicht nur Leser, die sich unsterblich in schottische Ge­schichte verliebt haben, kommen hier voll auf ihre Kosten, wenngleich das das Vergnügen natürlich erheblich steigern wird. Auch derjenige, der sich für beein­druckend lebendige Charakterzeichnung interessiert, wird das Buch mit Genuss lesen und danach das Fazit der Berliner Zeitung bestätigen können: „…absolut süchtig machend.“

Das sagt jemand, der das Buch innerhalb von fünf Jahren viermal in der Über­setzung und einmal im Original gelesen hat…

© by Uwe Lammers, 2006

Hallo, Freunde… aufgewacht! Die Rezension ist vorbei! Wer Feuer gefangen hat, der sause in die Buchhandlung oder Bücherei und lese das Buch… oder wer es schon besitzt und denkt: Ja, das könnte ich endlich mal wieder herauskramen und neu lesen – nur zu!

In der nächsten Woche hüpfen wir in die ferne Zukunft zurück und treffen in ei­nem von Menschen besiedelten Universum eine Spezies von sanftmütigen, doch unerbittlichen schwarzen Robotern wieder, gegen die Widerstand zweck­los scheint. Wer sich fünf Wochen zurück erinnert, hat Teil 1 dieses Alptraums mitbekommen. Nächste Woche erlebt ihr den zweiten Teil davon. Nicht verpas­sen!

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Der Roman kam zunächst 1991 in Amerika heraus, die deutsche Erstauflage, der zahllose Neuauflagen im Taschenbuch folgten, erschien 1995. Die Taschenbücher kosten 10 Euro, diese Edition hier 13 Euro.

2 Diana Gabaldon: „Die geliehene Zeit“. Auch dieser Roman ist für den Rezensions-Blog in Vorbereitung.

Wochen-Blog 157: Der OSM – ein Wolkenschloss? Nein!

Posted März 5th, 2016 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

manchmal überrasche ich meine Bekannten und Freunde in Diskussionen, weil sie dann feststellen müssen, dass unter der unscheinbaren Oberfläche des Uwe Lammers doch erstaunliche mentale Abgründe schlummern, die sie so nicht er­wartet haben. Jüngst kam es wieder einmal zu einem solchen Aha-Moment in einem Gespräch, und vielleicht ist es von allgemeinem Interesse, darüber zu er­zählen, weil der angesprochene Punkt uns noch sehr lange innerhalb des Blogs, aber auch innerhalb des Oki Stanwer Mythos an sich verfolgen wird.

Ich bin üblicherweise nicht jemand, der sich mit seinen kreativen Aktivitäten je­mandem aufdrängt, der davon nichts wissen möchte. Dass daraus dann umge­kehrt eine schiefe Wahrnehmung meiner Person resultiert, ist vermutlich ein unvermeidlicher Effekt. Wenn dann aber andererseits ausdrücklich Nachfragen gestellt werden – in diesem Fall zum aktuellen Verlauf der Serie „Oki Stanwer und das Terrorimperium“ (TI), dann stehe ich durchaus gern Rede und Antwort und plaudere aus dem Nähkästchen.

Wie es sich halt für einen Literaten gehört.

Ich berichtete nun also, derzeit in der Schreibarbeit von TI-Band 25 „Audienz bei Quin“ steckend, über die problematische Entwicklung, die sich daraus für die Serie und die Spiritualität der Yantihni ergab. Und ohne inhaltlich hier vor­greifen zu wollen, weil euch dieses E-Book ja noch nicht vorliegt, wenn dieser Blogartikel veröffentlicht wird, möchte ich hier nur die überraschte Reaktion wiedergeben.

Meine Gesprächspartnerin war nämlich einigermaßen verblüfft und meinte sinngemäß: „Herr Lammers, das ist ja richtig politisch!“

Ja, gab ich zu, selbstverständlich. Und damit widerlegte ich wenigstens in die­sem Gespräch die bisher vorherrschende Vermutung, der Oki Stanwer Mythos sei so etwas wie Eskapismus, „Flucht in eine bessere Welt“, um die Gegenwart auszublenden. Eine Gegenwart, die, wie wir alle wissen, sich derzeit nicht eben zum Positiven hin zu entwickeln scheint.

Ich war und bin selbst immer wieder verdutzt, wenn Leute, die relativ wenig von meiner kreativen Arbeit verstehen, zu der Auffassung gelangen und sie dann expressis verbis mir gegenüber zum Ausdruck bringen, das, was ich schrie­be, habe a) nicht sonderlich viel mit der Welt um uns herum zu tun und b) mei­ne Betätigung als eine Form von Wirklichkeitsflucht interpretieren.

Beide Ansätze halte ich für grundfalsch, und hier ist der Ort, dies einmal an eini­gen ausgewählten Beispielen zu demonstrieren. Ihr mögt mir verzeihen, wenn ich hier zugleich ein wenig an euer Vertrauen appellieren muss – denn diese Beispiele entstammen bis auf eins alle dem Bereich der OSM-Werke, die ihr noch nicht zu sehen bekommen habt.

Es geht eigentlich um zwei Komplexe in diesem Zusammenhang, die themati­siert werden sollten. Erstens die Frage, ob der OSM eine Art von „unpolitischem Wolkenschloss“ sei. Und zweitens die Frage, ob der OSM mit seiner Darstellung von Wirklichkeitsentwurf tatsächlich als Zielbestimmungsort für Eskapismus taugt.

Zum ersten Punkt: Nein, unpolitisch ist der OSM durchaus nicht. Ich bin Teil un­serer Welt und nehme als politisch zwar nicht organisierter Mitbürger, doch als jemand, der durchaus die Nachrichten verfolgt und merkt, was in unserer Welt auf beklagenswerte Weise schief läuft, Anteil daran. Meine langjährigen Brief­freunde können ein paar Arien davon singen, wie oft ich dort in ausführlichen Briefen mit ihnen politische Themen diskutiere…

Natürlich gibt es infolgedessen auch Rückwirkungen auf meine Kreativität, nicht nur im Bereich der OSM-unabhängigen Geschichten, sondern auch im OSM selbst.

Nehmen wir nur mal als ein Beispiel die Frage von Diktatur und Demokratie.

Als im Rahmen des KONFLIKTS 18 in der Serie „Kampf gegen TOTAMS Dämonen und Schergen“ (KGTDUS) eine Zeitreise ins 18. Jahrhundert vor Christus stattfin­det – Oki Stanwer trifft hier im antiken Babylon den so genannten „Dämonen­schmied von Babylon“ und strandet in der Vergangenheit – , da führt das Zeit­experiment ungeplant zu einer Veränderung der Zukunft.

Als er mit seinem Sohn Marconius in die Gegenwart zurückkehrt, erweist sie sich als ein Alptraumszenario, beherrscht von den Dämonenwaffen von TOTAM, die unerbittlich Jagd auf die Zeitreisenden machen.

Statt hier nun den Kopf in den Sand zu stecken, nimmt Oki Stanwer Kontakt mit einer kleinen noch existierenden Widerstandsgruppe auf und realisiert einen weiteren Zeitsprung, in dem die monströse Zukunft ungeschehen gemacht wird. Phantastisch? Ja. Unpolitisch? Darüber ließe sich zumindest streiten.

Nehmen wir ein weiteres Beispiel:

Im KONFLIKT 12 „Oki Stanwer – Bezwinger des Chaos“ (BdC) führt eine Invasion im Reich der reptiloiden Tasvaner zu einer Diktatur der Aliens. Die einzigen, die wirkungsvolle Gegenwehr leisten können, sind Anhänger einer abgesetzten Vor­gängerregierung… allerdings sind diese so genannten „Osvehler“ inzwischen staatlich gesuchte Terroristen.

Der neue tasvanische Staat, der nach der Abwehr der Invasion entsteht, ist also prinzipiell einer, der von Terroristen geleitet wird, wenn auch mit besten Ab­sichten.

Unpolitisch? Das ist doch eine abwegige Vorstellung.

Drittes Beispiel:

Im KONFLIKT 19 „Oki Stanwer – Der Missionar“ (DM) existiert in der Galaxis Milchstraße das Imperium des Alienvolkes der Zoombys. Diese Wesen besitzen parapsychische Fähigkeiten, und als sie zu ihrer Verwirrung auf raumzeitliche Mauern stoßen, die ihren stellaren Expansionsdrang begrenzen, fahnden sie nach den Ursachen. Sie finden das so genannte SCANNER-System, von dem aus die „spezialstrukturierte“ Galaxis Milchstraße verwaltet wird. Im Auftrag der Baumeister, sollte ich dazu sagen, also im Auftrag der positiven Mächte des Kosmos.

Die Zoomby-Verantwortlichen erklären daraufhin dem SCANNER-System den Krieg… und werden gewissermaßen durch einen Dolchstoß aus den eigenen Reihen zu Fall gebracht – der Zoomby-Orden der Nosh-Mönche informiert die Truppen des SCANNER-Systems über den bevorstehenden Angriff, und Licht­machttruppen schlagen den Aufmarsch nieder. Es gibt Millionen Todesopfer.

Schlimmer noch: die Nosh, die nun in ihrem eigenen Volk natürlich als Kollabo­rateure verhasst sind, werden von den Herrschern des SCANNER-Systems als Regierung installiert… und sie beginnen damit, eine theokratische Diktatur zu installieren, die Universitäten abschafft, Raumhäfen schließt und nahezu alle hochtechnisierte Infrastruktur zurückbaut.

Ist das eine unpolitische Vorstellung? Eine rückwärtsgewandte Theokratie, die im Grunde genommen eine ganze Zivilisation in den Rückwärtsgang drängt? Ich würde sagen: eher nicht.

Hierzu gäbe es noch jede Menge mehr zu erzählen, doch ist der Platz begrenzt, wie ihr wisst. Ich komme also zum zweiten Punkt.

Taugt der OSM als Eskapistenziel?

Ich bin der Ansicht, dass man hier vorsichtig sein muss. Hier möchte ich aus Platzgründen nur einen einzigen Aspekt hervorheben, der zu denken geben sollte:

Ihr wisst als Leser meiner E-Books wie meines Blogs inzwischen zur Genüge von dem Antagonismus zwischen der Macht TOTAM und den Mächten des Lichts, deren prägnanteste Exponenten die Baumeister sind. Was euch in den kom­menden Lesejahren zur festen Gewissheit werden wird, ist folgender Aspekt – nämlich die nachgerade hysterische Angst der Baumeister vor TOTAM und al­lem, was mit TOTAM in Verbindung steht.

Dieses Gefühl der Angst durchdringt jeden kosmologischen Kontext des Oki Stanwer Mythos, und es führt leider sehr oft zu geradezu paranoiden, psychoti­schen Affektreaktionen, die mit rationalem Handeln nur noch bedingt etwas zu tun haben.

Will heißen: TOTAM ist ein amorpher Gegner, rätselhaft, unverständlich in sei­nen Zielen, in seiner Form und seiner Entstehungsgeschichte. Im Laufe der KONFLIKTE gerinnt die Vorstellung TOTAMS in den Geistern seiner Gegner zu ei­ner Art von fixer Idee, ein Nachtmahr, wenn man so will. Ein Gespenst, das um seiner selbst willen bekämpft wird.

Mehr noch: ein Gespenst, dem einzig vollständiger Vernichtungswille unterstellt wird. Ein Gegner, mit dem es keine Diskussionen mehr gibt, keinen Wunsch nach Verständnis. TOTAM wird zu einem Feind ad infinitum erklärt, zu einem Gegner, mit dem es nur den Kampf bis aufs Messer gibt. Jeder, der in späteren Zeiten versucht, TOTAM gescheit zu ergründen, gar Kontakt aufzunehmen, gilt als Hochverräter und wird verfolgt, schlimmstenfalls ausgemerzt.

Ob dies eine erstrebenswerte Welt ist, in der solch eine Denkvorstellung beherrschend ist, darf man mit Fug und Recht bezweifeln. Ein Paradies ist dies durchaus nicht. Ich würde sogar sagen, es ist davon sehr weit entfernt.

Das Paradies der Baumeister lernt ihr beizeiten in KONFLIKT 4 „Oki Stanwer – Der Insel-Regent“ (IR) kennen: ein Reich der vollständigen Überwachung und perfekten Technisierung… bis der Alptraum namens TOTAM einbricht. Erste An­sätze dazu findet ihr im ersten Band der Annalen, im Roman „In der Hölle“ (2013).

Als nach dem Jahr 2001 in unserer Welt vom damaligen Präsidenten der USA der so genannte „Krieg gegen den Terrorismus“ ausgerufen wurde – ein „Krieg“, der bis heute mit immer desaströseren Auswüchsen tobt – , da fühlte ich mich grausend an Denkstrukturen erinnert, die im Oki Stanwer Mythos schon seit Jahrzehnten unter der Oberfläche brodeln.

Ein amorpher Gegner.

Ein Feind, der angeblich nur Zerstörung kennt.

Ein Feind, den man nur mit Vernichtung und Auslöschung bekämpfen kann.

Ein Feind, der als so ultimativ gesetzt wird, dass jedermann, der das Begreifen und Verstehen des Gegners sucht, sofort in Generalverdacht gerät, Sympathi­sant des Feindes zu sein.

Ach, wie grässlich vertraut war mir diese Argumentation.

Setzt man statt „internationalem Terrorismus“ TOTAM ein, hat man quasi die Blaupause des Oki Stanwer Mythos.

Würde nun noch jemand sagen, der OSM sei ein unpolitisches Wolkenschloss? Wirklichkeitsfremder Eskapismus?

Nun, ich bin da, wie erwähnt, ganz anderer Ansicht. Und vielleicht regt ja diese Parallelisierung der zeitgenössischen politischen Gegenwartsgeschichte mit den langfristigen Denkstrukturen des Oki Stanwer Mythos neugierige Leser unter euch an, ein wenig tiefer in mein Werk eindringen zu wollen. Das würde ich mir jedenfalls sehr wünschen.

Denn während die politische Gegenwart flächendeckend von Denkverboten re­giert wird und wir hier kaum jemals zu einer Klärung der essentiellen Fragen kommen können, sondern in einer scheinbar immer engeren Spirale der gegen­seitigen Gewalt feststecken, besitzt der OSM einen wesentlichen Vorteil, der die Schriftstellerei immer schon ausgezeichnet hat: hier ist der Denkraum, in dem man das Ungeheuerliche aussprechen, durchdenken kann. Hier kann man ex­emplarisch sehen, wohin der Weg unserer Gegenwartspolitik führen könnte, wenn wir nicht endlich lernen, die zentrale Grundlage zu begreifen:

Wenn man schon einen Konflikt führen muss, ist es unabdingbar, den Gegner in seinen Motiven zu begreifen. Ihn aus dem Fokus des namenlosen Monsters her­auszuholen. So etwas wie der internationale Terrorismus besteht nicht nur aus „dem IS“ oder „dem Terror“, sondern aus Menschen, die aus irgendwelchen Gründen die Entscheidung getroffen haben, sich dieser Denkströmung anzu­schließen. Es gibt Gründe, warum diese (bislang meist namenlosen) Personen scheinbar wahllos Menschen in großer Zahl umbringen, warum sie Angst und Schrecken säen. Den Dämonismus zu bekämpfen, ist unumgänglich, wenn man ihn erfolgreich bekämpfen möchte.

Das ist auch das Anliegen vieler Protagonisten im Oki Stanwer Mythos.

Die eherne Mauer der ideologischen Vorurteile zu zertrümmern und zu der ver­borgenen Wahrheit dahinter vorzustoßen. Die Ideologen zu entlarven, den Krieg zu beenden. Ein hehres Ziel, vielleicht unerreichbar… aber es ist jeden Aufwand wert, es zu versuchen.

Sonst haben wir den Krieg sowieso schon verloren, im OSM und in der Wirklich­keit.

Soviel für heute in dieser Angelegenheit – in der kommenden Woche kehren wir in die Rubrik „Der OSM im Bild“ zurück.

Bis dann, mit Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 49: Zeitlabyrinth

Posted März 1st, 2016 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

heute gibt es mal ein vergnügliches Abenteuer der ganz besonderen Art zu le­sen, die mich immer wieder zum Schmunzeln bringt, wenn ich das Buch zur Hand nehme… und da ich den Roman wahrhaftig seit über 30 Jahren kenne, hat das einiges zu sagen. Auch, dass ich ihn bereits mehrere Male, jedes einzelne davon mit enormem Vergnügen, gelesen habe, spricht wohl für sich.

Bevor wir zum Roman selbst kommen und zu seinem Inhalt, sollte ich noch ein wenig vorab erzählen, was vielleicht nicht jedem meiner Freunde bzw. auch Le­sern dieses Blogs bekannt ist: Ich habe diesen Roman zweimal rezensiert, und die erste Rezension erschien im September 1985 in dem Fanzine ROMAN-POST 17 von Rudolf Wildner. Manch einer, der diesen Blog liest, wird hierdurch viel­leicht an alte Zeiten erinnert werden.

Zeitlabyrinth“ erschien in arg verkürzter Form damals als ein TERRA ASTRA-Roman, aber er wusste schon in der Form zu gefallen. Später, als ich dann die vorliegende Langfassung las (die eventuell immer noch gekürzt ist, da in der Fi­scher Orbit-Reihe stabile Seitenzahlen vorherrschten, was diesen Eindruck wohl unvermeidlich macht), steigerte sich mein Lesevergnügen durchaus noch. Und Keith Laumer stieg ganz unvermeidlich zu einem meiner damaligen Lieblingsau­toren auf, neben Marion Zimmer-Bradley, Robert E. Howard, Howard Phillips Lovecraft und Clark Ashton Smith, um nur mal die Phantasten darunter zu nen­nen.

Und ja, der Titel ist im Englischen ebenso passend wie im Deutschen. Ein ver­gnügliches, verwirrendes Garn voller unglaublicher Dialoge, bizarrer Zufälle und amüsanter Verwechslungen. Schaut einfach mal rein:

Zeitlabyrinth

(OT: Time Trap)

von Keith Laumer

Fischer Orbit 4

128 Seiten, TB

Februar 1972

Übersetzt von Birgit Reß-Bohusch

Roger Tyson ist wirklich nicht zu beneiden: erst bleibt der junge, erfolglose Prot­agonist dieses Romans mit seinem klapprigen Auto in einer sturm- und regen­durchpeitschten Nacht auf der Landstraße liegen, dann versucht er eine Motor­radfahrerin anzuhalten und verursacht einen tödlichen Unfall, und als ob das noch nicht genug wäre, beginnt er auf einmal die Stimme der Toten – einer bild­hübschen Agentin namens Q’nell – in seinem Ohr zu hören. Tja, und schließlich verursacht er den nächsten Unfall und ist verantwortlich für den Tod einer Mo­torrad fahrenden roten Riesenrübe…

Daraufhin glaubt sich nicht nur Roger Tyson im falschen Film, sondern zeitweise der Leser auch. Aber er bekommt überhaupt keine Chance zum Luftholen, denn all das ist erst der Beginn. Tyson, geleitet von der Stimme der Toten und verfolgt von intelligenten roten Riesenrüben, muss zu seinem großen Schrecken feststel­len, dass die Welt, wie er sie sich eigentlich vorstellte, dabei ist, auseinanderzu­fallen – in eine schier endlose Kette von Raumzeitkreisen, in denen sich alles kurz nach Mitternacht wieder in den Anfangszustand zurückbewegt und die Tage mithin niemals enden. Kühlschränke füllen sich wieder auf (mit immer denselben Nahrungsmitteln), abgeschnittene Blumenstängel und umgeschlage­ne Bäume kehren an ihren Ausgangspunkt zurück, und selbst Tote wachen am nächsten Morgen quicklebendig – und mit voller Erinnerung an den Tod – auf.

Dabei ist es offenkundig, dass der Zeitpunkt der Raumzeitkreise keine Rolle spielt. Roger wandert dabei genauso durch das Devonzeitalter wie durch das 19. Jahrhundert und die Schützengräben des Ersten Weltkriegs. Und seine Ver­zweiflung wächst. Eigentlich wollte er doch nur einen neuen Job, und nun wird er unablässig verfolgt, von haarigen Affenmenschen verprügelt, beinahe er­schossen und von Granaten zerrissen – und überall folgt ihm diese unheimliche Runkelrübe.

Bis er versteht, dass dieses Zeitlabyrinth ein offenbar etwas aus dem Gleichge­wicht geratenes Museum der menschlichen Rasse ist, dauert es außerordent­lich lange. Doch das ist noch keine Lösung, die findet sich erst am Ende des Tun­nels und hat noch einige Schrecken für ihn parat…

Zeitlabyrinth ist ein Strudel von einem Roman. Wenn man einmal angefangen hat und neugierig geworden ist, saugt Laumer den Leser in die Geschichte hin­ein, die zwar manchmal oberflächlich und zum Ende hin etwas überdreht wird, aber stets durch enormen dialogischen Wortwitz besticht. Alleine die raschen Szenenblenden und ständigen Cliffhanger, die Tatsache, dass man nicht erken­nen kann, wohin er das nächste Mal springt, macht den Roman überaus reizvoll. Vergnügliches, köstliches Lesefutter für zwei oder drei Stunden (aber so lang braucht man dafür eigentlich nicht). Und wenn man nach fünfzehn Jahren – wie ich – den Roman das zweite Mal liest, ist er nach wie vor ein spritziges Vergnü­gen, hinter dem man die Welt wohlig versinken lassen kann, wenn man gefrus­tet ist.

Kleinere Schnitzer bei der im übrigen ausgezeichneten Übersetzung schaden gar nicht. Es verstärkt sogar das Schmunzeln im Leser, wenn man registriert, dass Birgit Reß-Bohusch so in Action war, dass sie den New Yorker Central-Park als „Zentralpark“ übersetzte. Wen kümmert’s? Auch das völlig unpassende Titel­bild, das wohl nur den SF-Charakter des Buches illustrieren sollte, kann man ge­trost ignorieren. Übrigens: es gab mal eine gräulich gekürzte Ausgabe dieses Romans (gleicher Titel) bei TERRA ASTRA. Das Cover, ebenfalls von Eddy Jones, war indes auf den Inhalt bezogen. Sehr frei zwar, aber zumindest zutreffender. Dieser Heftroman war meine allererste Begegnung mit Laumer, die zweite kam dann 1988 und wurde zu einer heißen, innigen Liebe zu den wahnwitzigen Ro­manen dieses leider schon verstorbenen Schriftstellers.

Wenn ihr also einfach mal ablachen möchtet, Freunde, sucht das Buch, lest es – und liebt Laumer. Er lohnt ernsthaft eine Wiederentdeckung.

© by Uwe Lammers, 2003

Allerdings – eine Wiederentdeckung lohnt Keith Laumer unbedingt (das sagte ich schon im Wochen-Blog 4, wo ich „Diplomat der Grenzwelten“ vorstellte). Eben, als ich das Buch noch mal zur Hand nahm, um den noch fehlenden Origi­naltitel nachzuschlagen, den ich 2003 bei der Rezension einzufügen vergaß, da juckte es mich schon wieder in den Fingern.

Inwiefern? Insofern: den Roman nach 12 Jahren endlich mal wieder zu lesen. Aber ich schiebe das Vergnügen noch ein paar Wochen auf. Ihr könnt allerdings völlig überzeugt sein, dass ich in der näheren Zukunft noch den einen oder an­deren Laumer-Roman für euch rezensieren werde, auf dass ihr noch ein paar solche amüsanten Leckerbissen vorfindet. Es kann ja nicht immer nur gehalts­schwere Kost geben, nicht wahr?

In der nächsten Woche, sozusagen zum Jubiläum des 50. Blogartikels, stelle ich euch dann eine weitere gute Freundin vor, deren Romane ich mit Begeisterung verschlinge und die inzwischen sogar höchst erfolgreich verfilmt wird. Nein, nein, nicht George R. R. Martin… achtet doch mal auf das Geschlecht, meine lie­ben Freunde! Ich gebe euch einfach mal einen kleinen Tipp zum Neugierig wer­den: schon mal den Namen Claire Beauchamp Randall Fraser vernommen?

Na, wer jetzt aufhorcht, ist nächste Woche gewiss dabei. Wer ratlos schaut, soll­te den nächsten Rezensions-Blog dennoch nicht versäumen. Er bzw. sie könnte da ein sehr packendes Buch und eine spannende Autorin verpassen…

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.