Rezensions-Blog 78: Reis am Stiel

Posted September 20th, 2016 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

wie ich das auf meiner Autorenseite bei AmazonAutorCentral schon sagte: Au­toren schreiben nicht nur Bücher, sondern sie lesen selbige auch. Heute gehe ich sogar noch einen kleinen Schritt weiter – sie lesen auch Bücher von befreun­deten Autoren, und so ist es mir eine besondere Freude, euch heute an dieser Stelle ein Buch eines befreundeten Autors vorzustellen, den ich vor ein paar Jahren an seinem Stand auf dem SF-Convention Raum & Zeit Continuum III in Braunschweig kennen lernen durfte.

Alexander Knörr, in Phantastenkreisen bekannt als Verfasser der Präastronautik-Saga „Die Chroniken von Tilmun“, bekennender UFO-Forscher und vieles andere mehr, führt ein faszinierendes, an Erfahrungen reiches Leben, und es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis er das Schatzkästchen seiner biografischen Erinne­rungen öffnen würde, um uns daran teilhaben zu lassen. Eine erste Frucht die­ser Erinnerungen ist die vorliegende kleine Schrift, die von seiner Liebe zur al­ten chinesischen Kultur durchtränkt ist. Ich habe sie mit Gewinn und Genuss ge­lesen und stelle sie euch heute gern vor:

Reis am Stiel

Begegnungen mit einer fremden Welt in China

von Alexander Knörr

Deutsche Erstausgabe

Galactic Bookstore Verlag

www.galactic-bookstore.com

Hirschhorn, Januar 2015

100 Seiten, TB

Verkaufspreis: 9,95

ISBN 978-3-9817051-1-9

China ist ein faszinierendes Land, ganz gleich, wie man zu seiner aktuellen politischen Führung ste­hen mag – eine Nation, deren historische Wurzeln über Tausende von Jahren zurückreichen. In die­ser monolithischen Massivität ist die Kontinuitätslinie vielleicht nur noch von den alten Ägyptern erreicht und über­troffen. Und zugleich ist diese gewaltige Wirtschaftsnation im fernen Osten ein Reich, das uns allen nach wie vor sehr fremd ist.

Natürlich, die Geschäfts-Chinesen sprechen inzwischen längst Englisch als inter­nationale Verkehrssprache, und ihre Unternehmen sind weltweit vernetzt. Aber wenn man einmal durch diesen Schleier der Internationalisierung hindurch­blickt, sieht man doch ein sehr fremdes Land – eine Nati­on, in der mit schier unbegreiflichen Schriftzeichen geschrieben wird, in der man üblicherweise mit Stäbchen isst und dergleichen mehr. Und vertraut Alexander Knörr und mir: es gibt noch sehr viel eigenartigere Dinge in China.

Während es der China-Literatur unübersehbar viel gibt, fehlt ein wenig der pri­vate Blick ins Innere dieses rätselhaften Reiches. Wie sieht „China hinter dem Schleier“ aus? Kann man jenseits der tou­ristischen Pfade China erleben? Und wenn ja, wie sieht es dort aus?

Alexander Knörr, Weltenbummler, Phantast und Autor der Präastronautik-Saga „Die Chroniken von Tilmun“, hat nun den Versuch gewagt, genau dies zu realisie­ren. Er ist seit langem von der uralten chinesischen Zivilisation und ihrer heuti­gen Gegenwart fasziniert, er bewundert die asiatische Kü­che, die Kultur und nicht zuletzt auch ihre Frauen. Da er mehrfach in China war und jahrelange Kon­takte dorthin besitzt, floss vieles von seinen Erfahrungen in Gespräche, Briefe und Geschichten ein. Und irgendwann wurde er dann dazu angeregt, doch all dies einmal niederzuschreiben.

Wir wissen ja: Erinnerung, und mag sie noch so stabil und einprägsam sein, ist und bleibt flüchtig, und mit dem eigenen Tod ist sie üblicherweise erloschen. Was jenseits des physischen Horizonts da­mit geschieht, können wir nicht er­messen. Also ist es stets besser, sie niederzuschreiben… zumal dann, wenn man auf diese Weise noch andere Menschen für die Faszination der chinesischen Kultur begeistern kann. So kam es also, dass Alexander Knörrs Erinnerungen an seine persönlichen Erfah­rungen mit der chinesischen Kultur in diesem kleinen Büchlein kondensierten.

Es kommt daher in einem wunderschön gestalteten, ganz in Rotgold gehaltenen Umschlag, das ein­fach einen gediegenen, edlen Eindruck macht, und dieser ers­te Eindruck nimmt die Schrift unwei­gerlich für sich ein. Ein wenig getrübt wird das dann durch den unerwartet „anrüchigen“ Anfang des Werkes – findet sich der Leser doch mit dem Verfasser in einer chinesischen Toilette wieder, die frei­lich schon auf die Exotik des fernen Landes vorbereitet. Denn ein schmutziges Loch im Boden assoziieren wir eigentlich nicht mit der chinesischen Hochkultur… aber das ist nur der Anfang. Es geht schnell weiter zu angenehme­ren Themen.

Da ist beispielsweise die Sprache und das komplizierte Phänomen der Betonun­gen… ein Feld von unbegrenzten Missverständnismöglichkeiten, das man mit Humor nehmen kann oder mit Frustrati­on. Alexander Knörr neigt eher zu erste­rem, und das ist auch gut so. Sein Pfälzer Humor durchzieht das locker lesbare, sehr unterhaltsame Buch wie ein roter Faden und nimmt den Leser unweiger­lich für den Verfasser ein.

Wir erfahren als neugierige Rezipienten des Werkes von Alexander Knörrs mehrfachen Reisen und bekommen schnell mit, was man so landläufig bei uns immer wieder hören kann: dass China-Restaurants in Europa sich dem hiesigen Lebensgefühl stark angeglichen haben, dass unser China-Bild in vielfacher Wei­se verzerrt ist und mit dem originären China, wie es „wirklich“ ist, nur be­dingt etwas zu tun hat. Selbst China-Reisende, die die touristischen Pfade nicht ver­lassen, bemerkt der Autor mit Recht, werden kaum jemals Gelegenheit haben, direkt „in touch“ mit dem eigentli­chen „spirit“ Chinas zu kommen. Ihr Bild bleibt deshalb notwendig schematisch.

Alexander Knörr hatte 2001 noch diesen touristischen Blick (wenngleich solche Ausnahmeerfah­rungen wie mit dem Peking-Ente-Restaurant auch damals schon möglich waren), aber wo andere China-Reisende sich zufrieden gaben, blieb er hartnäckig. Er wollte das „wahre China“ kennen ler­nen. Dies gelang erst deut­lich später, als er seine langjährige chinesische Korrespondenzpartnerin Li Yen aus Nanning – der auch mit Recht das Buch gewidmet ist – besuchen konnte, kam er wirklich in Kontakt mit dem „wirklichen“ China. Und das sollte man sich wirklich nicht entgehen lassen… es ist genauso abenteuerlich und „anders“, wie es sich anhört.

Mit dem vorliegenden Buch hat Alexander Knörr einen sehr unterhaltsamen, faszinierenden Blick in seine bunte Lebensgeschichte einerseits und in die Sit­ten, Gebräuche und Eigenheiten eines für uns sehr fremden Landes anderer­seits ermöglicht, und es ist ihm hoch anzurechnen, dass er uns dar­an teilhaben lässt. Dass die chinesischen Erfahrungen, wie ich sie mal nennen möchte, nach wie vor in seinem Leben weitergehen, sei nur am Rande erwähnt. Es ist sehr zu hoffen, dass dieser autobio­grafischen Schrift noch mehr folgen wird. Jeder Le­ser dieses Büchleins hat eine Menge zum Stau­nen und Lachen vor sich – dieses „chinesische Abenteuer“ sollte man sich gönnen, ob nun in der Print- oder E-Book-Version, die es auch gibt. Aber ich gebe zu, die Printversion macht einfach mehr Spaß.

Eigentlich gibt es nur einen kleinen Wermutstropfen in diesem sonst rundum gelungenen und sehr unterhaltsamen Werk, aber er ist natürlich nicht unbe­hebbar – dem Büchlein wäre ein besseres Lek­torat sehr zu wünschen gewesen. Es weist doch noch relativ viele Druckfehler auf, die bei einer Nachauflage tun­lichst zu bereinigen wären, um das Lesevergnügen noch mehr zu erhöhen.

Ach ja… und was es mit dem titelgebenden „Reis am Stiel“ auf sich hat, nicht zu verwechseln mit „Eis am Stiel“, darüber schweige ich mich an dieser Stelle aus. Das sollte man wirklich selbst nach­schmökern.

Ansonsten jedoch bleibt nur eins zu sagen: Klare Leseempfehlung! Ein schönes Buch, das nicht al­lein für China-Freunde ein ideales Geschenk darstellt.

© by Uwe Lammers, 2016

Es kann sehr gut sein, dass in ich beizeiten wieder mal auf Werke befreundeter Autoren zu sprechen komme… doch ist das immer eine Frage der zur Verfügung stehenden Zeit. Hier wollen die Worte stets gut gewählt sein, da wir ja alle wis­sen, dass Autoren auch empfindliche Menschen sind… einerseits. Andererseits besteht bei solchen Rezensionen stets die Gefahr, dass man der Gefälligkeitsbe­sprechung bezichtigt werden könnte. Ich denke aber, diese Sorge ist beim obi­gen Werk ganz unberechtigt.

In der kommenden Woche beamen wir uns in die 70er Jahre zurück und landen, ganz im Gegensatz zu den heutigen Zeilen, in den sonnigen mediterranen Gefil­den. Warum dies? Und um was für einen Roman es dann wohl gehen mag? Das erfahrt ihr in einer Woche an dieser Stelle.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Liebe Freunde des OSM,

heute gibt es mal was richtig Ungewöhnliches. Ihr wisst ja, dass an dieser Stelle primär über den Oki Stanwer Mythos und alles ringsherum gesprochen wird, üblicherweise aus eigenem Antrieb… dies hier wurde auf interessante und net­te Weise an mich herangetragen. Es handelt sich um eine Fragerunde, die ge­wissermaßen von Blogautor zu Blogautor weitergereicht wird… wie es unten in den einleitenden Moderationsworten steht, also in der Tat eine Art von „Ket­tenbrief“.

Unerwartet wurde meine gute Autorenkollegin Angelika dort mit einbezogen und stand Alexandra Trinley als „Vorgängerin“ (https://blaetterfluggedankenschnuppendotcom.wordpress.com/author/blaetterfluggedankenschnuppen/), sage ich mal wertneutral, Rede und Antwort. Und was tat Angelika? Da man, wenn man sich in die Fragerunde hineinziehen lässt, sinnvollerweise einen weiteren potentiellen Kandidaten be­nennen soll, be­nannte sie einfach – mich.

Ich war etwas perplex, sehr geschmeichelt, wusste aber zudem auch gleich, dass diese Geschichte ein wenig wackelig daherkam. Warum dies? Nun… es mag kurios klingen, und sicherlich habe ich das schon mal irgendwo geschrie­ben (nicht nur in meinem Gedicht „Bloggeritis“), dass ich mich im strengen Sinn nicht als Blogger verstehe. Das ist deshalb kurios, weil ich doch zweimal in der Woche Blogartikel hier hochlade und ich damit offenkundig die Kriterien des Bloggers erfülle.

Der zweite Grund, warum diese Einbeziehung in meinem Fall knifflig war, lag in der Tatsache, dass ich – was meine obigen Worte bestätigt – im Grunde aus Zeitgründen keine anderen Blogs kenne bzw. lese (den von Angelika ausgenom­men, aber auch das ist ein Spezialfall, weil ich ursächlich mit verantwortlich da­für bin, dass es ihn gibt).

Punkt 3 war dann schlussendlich die Tatsache, dass ich aktuell zu so gut wie gar nichts außer meiner Brotarbeit Zeit finde… wann um alles in der Welt soll ich kreativ sein, wenn ich z.T. auch die Wochenenden in die Brotarbeitssphäre ein­beziehe? Doch war gerade letzteres dann kein wirksames Argument – weil die gute Angelika freundlicherweise Fragen vorformulierte.

So war ich dann also am Zuge, und ich schob meine Bedenken beiseite („Hey, Leute, ich bin der Kerl mit dem Faible für die Langform! Ich bin der Schwafel­kerl… wollt ihr wirklich KURZE Antworten von mir? Reichlich verwegen…!“ Ja, natürlich wollten sie, und ihr vermutlich auch), und es ging an das Antworten.

Ihr ahnt, wie es weiterging, nicht wahr?

Einmal am Schreiben, an einem entspannten Sonntagvormittag, mit einer ange­nehm duftenden Kanne Tee dabei, ging mir das alles sehr flink von der Hand. Ehe ich allerdings dann den letzten Schliff anlegen konnte, vergingen noch mal fast zwei Wochen. So ist es also erst heute soweit. Hier kommen nun also nach einer kurzen, offenbar obligatorischen Einführung in die Natur des Projekts An­gelika Herzogs Fragen zum „Liebster Award“ an mich (kopiert von ihrer Website www.jottfuchs.de):

Einführung:

Dieses „Liebster Award“-Projekt ist eine Art Kettenbrief, der die Besitzer kleine­rer Blogs miteinander ins Gespräch bringen soll. Das ist eine ausgezeich­nete Idee, erklärt auf dem Blog von Ulf Run­ge https://ulfrunge.wordpress.com/2016/03/27/1-liebster-award/ und bei der allerliebsten Roe Rainrunner https://roerainrunner.wordpress.com/4-liebster-award/.

Nominierung:
Nominiert durch: www.jottfuchs.de
Nominiert am: 12.06.2016

Vielen Dank für die Nominierung, Angelika!

(Hm, merke gerade, die Formatierung oben spielt mir einen Streich, in meinem Ursprungsdokument sah das noch besser aus… sorry, Freunde. Besser kriege ich das jetzt nicht hin)

Gedanken zu „Liebster Award 2.0 – Uwe Lammers beantwortet hier die Fragen von Angelika Herzog”

  1. Was hat dich zum Autor bzw. zur Autorin geformt?

    Da gab es, schätze ich, unzählige Inspirationsquellen. Gelesen habe ich schon immer gern, anfangs Comics, Bücher aus der Bücherei und aus der elterlichen „Bücherei“ das eine oder andere… generell ist der Einfluss von Büchern auf mein Schreiben groß. Anfangs, und da reden wir von Mitte der 70er Jahre, war der Wunsch wohl, die Geschichten, die ich z. B. auch im Fernsehen sah oder eben gelesen hatte, in leicht variierter Form selbst erzählen zu wollen. Hinzu kam der intensive Einfluss der „Gedan­kenspiele“, die ich mit meinem Bruder Achim damals spielte und die den Grundstein für meinen heutigen Oki Stanwer Mythos (OSM) darstellen. Dazu sage ich hier und heute aus Raumgründen nicht sehr viel mehr, aber ich verweise gern auf meine Website www.oki-stanwer.de. Ach ja, da sind wir ja… verzeiht die Eigenwerbung…

    Das“ einschneidende Erweckungserlebnis kann ich leider für meine Kreativ-Biografie nicht nachweisen.

  2. Was ist dein Beruf im „echten Leben“?

    Lach. Hört sich an, als lebte ich – wie weiland James Bond/Sean Connery in meinem Lieblings-Bond „Man lebt nur zweimal“ zwei Leben… wiewohl das nicht völlig verkehrt ist. Mein Brotberuf ist der des Historikers, ob­gleich ich auch vor langer Zeit mal eine Lehre als Bürokaufmann abge­schlossen habe. Das liegt aber fast 30 Jahre zurück, und gearbeitet habe ich in dem Beruf nicht. Da sowohl meine Ausbildung zum Bürokaufmann als auch zum Historiker (an der TU Braunschweig, 1994-2002) nach mei­nen sehr intensiven Erfahrungen als Hobbyautor stattfanden, wird es kaum jemanden überraschen, wenn nach wie vor hierfür mein Herz schlägt. Aktuell bin ich ansonsten in einem historisch-philosophischen Projekt als wissenschaftlicher Mitarbeiter beschäftigt. Das Projekt ist bis Herbst 2017 befristet, danach werde ich mich dann wieder nach An­schlussbeschäftigungen umsehen müssen… das übliche Los für Geistes­wissenschaftler in den heutigen Zeiten.

  3. Was zeichnet gute Freunde aus?

    Gute Freunde, das ist zumindest meine Definition von ihnen, sind das Ge­genteil von so genannten „Schönwetter-Freunden“. Diese sind in der Re­gel nur da, wenn es einem selbst gut geht und sie sich ausrechnen kön­nen, gewisse Vorteile aus der Freundschaft zu ziehen. Das betrachte ich als eine Verfälschung des Freundschaftsbegriffes. Gute Freunde sind die­jenigen, die zu dir halten, auch wenn das Schicksal dir nicht gewogen ist, die an deiner Seite stehen bleiben, wenn du auf ALG II-Niveau oder in die Sozialhilfe abrutscht (habe ich beides schon erlebt), und die an dich glau­ben und dir Mut machen, wenn du selbst nur Hoffnungslosigkeit siehst. Wahre Freundschaft kommt aus den Tiefen des Herzens, und gute Freun­de wissen das und versuchen dich zu verstehen, vielleicht gerade dann, wenn du dich selbst nicht recht verstehst… aber machen wir uns nichts vor – solche guten Freunde sind leider sehr rar gesät. Glücklicherweise kann ich ein paar davon zu meinem engsten Freundeskreis zählen. Sie sind mir oft eine starke seelische Stütze.

  4. Womit kann man dich zum Feind machen?

    Oje, du hast ja Fragen auf Lager… ich bin generell nicht die Person für starke, wütende Gefühle. Vielleicht hängt das mit meinem Sternzeichen und Naturell zusammen – als Waage bin ich stets ein ruhiger, ausglei­chender Charakter, und was ich grundsätzlich anstrebe, ist Harmonie und Ausgeglichenheit.

    Vor sehr langer Zeit habe ich mal geglaubt, ich könne langfristig sehr zor­nig sein, was dann ein wenig in die Richtung deiner Frage ginge. Damals waren mir eine Reihe von Geschichten nicht wieder zurückgeschickt wor­den, insbesondere ein 120 Seiten langes Romanmanuskript mit dem Titel „Der Sirenen-Stern“… ich vermisse es heute noch, nach fast 30 Jahren. Und wiewohl ich den Namen desjenigen, der es mir damals unter­schlagen hat, nach wie vor kenne, hege ich längst keine grollenden Ge­fühle mehr… Feindschaft halte ich generell für eine Emotion, die zu viel Aufmerksamkeit auf sich zieht. Wer ernsthaft an Ausgleich interessiert ist, für den ist Feindschaft etwas, was denjenigen selbst vergiftet, der sie empfindet.

  5. Du hast den leeren Raum im Sinne von Weltraum vor dir, den du nach ei­genen Wünschen gestalten kannst, und ein Jahr Zeit. Was möchtest du darin erleben?

    Nun, das ist eine gefährliche Bemerkung für jemanden, der kreativ haupt­amtlich mit der Langform von Geschichten zu tun hat… das Jahr Zeit wäre in jedem Fall viel zu rasch verflogen, fürchte ich. Aber Langeweile würde mich nicht quälen, ganz im Gegenteil. Das hat mit der Art meines Schrei­bens zu tun. Eine kleine Spitze davon kann man in den 41 E-Books sehen, die ich seit 2013 veröffentlicht habe. Ich schreibe inzwischen seit knapp 40 Jahren, öffentlich jedoch „erst“ seit 1982 (hm, sind auch schon rund 35 Jahre, glaubt man gar nicht), und in dieser Zeit sind Tausende von Ge­schichten entstanden. Das ist keine Übertreibung. Im Fandom sind hier­von vielleicht dreihundert mehr oder minder bekannt geworden, eher würde ich vermuten, sind es weniger. Es existieren als ganze Regalreihen voll Ordner mit nicht veröffentlichtem Material – und insbesondere bei der Publikation des Oki Stanwer Mythos wünsche ich mir in naher Zu­kunft tatsächlich so etwas wie ein Jahr Zeit, um massiv auf dem Sektor der Kreativität voranzukommen.

    Mir schwebt für 2017 beispielsweise – flankierend zu der jährlichen Kurz­geschichtensammlung im E-Book und der Veröffentlichung der Serie „Oki Stanwer und das Terrorimperium“ (TI) sowie gelegentlichen OSM-Roma­nen der Reihe „Aus den Annalen der Ewigkeit“ vor, mit zwei weiteren Se­rien zu beginnen. Titelbilder für die jeweils erste Ausgabe liegen mir schon vor. Es handelt sich dabei um die Romane „Im Feuerglanz der Grü­nen Galaxis“, der die Episoden 1-3 der Serie „Oki Stanwer – Bezwinger des Chaos“ (geschrieben von 1987-1993) enthalten wird, und „Vorbeben“, der einen erheblichen Teil der Vorgeschichte der Serie „Oki Stanwer Horror“ (geschrieben 1982-1985) beinhalten soll. Für diese Ar­beiten brauche ich jede Menge kreativen Freiraum, und den würde ich mir bei dem obigen Angebot gern herausnehmen und hier vorankom­men.

    Ebenfalls würde ich diese Zeit natürlich dafür nutzen, in den zahlreichen Serien, Kurzgeschichten und Archipel-Romanen vorwärts zu gelangen, faszinierende neue Geschichten in meinem Verstand aufblühen zu sehen oder Geschichtenkeime zu entwickeln, die z. T. schon seit Jahrzehnten in meinem Geist schlummern. Gestern etwa habe ich gerade eine Idee aus­zuarbeiten begonnen, die aus dem Januar 1988 stammt und den Titel „Rescaz“ trägt. Das ist ein Furcht erregender Protagonist des OSM, eine Dämonenwaffe von TOTAM, die im Universum des KONFLIKTS 12 – die obige Serie „Oki Stanwer – Bezwinger des Chaos“ bildet die Hintergrund­folie für diese Story – ihr mörderisches Unwesen treibt. Leser der Serie werden recht bald über diese Person stolpern, weswegen diese Geschich­te eine Logiklücke der Serie schließen helfen wird. Mal schauen, wie rasch ich damit vorankomme.

    Generell ist zu sagen, dass mein Hauptproblem darin besteht, dass ich für die unzähligen Ideen, die in mir sprudeln und nach oben drängen, grund­sätzlich viel zu wenig Zeit habe… also ist es nicht übertrieben, zu sagen, dass mir gewiss nicht langweilig werden würde. Und speziell der Oki Stanwer Mythos, der zahlreiche Universen überspannt, von Hunderten intelligenter Völker und Tausenden von Galaxien handelt, ist ein schier unerschöpfliches Reservoir an Ideen, Geschichten, unglaublichen Perso­nen und abenteuerlichen Begebenheiten… glaube mir, den Raum wüsste ich schon zu füllen, die Zeit erst recht… hätt ich nur die Zeit…!

  6. Wenn du für einen Tag König der Welt sein könntest, was würdest du än­dern?

    Eine fatale Frage, die mich mit dem Macht-Problem konfrontiert. Ich fürchte, ich tauge nicht als König oder Gesetzgeber. Was ich mir aber in einer solchen surrealen Situation wünschen würde, wäre deutlich mehr Harmonie und Akzeptanz des Fremden und Unbekannten. Ich würde zu­mindest versuchen, Entwicklungen anzustoßen, die in Richtung auf Ver­söhnung verfeindeter gesellschaftlicher Gruppen (gleich, ob es sich dabei um politische oder religiöse handelt) zielen. Auf mehr allgemeines Ver­ständnis unserer Verantwortung als Spezies gegenüber der gesamten Schöpfung, die heutzutage leider nur zu häufig kurzsichtig mit Füßen ge­treten wird. Eine gerechte Verteilung des Wohlstandes täte not, auch wäre es essentiell, dafür zu sorgen, dass langfristige Entwicklungen ange­stoßen werden, die dazu führen, diese Welt insgesamt zu einem Ort zu entwickeln, an dem wir gerne leben und alt werden wollen.

    Schwierig sehe ich in diesem Kontext die Chance, aus einer Art 1-Tag-Re­gentschaft eine langfristige Entwicklung anzustoßen. Deshalb stehe ich der Frage grundsätzlich mit Skepsis gegenüber.

  1. Dein Lieblingsessen an einem heißen Sommertag? Dein Lieblingsessen an einem kalten Wintertag?

    Interessante Fragen… ich neige nicht dazu, meine Essvorlieben direkt nach den Tagestemperaturen zu orientieren. So etwas wie einen Stan­dard oder Automatismus gibt es da eher nicht. Aber es ist so, dass ich an sehr heißen Sommertagen grundsätzlich geringen Appetit habe und dann durchaus auch schon mal auf eine warme Mahlzeit verzichte. An kalten Wintertagen kann man eigentlich alles an warmen Speisen essen. Was ich gern selbst zubereite, sind Nudelaufläufe und Eintöpfe (jüngst etwa für mehrere Tage Ratatouille, da ich eine leckere Zucchini geschenkt be­kommen habe). Meist entstehen Gerichte einfach aus der Momentlaune heraus. Aktuell habe ich allerdings wegen meiner Arbeit nur wenig Gele­genheit dazu, selbst zu kochen, dann frequentiere ich eben im Semester gern auch die Mensa, alternativ zieht es mich zu türkischen Imbissen, ita­lienischen Restaurants oder zu Asiaten… wie man sieht, ist da für jeden Geschmack was dabei (ach, ich habe den superleckeren Inder in meiner Straße vergessen! Der ist natürlich auch noch da).

  2. Was sind deine Urlaubs-Vorlieben?

    Urlaub? Was ist Urlaub? Lach… nein, ganz so schlimm ist es dann doch nicht. Aber in der Tat sieht meine Vorliebe für Urlaub vermutlich seltsam aus: Ich neige dazu, zu sagen, dass ich mich im Urlaub am wohlsten an zwei Orten fühle – entweder hier daheim an meinem Schreibtisch, wo derzeit diese Zeilen entstehen, oder in Gesellschaft meiner engsten Freunde. Letzteres ist üblicherweise aber nur einmal im Monat der Fall, so dass ersteres klar überwiegt.

    Der Grund dafür, und damit greife ich a bisserl vor, wird verständlicher, wenn ich fortfahre: Schreiben ist für mich grundsätzlich Erholung. Ge­meint ist das Schreiben von Geschichten, Rezensionen, Editorials für un­ser Clubmagazin „Baden-Württemberg Aktuell“ (BWA) des Science-Fic­tion-Clubs Baden-Württemberg (SFCBW, Website: www.sfcbw-online.de). Unterstützt von inspirierender Musik – zumeist Filmsoundtracks – hebe ich gewissermaßen ab in die Sphären der Inspiration und bin dann nicht mehr so ganz von dieser Welt. Ein schöner Zustand, der dem, was man gemeinhin „flow“ nennt, wenigstens sehr nahe kommt.

    Es ist also keine Kokettiererei, wenn ich verschiedentlich schon mal sagte, dass ich eher reiseunlustig bin, da ich sowieso ständig auf Reisen in frem­den Welten und unbekannten Galaxien und Universen bin. Da bin ich sehr zufrieden, mich in Ruhephasen einfach im Hier und Jetzt behaglich auszuruhen. Ein Reisemensch bin ich, offen gestanden, noch nie gewe­sen, und weiter als bis Holland und Österreich bin ich auch nicht gekom­men. Was meiner Ansicht nach kein Defizit bedeuten muss. Da ist jeder Mensch vom Naturell unterschiedlich, und mein Urlaubsleben ist eher langweilig (lach). Aber wenn man dann die Geschichten liest, die in dieser Zeit entstehen… das relativiert das Bild doch deutlich, möchte ich be­haupten.

  3. Wie sieht ein perfekter Tag für dich aus?

    Auch hier bin ich sehr anspruchslos. Perfekt wäre ein Tag, der nach einer ruhig durchgeschlafenen Nacht zeitig am Morgen beginnt – die ideale Zeit zum kreativen Arbeiten – , während eine Kanne Tee auf dem gläser­nen Stövchen für die nächsten Stunden munter glüht und duftet, nach­dem ich meine Pflanzen wie jeden Morgen solide gegossen habe. Dann ein wenig inspirierende Musik, sanft dahinströmende Kreativität, die sich in Briefen, Gedichten, Geschichten oder ähnlichem äußert. Mittags je nach Laune entweder ein Essen, das ich selbst zubereite oder aber, plau­sibler, ein Besuch in einem meiner favorisierten Lokale in der Umgebung, um mir etwas Schmackhaftes von der Speisekarte zu stibitzen (lach). Der­weil ein wenig Lektüre vor der Mahlzeit. Dann Heimkehr, um weiter zu schreiben, die Post zu schmökern und vielleicht die eine oder andere Mail zu beantworten. Abends würde ich dann nach getanem Tagewerk ganz gern noch einen Film schauen, vielleicht eine Episode der Serien „Doctor Who“ oder „Agents of S.H.I.E.L.D.“, an die ich mich in den letzten Jahren sehr gewöhnt habe. Oder ich greife einfach zu einem der zahlrei­chen Bücher, die hier noch meiner hungrigen Augen harren.

    Anspruchslos, sage ich ja. Jenseits meiner sprudelnden Phantasie bin ich, nach eigener Einschätzung, eher ein biederer, langweiliger Zeitgenosse. Aber bekanntlich sind ja die stillen Wasser tief, nicht wahr…?

  4. Welche Bücher willst du unbedingt noch lesen?

    Unendlich viele, fürchte ich. Es wäre wenig zielführend, hier jetzt irgend­welche aus dem gigantischen Stapel noch zu lesender Bücher favorisieren zu wollen, das würde zahllosen anderen ungerecht werden. Faktum ist, dass es allein hier Aberhunderte von ungelesenen Büchern gibt, und je­des Jahr kommen welche hinzu. Da für mich der Primat des Schreibens vor dem Lesen gilt – will heißen: wenn mich eine Geschichtenidee be­stürmt, habe ich keine ruhige Minute fürs Lesen, dann will ich schreiben! – , komme ich daheim auch leider eher wenig zum Lesen.

    Irgendwie habe ich das Gefühl, ich soll doch konkrete Titel nennen… also schön, für die nahe Zukunft stehen ein paar Bücher schon gewisserma­ßen in den Startlöchern. Die Reihenfolge entspricht jetzt nur der sponta­nen Laune, sie ist nicht als Wertung oder so zu verstehen: Was ich in ab­sehbarer Zeit gern mal lesen möchte, ist Felix J. Palmas Landkarten-Trilo­gie (den dritten Teil habe ich mir jetzt als Geburtstagsgeschenk ge­wünscht, und vorher fange ich das Lesen gewiss nicht an). Was ich unbe­dingt – mal wieder – lesen will, ist C. W. Cerams alter Klassiker „Götter, Gräber und Gelehrte“, mit dem meine Lesekarriere und Vernarrtheit in das alte Ägypten um 1975 herum seinen Anfang nahm. Bin sehr neugie­rig, wie ich es mit einem Abstand von 40 Lesejahren bewerte. Das muss nicht desaströs ausfallen. Außerdem sind da mehrere Bücher des verstor­benen Peter Scholl-Latour, die ich durchschmökern möchte, am innigsten sein wichtiges Buch über den Indochina-Konflikt, „Der Tod im Reisfeld“. Die restlichen Bücher der Artemis Fowl-Reihe von Eoin Colfer stehen noch in Habacht-Stellung, Romane von Diana Gabaldon, Iain Banks, Peter F. Hamilton… wirklich, Freunde, es gäbe hier unendlich viel aufzuzählen… erspart mir den Rest. Ihr merkt aber schon, dass meine Leseinteressen weit gestreut sind, und dabei sind solche Themenfelder wie Krimis, Kos­mologie, Comics usw. noch gar nicht einmal angeschnitten, von der eroti­schen Literatur schweigen wir ganz… tiefe Wasser, auch in punkto Lektü­re.

  5. Phantastische Bücher, die dringend noch geschrieben werden müssen?

    Da gibt es wirklich gar viele! Spontan fällt mir eines ein, das man drin­gend mal mit dem Fokus auf Verknüpfung der Science Fiction mit dem Thema des Lebens nach dem Tode schreiben müsste. Meistenteils wird so etwas ja unter dem Aspekt der Technik beschrieben – etwa bei Peter F. Hamilton mit seinen Memorycell-Inserts im „Commonwealth-Zyklus“. Oder in Form einer Speicherung der Gedächtnisinhalte innerhalb eines Supercomputers. Was ich aber eher meine, ist eine SF-Basierung eines Lebens nach dem Tode in Form einer harmonischen, natürlichen Ord­nung. Man stelle sich mal die Konsequenzen für die menschliche Gesell­schaft vor, wenn ein Kontakt mit einer solchen Seinssphäre möglich wäre.

    Dafür fehlt euch die Phantasie? Lasst euch mal auf die Sprünge helfen! Nehmen wir an, jemand ist Opfer eines Verbrechens geworden, und der oder die Mörder kommen aus Mangel an Beweisen straflos davon. Was, wenn der Verstorbene nun zurückkehrt und die ultimativen Beweise lie­fert? Würde mindestens das Strafprozesswesen revolutionieren und un­tergraben. Denn auf einmal wäre auch so etwas wie die Todesstrafe – die ich als sinnlos ablehne – fragwürdig und nutzlos. Immerhin ist es wenig konstruktiv, mit dem Tod zu strafen, wenn die Toten wieder zurückkehren können. Was soll man dann tun? Sie noch einmal hinrichten? Immer wie­der?

    Oder schauen wir die Konsequenzen auf die religiöse Sphäre an. Sowohl der materielle Nachweis eines Jenseits würde revolutionierend wirken als auch der gegenteilige Beweis. Fundamentalistische Attentäter, um mal ein Thema aus der Gegenwart zu bemühen, die man zu ihren Taten mit einer Verheißung des künftigen Paradieses der Märtyrer aufstachelt, wür­den ziemlich demotiviert werden, wenn die toten „Märtyrer“ zurückkehr­ten und womöglich sagten, dass es gar nicht so toll ist, tot zu sein.

    Ein solcher Roman wäre natürlich sozialer, wissenschaftlicher, religiöser und generell weltanschaulich-philosophischer Sprengstoff. Ich fürchte, für solche Visionen ist die Zeit noch nicht gekommen. Mein Fazit daraus ist, dass ich im Oki Stanwer Mythos über genau diese Dinge schreibe und hier eine entsprechende Theorie des Lebens und Nachlebens zu entwi­ckeln suche. Das war vielleicht damals auch ein wichtiger Anreiz für mich, mit dem Schreiben zu beginnen – um die Geschichten lesen zu können, die ich gern lesen wollte. Wenn es sie eben noch nicht gab, warum sie dann nicht selbst schreiben? Und so ist das bis heute. Mit einem wichti­gen Unterschied: heute kann ich durch mein E-Book-Programm alle Men­schen daran teilhaben lassen, die meine Geschichten entdecken. Und das ist eine tolle Sache.

    Darum hab vielen Dank für diese Möglichkeit, ein wenig Rede und Ant­wort zu stehen. Ich hoffe, ich habe nicht – wie so häufig – viel zu viele Worte gemacht. Aber wie ich oben schon andeutete… wenn man jeman­dem wortwörtlich „Auslauf“ gibt, der die literarische Langform als seine eigentliche Passions-Domäne ansieht, dann muss man sich nicht wun­dern, wenn unvermittelt ein paar tausend Worte zusammenkommen…

    Als nächsten Kandidaten für den „Liebster Award“ möchte ich gern Christian Weis nominieren, der einen interessanten Literaturblog be­treibt, auf dem ich faszinierende Film- und Buchrezensionen entdecken konnte (https://schreibkramundbuecherwelten.wordpress.com/). Viel­leicht möchtest du ja auch einige der obigen Fragen abwandeln, damit sie auf deinen Blog und deine Schwerpunkte besser passen?

Ich hoffe, ihr habt euch bei den Fragen und Antworten nicht gelangweilt. Für mich war das eine interessante Herausforderung und ein Vergnügen, mir Ge­danken zur Beantwortung zu machen.

In der kommenden Woche kehren wir zum „Standardprogramm“ zurück, wie ich mit einem Schmunzeln sagen möchte, nämlich zu der allmonatlichen Rubrik „Work in Progress“. Diesmal thematisiere ich den Monat Juni 2016.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 77: Todesjäger

Posted September 14th, 2016 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

heute empfehle ich euch die Lektüre eines sehr dünnen Buches, gerade mal gut 200 Seiten stark, und alt ist es zudem… und dennoch bin ich der festen Über­zeugung – die ihr vielleicht teilt, wenn ihr diesen Rezensions-Blog ausgelesen habt – , dass es Buch, Autor und Thema sehr lohnenswert erscheinen lassen, nicht in Vergessenheit zu geraten.

Das Thema ist sowieso unvergesslich, da es uns alle betrifft – der Tod, der grim­me Schnitter mit der Sense, wie er in zahllosen Karikaturen dargestellt wird, je­nes Wesen, das zu allerletzt lacht und jeden bekommt… nun, oder eben auch nicht. Es geht in dem vorliegenden Buch nicht nur um Geschichtsreflexion, Phi­losophie, Tod und Unsterblichkeit, sondern noch um sehr viel mehr. Und Ian Watson ist jemand, der sich diese Fragen durchaus nicht banal beantwortet, sondern tiefschürfend darin eindringt.

Ich schlage euch vor, es ihm gleichzutun. Wer neugierig ist, der folge mir in die­ses Buch:

Todesjäger

(OT: Deathhunter)

von Ian Watson

Heyne 4206, 1985

224 Seiten, TB

ISBN 3-453-31180-9

Aus dem Amerikanischen von Walter Brumm

Die Welt ist ein anderer Ort geworden nach dem sowjetisch-chinesischen Krieg. Eine Milliarde Opfer des nuklearen Holocaust bewirkten eine dramatische Wandlung der menschlichen Mentalität zum Besseren – Gewalt wurde generell geächtet, Kriege abgeschafft, Waffen sind verpönt und für die Generation von heute fast unbegreifliche Anachronismen.

Eine neue Ethik hat zeitgleich Einzug gehalten im Denken der Menschen. Die schockartige Erkenntnis des brutalen, sinnlosen und jähen Tötens intelligenter Wesen führte zu einem anderen, sensibleren Umgang mit dem Phänomen des Todes. Der Tod war, wie ein Redner im Buch treffend sagt, „etwas, das uns nicht betraf, nur die anderen. Wir machten sie zu Fremden, die nichts mit uns zu tun hatten. Wir verdrängten den Tod aus unserem Bewusstsein, über unsere per­sönliche Grenze hinaus in feindliches Territorium. Und als das geschehen war, sahen wir in Fremden, in Ausländern, nur den Tod. Wir phantasierten von einem Leben nach dem Tode, sogar von Wiederauferstehung, aber niemals dachten wir an unser eigenes Sterben, das diesem Leben ein Ende setzt…“

Ja, so war die Welt, bevor Todeshäuser wie in Egremont geschaffen wurden. Orte, an denen unheilbar Kranke oder Lebensverdrossene sowie sieche Alte ge­hen konnten und ihnen Verständnis und Betreuung gegeben wurde. Das – und der „gute Tod“. Durch einen verständnisvollen „Führer“ auf den Tod vorbereitet, dem sie zustimmten und sich durch ihren „Führer“ verabreichen ließen, wonach sie in Krematorien verbrannt wurden, parfümiert mit Sandelholzaroma.

Jim Todhunter, ein „Führer“ aus dem Todeshaus in Gracchus, wird ins Gebirge verbannt, ins Haus von Egremont, wobei zunächst unklar bleibt, warum das al­les geschieht. Todhunter kommt in jenem Moment in der friedlichen Gemeinde Egremont an, wo der weltberühmte Dichter Norman Harper seinen Abschied geben will, garniert mit zahlreichen Reden, und danach wird er sich, so ist es geplant, der Obhut seiner „Führerin“ Alice Huron anvertrauen und aus dieser Welt scheiden.

Leider hat das Schicksal anderes für ihn vorgesehen – Jim Todhunter wird bei der Ehrung Zeuge eines unbegreiflichen Verbrechens. Ein alter Mann springt auf und erschießt den Dichter, offensichtlich ohne Motiv. Danach lässt er sich ohne Widerstand verhaften und wegführen.

Nathan Weinberger, so der Name des Attentäters, ist ein todkranker, an Krebs leidender Insasse des Todeshauses von Egremont, und auf abenteuerliche Wei­se hat er offenkundig alle Bediensteten bisher über seine Wahnideen hinweg­getäuscht. Jim Todhunter macht mit ihnen zwangsläufig Bekanntschaft, als man ihn beauftragt, zum „Führer“ Weinbergers zu werden. Er soll den krebskranken Mann dazu bringen, seine Taten zu bereuen und öffentlich einzugestehen, da­mit er dann „in Seelenruhe“ aus dem Leben scheiden kann. Zur Not könne er dafür auch sogar Weinbergers Waffe bekommen, um die Sache „zu Ende zu bringen“.

Abenteuerlich? Oh ja, aber das ist nur ein kleiner Teil des Problems.

An eine reuevolle Rückführung des Attentäters ist auch aus anderen Gründen kaum zu denken. Weinberger frönt nämlich offenkundig einer Wahnidee, für die er seine Unterkunft, insbesondere sein Bett, in ein vergittertes, mit Spiegeln umgebenes Laboratorium verwandelt hat. Der Polizeichef von Egremont hält das für eine Art von sexistischem Spielzeug, gedacht als Menagerie für einen „virtuellen Harem“. Er versteht überhaupt nichts.

Als Todhunter und Weinberger sich etwas näher kommen, erklärt der Kranke auch diese Apparatur, und die dahinterstehende Theorie klingt völlig wahnsin­nig: Weinberger ist davon überzeugt, dass der Tod kein natürliches Phänomen, sondern vielmehr ein Wesen aus einer fremden Dimension ist. Wenn man es einfangen kann, und nichts Geringeres schwebt ihm vor, dann kann man den Tod entmachten, gleichsam unsterblich werden.

Dies ist eine absurde Idee in einer gänzlich säkularisierten Welt, in der man die Existenz einer Seele für irreal hält, eine Zwangsvorstellung, um die Angst vor dem Tod wirksam zu bekämpfen. Jeder andere „Führer“ würde sie instinktiv vollkommen ablehnen – aber nicht Jim Todhunter, der als Kind ertrank und wie­derbelebt wurde. Denn er hat das „strahlende Licht“ des Jenseits verheißungs­voll gesehen, und als er sich auf Weinbergers „Wahnidee“ einlässt, lernt er auch die Erscheinungsform des Todes und jene Welt kennen, in der er regiert… und das alles ist erst der Anfang.

Dieser Roman ist keine leichte Kost.

Als ich ihn mir 1997 antiquarisch kaufte, war mir das noch nicht bewusst, ich wollte einfach nur einen weiteren Watson-Roman besitzen, da ich den Autor schon damals schätzte.1 Mit dem Lesen musste ich dann bis 2007 warten. Man braucht nur wenige Seiten, um die Zumutungen zu begreifen, die Watson insbe­sondere deutschen Lesern zumutet: Eine Welt, in der Euthanasie (!) konstituti­ver Bestandteil der Welt ist, in der Menschen, die andere Menschen vom Leben „erlösen“, als „Führer“ (!) bezeichnet werden. Direkt angeschlossene Krematorien (!)…

Wer da als geschichtsbewußter deutscher Leser nicht automatisch gruselnd an die Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, an Auschwitz-Birkenau und an die T4-Stelle am Berliner Tiergarten denkt, sollte diese Geschichtslücke besser rasch schließen. Dies ist allerdings, das soll ausdrücklich betont werden, KEIN Grund dafür, die Lektüre dieses Buches abzubrechen, ganz im Gegenteil. Es macht vielmehr sehr sensibel für das raffinierte, strukturierte Geflecht von Ian Watsons Werk. Er wagt sich mit voller Absicht in das Minenfeld von Sterbe­hilfe, Todesreflexion, Psychologie, Philosophie und Ethik hinein.

Wenn wir heutzutage über die Diskussionen nachdenken, die in den späten 90er Jahren und den frühen Jahren des dritten Jahrtausends nach Christi über die Hospizbewegung, Sterbehilfe, die Grenzen der medizinischen Eide und der­gleichen mehr geführt wurden (sie sind noch längst nicht ausgeräumt), so er­scheint uns der 1981 von Watson geschriebene Roman als ein Vorreiter dieser Diskussionen, als durchweg prophetischer Autor.

Sein Buch ist infolgedessen spannungsarm, aber äußerst intensiv mit Reflexio­nen und philosophisch-psychologischen Gedankengängen angereichert. Und es hat mehrere doppelte Böden. Es sei nur an wenigen Beispielen deutlich ge­macht. Der implizite Bezug auf die Nazis ist absolut beabsichtigt und erfüllt einen bestimmten Zweck, der aber erst sehr spät zu Tage tritt. Dann ist es inter­essant, mit ein wenig Hintergrundwissen Namen in diesem Buch zu analysieren. Man nehme etwa das Haus „Gracchus“, aus dem Todhunter, die Hauptperson, gekommen ist. Das Wort geht zurück auf das Adelsgeschlecht der Gracchen in der römischen Antike, speziell auf die beiden Quästoren Tiberius Sempronius Gracchus und seinen Bruder Gaius Sempronius Gracchus. Erst genannter trat im zweiten Jahrhundert vor Christus für eine Landreform ein und damit für energische gesellschaftliche Veränderungen. Er konnte sie aber nicht umsetzen, sondern fand einen gewaltsamen Tod. Sein Bruder trat die Nachfolge dieser Ideale an und wandte sich gleichsam ebenfalls gegen die herrschende Ordnung.

Und in der Tat: Jim Todhunter, der aus „Gracchus“ kommt, bringt erhebliche Un­ruhe in die Gesellschaft von Egremont, untergräbt bestehende Strukturen und gefährdet ihre Stabilität. Über das Ende dieser Geschichte soll hier nichts ausge­sagt werden, außer, dass sie zu überraschen versteht.

Heutzutage würde ein solcher Roman vermutlich die Lektorate der Verlage nicht mehr passieren. Denn obgleich heutzutage wohl mehr Gewalt und Tod täglich stattfindet, ist die Frage nach dem Tod, nach dem Jenseits und dem Um­gang mit Siechen, Todkranken und ihren Gebrechen etwas, was geflissentlich ausgeklammert und ignoriert wird. Folgerichtig ist das Werk zu provokant, zu direkt, zu „düster“, wie man gerne von unbequemen Büchern behauptet. Wie hieß es doch so passend? „Der Tod war etwas, das uns nicht betraf, nur die an­deren. Wir machten sie zu Fremden, die nichts mit uns zu tun hatten. Wir ver­drängten den Tod aus unserem Bewusstsein, über unsere persönliche Grenze hinaus…“

Ich denke, dieses Buch ist in mancherlei Hinsicht philosophisch gerade heute wieder aktuell. Diese Aktualität beweist seine Qualität mehr, als es jeder reiße­rische Text auf dem Umschlag könnte. Wer neugierig geworden ist, sollte es sich besorgen. Man kann davon lernen.

© by Uwe Lammers, 2007

Ja, selbstverständlich ist „Todjäger“ und „Todhunter“ ein Wortspiel, und ich wür­de sogar sagen, Ian Watson hat das Buch mit explizitem Blick zum deutschen Buchmarkt geschrieben. Die historischen Anleihen und der Name der Haupt­person deuten stark darauf hin. Leider musste er dennoch vier Jahre warten, ehe sich jemand daran machte, es zu übersetzen. Gleichwohl denke ich, war es dies wert.

In der kommenden Woche haben wir es dann mit einem Reisenden völlig anderer Art zu tun, das ist dann gewissermaßen das Kontrastprogramm zum heutigen Werk. Ein autobiografischer Text aus der Gegenwart und von einem befreundeten Autor, den ich vor ein paar Jahren persönlich kennen lernen konnte.

Wer das ist? Oh, ich würde sagen, lasst euch davon mal überraschen.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Ich las von Watson bislang drei Werke: „Tschechows Reise“ (Januar 1988), „Zur anderen Seite des Mondes“ (März 1992) und „Die Fliegen der Erinnerung“ (Januar 1994). Letztge­nanntes Buch wurde im Fanzine New Worlds 25 im August 1995 rezensiert.

Liebe Freunde des Oki Stanwer Mythos,

nach einer kleinen Sommerpause geht es also weiter in der Serie „Oki Stanwer und das Terrorimperium“ (TI). Zuletzt verweilten wir bei den Angehörigen der GHANTUURON-Expedition, die letzten Endes wieder unter ungewöhnlichen Umständen, von deren Weiterungen demnächst die Rede sein wird, in die Hei­mat zurückkehren konnte.

Wie steht es derweil um die zweite Expedition, die unabhängig von der GHAN­TUURON an die Bebengrenze von Twennar entsandt wurde, um Kontakt mit dem Volk der schlangenarmigen Tassaier aufzunehmen? Von ihnen war lange nicht mehr die Rede, aber vergessen wurde die RHONSHAAR nicht.

Nach einer desaströs verlaufenen Vorerkundung durch die Piloten Yerranith und Yuuricor – die Weiterungen daraus lassen sich in den Shonta-Abenteuern ab Band 10 der Serie nachlesen (dies als Hinweis für Neueinsteiger) – erreicht nun die RHONSHAAR selbst das Xoor’con-System der Tassaier. Wie zu befürchten war, findet sich keine Spur mehr von den verschollenen Missionsangehörigen um Yuuricor… aber nun kann erstmals ein Sonnensystem besichtigt werden, in dem ein MINEUR der Troohns sein Vernichtungswerk verrichtet hat.

Zur Bestürzung der Forscher scheint dieses Werk aber nicht abgeschlossen zu sein, und es sind viele beunruhigende Fragen offen: welchem Zweck dienen die hinterlassenen Installationen der Zerstörer? Warum wurde die Arbeit einge­stellt? Gibt es noch überlebende Tassaier, irgendwo?

Und dann stoßen die Yantihni in den Trümmern der tassaiischen Zivilisation auf ein weiteres fremdes Wesen…

Mehr über die beunruhigenden Entdeckungen, die die Raumfahrer von Rilecohr und Shoylon im Xoor’con-System machen, ist im heute erschienenen Band 27 der Serie „Oki Stanwer und das Terrorimperium“ nachzulesen, der unter dem Titel „Späherin der Cestai“ erscheint und den Auftakt zu einem neuen Vierteiler der Serie darstellt, der euch mit neuen Überraschungen in den Tiefen von Twennar vertraut machen wird… und seid gewiss, er sät einen dunklen Keim des Misstrauens in eure Herzen wie in die der Yantihni.

Das E-Book „Späherin der Cestai“ ist ab sofort im EPUB-Format auf Amazon-KDP zum üblichen Preis von 1,49 Euro erhältlich. Der einmalige Gratisdownload ist am 15. September 2016 möglich. Als Bonusgeschichte ist die Story „Magische Winkel“ in diesem E-Book enthalten.

Ich wünsche euch angenehmes Lesevergnügen.

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Nota bene:

Die Erscheinungsfrequenz der E-Books in Folge wird etwas gestreckt werden müssen, das ist meiner aktuellen Zeitknappheit geschuldet. Da bitte ich um Ent­schuldigung, dass ihr auf die Fortführung des Handlungsganges etwas länger als üblich zu warten habt. Ähnliches betrifft die digitalen Nachdrucke auf www.beam-ebooks.de und www.xinxii.com. Nähe­res zu den neuen Erschei­nungsterminen erfahrt ihr auf meiner Autorenseite bei https://authorcentral.amazon.de.

Wochen-Blog 184: Der OSM als Serienphänomen

Posted September 11th, 2016 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

reden wir heute mal über eine alte Leidenschaft von mir, die sich verselbstän­digt hat. Neulich habe ich darüber schon mal in einem Editorial im Fanzine „Ba­den-Württemberg Aktuell“ (BWA) des Science Fiction-Clubs Baden-Württem­berg (SFCBW) gesprochen.

Reden wir über Serien und das, was sie mit mir verbindet.

Als ich noch ein kleines Kind war, da befinden wir uns also in der Mitte der 70er Jahre, da gab es nicht wirklich viel Abwechslung im Fernsehen. Für Nachgebore­ne klingt das irreal, aber wenn wir von drei bis vier Fernsehkanälen sprechen, ist das die absolute Realität gewesen. Lange vor Zeiten des Privatfernsehens, erst recht vor den Zeiten von Netflix, Internet-Streaming oder AmazonPrime, in der Zeit vor der Erfindung der DVD-Player, da war die Fernsehlandschaft eher trostlos. Es gab nicht viel Abwechslung… aber ich halte mich da aus der Bewer­tung heraus, ob das eine schöne oder düstere Zeit gewesen sein mag. Sie hatte sowohl lichte als auch finstere Momente, wie alles im Leben.

In jener Zeit war man als junger Phantast doch stark auf das Medium Comic und Bücher fixiert, notwendig. Vieles, was wir heute leicht im Internet oder auf DVD finden können, war schlicht nicht zugänglich. Ein einfaches Beispiel dafür wäre die britische Kult-SF-Serie „Doctor Who“. Wie sollte man die etwa in Deutsch­land sehen können? Sie fand sowieso erst in der Neuversion ab 2005 den Weg nach Deutschland ins Fernsehen.

Damals also spross meine Kreativität, und sie nährte sich besonders von den wenigen angelsächsischen Serien, die übersetzt worden waren: Star Trek mit Captain Kirk und dem Vulkanier Spock, Mit Schirm, Charme und Melone (The Avengers) mit Emma Peel und John Steed… und diese Serien befeuerten zusam­men mit SF-Filmen und Comics meine Phantasie, bildeten den Nährboden, auf dem der Oki Stanwer Mythos (OSM) heranwachsen konnte.

Da ich nach dem weitgehenden Abnabeln von der frühen Comiclektüre mich im Bereich der SF-Heftromane „weiterbildete“, wie ich das mal ironisch nennen möchte, blieb ich automatisch dem Genre der Serien verhaftet, und so blieb das die kommenden gut 20 Jahre auch. Da ich parallel Hunderte von OSM-Epi­soden schrieb, war es irgendwie völlig normal, dass die Struktur, die ich beim Lesen favorisierte, also die serielle, auch im Schreiben ihren massiven Ausdruck fand.

Ich denke, es ist ein natürlicher Prozess gewesen, dass der OSM zu einem multi­seriellen Phänomen wurde. Das empfand ich als vollkommen normal. Und wenn ich von „multiseriell“ spreche, erinnert euch an den Blogartikel 100 dieser Serie (ha, da haben wir’s schon wieder!), wo ich davon sprach, dass der OSM letzten Endes ja mal in seiner idealen Verlaufsform rund 33 Serien umfassen soll, von denen ihr aktuell gerade mal eine zu sehen bekommt, nämlich „Oki Stanwer und das Terrorimperium“ (TI) sowie einige wenige Blicke in andere, euch bislang noch weitgehend verschlossene Serienuniversen.

Diese Blicke lassen sich a) über die OSM-Wiki und die darin verzeichneten Epi­soden und Begriffe indirekt werfen, b) direkt über die Romane und Kurzge­schichten Aus den Annalen der Ewigkeit, die schon publiziert worden sind.

Als ich Anfang der 2000er Jahre im Grunde genommen damit aufhörte, Heftro­manserien zu lesen, weil sich meine Lesevorlieben allmählich geändert hatten und natürlich auch, weil eingeschränkte Zeitverfügbarkeit und sich gewandelte Leseschwerpunkte (mehr Sachbücher als früher) damit ausdrückten, da hatte das auch Auswirkungen auf mein Schreibwerk. Wer meine Blogartikel langfristig verfolgt hat, besonders die Reihe „Was ist eigentlich der Oki Stanwer Mythos (OSM)?“, der weiß, dass in diesen Jahren die unglaublich langen Archipel-Roma­ne entstanden, die man nicht wirklich als seriell bezeichnen kann.

Gleichwohl hatte der OSM natürlich sein serielles Antlitz nicht verloren, ganz im Gegenteil… und als ich 2012 die Möglichkeit bekam, meine Geschichten in Form von E-Books an euch Leser zu kommunizieren, da stand von Anfang an fest, dass der Weg der Einzelgeschichten der falsche sein würde.

Er war gewissermaßen unnatürlich für mich.

Ich wusste: wenn ich loslege, möchte ich mein Lebenswerk, eben den OSM, gern möglichst in der Form veröffentlichen, in der ich das alles auch geschrie­ben habe – als Serie.

Selbstverständlich wusste ich und weiß es bis heute, dass Serien ihre ganz eige­ne Dynamik haben. Das fängt mit serieller Cliff-hanger-Struktur an und hört mit regelmäßigem Erscheinen auf. Das sind schon gründliche Unterschiede zu je­mandem, der einmal im Jahr seine ganze Schaffenskraft auf einen einzigen Ro­man fokussieren kann. Das ist bei mir ausgeschlossen – und, ehrlich gestanden, auch gar nicht erwünscht.

Der Oki Stanwer Mythos ist eben nun einmal ein serielles Phänomen, und in ge­wisser Weise erfülle ich mir einen Wunschtraum, der mich seit Jahrzehnten ver­folgt – ich veröffentliche meine eigene Serie.

Dieser Traum ist wirklich schon sehr alt, vertraut meinen Worten, und er ist tat­sächlich schon älter als die frühesten OSM-Episoden. Zu einer Zeit, als ich mit meinem Bruder noch die „Gedankenspiele“ spielte und Comics las, erst recht, als ich dann mit der Heftromanserie Ren Dhark begann, also etwa im Jahr 1977, trug ich mich bereits mit dem Seriengedanken.

Daraus entstand zunächst der Roman „Der stählerne Tod“, dessen Abschrift aus dem Handskript ich bis heute noch nicht ganz geschafft habe… und in der Fort­setzung dieses Romans begann dann etwa 1979 die Serie „Die Abenteuer der Galax“, wovon ich schon mal erzählt habe.

Inhaltlich, würde ich sagen, war diese Serie ein ziemlich wildes Kauderwelsch, manche würden es als munteres Weiterspinnen von Media-Vorlagen in Quasi-Plagiatnatur bezeichnen, und ich würde ihnen darin sogleich zustimmen. Es gab Handlungspersonen, die aus Serien 1:1 entlehnt waren und dann auf einmal mit OSM-Charakteren interagierten. Es gab Situationen, die ich aus Serien ko­pierte, missverstandene Literaturvorlagen, die dann verzerrt hier wiederkehr­ten, vermischt mit individuellen Gedanken.

Die Textvorlage existiert heute (leider) nicht mehr, sie wäre psychologisch be­stimmt höchst interessant und würde einen phantastischen Blick in meinen bro­delnden Kopf der späten 70er und frühen 80er Jahre zulassen. Aber die Chance ist vertan. Wichtig ist für den Moment lediglich, dass ich damals schon den seri­ellen Gedanken in eine kleine Öffentlichkeit zu tragen bereit war.

Anfang 1983 wurde das deutlicher, als ich echt versuchte, den KONFLIKT 15 des Oki Stanwer Mythos, die Serie „Oki Stanwer“, in Kooperation mit einem Schul­kameraden und in kopierter Vorlage zu publizieren. Geringe Startauflage, wie eine Schülerzeitung etwa, aber es war durchaus monatliches Erscheinen angedacht.

Ging natürlich sofort wieder ein. Das lag auch an unserem familiären Umzug und der gründlichen Änderung der Struktur der Schulkameradenschaft. Aber der Plan war nicht vergessen, er änderte nur seine Verlaufsrichtung.

Inwiefern dies?

Nun, 1983 verstärkte ich meine Aktivitäten im bundesdeutschen Fandom und traf mit der Verbindung mit dem „Terranauten-Club Universum“ (DTCU) den nächsten Schritt. Da wollte ich im Rahmen dieses Clubs die OSM-Serie „Dro­hung aus dem All“ veröffentlichen. Ging auch schief.

Dann machte ich 1987 einen ähnlichen Schritt mit KONFLIKT 14 des OSM, also der Serie „Oki Stanwer – Feldherr der Cranyaa“ (FdC). Auch das war eine kurzle­bige Erscheinung, aber sie führte immerhin zu 16 veröffentlichten Episoden in 4 Volumes.

Parallel dazu betrieb ich Serienveröffentlichungspläne im Phönix Fantastik-Ver­lag von Guido Latz, wo zwischen Dezember 1989 und Oktober 1991 Serienfrag­mente des KONFLIKTS 18 „Kampf gegen TOTAMS Dämonen und Schergen“ (KGTDUS), KONFLIKT 17 „Drohung aus dem All“ und KONFLIKT 12 „Oki Stanwer – Bezwinger des Chaos“ (BdC) veröffentlicht wurden. Teilweise sollten auf dem antiquarischen Fandom-Markt Ausgaben davon noch zu finden sein.

Da all diese Versuche scheiterten, gab ich die Serienpublikation dann lange Zeit auf und schrieb einfach die Serien für mich weiter, verknüpfte sie immer wei­ter… aber es dauerte dann tatsächlich bis in die Gegenwart, ehe ich mit dem E-Book-Programm 2012/13 den Faden wieder aufnahm.

Und wie ich damals einleitend schrieb: Diesmal wollte ich, dass das Flickwerk aufhörte. Diesmal war es meine Intention, von Grund auf zu beginnen, damit ihr das Gesamtkonzept des OSM versteht, allmählich hineinwachst in diese ge­samte Struktur. Das zu konzipieren, war eine knifflige Sache. Es galt, eine mög­lichst voraussetzungslose OSM-Serie zu finden (was dann mit KONFLIKT 2 ge­schah), zugleich aber auch „Blicke über den Tellerrand“ in dosierter Form zuzu­lassen… und euch weiterhin Hintergrundinformationen zukommen zu lassen.

Ihr wisst heute, dass das dann mit dem Programm der „Annalen“ in Punkt 1 und mit den wöchentlichen Blogartikeln und der OSM-Wiki in Punkt 2 ermöglicht wurde. Ohne tatkräftige Unterstützung meiner Freunde vom Braunschweiger Förderverein Phantastika Raum & Zeit e.V. (www.sciencefiction.de), ohne Mit­hilfe meines alten Brieffreundes und Grafikdesigners Lars Vollbrecht und vielfäl­tige weitere Unterstützung wäre das nicht möglich gewesen.

Damit bewahrheitet sich eigentlich ein weiteres Grundrezept der Serienerstel­lung: Serielles Schreiben ist kein Selbstläufer, das man als Einzelkämpfer umset­zen kann. Im Gegenteil – serielles Schreiben ist auf so viel Mithilfe von außen angewiesen, dass man das nur im Teamwork leisten kann. Ich habe aber jetzt jahrzehntelange Vorarbeit geleistet mit der Vorlage von Tausenden von Texten, dass es möglich sein sollte, bei einer Optimierung der Außeneinflüsse den alten Traum langfristig zu realisieren:

Die Publikation des Oki Stanwer Mythos in Serienform.

Die heutigen Rezeptionsgewohnheiten der Media-Fans und das furiose Revival von Serien in jedweder Form, sei es in Buchform, im Comic oder in Film und Fernsehen, sollten genau der richtige Nährboden sein, auf dem die Blüte des OSM in nie gekannter Stärke zur Entwicklung kommt.

Ich werde weiter daran arbeiten, Freunde – und da ihr Serienfans seid, hoffe ich auch weiterhin auf eure Unterstützung. Ihr werdet Welten jenseits eurer Vor­stellung kennen lernen, das kann ich euch jetzt schon versprechen… und Dinge, denen gegenüber alles, was ihr vom OSM schon kennt, blass und nichtig schei­nen wird.

Freut euch darauf. Ich tue es auch.

Bis nächste Woche, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 76: Der ferne Spiegel

Posted September 7th, 2016 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

heute möchte ich euch einmal mit einer guten Freundin bekanntmachen, einer Autorin von historischen Sachbüchern, die ich nach wie vor – wiewohl sie leider schon recht lange nicht mehr unter uns weilt – immer wieder gern lese. Eine kluge, scharfsinnige und ideologisch… ja, sagen wir mal, unvernagelte Person, die aus ihren bisweilen sehr unangenehmen politischen Gedanken und Verbin­dungslinien durch die Jahrhunderte keinen Hehl gemacht hat.

Ich stieß auf Barbara Tuchman schon bald nach dem Jahr 2000, als ich mich ver­stärkt für die Geschichte des Ersten Weltkriegs zu interessieren begann, in der Phase meiner Spezialisierung des Geschichtsstudiums. Und an ihrem Klassiker „August 1914“ kommt man meiner Ansicht nach selbst heute nicht vorbei, wo die Welt zu jedem „Jubiläum“ des Massenmordens mit neuen Publikationswo­gen überschwemmt wird. Aber dieses Buch war ja erst der Anfang.

Schnell stellte ich fest, insbesondere durch Besuche in Antiquariaten, dass Tuch­man noch viel mehr geschrieben hatte. Und je mehr ich von ihr las – beispiels­weise höchst faszinierende Aufsätze, die sich mit bisweilen wirklich absurd scheinenden historischen Themen befassten, von denen ich keinen blassen Schimmer hatte, die aber in jeder Weise unglaublich lesenswert waren – , da lenkte diese Autorin meine Interessen auf neue Felder der historischen Arbeit. Und sie machte das wirklich gut… was man erwarten kann von jemandem, der zweimal mit historischen Sachbüchern den Pulitzer-Preis gewonnen hat, nicht wahr?

Dennoch zögerte ich anfangs bei dem vorliegenden Buch ein wenig. Das Mittel­alter war mir immer als wilde, verworrene Zeit erschienen, und die großen Handlungslinien dieses „dunklen Zeitalters“ meinte ich doch relativ gut zu ken­nen. Gleichwohl fragte ich mich, was wohl im 14. Jahrhundert noch passiert war – abgesehen von Pest, religiösen Wirren und dem Einbruch asiatischer Horden nach Europa. Nun, wie ich entdecken sollte, sehr viel, und das meiste davon vermochte ich kaum zu fassen.

Das sollte aus dem Munde eines berufenen Phantasten nun wirklich was hei­ßen, Freunde. Mag „Der ferne Spiegel“ auf den ersten Blick auch als ein un­glaublicher Klotz Papier daherkommen, sehr dicht beschriftet noch dazu, so werdet ihr doch, wenn ihr euch auf dieses Leseabenteuer einlasst, und das ist es, binnen weniger Lesestunden aus dem Staunen nicht mehr herauskommen.

Ich geleite euch darum mit ausdrücklicher Empfehlung in dieses Werk. Folgt mir, schlagt die Seiten auf und betretet wie durch eine Zeittür das „dramatische 14. Jahrhundert“:

Der ferne Spiegel

Das dramatische 14. Jahrhundert

(OT: A Distant Mirror – The Calamitous 14th Century)

von Barbara Tuchman

Claassen-Verlag, 1980

590 Seiten, geb.

Aus dem Amerikanischen von Ulrich Leschak und Malte Friedrich

Die heutige Fantasy-Literatur ist ein fader Abglanz der hohen mittelalterlichen Ideale von Ritterlichkeit, höfischem Glanz und dem vermeintlich einfachen bäu­erlichen Leben im Hochmittelalter. Rollenspiele und Mittelaltermärkte florieren, nicht nur auf den Spieltischen und im Internet, sondern sogar als folkloristi­sches Element im Stadtbild der heutigen Zeit, gerne an Plätzen inszeniert, wo alte, restaurierte Fachwerkgebäude dem Spiel einen „authentischen Anstrich“ verleihen. Doch wer nur diese harmonische, pittoresk zu nennende Version der Vergangenheit verklärt und für Stunden oder Tage in die „Rolle“ eines mittelal­terlichen Menschen schlüpft, vermag sich nicht wirklich vorzustellen, wie das damals war. Das Mittelalter ist uns Heutigen fern, doch wenn man genau hin­sieht, in diesen fernen Spiegel, dann erkennt man auf gespenstische Weise Züge unserer heutigen Zeit im Damals wieder.

Im Jahre 1978 legte die zweimalige Pulitzer-Preisträgerin Barbara Tuchman, die für ihre Bücher „August 1914“1 (Erster Weltkrieg) und „Sand gegen den Wind“2 (Eine Darstellung des amerikanisch-chinesischen Verhältnisses im 20. Jahrhun­dert) geehrt worden war, ihr neues Werk vor, und die Fachwelt blinzelte irri­tiert.

Statt sich, wie es naheliegend sein mochte, wieder mit der aktuellen Zeitge­schichte zu befassen, schleuderte Tuchman ihre Leser nun über den schwer zu fassenden zeitlichen Abgrund von mehr als sechshundert Jahren zurück in das europäische Mittelalter. Und es wurde einmal mehr ein beeindruckender, wirk­lich unerwarteter Erfolg. Dies bedarf einer Erklärung, die uns den Inhalt des Bu­ches näherbringt:

Der ferne Spiegel“ ist die Geschichte des 14. Jahrhunderts, dargeboten an dem Lebensweg des Enguerrand VII. Coucy, eines französischen Adeligen, der auf höchst beeindruckende Weise seine Zeit, ihre Stärken und Schwächen re­präsentiert.

Die Autorin gerät an das Thema, weil es sie interessiert, wie der Schwarze Tod, also die Pest, in der Zeit zwischen 1348 und 1350 – man bedenke, es han­delt sich lediglich um drei Jahre! – „schätzungsweise ein Drittel der zwischen Ir­land und Indien lebenden Bevölkerung hinweggerafft hat“. Während sie auf den Spuren dieser Geißel durch die Jahrzehnte des 14. Jahrhunderts schreitet, ent­deckt sie nicht nur die Hinterlassenschaften und Schrecken einer solchen Gei­ßel, sondern sie identifiziert schließlich deren sieben: „Seuche, Krieg, Steuern, Räuberei, Misswirtschaft, Aufruhr und Kirchenschisma.“

Jeder historisch auch nur halbwegs versierte Mensch beginnt an dieser Stelle zu begreifen, dass Tuchman für das Erfassen und Wechselspiel dieser vielen Fakto­ren auf unterschiedlichste Quellengattungen zurückgreifen muss, durch zahlrei­che Länder wandert und komplexe Sachverhalte wie beispielsweise die durch­weg verworrenen Adelsdynastien darstellen muss. Wie auch schon beim Er­gründen der Ursachen des Ersten Weltkriegs sieht sich die Autorin folgerichtig in einem regelrechten Dschungel aus unpräziser Zeitbeobachtung, Wissenslücken, Überlieferungsproblemen, Deutungsvariationen und Ideologie gefangen. Wie also nähert man sich diesem Knäuel an Schwierigkeiten?

Sie entscheidet sich für eine personale Perspektive und wählt ihren Träger mit Bedacht – Enguerrand VII. Coucy, Sire de Coucy, einer Burg direkt im Kräftefeld zwischen dem schwächelnden französischen Thron, der Normandie, Flandern und Lothringen gelegen (heute übrigens selbst als Ruine noch eine beeindru­ckende Erscheinung!). Er ist deshalb eine wichtige Person, weil er biografische Bezüge sowohl zum französischen Königshof als auch zum englischen Königshof besaß und in den Jahrzehnten nach dem Wüten des Schwarzen Todes eine höchst riskante Gratwanderung zwischen diesen Polen vollführte, ohne indes – wie viele andere Adelige seiner Zeit – durch unvorsichtige oder kurzsichtige Par­teinahme zerrieben zu werden.

Enguerrand gelingt das Meisterstück, aus den Zeitläuften, die seine Umwelt vielfach in Mord und Totschlag, Krieg, Intrigen, Korruption, Usurpation, Fanatis­mus und den sozialen Konsequenzen von Schichtenzerfall und Sittenverfall un­tergehen lassen, nicht nur zu überleben, sondern aufzusteigen, bis hinauf in höchste Kreise der Gesellschaft. Schließlich heiratet er sogar die Tochter des englischen Königs, Isabella von England. Doch bis das geschieht, vergehen in dem Buch fast zweihundert Seiten.

Tuchman muss, ganz wie in „August 1914“ zunächst dem Leser des 20. Jahrhun­derts (und des 21., denn es ist nach wie vor äußerst lesenswert und durchaus nicht veraltet!) die Zeit der Handlung nahebringen3, und damit geht sie teilwei­se bis vor die Kreuzzüge zurück. In manchmal atemberaubenden Schlaufen, die den Betrachter ungläubig zurücklassen, berichtet sie von der Familie der Coucy und ihren finanziellen und biografischen Verflechtungen, die Ursprünge ihres Reichtums, die Struktur ihrer Herrschaft und schließlich die dramatischen Um­stände von Enguerrands Kindheit und Jugend.

Diese Gelegenheit nutzt die Autorin, allgemeine Gedanken über Kindererzie­hung, Jugend und Sozialverhalten jener Zeit zu machen. Es folgen Gedanken über Rittertum und Kriegswesen, womit unweigerlich das gespannte Verhältnis zwischen England und Frankreich ins Zentrum rückt (aber nicht ausschließlich). Ein grässliches, unglaublich bedeutsames Erbe des 13. Jahrhunderts ist der 100jährige Krieg, der während Enguerrands Lebenszeit andauert und geradezu atemberaubende Schrecken und Verwüstungen anrichtet, von denen viele, das sei vorausgeschickt, Sinn und Verstand völlig vermissen lassen. Es ist dem ritterlichen Kodex der offenen Feldschlacht als „ehrbaren Kräftemessens“ zu verdanken, dass Frankreich schließlich regelrecht „enthauptet“ wird, ohne dass indes Vernunft in die Köpfe und Herzen der führenden Adeligen einzieht. Im Gegenteil, Redensarten wie „Die Fische tranken so viel französisches Blut (sagte man nach der Schlacht), dass sie französisch gesprochen hätten, wenn Gott ihnen die Gabe der Rede verliehen hätte“ legen beredtes Zeugnis von dem erbitterten Hass beider Völker ab, der alle Schranken der Vernunft überwand und zu den aberwitzigsten Abenteuern führte.

Der erste Gipfel der Verrücktheit ereignete sich dann am 26. August 1346, als in der Picardie die Schlacht von Crécy geschlagen wurde, was zu einer der verhee­rendsten Niederlagen der französischen Monarchie führte – am Ende des Ge­metzels waren über viertausend französische Adelige tot, und das Ziel, die Er­oberung der zu dieser Zeit englischen Stadt Calais, in weite Ferne gerückt.

Und dann kam der Schwarze Tod, die Pest.

Sie begann ihren Sturmlauf im Oktober 1347 in Genua und breitete sich wie ein Steppenbrand aus. Hinzu kam, als ob sich die Mächte des Himmels oder der Hölle gegen die Menschheit verschworen hätten, ein mächtiger Erdstoß im Ja­nuar 1348, der von Neapel bis Venedig Kirchtürme einstürzen ließ und ganze Dörfer dem Erdboden gleichmachte.

Unterschiedslos schien zugleich die Seuche zu wüten, und manche der Sympto­me, die auftraten, waren so grauenhaft, dass man selbst heute verstehen kann, warum die Zeitgenossen damals an eine Geißel göttlichen Ursprungs glaubten: „Der Chronist Henry Knighton, Stiftsherr der Abtei von Leicester, berichtet von fünftausend toten Schafen in einem einzigen Feld. ‚Ihre Körper von der Pest so verdorben, dass kein wildes Tier und kein Vogel sie anrührte‘, und sie verbreite­ten einen entsetzlichen Gestank. In den österreichischen Alpen kamen Wölfe zu Tal, um Schafe zu reißen, und ‚wandten sich, wie durch ein unsichtbares Zeichen gewarnt, um und flohen zurück in die Wildnis.“

Es nimmt wohl kaum Wunder, dass die Menschen jener Zeit meinten, Gott selbst strafe sie für sündigen Lebenswandel – was beispielsweise in Massenhys­terien und Geißlerbewegungen einmündete.

Die furchtbare Epidemie, deren Ursprung für die einfachen Menschen wie für die Gelehrten völlig schleierhaft blieb, verwandelte Städte in Leichenhäuser und Geistermetropolen. Folgenreicher war jedoch der daraus bald resultieren­de Arbeitskräftemangel: es gab zu wenige Menschen, die die Felder bestellen konnten, so dass zu den Todesfällen bald eine Hungersnot hinzukam.

Schlimmer noch: viele Menschen empfanden diese Geißel als Vorbote der End­zeit und, weil sie unterschiedlos in allen Schichten zu wüten schien, verfielen die Sitten. Besonders verheerend war jedoch, dass der erwartete „läuternde Ef­fekt“ ausblieb. Statt dass Gottes Geißel die Menschheit gebessert hatte, knüpf­ten Adel und Klerus bald an dieselben Missstände an, die vor der Seuche ge­herrscht hatten, und nichts schien sich zum Besseren gewandelt zu haben. Der Respekt vor der Obrigkeit ließ darum in weiten Teilen Europas nach, Räuber­banden breiteten sich epidemisch aus, Raub, Vergewaltigung und Mord waren bald, auch nach dem Abflauen der Pestepidemien, an der Tagesordnung.

Die Politik war zwar offensichtlich auch geschwächt von den Strapazen der zu­rückliegenden Jahre und dem Blutzoll der Pest, aber wie Tuchman nachweist, nicht eben klüger geworden: im September 1356 wandte sich König Johann von Frankreich gegen ein eindringendes englisches Heer und wandte dieselben unklugen Taktiken wie bei Crécy an – mit noch größerem Schaden. Er geriet am Ende der desaströsen Schlacht selbst in Gefangenschaft, Tausende Adelige fie­len, und im aus diesem Desaster folgenden Vertrag von Brétigny 1360 verlor Frankreich – man glaubt es kaum! – fast ein Drittel seines gesamten Staatsge­bietes an die englischen Eroberer. Und Calais, man braucht es kaum zu betonen, blieb englisch.

In diese chaotische Zeit hinein fällt nun der Aufstieg Enguerrand VII. Coucys, der zwischen der französischen Krone und dem britischen Königshaus die Interes­sen zu verteidigen hat. Derweil drohen von überall her neue Gefahren: Adelsin­trigen in England, Adelsintrigen in Frankreich. Aufstände in Flandern. Revolte des Bürgertums in Paris (sogenannte Jacquerie). Marodierende Räuberbanden, die von Städten Schutzzölle erpressen und ganze Grafschaften tyrannisieren. Die Türken überrennen Konstantinopel und bedrohen die südliche Flanke Euro­pas. Widrige Hochzeiten schmieden zwischen den deutschen Adelsstaaten, Spa­nien, Frankreich, Portugal, England, der Schweiz und diversen italienischen Kleinstaaten höchst verwirrende, zu neuen Kämpfen, Feldzügen und Scharmüt­zeln einladende Verhältnisse. Die Mongolen unter Dschingis Khan und seinen Nachfolgern fallen von Osten nach Europa ein und metzeln etwa in Österreich Ritterheere nieder. Der Schwarze Tod kehrt zurück…

Ganz zu schweigen davon, dass der Kampf zwischen dem französischen Hoch­adel und dem italienischen Hochadel dafür sorgt, dass auf einmal ZWEI Päpste – einer in Avignon (französisch), einer in Rom (italienisch) – Anspruch auf die Al­leinvertretung des christlichen Glaubens erheben. Das abendländische Schisma (zeitweise mit DREI Päpsten!) hat begonnen. Traurig und aberwitzig sind die Auswüchse, mit denen beide Päpste die Anhänger des jeweils anderen zu ex­kommunizieren suchen bzw. sogar Kreuzzüge gegen den jeweils anderen, „häre­tischen“ Papst beginnen. Die Verflechtungen zwischen Religion und Politik be­ginnen die Staatsstrukturen ganz Europas zu zerrütten. Auch Enguerrand de Coucy gerät in dieses Kräftefeld hinein…

Man kann das sich in diesem Buch ausbreitende Chaos eigentlich kaum zutref­fend schildern, und es möge dem Rezensenten nachgesehen werden, dass er nur einen sehr KLEINEN Teil des Inhalts verrät, der an vielen Stellen so derma­ßen aberwitzig – aber stets von Barbara Tuchman kundig, präzise und quellensi­cher dargelegt wird – scheint, dass man oftmals wirklich meint, man sei als Le­ser in einem Tollhaus gelandet.

Dennoch ist diese Welt nicht richtig „fern“, wie es der Titel etwas unpräzise sug­geriert. Sie ist, wie es ebenfalls im Titel steht, eher ein „Spiegel“. Sie zeigt der Gegenwart die dunkle Seite der Politik, jene finstere Ansicht, gleich einem Schattenriss, die Staaten anzunehmen imstande sind, wenn die Grundpfeiler ih­rer Fundamente zu erodieren beginnen. Wenn Irrationalität, Hass und Vorurtei­le zu den Leitmotiven der Gesellschaft werden, wenn Staatenlenker sich von kleinlichen Interessen leiten lassen und ihren fixen Ideen zu folgen beginnen, ohne Rücksicht auf die meist grauenvollen Konsequenzen zu nehmen, dann entwickeln sich Zeitläufte wie die des 14. Jahrhunderts, die Barbara Tuchman in aller Breite gleich einem mächtigen historischen Panoramabild entwirft.

Sie verweist selbst auf die verworrenen, teilweise einfach widersinnigen Allianz­bildungen des Ersten Weltkriegs und die z. T. bis heute andauernden Folgen, die aus diesen tragischen Fehlentscheidungen erwachsen sind. Tuchman parallelisiert dadurch in gewisser Weise die Mentalitäten der Jahre zwischen 1300 und 1400 mit denen um das Jahr 1914, und diese Parallelen sind leider sehr stichhaltig.

Doch man kann noch weiter gehen: In der Zeit des frühen 21. Jahrhunderts, in der eine Supermacht – die einzige aus dem Kalten Krieg hervorgegangene Su­permacht (die übrigens keineswegs gewonnen hat, wie immer gern erzählt wird – sie ist, gleich einem Dinosaurier, nur einfach übriggeblieben und schlägt nun weitgehend ziellos um sich) – aus den Lehren der Vergangenheit nichts gelernt hat und aufgrund von Lügen, der Machtgier ihres Präsidenten und der Irrationa­lität und den Vorurteilen eben jener Person Kriege anzettelt, in dieser Zeit kann sich der Leser von Tuchmans Buch durchaus in den Alptraum des 14. Jahrhun­derts zurückversetzt fühlen. Man kann hieran auf sehr beklemmende Weise ler­nen, dass, so sehr sich auch die Zeiten, die Technologie, die Wissenschaften und die Grundlagen des Kriegswesens im Laufe von sechs bis sieben Jahrhunderten ändern mögen, manche Konstanten stets gleich bleiben.

Eine solche Konstante ist die menschliche Mentalität, die Anfälligkeit für Kor­ruption, für mentale Trugschlüsse, für Vorurteile, Hass und Verblendung. Hier wie dort (14. Jahrhundert, Gegenwart) trifft man auf aberwitzige Allianzen, die dem gesunden Menschenverstand Hohn sprechen; hier wie dort findet man eine bestürzende Mischung aus Genialität und Wahnsinn wieder; hier wie dort wird gelogen und betrogen, dass sich die Balken biegen… und natürlich ist auch heutzutage ein George W. Bush jr. – und vielleicht sein Nachfolger gleicherma­ßen – der festen Überzeugung, das richtige Rezept zu haben und „natürlich“ den Sieg davontragen zu können. Im 14. Jahrhundert glaubte dies beispielswei­se der König von Frankreich (und sein Schicksal muss man sich wirklich einmal anschauen, es spottet jedes gesunden Menschenverstandes!). Im 21. Jahrhun­dert glaubt George Bush, er könne einen „Krieg gegen den Terrorismus“ gewin­nen.

Dies ist eine Täuschung. „Terrorismus“ ist kein substantieller Gegner, und ohne substantiellen Gegner verliert man den Krieg, so sehr man ihn auch intensiviert und mit massivstem Geld- und Waffeneinsatz führt. Vietnam und Afghanistan haben es schlagend bewiesen, gelernt wurde aus diesen Desastern kaum bis gar nicht.

Zum Schluss soll noch einmal Barbara Tuchman das Wort haben, um ein Fazit über ihr Buch zu sprechen und damit, vielleicht, auch die Neugierde auf den Alptraum des 14. Jahrhunderts zu wecken, aus dem sich für die heutige Zeit so viel Wichtiges lernen lässt, immer noch:

Wenn diese sechzig Jahre einigen wenigen an der Spitze der Gesellschaft voller Glanz und Abenteuer erschienen, so waren sie für die meisten eine Folge von unberechenbaren Gefahren: von den drei galoppierenden Übeln Plünderung, Pest und Steuern; von erbarmungslosen und tragischen Konflikten, bizarren Schicksalen, Hexerei, Betrug, Aufstand, Mord, Wahnsinn und dem Sturz von Fürsten; von zurückgehender Feldarbeit, von gerodetem Land, das wieder zur Wildnis wurde; und vom immer wiederkehrenden Schatten der Pestilenz, die ihre Botschaft von Sünde und Schuld und der Feindschaft Gottes unter die Men­schen trug.

Und die Menschheit wurde durch diese Botschaft nicht besser. Die Gewalttätig­keit warf alle Zügel ab. Es war eine Zeit der Verantwortungslosigkeit. Verhal­tensmaßregeln wurden kraftlos, Institutionen verfielen, die Ritterschaft schützte das Volk nicht mehr; die Kirche, weltlich geworden, führte nicht mehr zu Gott; die Städte, einst Träger des Fortschritts, waren in gegenseitige Fehden verwi­ckelt und im Inneren in Klassenkämpfen zerrissen; die Bevölkerung, reduziert durch den Schwarzen Tod, erholte sich nicht. Der Krieg zwischen England und Frankreich und das Brigantentum, das er gebar, enthüllten die Hohlheit der mili­tärischen Prätentionen des Rittertums und die Oberflächlichkeit seiner morali­schen Ansprüche. Das Schisma erschütterte die Grundlagen der zentralen mit­telalterlichen Institution und verbreitete ein tiefes und umfassendes Unbeha­gen. Die Menschen fühlten sich unkontrollierbaren Einflüssen unterworfen, wie Treibgut hin und her geworfen in einer Welt ohne Sinn und Richtung. Sie lebten in einer Epoche, die kämpfte und litt, ohne sichtbar voranzukommen. Sie sehn­ten sich nach Heilung, nach Erneuerung des Glaubens, nach einer Stabilität und Ordnung, die niemals kam…“

Lest das Buch, es lohnt sich!

© by Uwe Lammers, 2008

Natürlich merkt man gewissen Passagen dieser Rezension ihre klare Zeitgebun­denheit an. George W. Bush ist inzwischen nicht mehr Präsident (leider wurde er für seine Verbrechen und Lügen, die er zu verantworten hat, nicht vor Ge­richt gestellt und abgeurteilt, wie es notwendig gewesen wäre), sein Nachfolger Barack Obama hat zwar (meines Erachtens eher unverdient) den Friedensnobel­preis erhalten, ist sonst aber bedauernswert unvisionär geblieben, und es steht zu fürchten, dass ihm jemand ins Weiße Haus folgt, der noch viel doktrinärer ist als frühere Präsidenten… doch die Weisheiten im obigen Buch, insbesondere die überzeitlichen historisch-menschlichen Komponenten darin haben auch heute an Gültigkeit nicht verloren. Leider, möchte ich betonen.

Vergleicht man das 14. Jahrhundert mit der Gegenwart, dann kann man echt verzweifeln. Gleich Philip Kindred Dick hatte Barbara Tuchman ein ausgeprägtes Gespür dafür, was in der Geschichte wichtig war und wo die Keime visionärer Vorschau lagen.

In der kommenden Woche könnt ihr euch, was den Umfang der Rezension an­geht, wieder etwas entspannen. Inhaltlich eher nicht, denn dann geht es um eine packende, auch zeitlose Frage: Was ist, wenn der TOD nicht nur ein jeden Menschen betreffendes Phänomen ist, sondern eine PERSON? Eine Person, die man einfangen kann?

Neugierig geworden? Dann schaut in der kommenden Woche rein, welcher Au­tor sich wohl diese Frage gestellt und wie er sie gelöst hat.

Bis dann, mit Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Vgl. Barbara Tuchman: „August 1914“, Bern 1964. Die Rezension ist für den Rezensions-Blog in Vorbereitung.

2 Vgl. Barbara Tuchman: „Sand gegen den Wind“. Amerika und China 1911-1945“, Stuttgart 1973.

3 Ähnliches geschieht übrigens, darin auf eine noch verzwicktere, aber durchaus sehr mit Gewinn zu lesende Weise für die erheblich spätere Zeit in C. V. Wedgwoods Klassiker „Der 30-jährige Krieg“, München 1967.

Liebe Freunde des OSM,

vor sieben Wochen erklärte ich euch, dass das Jahr 2009 mehrheitlich unter dem sonnigen Glanz des Archipels stand und ich dort mit einem Wust von Glossaren beschäftigt war, soweit ich nicht ohnehin durch meine historische Arbeit inner­halb des Landeskirchlichen Archivs Wolfenbüttel und das Hessenkopf-Projekt so eingespannt war, dass ich zeitlich auf keinen grünen Zweig kam. Mit der Dar­stellung des Jahres 2009, soweit es den Oki Stanwer Mythos angeht – und damit eng verbunden auch den Archipel als kreative Gegenwelt, die ich hier ausführli­cher behandeln musste, um zu erklären, warum ich im OSM so zäh vorwärtskam (soll ja keiner denken, ich hätte monatelang träge Urlaub auf den Bahamas ge­macht oder so…) – also, damit war ich bis Ende September gediehen.

Im Oktober 2009 steckte ich dann notwendig in der nächsten Version des Archi­pel-Gesamtglossars… warum das? Ich hatte doch gesagt, ich hätte das Gesamt­glossar am 9. Juli vollendet? Na ja, das stimmt schon… aber wie ihr euch erin­nern mögt, waren seither weitere Archipel-Kurzgeschichten entstanden, und eine jede bekam ein eigenes Glossar, dessen Einträge selbstverständlich in das Ge­samtglossar einzuarbeiten waren.

Never-ending Arbeit? Ja. Aber notwendig. Das Glossar umfasst heute nicht um­sonst zwei pralle Aktenordner. Es ist als Nachschlagekompendium absolut es­sentiell. Der Archipel mit seinen glutroten Ordnern füllt ja auch schon ein ge­samtes Regal in meinem Arbeitszimmer…

Wie viele Ordner genau? Ach, ihr seid aber auch neugierig… na schön, ich zähle mal nach… okay, es sind 44 Stück. Nein, da habt ihr euch nicht verlesen. 44. Die meisten davon sind breite Ordner. Und ihr kennt von all diesem Material bisher nur ein paar wenige Kurzgeschichten, damit wir uns da recht verstehen. Es gibt also noch jede Menge Raum für Überraschungen.

Zurück zum eigentlichen Thema. Ich blieb, immer noch zeitlich stark anderwei­tig beruflich eingebunden, meinem Zickzackkurs zwischen OSM und Archipel treu. Während ich an Archipel-Geschichten wie „Ein göttlicher Auftrag“, „Amanda trifft einen Geist“ oder „Das Los der Lady Renata“ arbeitete und zwischendurch die Redaktion des Fanzines HISTORIKERZEIT #7 für FAN ab­schließen konnte, war vom OSM weit und breit nichts in Sicht, leider. Das konn­te nicht überraschen, ich steckte bis zum Scheitel, wenn ich denn schreiben konnte, in „Rhondas Reifejahre“ und schloss hier am 31. Oktober den siebten Ordner ab, der die Seiten bis 2.840 umfasste.

Immer noch kein Ende in Sicht? Na ja… doch, schon. Es kündigte sich eine hef­tige emotionale Erschütterung an, und ich wusste, damit würde der Roman auf­hören und in den dritten Rhonda-Roman „Rhondas Aufstieg“ münden. Aber es sollte noch dauern, bis es soweit war.

Anfang November 2009 trieben mich die Wogen des Archipels weiter, hinüber zu der Geschichte „Als Tiyaani noch ein Kind war…“, die ihr inzwischen als Bestandteil meiner vierten Storysammlung gleichen Namens kennen dürftet. Au­ßerdem machte ich mit dem Anfang der Episode „Das ZYNEEGHAR-EXIL“ eine Stippvisite im KONFLIKT 2, also in der Serie „Oki Stanwer und das Ter­rorimperium“ (TI). Der wievielte Band der Serie das ist? Da solltet ihr, wenn ihr gar zu neugierig seid, beizeiten in der Wiki nachschlagen, das sei hier noch nicht verraten. Ich kam auch nicht wirklich weit.

Der Grund ist elementar und mit einem Wort genannt: Archipel.

Während am 13. November die zweite Version des Gesamtglossars fertig wurde, schoss mir die nächste Archipel-Geschichtenidee durch den Kopf und konden­sierte am 19. November: „Die Glut der Leidenschaft“. Die brauchte natürlich auch ein Glossar…

Die nächsten Ideen ließen nicht auf sich warten. Die lange Zeit der Ablenkung durch die historische Arbeit brachte einen Gedankenkeim nach dem nächsten zum Aufblühen. Zwei weitere Archipelideen knospten, einmal „Antaganashs Abenteuer“ (das hielt ich echt für eine Kurzgeschichte… was daraus wurde, er­zähle ich euch in Bälde) und „Freundschaftsbande“. Außerdem wurde, ruck­zuck, eine weitere Geschichte des Archipels, „Ein göttlicher Auftrag“, am 28. November fertig.

Zu dieser Geschichte sollte ich ein paar Worte mehr sagen, weil sie in einem größeren Zusammenhang steht. Es erging mir hier ganz so wie im Jahre 2004/05 mit „Heiligtum der Shonta“ für KONFLIKT 2. Ihr wisst ja, dass dieser Roman der Reihe Aus den Annalen der Ewigkeit gewissermaßen ein informatorisches Crossover-Produkt der ersten vier Shonta-Episoden der TI-Serie darstellt. Nun, mit der obigen Archipel-Story ging es mir ganz genauso:

Vor Jahrzehnten emigrierte der Adelige Baron Shayconyev Alferendi mit seiner Gefährtin Yanita in die nachmalige Archipel-Kapitale Asmaar-Len. Er gründete seinen gesellschaftlichen Rang auf die Tatsache, dass Yanita aus den Familien des legendären Heiligtums von Cooriday auf dem Südkontinent stammte. Und gemeinsam brachten sie einen unermesslichen Juwelenschatz von dort mit, des­sen Wert heute unfasslich wäre.

Das Problem, das sich damit verband, war aber nicht der materielle Wert – die Juwelen, die so genannten „Heiligtümer von Cooriday“, waren spirituell aufge­laden, und wer in ihrem Besitz war, würde die Herrschaft in Asmaar-Len errin­gen können. Doch so kam es nicht – stattdessen erfolgte eine Katastrophe, in de­ren Gefolge Alferendi und seine Geliebte den Tod fanden. Und die Heiligtümer von Cooriday waren spurlos verschwunden.

Jahrzehnte vergingen… ehe ein argloses Mädchen aus dem Urwald unerwartet diesen Schatz im wortwörtlichsten Sinne wieder ausgrub: Rhonda. Und mit ei­nem Mal stand das Mädchen von elf Jahren mitten im Brennpunkt eines neu auf­flammenden Adelsstreits der herrschenden Familien von Asmaar-Len.

In diesem Fall musste ihr Vormund, der Makler Panjit al Choor, unverzüglich in Nacht und Nebel handeln, um Schlimmeres zu vermeiden. Im Roman „Rhondas Reifejahre“ konnte diese Mission nur angedeutet werden. Aber sie stand mir so plastisch vor Augen, dass ich nicht umhin kam, sie sogleich niederzuschreiben – als die genannte Crossover-Geschichte.

Es mag genügen, zu erwähnen, dass ich für die 64 einzeiligen Seiten dieser Ge­schichte nur fünf Tage brauchte und sie am 28. November abschloss. Der kreati­ve Druck war wirklich enorm stark. Und er wuchs weiter an, denn gleich darauf brach der nächste Archipel-Keim aus mir hervor: „Die neue Strafe“, von mir hier auch noch als Story charakterisiert (inzwischen füllt das Manuskript fast einen Ordner… von „Story“ kann also keine Rede mehr sein).

Dann brach der Monat Dezember an, der mit „Der Palyan“ einen weiteren Ar­chipel-Keim zum Vorschein brachte. Gott im Himmel, dachte ich mir, hört das denn überhaupt nicht mehr auf? Wo ist der OSM geblieben?

Eine wirklich gute Frage.

Am 7. Dezember schloss ich „Als Tiyaani noch ein Kind war…“ ab. Dann nä­herte ich mich mit dem Abschluss des Findbuchs zum Hessenkopf-Projekt ei­nem weiteren Ende eines Großprojekts. Mit dem Oki Stanwer Mythos hatte auch das natürlich nichts zu tun.

Kurz flackerte mit der kommentierten Abschrift der OSM-Episode „Der Ma­gnetstern“ (Band 48 des KONFLIKTS 17 „Drohung aus dem All“) der Oki Stanwer Mythos durch, war aber quasi gleich wieder verschwunden. Ich war völlig auf der Archipel-Schiene, von gelegentlichen seltenen Rezensionen mal unterbrochen.

Da war „Eine Adelige auf der Flucht“, an dem weitergeschrieben werden woll­te. Da tauchte eine weitere Archipel-Story auf, „Jessecas Geschichte“, die auf dem Südkontinent spielte, aber nicht weit gedieh. Natürlich „Rhondas Reife­jahre“, und dann war da ein erster und inzwischen dringend erforderlicher Be­ginn einer Archipel-Chronologie.

Und dann?

Dann war Silvester da und das Jahr vorbei!

Und im Hintergrund glühte das unheilvolle Fanal von Francescas Verbrechen und Rhondas tiefer Verzweiflung, mit denen der zweite Rhonda-Roman enden sollte. Ich sage euch, mir sträubten sich fast die Nackenhaare und die Finger gleichermaßen, weiterzuschreiben… aber ich wusste, ich kam nicht umhin. Es würde ein Ende mit Schrecken werden, das war mir völlig klar, aber so ausweg­los wie eine herabdonnernde Lawine.

Es gab nur einen einzigen Trost: danach würde ich ein wenig durchatmen kön­nen. So kam es dann in der Tat, aber… nun, was das Frühjahr 2010 noch im Ge­folge haben sollte, davon berichte ich euch dann in der nächsten Folge dieser Ar­tikelreihe in ein paar Wochen. Das solltet ihr nicht versäumen.

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 75: Die Zeitlegion

Posted August 30th, 2016 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

ihr wisst ja schon seit dem Start meines Rezensions-Blogs im vergangenen Jahr, dass ich eifriger Fan von Zeitreisegeschichten bin. Das habe ich nicht zuletzt schon durch einige Blogartikel unter Beweis gestellt (etwa, als ich „Die Gehäuse der Zeit“ im Blogartikel 2 besprach, oder im Fall von „Zeitlabyrinth“ im Blogarti­kel 50 bzw. bei „Die Rückkehr der Zeitmaschine“ im Blogartikel 53). Ich kann versprechen, dass es davon noch einiges mehr geben wird, denn Zeitreisege­schichten sind nahezu so uferlos vorhanden wie Sherlock Holmes-Epigonen­abenteuer… ach, vermutlich noch weitaus zahlreicher.

Zeitreisegeschichten sind auch nichts, was erst ein Phänomen der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts darstellt, die gibt es schon sehr viel länger. Eine frühe, in­spirierende Blüte fand diese Art des phantastischen Abenteuers in den 20er und 30er Jahren in den USA, als dort die grelle, wilde Blüte der Pulp-Magazine hochschoss und sich weltweit über die amerikanischen Soldaten, die auf zahl­reichen Kontinenten der Erde stationiert waren, ausbreitete.

Jack Williamson ist einer der jungen Autoren, die damals diese Zeit durchleb­ten, und das schimmert in diesem Roman, den ich euch heute vorstellen möch­te, definitiv deutlich durch. Es handelt sich um einen Klassiker der Science Ficti­on, den ich zwar mit einigen kritischen Bemerkungen durchleuchte, der deshalb aber nur bedingt an Unterhaltungswert verlieren dürfte. Ihr wisst, dass ich spe­ziell im Falle von Zeitreisegeschichten ziemlich genau hinschaue. Die meisten Leser tun das nicht. Und deshalb, glaube ich wenigstens, werdet ihr sehr unter­haltsame Lesestunden haben, wenn ihr euch auf das folgende Abenteuer ein­lasst:

Die Zeitlegion

(OT: Legion of Time)

Von Jack Williamson

Bastei Abenteuer 23006

Bergisch-Gladbach, 1982

Aus dem Amerikanischen von Peter Glaus

160 Seiten, TB

ISBN 3-404-23006-X

(nur noch antiquarisch erhältlich)

Die Zeit ist ein Strom von Möglichkeiten, gleich einem Korridor, von dem dunkel die virtuellen Seitengänge abzweigen und mal mehr, mal weniger Realität ge­winnen, je nachdem, wohin der Träger des Lichts des Moments sich wendet. Andere Realitäten versinken dann im Schatten des Unmöglichen. Doch niemand weiß zu diesem Zeitpunkt, wer dieses Licht des Augenblicks zu tragen auser­wählt ist, auch nicht der Auserwählte selbst.

Dieser Mann ist der achtzehnjährige Dennis Lanning, der im April des Jahres 1927 das Studentenapartment in Harvard mit drei weiteren Gefährten teilt: mit dem riesigen Footballspieler Barry Halloran, mit dem er gemeinsam Flugstun­den nimmt, dem Chinesen Lao Meng Shan und dem vergeistigten, schon etwas älteren Mathematiker Wilmot McLan. Denny hat keine Ahnung, dass die Zu­kunft der Welt von ihm abhängt, und das bleibt auch noch lange Zeit so. Doch an diesem Abend im April 1927 bekommt er überraschend geisterhaften Be­such von einer wunderschönen Frau aus der fernen Zukunft – man muss sich das wohl wie ein gängiges Hologramm vorstellen, denn ähnlich substanzlos ist es.

Diese Frau mit Mahagonihaar und violetten Augen nennt sich Lethonee, und sie stammt aus einer fernen Zukunft der Welt, aus einem wunderbaren Reich, das Jonbar genannt wird… vielleicht. Denn da gibt es auch noch einen dunklen Ge­genpol, regiert von der dämonisch-schönen, aufreizenden Sorainya, die „böse Blume von Gyronchi“, wie Lethonee sie nennt. Sie beide sind Todfeindinnen, denn es kann nur eine von ihnen wirkliche Realität erlangen… und Denny ob­liegt es angeblich, dies zu entscheiden. Und die erste Prüfung, die Lethonee ihm auferlegt, ist es – rätselhaft genug – am kommenden Tag keinen Flugunterricht zu nehmen.

Lanning gehorcht – und erhält am kommenden Tag die Nachricht davon, dass das Flugzeug abgestürzt und sein Freund Barry tot ist. Hat Lethonees Nachricht also Lanning das Leben gerettet oder vielmehr Barrys Tod verursacht? Er ist sich unsicher… und diese Unsicherheit währt lange.

Als er sich schließlich zu einem Berichterstatter-Auslandsaufenthalt nach Nica­ragua einschifft, erscheint ihm während der Überfahrt die sinistre, aber bild­hübsche Sorainya auf einem schwebenden, goldenen Schild, und sie bietet ihm einen Platz an ihrer Seite auf dem Diamantthron von Gyronchi an. Er schlägt diese Chance aus, wenn auch schweren Herzens.

Und in den folgenden Jahren, in denen er als Kriegsberichterstatter durch die unruhige, chaotische Welt driftet, mischen sich von Zeit zu Zeit die überzeitli­chen Wesen wieder in sein Leben, ohne dass Klarheit zu regieren beginnt… und dann erhält Denny Lanning von seinem alten Freund Wil McLan ein Buch zuge­eignet, in dem dieser über das Wesen der Zeit im Antlitz der Gegenwart von Quantenphysik und Relativitätstheorie sinniert – und sehr ähnliche Gedanken entwickelt, die Lanning selbst hegt. McLan ist offensichtlich der einzige Mensch, der diese seltsamen Dinge zu durchschauen vermag. Aber er scheint spurlos verschwunden zu sein.

Ehe Lanning diesem Rätsel nachgehen kann, ruft ihn sein alter Freund Lao Meng Shan auf den chinesischen Kriegsschauplatz, denn inzwischen sind zehn Jahre seit dem Aprilabend in Harvard vergangen… und in einem Luftgefecht über der Küste Chinas wendet sich Denny Lannings Schicksal zum Schlechten, als er mit seinem Freund abgeschossen wird.

Und doch – danach geht das Abenteuer erst richtig los, denn ein geheimnisvol­les fliegendes „Schiff der Toten“ rettet sie beide. Es handelt sich um die „Chroni­on“, ein geniales Schiff, das durch die Zeit reist. Und Dennis Lanning ist auserse­hen, der Commander der Zeitlegion zu werden – um die Macht Gyronchis zu bekämpfen und das glänzende Jonbar und Lethonee Wirklichkeit werden zu las­sen. Doch mit Entsetzen müssen die Kämpfer der Legion erkennen, dass Jonbar verlischt und alle Zukunftslinien auf das trostlose, tyrannische Gyronchi zulau­fen.

Dennoch nehmen sie den Kampf auf, heldenhaft und verzweifelt…

Der Roman von Jack Williamson ist erstmals im Jahr 1952 erschienen, vor mehr als 60 Jahren, und man merkt selbst dieser vollständigen, ungekürzten Version sehr deutlich an, dass sie ein Kind der Pulp-Ära ist, dass Williamson mit den Abenteuergeschichten eines Robert Howard und E. E. Smith aufgewachsen ist, denn ganz derselbe Geist spricht auch aus diesen Seiten. Ich habe ihn damals nach dem Erscheinen gelesen, aber den Inhalt wieder vollkommen vergessen, so dass es eine interessante Neuentdeckung war, dieses antiquarisch 1997 ge­kaufte Buch aus der weitläufigen Reihe ungelesener Werke zu ziehen und inner­halb von drei angenehm unterhaltenen Tagen zu verschlingen.

Das Buch bietet kurzweilige Unterhaltung, etwas heroische, kantige Personen­charakterisierungen in einprägsamer Schlichtheit, und wenn man nicht sehr viel mehr über den Charakter der Zeit und über Paradoxien weiß, die damit einher­gehen, wenn man anfängt, mit der Zeit zu manipulieren, dann kann man dieses Garn vielleicht sogar ernstlich genießen. Ich nehme an, das amerikanische Pu­blikum hat damit deutlich weniger Schwierigkeiten als ich etwa. Bei Zeitreisege­schichten komme ich nämlich stets ins Grübeln und versuche zu durchschauen, ob das, was geschrieben steht, so denkbar und realistisch ist, und hier muss ich leider sagen – Fehlanzeige auf ganzer Linie.

Warum?

Ohne zu viel verraten zu wollen: es geht ja darum, Jonbar oder Gyronchi unge­schehen zu machen. Zunächst schwindet Jonbar dahin, und damit fangen die Probleme an… denn wenn Jonbar nicht mehr da ist, wie wäre es dann wohl möglich, dass Denny Lanning ganz zu Beginn von Lethonee gewarnt wird, die es ja gar nicht gegeben hat? Ist nicht möglich. Mithin wäre er dort ins Flugzeug ge­stiegen und gestorben, und der ganze Roman wäre Makulatur. Das kann Wil­liamson natürlich nicht machen, also biegt er seine Wahrscheinlichkeiten so zu­recht, dass sie Sinn zu ergeben scheinen. Der kritische Verstand vermag ihm aber nicht mehr zu glauben.

Und wie ist es dann mit Gyronchi in der zweiten Hälfte des Romans? Wenn die­se Welt samt ihrer finsteren Königin nur eine vage Hypothese bliebe bzw. ganz verschwände, wie sollte dann wohl jene schreckliche Versuchung überhaupt möglich werden, die das ganze Verhängnis letzten Endes auslöst? Sie ist nicht möglich. Und so weiter und so fort… da wird auf martialische, abenteuerliche Weise versucht, ein nahezu ungetrübtes Happy End zu konstruieren, und wenn man den Verstand abschaltet und die logischen Ungereimtheiten einfach unter den Teppich kehrt, klappt das auch. Aber jenseits davon, und wenn man drüber nachdenkt… da muss man Williamson attestieren, dass er vielleicht einen Klas­siker der Science Fiction geschrieben hat, aber sehr gut durchdacht ist er mei­nes Erachtens nicht. Na ja, und schweigen wir mal von den vielen Schreibfeh­lern, die das Lektorat hier einstreut, um den Leser zu irritieren (ich sage nur: „Rendesvouz“!). Das tut dann richtig weh. Also lieber schnell weiterlesen…

Nichts für kritische, logisch denkende Geister, würde ich sagen, sondern eher für schlichte Gemüter, die temperamentvolle Action wünschen, dabei den Ver­stand aber an der Kinokasse abgeben… oder so ähnlich.

© by Uwe Lammers 2013

Und nein, wie einleitend gesagt, ich denke, der Roman ist aufgrund seiner logi­schen Inhaltsfehler keineswegs ein Fall für den Müllhaufen der Geschichte, da­für strahlt er einfach von seinem Thema und der schwungvollen Prosa, der le­bendigen Charaktere zu viel Reiz aus.

In der kommenden Woche nehme ich euch auch auf eine Zeitreise mit, die frei­lich von völlig anderer Art ist. Wir besuchen dann das 14. Jahrhundert und einen Mann, den man den Sire de Coucy nennt. Wem das jetzt schon etwas sa­gen sollte: Psst! Verderbt mir die Überraschung nicht… und auch nicht den spektakulären Auftritt einer meiner Lieblings-Sachbuchautorinnen, von der ihr hier in meinem Blog noch mehr erfahren werdet.

Also, nicht vergessen – nächsten Mittwoch wieder zuschalten, es lohnt sich!

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Liebe Freunde des OSM,

erst wenige Wochen ist es her, da endete der Monat April… und flugs sind wir bereits durch den Mai hindurch, und es ist an der Zeit, wie üblich Rückschau auf den verflossenen Monat zu halten. Ganz so, wie ihr das gewöhnt seid und ich seit langem auch.

Tja, mein hoffnungsvoller Blick im vergangenen Monat war ungerechtfertigt, wie ich gestehen muss. Das hat viele Ursachen, berufliche zeitliche Beanspru­chung spielt da ebenso eine Rolle wie die hereinbrechende Gewitterschwüle des Monats Mai, die mich regelmäßig plättete. Ich bin einfach kein Mensch für heiße Temperaturen. Während ich frische Witterung im Herbst und Winter gut ertrage, ist Hitze ein absolutes No-Go. Von 20 Grad Celsius aufwärts nimmt mei­ne Schreibfähigkeit und Konzentrationsfähigkeit konstant ab.

Aktuell hat mich dann auch wieder die Pollenallergie erwischt… also echt, da kommt alles zusammen. Und die Konsequenz sieht nicht toll aus für den Monat Mai – ich habe nicht umsonst jüngst (Blogartikel 171) gesagt, ich wäre gewisser­maßen urlaubsreif und würde mir eine Publikationspause gönnen. Dass das erst nach der Veröffentlichung meines 40. E-Books „Als Tiyaani noch ein Kind war…“ geschah, war nur folgerichtig.

Folgende OSM- bzw. Archipel-relevante Werke konnte ich im Mai 2016 bearbei­ten:

Blogartikel 178: Work in Progress, Part 41

18Neu 73: Der Horror-Pakt

(OSM-Wiki)

(Ungleiche Freunde – OSM-Story)

(Himmelfahrtskommando – OSM-Story)

(18Neu 75: Gespenst der Zeit)

Erläuterung: Dies ist der Auftaktband eines Vierteilers in dieser Serie, worin Oki Stanwer a) einen uralten Freund-Feind wieder trifft, b) zu erheblichen Teilen sein verschüttetes Gedächtnis reaktivieren kann, c) auf einer Welt landet, die tat­sächlich wie ein Würfel geformt ist und die im OSM absolut zentrale Bedeutung hat, nämlich auf der so genannten SIEGELWELT. Schweigen wir mal davon, was da noch alles passiert. Das Auftauchen von Matrixfehlern aus KONFLIKT 14 „Oki Stanwer – Feldherr der Cranyaa“ und vieles andere mehr. Ein spannender, far­benprächtiger Zyklus… den nie jemand gelesen hat, seit inzwischen bald 30 Jah­ren nicht.

Davon gibt es viel, von solchen Geschichten und ganzen Serien, die niemand kennt. Nur in meinem Kopf sind all diese Verbindungspfade zu entdecken, die ich so gern mit euch teilen würde. Und jedes einzelne Mal bedaure ich, dass weder ich noch ihr soweit seid, dass ich das realisieren kann. Hier merke ich es ganz besonders stark…

(Glossar der Serie „Oki Stanwer – Bezwinger des Chaos“)

(TI 27: Späherin der Cestai)

(DER CLOGGATH-KONFLIKT – OSM-BUCH (Abschrift))

(14Neu 34: ANTI-TOTAM)

(14Neu 33: Unter dem Bann eines Dämons)

Blogartikel 171 (neu): Sommerpause

Blogartikel 171 verschoben auf 181

Blogartikel 181 verschoben auf 185

18Neu 74: Angriff der Höllenritter

(Glossar der Serie „Kampf gegen TOTAMS Dämonen und Schergen“)

(Amanda trifft einen Geist – Archipel-Story)

(Vivica auf Abwegen – Archipel-Roman)

Tja, Freunde, und da verließen sie uns schon wieder… und in manchen der obi­gen eingeklammerten Werke kam ich wirklich nur ein oder zwei Seiten voran. Nicht glorreich, fürwahr. Jüngst wurde ich von einem Mitliteraten zwar ob mei­ner Hunderte von monatlichen Kreativseiten beneidet, aber ich werde das noch richtigstellen müssen. Absolute Zahlen sagen recht wenig über die innovative Kreativitätsleistung im Monat aus.

Das Ungleichgewicht dauert also noch an. Und es setzt mir zu, mindestens so sehr wie die Pollenallergie und das Gegensteuern mit müde machendem Antihi­staminikum… Mann, auf diese Komplikationen kann ich echt gut verzichten, und ich schweige von meinem schmerzenden rechten Fuß…

In der kommenden Woche geleite ich euch mit Teil 37 der Artikelreihe „Was ist eigentlich der OSM?“ durch das stürmische Jahresende 2009. Das könnte wie­der sehr interessant werden. Also nicht versäumen!

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Liebe Freunde des OSM,

ja, ja, vielleicht ist es zu früh, diese Rezension zu bringen, aber ich hatte sie nun einmal in meinen Rezensionsplan aufgenommen und bin recht zuversichtlich, dass ihr, die ihr euch mit Arthur Conan Doyles legendärem Detektiv bestens aus­kennt, es mir nachsehen werdet, dass ich diese Rezension vor der Besprechung des „Hundes der Baskervilles“ bringe.

Warum dies? Nun, lest die Rezension und meine diesbezüglichen Worte, und ihr wisst Bescheid. Ich gehe indes davon aus, dass ihr die Kanon-Werke Doyles al­lesamt schon lange inhaliert habt, insofern entgeht euch also nichts Wesentliches in dieser unüblichen Publikationsreihenfolge.

An Rick Boyers Roman erinnere ich mich auch nach fast zehn Jahren immer noch sehr gern. Ich denke, ich muss ihn beizeiten mal wieder auf den Leseplan setzen… allerdings gibt es noch den einen oder anderen Epigonenroman zu Sher­lock Holmes, den ich noch nicht kenne und der folgerichtig vorzuziehen ist. Wer allerdings den unten rezensierten Roman noch nicht kennen sollte, der wird hier von mir mit Absicht und vergnügtem Lächeln auf einen richtigen Leckerbissen hingestoßen.

Lasst ihn euch nicht entgehen:

Sherlock Holmes und die Riesenratte von Sumatra

(OT: The Giant Rat of Sumatra)

von Rick Boyer

Bastei 15601, Dezember 2006

272 Seiten, TB, 7.95 Euro

Aus dem amerikanischen Englisch von Stefan Bauer

ISBN 3-404-15601-3

Das Jahr 1894 wird durch eine aufsehenerregende Entführung erschüttert – die junge Lady Alice Allistair, Tochter eines vermögenden und angesehenen briti­schen Politikers, ist auf einer Reise durch Indien in Bombay spurlos verschwun­den. Zehn Wochen liegt dies bereits zurück, und der völlig verzweifelte Vater weiß sich nun keinen besseren Rat mehr, als Sherlock Holmes zu Rate zu ziehen. Holmes nimmt den Auftrag eher missmutig an, denn er schätzt es nicht, weite Reisen zu unternehmen… indes muss er den britischen Boden gar nicht dazu ver­lassen, wie sich bald erweist.

Ein Auflauf von Sanitätsdroschken lenkt Holmes Aufmerksamkeit auf nähere Sensationen, und als sein Freund, Dr. John Watson, und er selbst dem Phänomen nachgehen, stoßen sie auf Inspektor Lestrade von Scotland Yard („Mr. Holmes, ich habe keine Ahnung, wie Sie es jedes Mal schaffen, scheinbar aus dem Nichts aufzutauchen, sobald ein Mord geschehen ist!“) – und auf eine Leiche, grässlich zugerichtet und offenbar von einem Hausdach gestürzt, mitten in die Baker Street.

Die Fährte des Toten, eines Seemannes, führt die beiden Freunde in den Londo­ner Hafen und zu einer schrecklichen Feuersbrunst, die nur der Auftakt zu schlimmeren und Unheil verkündenderen Entdeckungen sind. Denn mit der Ma­tilda Briggs ist ein Schiff aus Sumatra angekommen, das eine höllische und in hohem Maße unglaubwürdige Fracht eingeschleppt haben soll – eine Ratte von der Größe eines Menschen und dem Temperament eines höllischen Dämons.

Während der große Detektiv noch rätselt, ob es dieses Wesen tatsächlich gege­ben haben kann oder ob es sich – gleich dem Höllenhund der Baskervilles – da­bei eher um eine Art von übler Täuschung handelt, die sich ein verbrecherisches und betrügerisches Hirn ausgedacht hat, währenddessen melden sich die Entfüh­rer von Lady Allistair bei deren Vater.

Die Lösegeldforderung beläuft sich auf nicht weniger als hunderttausend Pfund, und die Übergabe soll in einem abgelegenen Anwesen der Allistairs in Shrewsbury, in den finsteren Wäldern nahe der Grenze zu Wales, erfolgen. Hol­mes schickt seinen Adlatus Watson als Beobachter und Berichterstatter mit den besorgten Eltern dorthin und verspricht, bald möglichst nachzukommen. Schließlich gibt es ja in London noch diese unheimliche Riesenratte zu berück­sichtigen, sagt er.

Doch das Anwesen Strathcombe in Shrewsbury, auf das sich Watson begibt, er­weist sich als ein heimtückischer Ort mit einer finsteren Aura, bevölkert von mancherlei seltsamen Personen, die sein Misstrauen wecken. Jahrhundertealte Eichenwälder bedrängen Strathcombe, und in den Wäldern wimmelt es von zwielichtigen Gestalten – von Zigeunern, vielleicht Schmugglern, Wilderern und, laut dem Wildhüter des Anwesens, neuerdings von einem riesigen Eber, der seltsamerweise ganz bizarre Hufspuren aufweist. Hufspuren, die eigentlich mehr zu einem Nagetier passten, wenn sie dafür nicht viel zu groß wären…

Der Leser merkt rasch, dass die beiden scheinbar so voneinander losgelösten Fälle eng miteinander verflochten sind. Rick Boyer versteht es insbesondere in der ersten Hälfte des bereits 1976 geschriebenen Romans (der sicherlich schon mal unter anderem Titel auf Deutsch publiziert worden ist), die Atmosphäre des viktorianischen England und der besonderen Form der Deduktion, wie sie nun einmal Sherlock Holmes zu eigen ist, reizvoll einzufangen.

Strukturell ist der Roman, der ein kleines bisschen zu lang für die Handlung ist – in der zweiten Hälfte wird er gelegentlich ein wenig zäh – , stark an den Doyle-Roman „Der Hund der Baskervilles“ angelehnt. Kenner des Holmes-Kanons merken das schnell. Dennoch ist er so eigenständig, dass man dieses Manko rasch verschmerzt und sich mit Feuereifer ans Grübeln und Überlegen macht, wie denn wohl die Lösung des Rätsels aussehen mag. Ich deute mal an: der Schluss ist in mancherlei Hinsicht dann doch eine ziemliche Überraschung. Mei­ne Gedanken waren nur sehr partiell auf der richtigen Fährte.

Die Riesenratte von Sumatra“, die ihren Titel eigentlich nicht völlig zu Recht trägt und zoologisch durchaus bedenklich ist (man vergleiche auch die Anmer­kungen im Roman selbst), gehört aller geringfügigen Schwächen zum Trotz zu den geschickteren Epigonenwerken Arthur Conan Doyles und zugleich zu der Sorte von Roman, die die Nacht zum Tag machen und die man, wenn man erst mal angefangen hat zu lesen, nicht mehr aus der Hand legen kann. Ich selbst brauchte (leider!) nur drei Tage, um das Buch regelrecht zu verschlingen. Ande­re Leser werden gewiss ähnliche Erfahrungen machen.

Uneingeschränkt empfehlenswert!

© by Uwe Lammers, 2007

Es gibt sie wirklich immer wieder, diese Sogromane, die den unvorbereiteten Leser schlicht strudelgleich hinabsaugen und alle Zeit ringsum verblassen las­sen. Das ist das Schöne am Lesen, was leider viele Zeitgenossen, zumeist jünge­ren Alters, wirklich nicht würdigen können. Unsere heutige Zeit ist auf bedau­ernswerte Weise schnelllebig geworden, vergesslich, ahistorisch… das gilt nicht nur für die Wissenschaft und die Politik, sondern eben leider auch für die Litera­tur.

Werke wie dieses hier versinken dann rasch im Vergessen, und wer sich nur an dem kurzsichtigen Mainstream dessen orientiert, was aktuell im Buchhandel verfügbar ist, dem entgeht unendlich viel an schönen Werken, die schon ein paar Jahre mehr auf dem Buckel haben.

Auch in der kommenden Woche kümmere ich mich um so ein kleines, aufregen­des Juwel der Science Fiction, das schon ziemlich alt ist – aber einen sehr ro­mantischen Charme ausstrahlt.

Was das für ein Buch ist? Wenn ihr’s wissen wollt, schaut einfach wieder herein!

Bis dann, meine Freunde!

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.