Liebe Freunde des OSM,

entschuldigt, aber es war ganz unvermeidlich, dass ich diesen Beitrag verfassen musste… ich weiß, er trägt eigentlich mehr zur semantischen Selbstdemontage bei als irgendetwas anderes, aber mal ganz unter uns: Wenn man als Literat nicht mehr über seine eigenen Jugendsünden kichern kann, dann läuft irgend­was im Leben grundlegend schief.

Gottlob gehöre ich nicht zu den humorlosen Schraten, die, wenn sie nach Jahr­zehnten auf ihre alten semantischen „Schandtaten“ zurückblicken, graue, krause Haare bekommen und diese Werke schnellstmöglich in der Tonne ent­sorgen (es gibt solche Leute, und glaubt mir ebenfalls, Freunde, in einem Fall, von dem ich jüngst Kenntnis erhielt, kommt es mir ganz so vor, als hätte der be­treffende frühere Brieffreund mit seinen langen Romanmanuskripten vor langer Zeit auch seinen gesunden Menschenverstand entsorgt – ein Grund mehr, das nicht nachzuahmen). So etwas habe ich vor sehr langer Zeit einmal getan, und ich bereue es bis heute – so sentimental bin ich eben gestrickt. Nein, aus dem Fehler habe ich gut gelernt!

Dass ich so verfahre, liegt nicht nur daran, dass ich im Oki Stanwer Mythos (OSM) nicht einfach so missratene Episoden entsorgen kann, ohne Lücken im Handlungsstrom entstehen zu lassen. Es hat sehr viel mehr damit zu tun, dass ich der Ansicht bin, aus Fehlern könne man lernen. Indem ich sehe, was ich frü­her verkehrt gemacht habe, kann ich ablesen, was in Zukunft besser zu vermei­den ist. Das alles geht natürlich, wenn man mein löchriges Gedächtnis bedenkt, nur dann, wenn das corpus delicti, sage ich mal, also die alten, fehlerhaften Epi­soden, noch vorliegen.

Ein solcher Fall von chaotischen Fehlern liegt im KONFLIKT 14 „Oki Stanwer – Feldherr der Cranyaa“ vor, dessen Episode 45 „Der Stützpunkt des Lichts“ ich kürzlich abschrieb und kommentierte. Da kommen Böcke drin vor, das hält man gar nicht für möglich. Sie sollen euch heute ein wenig zum Schmunzeln und Kopfschütteln bringen. Zunächst sei die Rahmenstruktur der Handlung kurz skizziert, damit ihr euch in der Episode zurechtfinden könnt:

Oki Stanwer ist in relativer stellarer Nähe zur Galaxis Hun’arc aufgetaucht, die den Hauptschauplatz dieses KONFLIKTS bilden soll. Dort ist das insektoide Volk der Cranyaa beheimatet. Allerdings folgt Oki Stanwer zunächst mit seiner STELE DER EWIGKEIT einem Notruf, der ihn in die Schockzone zwischen den Galaxien Wukarin und Risalon führt.

Ohne dass das jemand ahnt, existiert hier eine hyperdimensionale Enklave – vor zahllosen Jahrtausenden hat das humanoide Volk der Waaklors die so genannte „Todeszone“ geschaffen und dorthin seine bewohnten Sonnensysteme evaku­iert. Der Grund tut hier jetzt nichts zur Sache und würde euch nur verwirren. Nur soviel: das Entstehen der Schockzone führt zur Zerrüttung der hyperdimen­sionalen Abschirmung der Todeszone, und ein energetischer Ablauftrichter er­zeugt einen Sogeffekt, der Oki Stanwers STELE DER EWIGKEIT, den aus dem Nichts entstandenen Kristallplaneten ANTI-TOTAM und den Transmittermond der Plegg’re, den Oki Stanwers Helfer besetzt haben, letzten Endes in die Todes­zone der Waaklors hineinzieht.

Hier versucht derweil der Dämon Carthusuum, den verunsicherten Waaklors einzureden, Oki Stanwer sei eine tyrannische „Schreckensinkarnation“, die es zu bekämpfen gelte. Die Waaklors mobilisieren daraufhin ihre Raumflotte und sind sehr bereit, für TOTAM gegen Oki Stanwer und seine Freunde ins Feld zu ziehen, auch wenn sie seit Jahrtausenden von der Außenwelt abgekapselt sind und ei­gentlich nur Bahnhof verstehen.

Um die Dinge noch mehr zu verkomplizieren, ist außerdem die Lichtfestung OREOC mit weiteren Helfern des Lichts an Bord ebenfalls durch einen dimensio­nalen Korridor aus dem Herzen von Hun’arc unterwegs in die Todeszone. Ver­folgt werden sie von mehreren tausend Feindschiffen, deren Besatzung sich ebenfalls im Bann eines Dämons von TOTAM befindet.

Ihr seht: das muntere Chaos kocht hoch.

Ehe Oki Stanwer mit der STELE und ANTI-TOTAM aber die Todeszone erreichen kann, nimmt der Feldherr der Cranyaa noch finster an, dass die Schockzone sei­nen Untergang besiegeln würde. Das sieht dann gedanklich so aus:

„WENN DER ABSOLUTE ENTROPISCHE PUNKT ERREICHT WIRD, HERRSCHEN BEDINGUNGEN WIE ZUM ZEITPUNKT DES URKNALLS. JEDE MATERIE LÖST SICH IN PRÄELEKTRISCHE LADUNGEN AUF.

Das war die Warnung der STELE gewesen, und ich war nicht so dumm, das nicht zu begreifen. Im Klartext bedeutete es: Wenn die Schockzone weiterhin mutierte, würden sich die STELE, ANTI-TOTAM und der Transmittermond in er­freuliche Atome auflösen…“

So, dachte ich, „erfreuliche Atome“. Das geht ja gar nicht! Das sollte vermutlich witzig sein, doch war das eine vollständige Luftbuchung. Aber es ging leider weiter und wurde noch abenteuerlicher. Folgt mir in den Rest des Zitats:

…und selbst die würden wiederum mutieren, bis sie reine Energie waren. Mit dem Primärenergiewandler konnte ich nicht arbeiten, da ich dann diesen Vor­gang nur beschleunigen würde. Und mir lag nichts daran, zu sterben!“

Nun, letzteres konnte ich ihm gut nachempfinden, aber Atome, die „mutierten“? Also nee, Atome haben doch keine DNS, da mutiert rein gar nichts… was ich hier eigentlich auf höchst tapsige und groteske Weise aus­drücken wollte, war folgendes: Gemeint ist eine Zerfallsreaktion der Atome in Quanten und subatomare Partikel, bis sich diese letztlich auch in ihre Ladungen auflösen. Das führt schlussendlich natürlich dazu, dass nur noch reine elektri­sche Ladungen, schiere Energie, übrig bleibt. Die verteilt sich im Kosmos, was dann zur steten Steigerung der Entropie und letztlich zum Kältetod des Univer­sums führt.

Das konnte man an dieser Stelle wegen meiner ausgesprochen flapsigen Bur­schikosität nicht mal entfernt begreifen.

Mutierende“ Atome. „Erfreuliche“ Atome gar. Also wirklich, ich hatte schon ab­sonderliche Gedanken bei meiner Schnellschreiberei am 1. Oktober 1984. Ihr seht, das ist schon ein Weilchen her.

Ach, wäre es doch nur bei den beiden obigen Entgleisungen geblieben, aber die Episode hatte leider noch mehr Kracher zu bieten.

Die Waaklors entmotteten parallel zu diesen Geschehnissen ihre Raumflotte, die seit 14.000 Jahren mit einem Schutzüberzug versehen war. Immerhin muss­ten sie ja mit einem bald bevorstehenden Angriff rechnen. Entmotten war also schön und gut und angeraten. Doch was war die Quintessenz dieser Handlung? Alle Schiffe sind verrottet und Schrott? Nein, das las sich dann vielmehr folgen­dermaßen:

5.000 Einheiten der Waaklor-Flotte auf Rolaan wurden zum ersten Mal seit vierzehntausend Jahren wieder gewartet. Der glasartige Schutzbezug, der durch vierhundert Grad Hitze zum Verdampfen gebracht wurde, hatte die Kreuzer vor fast jeder Verfallserscheinung bewahrt. Es mussten nur sekundäre Schäden aus­gebessert werden. Aber für diese 5000 Schiffe hatten die Waaklors nur wenige Wochen Zeit. Bis dahin wurden sie von den gewaltigen Kreuzern der SCHWAR­ZEN MACHT beschützt.“

Ich notierte hierzu in den Kommentar recht hellsichtig und vermutlich auch et­was gallig: „Also, hier habe ich ja übel übertrieben. Die Waaklors sind doch keine Baumeis­ter, denen man derlei Leistungen zutrauen könnte. Ich machte mir so überhaupt keine Vor­stellung von der Materialermüdung. Selbst wenn die Schiffe durch einen Restat-ähnlichen Überzug1 völlig von Umwelteinflüssen abgeschirmt werden können, sind nach 14.000 Jahren (!!!) alle Kabelverbindungen völlig versteinert und müssen ausgetauscht werden. Die Gene­ralüberholung von 5.000 Einheiten geschieht zweifellos nicht über Nacht, sondern dauert Monate. Hier wirkt sich höchst nachteilig aus, dass ich zeitlich vollkommen amorph geblieben bin. Dringender Nachbearbeitungsbedarf!“

Tja, auch nicht eben glorreich… aber immer noch nicht das Ende der Fahnen­stange der Verrücktheiten. Ich blendete nun nämlich um zur Raumfestung OREOC, die schwer angeschlagen die Flucht in den Dimensionstunnel geschafft hatte, der auf obskure Weise direkt in die Todeszone der Waaklors mündete. Und man berücksichtige bei folgenden Worten den Gedanken, dass OREOC das RAUMSCHIFF selbst ist:

„’Wir werden verfolgt‘, stellte Gruhl fest. Seine großen, konturenlosen Augen glühten in mattem Rot, was bei ihm das Zeichen unterdrückter Erregung war.

‚Die Synox sind uns auf den Fersen‘, stellte Gruhl weiter fest. Niemand küm­merte sich um seine Aussagen. Der titanenhafte Timor-Dol sagte nichts. Er schi­en sich damit abgefunden zu haben, dass er nichts tun konnte. Einzig und allein OREOC hatte alles in der Hand.“

Und damit dachte ich dann: Toll. OREOC hat alles in der Hand, und die Lichtfes­tung HAT überhaupt keine Hände… also, welcher Depp mich da wohl geritten hatte, dass ich so einen Schwachsinn von mir gab, ich konnte es mir wirklich nicht erklären.

Ich meine, es ist mir bewusst, dass mir mitunter Sätze entschlüpfen, die nicht wirklich eine Art von konsistenter Logik beinhalten. Aber solchen Nonsens in Episoden reinzuschreiben und diese dann sogar noch munter Brieffreunden zu lesen zu geben… das grenzt schon ein bisschen an selbstmörderischen Wahn­sinn, denkt ihr nicht auch?

Es gibt noch diverse andere Fehler und Fehlerchen in dieser Episode, mit denen ich euch nicht behelligen möchte. Die obigen Zitatstellen sind freilich so die Cre­me de la Creme der Fehler in dieser Folge.

Da muss ich wirklich sagen, dass ich sehr froh bin, in der kommenden Woche wieder für passende Erdung zu sorgen – dann schauen wir uns an, was ich im Dezember 2017 noch so alles an kreativen Taten zustande gebracht habe. Hof­fen wir, dass das ordentlich ist.

Soviel für heute. Bis bald, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Das ist eine Andeutung, die für die meisten von euch vermutlich keinen Sinn macht. Sie bezieht sich auf KONFLIKT 17 „Drohung aus dem All“ (1983-1986). Hier fanden terranische Kolonisten extraterrestrische Technologie, die durch einen glasartigen Überzug vor Alterungsschäden geschützt wurde. Dieser Überzug wurde „Restat“ genannt, eine semantische Erfindung aus dem Jahre 1983.

Rezensions-Blog 155: Geheimcode Makaze

Posted März 14th, 2018 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

hier haben wir dann also den ersten Roman, auf dem Vater und Sohn Cussler offiziell als gleichberechtigte Autoren firmieren – und es ist ein rasanter, pa­ckend und plausibel geschriebener Thriller entstanden, der für zahlreiche der letzten Werke des Altmeisters entschädigt. Ein Buch mit glaubwürdigen Schur­ken, einem mehrstufigen, raffinierten Plan, überraschenden Wendungen und wirklich üblen Cliff-hangern zwischen den Kapiteln. Ein Werk, würde ich sagen, das sich anstelle von Actionfilmen durchaus lohnt, um sich mal ein entspanntes Wochenende um die Ohren zu schlagen.

Wir wissen natürlich heutzutage, dass das Problem mit Nord- und Südkorea, das wesentlich durch die Unbilden des Kalten Krieges und die Unfähigkeit der Supermächte zu klaren und langfristigen Lösungen ins Leben gerufen wurde und bis heute zumindest den Norden Koreas in Geiselhaft hält, sich nicht von selbst in Luft auflösen wird. Ganz sicher auch deshalb nicht, weil heutzutage Atomwaffen im Spiel sind, leider. Und wir wissen auch, dass naive Pläne, die ko­reanische Wiedervereinigung zu erzwingen (erinnert euch an diese wahnsinnige Vorstellung im Bond-Film „Stirb an einem anderen Tag“, den ich sonst durchaus gelungen fand), regelmäßig fehlschlagen. Das hier ist deutlich geschickter ge­strickt und sowohl politisch wie wirtschaftlich besser ausgeklügelt.

Und das alles fängt, wie bei Cussler üblich, in der tiefen Vergangenheit an. Na, diesmal nicht ganz so weit in der Vergangenheit, sondern gerade mal ein paar Jahrzehnte.

Wie sieht die Sache genau aus, und worum geht es? Nun, hierum:

Geheimcode Makaze

(OT: Black Wind)

von Clive Cussler & Dirk Cussler

Blanvalet 37151

512 Seiten, 2009

ISBN 978-3-442-37151-8

Übersetzt von Oswald Olms

Neue Besen kehren gut, pflegt man zu sagen, und manchmal überträgt sich das Talent eines besessenen Schriftstellers ja auch auf dessen Sohn. Das überlegte sich wohl auch der Bestsellerautor Clive Cussler und ermöglichte es seinem Sohn Dirk (oder verpflichtete ihn, so genau ist der Rezensent da nicht in­formiert), an seinen Romanen mitzuschreiben. Genau genommen: an den Dirk-Pitt-Romanen, an denen Cussler seit Jahrzehnten arbeitet.

Wir erinnern uns: Dirk Pitt ist jene Form von marinem James Bond, der seit über 30 Jahren im Dienst der National Underwater Marine Agency (NUMA) tä­tig ist, um als Mann für abenteuerliche Einsätze verschollene Schiffe, Flugzeuge und andere Dinge zu finden, die seit langem verschollen sind, wobei er meist zugleich die machthungrigen, fanatischen oder einfach verrückten Machtmen­schen dieser Welt im Zaum hält und deren Pläne durchkreuzt, bei denen es nicht selten um massenmörderische Anschläge auf die Zivilgesellschaft geht. Zusammen mit seinem unverwüstlich humorvollen Kompagnon Al Giordino pflegt der Draufgänger die Harmonie der Welt stets zu retten und dabei diverse Schätze sicherzustellen. Ob es um das Heben der TITANIC geht, die Auffindung des Grabmals von Alexander dem Großen, das Gold der Inka, das wahre Atlantis usw… Spannung ist in der Regel garantiert.

Seit einiger Zeit ist der Abenteurer aber – realistisch – in die Jahre gekommen und hat einigen Grund, ein wenig kürzer zu treten. Im Laufe der zurückliegen­den Romane gab es darum einige Abweichungen von der Norm: so klopften vor kurzem erst zwei unerwartete Sprösslinge nach rund 20 Jahren Unbekanntsein an die Tür von Pitts Flugzeughangar-Wohnung: die Zwillinge Dirk Pitt jr. und Summer Pitt, die Pitt sr. einst während eines selbst heute noch bemerkenswer­ten Hawaii-Abenteuers in den Schoß der schönen Summer Moran pflanzte.1 Während Pitt Summer für tot halten musste, tauchte sie ab, brachte die Kinder zur Welt und schickte diese erst kurz vor ihrem Tod zu ihrem leiblichen Vater.2 Und als wenn das alles nun noch nicht gereicht hätte, trat Pitts Chef, Admiral James Sandecker höchst wirkungsvoll von seinem Posten zurück und reichte ihn an Pitt weiter, der damit Direktor der NUMA wurde. Das war gewissermaßen das Hochzeitsgeschenk für Dirk Pitt sr., der seine langjährige Geliebte, die Kongressabgeordnete Loren Smith endlich heiraten durfte.3

Summer und Dirk jr. traten bei der NUMA ein und sozusagen in die Fußstapfen ihres Daddys, was sie im vorigen Roman schon unter Beweis stellen durften, da noch eher etwas unbeholfen. Das Buch kam folglich – auch wegen der inhaltli­chen Eindimensionalität – nicht gut bei mir weg, und ich fürchtete darum schon Übles, weil ich glaubte, Cussler sei nun endgültig verkitscht. Es sah auch wirk­lich alles danach aus, ganz ernsthaft.

In diesem vorliegenden Roman, dem ersten, den beide Cusslers gemeinsam schrieben, gelingt es nun indes, und das war eine schöne Überraschung, den beiden Sprösslingen Dirk Pitts gescheit Profil und Tiefe zu verleihen. Während das bei Summer noch durchaus ausbaufähig ist, hat Dirk Pitt jr. diesmal ordent­lich Boden wettgemacht und weiß als humorvolle, findige Person zu überzeu­gen. Und das kommt folgendermaßen:

Japan, Herbst 1944: Das Japanische Kaiserreich steht mit dem Rücken zur Wand und ist im Begriff, den Krieg gegen Amerika zu verlieren. In diesem Moment zahlen sich schreckliche Menschenexperimente in der besetzten Mandschurei (Mandschukuo) aus – zwei große Unterseeboote, die auch Flugzeuge an Bord nehmen und per Katapult in die Luft schleudern können, werden auserwählt, eine spezielle Geheimwaffe an die Westküste der USA zu bringen und einen Ter­rorangriff auszuüben. Aber während die I-413 schon auf dem Weg zum Ziel spurlos verschwindet, wird die I-403 erst dicht vor dem Missionsziel gefunden und knapp vor Durchführung ihres Auftrages durch Rammen versenkt. Die Höl­lenwaffe selbst, der „Makaze-Kampfstoff“, sinkt auf den Boden des Meeres und in der Vergessenheit.

Im Mai 2007 (der Roman ist in den Staaten 2004 erschienen und spielt, wie alle Dirk-Pitt-Romane, stets ein paar Jahre in der Zukunft, was freilich durch die Ver­spätung bei der deutschen Veröffentlichung neutralisiert wird) schreckt ein selt­sames Robbensterben auf den Aleuten die Wissenschaftler vom CDC, dem Cen­ter for Disease Control, gründlich auf. Ein Team unter Leitung von Sarah Matson untersucht den Robbenbestand und wird um ein Haar Opfer eines rätselhaften Angriffs. Es ist eher dem Zufall zuzuschreiben, dass ein Forschungsschiff der NUMA in der Nähe ist und Dirk Pitt jr. die Wissenschaftler retten kann, die offensichtlich Zyanidgas eingeatmet haben.

Als Pitt mit seinem Kollegen Jack Dahlgren einen Hubschrauberrundflug macht, um mögliche Quellen der Vergiftung ausfindig zu machen, werden sie von ei­nem Fischtrawler mit Gewehren abgeschossen, können den Absturz aber über­leben. Der Trawler verschwindet spurlos.

Gleichzeitig kommt es in Japan zu einer Reihe von spektakulären Attentaten, hinter denen offensichtlich die in den letzten Jahren weitgehend unbedeutende und inaktive Japanische Rote Armee steckt.4 Außerdem ereignet sich in Südko­rea ein spektakulärer Vergewaltigungs- und Mordfall, in den ein GI der amerika­nischen Streitkräfte verwickelt ist.

Auf den ersten Blick haben all diese Dinge miteinander nichts zu tun, aber das täuscht. Es kristallisiert sich nämlich rasch heraus, dass das direkt vor der Küste der USA liegende Wrack der I-403 Tauchbesuch hatte und die Waffenbehälter des Makaze-Giftstoffs, dessen genaue Zusammensetzung unklar ist, geborgen wurden. Kurz darauf wird auf Dirk Pitt jr. und seine neue Flamme Sarah Matson ein Mordanschlag unternommen, der nur sehr knapp fehlschlägt. Anschließend erkrankt einer der Wissenschaftler an Pocken

Zur allgemeinen Beunruhigung stellt sich bald heraus, dass ein koreanischer Magnat mit zwielichtiger Herkunft, Dae-Jong Kang, einen vielschichtigen und höchst raffiniert angelegten Plan verfolgt, in dem der Giftstoff der beiden ver­sunkenen U-Boote eine zentrale Rolle spielt. Der Tod von Millionen von Men­schen ist von ihm eiskalt einkalkuliert als „Kollateralschaden“ für sein eigentli­ches Ziel: die Wiedervereinigung von Korea unter dem Diktat der nordkoreani­schen Einheitspartei.

Sehr rasch kreuzen dabei die Wege von Kang und seinem mörderischen Hand­langer Tongju wieder die der NUMA-Mitarbeiter unter Summer und Dirk Pitt jr., und es kommt zu Schusswechseln, Entermanövern, zur Versenkung eines Schiffes, zu gerade noch vereiteltem Massenmord, und schließlich sehen sich Pitts Kinder angekettet in einer Tidenhubhöhle, in der sie jämmerlich ersaufen sollen.

Man kann durchaus nachvollziehen, dass den Pitts in solchen Situationen die Zornesader zu schwellen beginnt und alle drei eine tiefe Abneigung gegen den sinistren Kang fassen. Leider hilft ihnen das alles recht wenig, weil sie ständig im Dunkeln tappen, was die Art von Kangs furchtbarem Anschlag angeht. Buch­stäblich zwei Stunden vor Ultimo treffen sie dann auf die Vernichtungswaffe, und alles, was sie an Waffen besitzen, sind ein Kleinst-U-Boot, Frechheit und ein unbewaffnetes Luftschiff… und ihnen läuft die Zeit davon…

Ich muss schon sagen – ich habe lange keinen Cussler-Roman mehr mit so viel Genuss gelesen wie dieses Buch. Mehr noch: die zweite Hälfte des Romans habe ich an einem Tag verschlungen, weil ich einfach nicht mehr an irgendwas anderes denken konnte als daran: wie winden sich die Kerle wohl aus dieser üb­len Geschichte wieder heraus? Das dürfte vielen Lesern so gehen, könnte ich mir vorstellen. Atemlose Spannung ist allein schon deshalb garantiert, weil die Gegner so ungemein raffiniert agieren. Die US-Regierung, die japanische Regie­rung und die südkoreanische werden gewissermaßen mit heruntergelassenen Hosen erwischt und sind durch diplomatische Fallstricke quasi gelähmt, und auf der Gegenseite sind die Feinde einfach perfekt darin, ihr Timing zu vervollstän­digen, alle Trümpfe auf ihre Seite zu bringen, die Spuren zu verwischen… und die NUMA-Leute tappen lange Zeit im Dunkeln.

Das kommt durchaus nicht deppenhaft herüber, sondern recht glaubwürdig. Auch dann, wenn beispielsweise Diskussionen mit Kang geführt werden über die wirtschaftliche Zukunft Koreas, zeigt sich recht deutlich, dass die Autoren darüber gründlich nachgedacht haben und nicht einer eindimensionalen, nai­ven Anschauung zum Opfer fallen. Ich würde vermuten, das geht wesentlich auf Dirk Cusslers Einfluss zurück.

Klar, es kommt mal wieder zu einem „unvermeidlichen“ Auftritt eines weißhaa­rigen, wallebärtigen Helfers in der Not, der sich mit „Clive Cussler“ vorstellt, was dann schon ein wenig naiv wirkt. Und man kann auch Kritik üben an der Art und Weise, wie die Demarkationslinie zwischen Nord- und Südkorea dargestellt wird. Aber im Großen und Ganzen wird hier ein äußerst spannendes, inter­essantes Garn gesponnen, das, was die historischen Details angeht, äußerst präzise ist. Und das Faszinierendste steht ziemlich am Schluss, das überliest man leicht – da geben die Cusslers nämlich eine Prognose über die koreanische Zukunft ab und prognostizieren fürs Jahr 2025… aber nein, das sollte man dann doch lieber selbst lesen. Das ist recht beeindruckend.

Packendes Lesevergnügen ist auf alle Fälle garantiert. Klare Leseempfehlung! Hoffen wir, dass die Cusslers noch mehr Zusammenarbeiten hinbekommen. Das lohnt sich sicher zu lesen.

© 2011 by Uwe Lammers

Nein, ich glaube, der Rezension von 2011 ist an dieser Stelle nichts Wesentli­ches mehr hinzuzufügen. Bleibt mir noch übrig, kurz auf den Event der nächsten Woche hinzuweisen: Da machen wir uns auf und begleiten den Zauberschüler von Hogwarts in seinem dramatischen fünften Schuljahr.

Bis dann, meine Freunde, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Vgl. dazu Clive Cussler: „Im Todesnebel“. Siehe auch den Rezensions-Blog 66 vom 29. Juni 2016.

2 Vgl. dazu Clive Cussler: „Im Zeichen der Wikinger“. Siehe auch den Rezensions-Blog 135 vom 25. Oktober 2017.

3 Vgl. dazu den Schluss von Clive Cusslers letztem Buch „Die Troja-Mission“. Siehe auch den Rezensions-Blog 143 vom 20. Dezember 2017.

4 Übrigens keine Erfindung der Cusslers. Wer mehr über die JRA nachlesen möchte, der vergewissere sich bei Stefan Aust in dessen Buch „Der Baader Meinhof Komplex“. Von mir übrigens bereits in der Frühzeit des Re­zensions-Blogs publiziert. Vgl. dazu den Blogeintrag 6 vom 5. Mai 2015.

Wochen-Blog 262: Legendäre Schauplätze 7: Garos

Posted März 11th, 2018 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

man schrieb das Jahr 7474 nach Christi Geburt, als ich erstmals den Boden des Planeten Garos betrat… und wer sich jetzt schon beim ersten Satz wundert, warum ich vom Planeten Garos redete, wo ich doch vor geraumer Zeit noch davon sprach, dass Garos ein schottisches Dorf sei1, der sollte heute mal auf­merken und sorgsam weiterlesen. Garos ist nicht umsonst ein legendärer Schauplatz. In gewisser Weise gibt es ihn zweimal.

Im Jahre 1981 oder 1982 – so genau lässt sich das nicht mehr bestimmen, weil ich in der Anfangszeit nicht wirklich sonderlich systematisch Aufzeichnungen machte, die Notwendigkeit dazu erkannte ich erst ab 1984, und da war die erste Serie des Oki Stanwer Mythos, „Oki Stanwer“, bereits fast Vergangenheit. In die­ser Serie landete ich auch erstmals auf Garos, und um chronologisch nicht Cha­os zu erzeugen, fange ich damit an.

Garos ist eine kühle, erdähnliche Welt am Rande der Galaxis Milchstraße im nachmaligen KONFLIKT 15. Hier lebt eine kleine Gruppe von Menschen, mut­maßlich die Nachkommen von Schiffbrüchigen, die technisch auf ein mittelal­terliches Niveau zurückgefallen sind. Die am höchsten entwickelten Waffen sind Schwerter und ähnliche Totschlaginstrumente. Ich befand mich damit also quasi in einem Fantasy-Setting, das unzweifelhaft von meiner damaligen Lektüre der MYTHOR-Heftromanserie inspiriert wurde. Davon legt auch der so genannte „Schattenwall“ Zeugnis ab, der sich rings um die von Menschen besiedelten Regionen gelegt hat. Sie sind hier auf einem kleinen Teil der Planetenoberfläche gefangen, und sie kämpfen mit dem Rücken gegen die Wand gegen den „Schat­tenherrscher“, ein Wesen namens Gormus.

Ich bekam sehr schnell heraus, dass Gormus ein Dämon von TOTAM war, aber anfangs ging es darum noch gar nicht. Es strandete nämlich ein Raumschiff mit­ten im dämonischen Umschließungsring. An Bord: ein männlicher Android aus der Kleingalaxis Zoran, die, hinter Dunkelwolken verborgen, in unmittelbarer Nähe der Milchstraße existierte.

Nach Zoran war während des mehr als tausendjährigen, chancenlosen Voork-Krieges ein Teil der Menschheit ausgewandert und hatte sich hier technologisch weiterentwickelt. Das Ziel der nun Zoraner genannten Menschheit bestand dar­in, dereinst mit Androiden-Armeen in die Heimatgalaxis zurückzukehren und die Voorks mit Stumpf und Stiel auszurotten.

Nun, einer der Androiden tanzte indes aus der Reihe, weil eine Seele aus der Ewigkeit in ihn eingedrungen war und eine neue, wenn auch unter Amnesie lei­dende Persönlichkeit induzierte: Oki Stanwer, der legendäre Okikaiser des my­thischen okischen Großreiches, das angeblich vor mehr als neuntausend Jahren untergegangen war. Als Matrixfehler existierten von diesem Reich noch zahlrei­che hochtechnische Relikte, beispielsweise jenes Raumschiff, das Oki Stanwer als Okikaiser identifizierte und nach Garos in Sicherheit zu bringen trachtete.

Vom Regen in die Traufe? Ja, in der Tat. Eigentlich existierte auf dieser Welt ein Oki-Stützpunkt, jedenfalls nach den Aufzeichnungen des Schiffscomputers. Dummerweise, wie das bei Matrixfehlern nun mal so ist, stimmten die Daten mit der Realität nur sehr bedingt überein. Und so strandete Oki also auf Garos, wurde erst von den menschlichen Kolonisten gerettet und geheilt, wobei er Freundschaft mit einem herkulischen Hünen namens Thor Gordenbeyl schloss. Und dann erklärte er sich bereit, gegen den Schattenherrscher anzutreten.

Unter den obwaltenden Gegebenheiten ein völliger Wahnwitz. Weder verstand ich recht, was los war (so begriff ich etwa eine ganze Weile lang nicht, dass Thor ein Helfer des Lichts war und Oki ihn eigentlich mit dem Direktkontakt hätte ak­tivieren sollen, wie das üblicherweise später der Fall war), noch hatte Oki Stan­wer ahnungslos eine Chance gegen einen Dämon von TOTAM.

Die Sache ging denn auch ziemlich schief.

Da es verwirren würde, hier vom direkten Fortgang zu berichten, der unter an­derem den Dämonenplaneten TOTAM, ein Paralleluniversum und die okische, verfallene Medowelt OKISTAN einschloss, und es zudem von Garos fortführte, setze ich mit der Berichterstattung später ein.

Deutlich später, nämlich 1983, kehrte Oki mit Thor und Kampfgenossen dann nach Garos zurück, um hier mit dem Schattenherrscher Gormus abzurechnen. Diese Abrechnung führte dann auf apokalyptische Weise zum Untergang des Planeten.

Oje, dachte ich, das ist aber nicht gut gelaufen. Um es vorsichtig zu sagen.

Zu dem Zeitpunkt hatte ich ein anderes Problem, das auch mit Garos zu­sammenhing. Denn im KONFLIKT 13 „Oki Stanwer Horror“ hatte ich zwischen­zeitlich eine reine „Horror“-OSM-Ebene etabliert. Hier gab es ebenfalls einen Thor Gordenbeyl, der ebenfalls – wie in der ersten Serie – als „Hüne von Garos“ bezeichnet wurde.

Ich geriet ins Grübeln. Da diese Serie, die komplett auf der Erde des Jahres 2123 spielte und in der die Menschheit die Raumfahrt vollständig eingestellt hatte, natürlich keine Kolonialwelten existierten, konnte Thor kaum vom Planeten Garos stammen. Tat er auch nicht.

Ich stellte fest, dass der Planet Garos eigentlich eine obskure Form von Matrix­fehler darstellte, dessen Keimzelle (höchstwahrscheinlich) in KONFLIKT 13 zu su­chen war. Und hier war Garos ein kleines, von der Menschheit vergessenes Dorf im schottischen Hochland.

Es kam ein neues Problem zum Tragen: die Serie beginnt tatsächlich erst im Jah­re 2123, aber hier wird eingangs bereits erwähnt, dass Oki Stanwer schon seit zehn Jahren für New Scotland Yard unter dem Yard-Commander Calvin Moore arbeitet. Im Laufe dieser zehn Jahre, kristallisierte sich schnell heraus, hatte er eine Reihe von Fällen bearbeitet und dabei einen Freundeskreis etabliert, zu dem mehrere Helfer des Lichts gehörten.

Dazu Thor Gordenbeyl.

Thor, dessen Lieblingswaffe eine mächtige Doppelaxt aus geweihtem Silber war, hatte diese Waffe angeblich aus dem Dorf Garos mitgebracht, wo er als „Henker der Toten“ im Dienst der Dorfführung stand.

Ich dachte mir, je weiter diese Geschichte sich entwickelte, dass es doch sehr in­teressant sein würde, herauszufinden, wie dieser Fall damals tatsächlich abge­laufen sein mochte. Damals plante ich, innerhalb der Serie so genannte „Re­member-Bände“ einzufügen, in denen ich von Okis alten Fällen berichten woll­te.2 Bis auf zwei davon habe ich aber keine realisiert – der Handlungsstrom ga­loppierte mir einfach zu schnell davon, und die Serie war im Dezember 1985 schon etwas überraschend mit Band 77 beendet.

Verdammt, und mein Kopf war noch voll von Oki Stanwers alten Abenteuern in der Zeit zwischen 2113 und 2123! Was also sollte ich tun?

Ich kehrte im Jahre 1988 mit dem wagemutigen Plan zurück, diese Serie in Ro­manform fertig zu überarbeiten und sie später zu publizieren. Allerdings war ich damit strukturell völlig überfordert, und so ist dieses Werk, „DER CLOGGATH-KONFLIKT“ (CK) bis heute ein Fragment, freilich eins, das mehr als dreitausend Textseiten umfasst und bis in die 50er-Episoden der Serie reicht.

Was hat das jetzt mit Garos zu tun? Dies:

Ganz so wie 25 Realjahre später, als ich mein E-Book-Programm fundierte, hatte ich mich dazu entschlossen, hier eine gründliche Fundierung vorzunehmen. Was das bedeutete? Dass ich nicht einfach mit Band 1 der OSH-Serie in der Überarbeitung anfangen konnte.

Ich fing stattdessen mit der Vorgeschichte an.

Wann Oki Stanwer erschien. Wie er zu New Scotland Yard kam. Wo und unter welchen Umständen er seine ersten Freunde fand und die frühen Auseinander­setzung mit seinen Feinden, den Dämonen von TOTAM, hatte. Und da brachen all die verborgenen oder bislang nur angedeuteten Ideen und Informationen aus mir hervor.

Ich beschrieb, wie Oki Stanwer aus dem Nichts erschien und es ihm gelang, das Attentat auf die Queen zu vereiteln (wie unten zu sehen ist, war das für den er­sten und zweiten Remember-Band vorgesehen). Die Jagd auf den MAESTRO schloss sich an, einen Verbrecher mit tausend Gesichtern, und schließlich kam er dann auch in das schottische Dorf Garos, wo er die alptraumhafte Gemeinde kennen lernte, in der Lebende und Leichen zusammen lebten und die Magie offenbar völlig normal war.

Und hier war Thor Gordenbeyl, der Hüne von Garos, tatsächlich der Henker im Auftrag der Toten, der jeden Eindringling mit seiner Silberaxt köpfte… und das sollte auch Oki Stanwers Schicksal sein. Wie er ihm entging und wie es kam, dass Thor im Gefolge dieser Ereignisse jede Erinnerung an sein Heimatdorf ver­lor, möchte ich nicht vorwegnehmen, da ich ja in naher Zukunft die Veröffentli­chung des „CLOGGATH-KONFLIKTES“ im E-Book-Format plane.

Wie ihr allerdings andererseits aus dem Blogartikel 165 entnehmen könnt, bin ich inzwischen schon deutlich weiter gekommen. Während Oki Stanwer noch in KONFLIKT 13 später nach Garos zurückkehrte und mitten in den Strudel des Un­tergangs hineingerissen wurde – was fatale mentale Konsequenzen für den Fi­nalzyklus der Serie haben sollte – , schloss ich 1988/89 vorerst mit Garos ab. Erst, als ich anno 2016 bei der digitalen Neuerfassung des CK hierhin zurück­kehrte, fielen mir die zahlreichen Ungereimtheiten von Garos auf.

Da gab es dieses Säurebad, umsäumt von Druidensteinen.

Da gab es eine Art Unsichtbarkeitsschild, der das Dorf vor den Augen Unberufe­ner verbarg. Und noch so manches andere Rätselhafte. Heute bin ich mehr denn je überzeugt, dass Garos nicht einfach nur ein seltsamer, exotischer Hand­lungsschauplatz des OSM in mehreren Universen ist, sondern ein zutiefst beun­ruhigender Ort, an dem kosmische Geschichte geschrieben wird… ein bisschen wie der verrufene Schädelfriedhof von Oban, von dem ich beizeiten berichten werde.

Wiewohl also Garos als Planet in KONFLIKT 15 und als Dorf auf der Erde in KON­FLIKT 13 ausgelöscht wurde, kann als sicher gelten, dass das letzte Wort über diese Location noch nicht gesprochen ist. Wir können davon ausgehen, dass ich dereinst wieder Garos einen Besuch abstatten werde, unter welchen Bedingun­gen dann auch immer. Es bleibt unbedingt interessant.

Soviel für heute. In der kommenden Woche gibt es mal wieder eine originelle „Fehlerlese“. Ich glaube, das ist ein ganz vergnügliches Stück Blogartikel, das ich da für euch verfasst habe. Und nein, ich nehme mich da selbst nicht vollkom­men ernst. Fehler kommen halt vor, selbstverständlich auch bei mir – und ich kann durchaus darüber lachen, wenn ich solchen Schrott entdecke, den ich vor Jahrzehnten zusammengeschustert habe… ihr werdet es sehen, wenn ihr kommende Woche wieder reinschaut. Vielleicht ist das ja für angehende Literaten unter euch auch mal ganz erhellend, wie naiv und semantisch unpräzise ich damals war.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Vgl. dazu bei Interesse den Blogartikel 165 vom 1. Mai 2016.

2 Eine alte handschriftliche Aufzeichnung gibt darüber genauer Auskunft. So war als Band 52 eine Episode mit dem Titel „Der Fremde“ geplant, in dem ich Oki Stanwers Auftauchen thematisieren wollte (Handlungszeit also anno 2113). Als Band 65 wollte ich „Attentat auf die Queen“ bringen, ebenfalls eine Episode, in der Oki sich bei Abwendung eines dämonischen Attentates für die Regierung unentbehrlich macht und Mitarbeiter des Scotland Yard wird. Und mit Band 71 „Henker der Toten“ sollte Oki dann in Garos auftauchen. Für die Episoden 84 und 85 waren unter den Titeln „Ein Treffen mit Yorrok“ und „Die Schlacht im Trüben Land“ zwei weitere Remember-Bände geplant – dies waren letztlich die einzigen, die ich je schrieb, als OSH-Bände 62 und 63. Und ein siebter Band war unter dem Titel „Der grüne Werwolf“ als Band 89 angedacht.

Rezensions-Blog 154: Der Maulwurf im Kreml

Posted März 7th, 2018 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

als ich vor fünfzehn Jahren, als frisch gebackener Absolvent der Geschichts­wissenschaften an der TU Braunschweig mal wieder ein Buch aus meinem Alt­bestand ungelesener Bücher griff (Fans kennen diese Art von Dauerablage als SUB – „Stapel ungelesener Bücher“, aber es dauerte ungelogen Jahre, bis ich diese Abkürzung selbst verwendete), entschied ich mich für dieses Werk, das ich schon in den 90er Jahren erworben hatte. Es war eine interessante Erfah­rung, die ich heutzutage partiell unter „kontrafaktisch“ einsortieren würde.

Die Frage, wie Josef Stalin zu Tode kam, ist bis heute geheimnisumwittert, und der vorliegende Roman ist natürlich nicht der einzige, der das thematisiert. Für mich war das thematisches Neuland, über die russische Geschichte en detail wusste ich nicht sehr viel, und ich lernte folgerichtig einiges Interessante durch diese Lektüre.

Zugleich, das werdet ihr feststellen, tat ich mich mit dem Werk schwer. Es hat etwas von einer Achterbahnfahrt an sich. Mal faszinierend fein geschliffene Charaktere, dann wieder völlige Plattheit bei der Schilderung anderer. Heutzu­tage würde ich sagen, dass man insbesondere bei der Darstellung der Frauen­charaktere deutlich das Alter des Verfassers und eine gewisse traditionelle Ver­knöcherung spüren konnte. Das, was wir heutzutage aus der Literatur kennen, namentlich (aber durchweg nicht ausschließlich) im Bereich der erotischen Lite­ratur, nämlich die Darstellung starker Frauencharaktere, die sich auch ohne männlichen „Begleitschutz“ zu behaupten wissen und glaubwürdig dargestellt werden, das war für Kruse offenkundig Neuland. Weswegen ihm, meiner An­sicht nach, die Darstellung von Gail definitiv missraten ist.

Einerlei – dies ist meine persönliche Sichtweise. Vielleicht sehen andere Leser das ja auch völlig unterschiedlich. Ich denke, dass es darum durchaus sinnvoll ist, dieses Buch mal zur Prüfung vorzustellen.

Neugierig geworden? Dann lest mal weiter:

Der Maulwurf im Kreml

von John Kruse

Bastei 13205

464 Seiten, TB

Juli 1989

Übersetzt von W. M. Riegel

Wir schreiben das Frühjahr 1953. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat sich eine neue Ordnung über die Welt gestülpt, die von zwei aufstrebenden Supermächten, den USA und der Sowjetunion dominiert wird. Überall in der Welt werden Stellvertreterkriege ausgefochten, aktuell gerade in Korea. Der Krieg der Geheimdienste beginnt jedoch gerade erst. Die sich formierende Or­ganisation der Central Intelligence Agency (CIA) soll eine Frontstellung in diesem Kampf einnehmen, leidet jedoch unter einem offenkundigen Manko: es gibt in der Sowjethierarchie keinen geeigneten Spion, der aus Stalins direkter Nähe be­richten könnte…

Das erweist sich als Irrtum. Der amerikanische Staragent David Kelland berich­tet, dass er seit mehreren Jahren einen Topspion direkt im Kreml besitzt, einen so genannten Maulwurf, genannt „Red Omega“. Und Stalins kürzlich begonnene Säuberungsaktionen, die selbst seine eigenen Leibärzte nicht verschonen, zielt nach Kellands Aussage direkt darauf, Red Omega zu enttarnen.

Es gibt also offenkundig nur einen Weg, diese Enttarnung zu verhindern. Sie lautet: töten Sie Stalin! Dabei darf indes kein Verdacht auf die USA fallen, ande­renfalls droht ein nuklearer Weltkrieg…

Kelland, ein in jeder Beziehung eiskalter Mann, der über Leichen geht, beginnt seine Fäden zu ziehen und eine Operation mit dem verharmlosenden Titel „Sonnenblume“ zu inszenieren. Seine Schachfiguren sind die zwangsversetzte Agentin Gail Lessing in England und ihr psychotischer Aufpasser Holz – und ein antiamerikanisch eingestellter spanischer Revolutionär, der in Moskau vom NKWD verhaftet wurde und jahrelang in einem GULAG gelitten hat, aus dem er jedoch entfliehen konnte. Joaquin Cabeza, eine hochintelligente, höchst misstrauische und stolze Natur, ist noch immer glühender Kommunist, aber er hasst Stalin und das Regime, das in Spanien errichtet worden ist. Dennoch würde er nicht im Traum daran denken, dorthin zurückzukehren, weil ihm nichts als der sichere Tod droht.

Als Cabeza aber auf der Suche nach seiner Familie inkognito nach Spanien zu­rückkehrt und von seinem Todfeind General Franco inhaftiert wird, steht er mit dem Rücken zur Wand. Dennoch dauert es lange, bis er in Kellands Sinne zu „funktionieren“ beginnt. Und auch dann ist der Plan immerzu gefährdet, bis hinein ins Herz des Kremls und bis zur persönlichen Konfrontation mit dem großen Diktator Stalin selbst…

Josef Wissarionowitsch Dschugiaschwili, genannt Stalin, ist eine der gefürch­tetsten und unheimlichsten Gestalten der jüngeren Vergangenheit, ein Mann, getrieben von dem unbändigen Machthunger, zugleich zerrissen und geplagt von permanentem Misstrauen, das ihn selbst dazu bringt, seine Ehefrauen exe­kutieren zu lassen und engste Mitarbeiter von einem Tag auf den nächsten zu Todfeinden zu erklären.

Stalin starb am 5. März 1953 an einem Schlaganfall oder einem Herzinfarkt, so wird es erzählt. Dieser Roman geht von einer anderen Schlussfolgerung aus und ist deswegen historisch-kritisch von großem Interesse. Auch die Tarnung des „Maulwurfs im Kreml“, um den es letzten Endes eigentlich gar nicht genau geht – Cabeza ist die Hauptperson, unstrittig – , steht durchaus im Einklang mit den Zeitläuften.

Aber da hören die positiven Bemerkungen zu diesem Buch schon beinahe auf. Ich bin gerne bereit, dem britischen Autor Kruse, der seit 1954 hauptberuflich Drehbücher geschrieben hat, sich aber aus unklaren Gründen erst jetzt zu ei­nem Roman entschlossen hat, zu attestieren, dass er Personen glaubwürdig darstellen und agieren lassen kann. Aber er hat massive Schwierigkeiten mit Personen der Zeitgeschichte – was man besonders in der zweiten Hälfte des Bu­ches spürt. Er kann nicht sehr überzeugend Frauenfiguren aufbauen, was ich insbesondere in der hinteren Hälfte des Romans sehr bedauert habe, wo Gail Lessing eine mehr oder weniger reine Statistenrolle zugebilligt wird.

Wenn man, wie Gail, Agentin der CIA werden möchte und ausdrücklich mehre­re Male im Außeneinsatz war, dann wirkt ihre Darstellung im Fortgang des Bu­ches immer hölzerner, instrumentalisierter. Sie hätte liebevoller herausgearbei­tet werden sollen.

Auch neigt Kruse, wenn man kritisch bleiben möchte, zu überstürzter Darstel­lung an exponierten Stellen der Handlung. Wenn der Protagonist plötzlich Stalin gegenübersteht, ist es wenig nützlich, diese Stelle sehr schnell vorübergehen zu lassen und den von paranoidem Verfolgungswahn geradezu besessenen Dik­tator danach wieder zur Tagesordnung übergehen zu lassen. Das ist höchst un­realistisch.

Ähnlich ist es mit der angeblichen Motivation von „Red Omega“, warum er mit den Amerikanern zusammenarbeiten sollte… hier gibt es Argumentations­lücken, die auch durch lange Monologe am Ende des Buches nicht geschlossen werden können. Die letzten dreißig Seiten sind zwar geschwind zu lesen, aber sie dehnen sich dennoch wie Kaugummi. Insbesondere in Anbetracht der schlussendlich gewählten Lösung – es hätte schönere, faszinierendere Varianten gegeben – muss konstatiert werden, dass sie Seitenschinderei darstellen. Das versäuert dem Leser dann doch ein wenig den Schluss.

Wer sich hingegen für einen beeindruckend geschilderten spanischen Revolu­tionär interessiert, für eine innerlich zerrissene Persönlichkeit und einfach eine faszinierende Person, dem seien die ersten 250 Seiten dieses Buches sehr ans Herz gelegt. Und natürlich, falls man einen absolut unmenschlichen Vertreter westlicher Geheimdienste kennenlernen und am liebsten abservieren möchte. Gemeint ist David Kelland. Und was ihn angeht… ach nein, das sage ich dann doch nicht. Das sollte man selbst lesen.

Mit Einschränkungen durchaus ein empfehlenswertes Buch.

© 2003 by Uwe Lammers

In der Vorstellung der kommenden Woche bleiben wir in gewisser Weise der Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts verbunden. Es geht ebenfalls um die Nach­wehen des Zweiten Weltkriegs, aber diesmal verirren wir uns nach Fernost und in einen Roman von Clive Cussler… Moment, nur von Clive Cussler? Nein, denn auf dem Buchumschlag taucht auf einmal ein weiterer Name auf, der mich da­mals überraschte: Dirk Cussler! Cusslers Sohnemann – dessen alter Ego als Dirk Pitt jr. in der Handlung aktiv wird – , tritt als Coautor in Erscheinung.

Es kann natürlich nicht überraschen, dass ich ziemlich gespannt darauf war, ob der Junior neuen Wind in die Garde der alten NUMA-Kämpen bringen würde. Ob sich das bewahrheitet hat, erfahrt ihr dann im Blogartikel der kommenden Woche.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Liebe Freunde des OSM,

jeder Schriftsteller hat so seine Kniffe und Geheimnisse, mit dem Strom der kreativen Gedanken umzugehen, die ihm in den Sinn kommen und zu neuen Texten inspirieren. Davon nehme ich mich natürlich nicht aus, das ist mir schon seit sehr langer Zeit bekannt.

Manche Autoren neigen dazu, ihren Notizbüchern oder Tagebüchern auch Ge­schichtenideen anzuvertrauen. Andere schwören auf ausgiebige Zettelkästen (Arno Schmid wäre ein Beispiel). Nun, und ich habe eben mein System der Krea­tivkladden.

Ich begann damit etwa im März 1995 zu arbeiten, also kurz vor meinem Umzug nach Braunschweig, aber erst hier wuchs das System der Kreativkladden dann zu einer ansehnlichen Reihe im Laufe der folgenden gut 20 Lebens- und Schreibjahre an. Inzwischen befinde ich mich in Kladde Nummer 12, und sie ste­hen alle griffbereit direkt hinter meinem Schreibplatz im Arbeitszimmer, „im Schatten der Myrte“, wie ich mal vor langer Zeit dichtete.1

Als ich jüngst auf der Suche nach einem bestimmten Archipel-Fragment war, dachte ich mir: Verdammt, ich muss das in irgendeiner Kreativkladde aufge­schrieben haben… aber nur in welcher? Jede der Kladden umfasst immerhin ca. 160 Seiten in einem A5-formatigen roten Kladdenheft. Das war eine Menge Suchraum.

Während ich also diesen frustrierenden Gedanken wälzte, kam mir ein weiterer, der erheblich systematischer war und den ich – aus welchen Gründen auch im­mer – noch nie gewälzt hatte: Ich habe zu fast allem Listen angefertigt, für ge­sammelte Zeitschriften, gesammelte Bücher, Autoren, Blogartikel, E-Books, OSM-Episoden, Ordnerinhalte… weshalb um alles in der Welt habe ich keine Liste der Kreativkladden-Inhalte?

Das war eine wirklich gute Frage. Und da das Grübeln nutzlos und wenig ziel­führend gewesen wäre, machte ich mich umgehend daran, diese Liste anzuferti­gen… das war eine spannende Arbeit, muss ich sagen, und ich entdeckte wäh­rend der zwei Tage, die ich daran schrieb, erstaunliche Dinge. Ja, natürlich das Archipel-Fragment, das ich suchte, richtig.2 Das war lange nicht alles, was ich finden sollte.

Ihr erinnert euch sicherlich noch an den Blogartikel 233 „75 Fragmente… und was die Folge war“ (publiziert am 20. August 2017) und an meinen Verdruss, wie unvollständig die vormalige Auflistung war… nun, ich hätte mich nicht so früh freuen sollen, denn ich fand bei der Kreativkladden-Aufarbeitung nicht we­niger als sechzehn weitere Fragmente! Nun gut, viele davon waren Seitenpfade und Weiterungen vorhandener Geschichten bzw. Variationen davon, aus denen sicherlich keine eigenständigen Geschichten entstehen werden. Aber das betraf durchaus nicht alle.

Wie war das beispielsweise mit „Die Gefangene der See“, ein waschechtes Fantasy-Märchen, das eine wunderschöne Legende des Archipels werden wird?3 Oder diese Idee mit dem Titel „Die Zwerge des Archipels“ vom 11. Au­gust 2003?4 Da juckt es mich definitiv in den Fingern, diese handschriftlichen Fragmente demnächst abzuschreiben und sie in die Ordner der Archipel-Frag­mente einzugliedern. Wundert euch also nicht, wenn da demnächst einige der­artige Archipel-Fragmente in den „Work in Progress“-Berichten auftauchen (ha, bis dieser Beitrag publiziert wird, ist das sicherlich längst geschehen).

Es kamen aber auch noch andere Sachen zutage. Manchmal handelte es sich nur um Ideen, Titelanwürfe, wenn man so will, mitunter aber auch um mehrere Seiten lange Skizzen. Ein paar Beispiele seien erwähnt, um euch einen Eindruck von der Vielfältigkeit der Kreativkladden zu geben:

Allein in der ersten Kladde finden sich solche Ideen wie „Aktion Vampirtod“, „Silberspiegel-Schwestern“, „Sonntagssoldaten“, „Der Blut-Kolibri“, „Sein-Incor­porated“ und „Der Spiegelscherben-Mensch“ – bislang sämtlich nicht realisierte Gedankenfragmente, auf die ich vermutlich irgendwann mal zurückgreifen wer­de, wenn mein kreativer Dynamo erlahmt. Aktuell ist davon wohl eher keine Rede.

Zahllose Gedichte habe ich hier als erste handschriftliche Entwürfe festgehal­ten, die ich später abschrieb und in separaten Gedicht-Ordnern abheftete. Zeit­nahe Planungsskizzen, etwa für die Fertigstellung des KONFLIKTS 20 „Oki und Cbalon – Das Ewigkeitsteam“5, aber auch für die frühen Archipel-Romane wie „Die drei Strandpiratinnen“6 und „Evi und Petra“ sowie „Rhondas Weg“ finden sich in den Kreativkladden.

Manchmal ist es dabei erhellend, zu sehen, was mir für Gedanken kamen, die ich dann in den Romanen selbst NICHT anwandte. Diese handschriftlichen Vi­sionen sind in jederlei Weise ursprünglicher und näher an der Inspiration, wes­wegen ich sie für besonders wertvoll halte.

Interessante Hintergrundskizzen zum Oki Stanwer Mythos lassen sich hier ent­decken, etwa zum Komplex des WAHREN LEBENS in KONFLIKT 24 „Oki Stanwer – Der Neutralkrieger“7. Ebenfalls fand ich ein paar faszinierende Skizzen zu mei­ner phantastischen Krimiserie „Barry Carson“, über die ich mir 1998 noch inten­sive Gedanken machte.8

Ebenfalls hier entdeckte ich den zweiteiligen Abriss eines schlichten philosophi­schen Artikels mit dem Titel „Gedanken über eine Philosophie des Mehrwerts menschlichen Lebens“, der mich 1998 beschäftigte.9 Vielleicht verfolge ich das beizeiten mal weiter. Dieser Entwurf blieb damals fragmentarisch.

Ein Grund für meine Ablenkung davon dürfte in meiner Einbindung in die Struk­turen des Science Fiction-Clubs Baden-Württemberg (SFCBW) gewesen sein, denn in der Kladde 4 beginnen mehr oder minder ausführliche Überlegungen zur Entwicklung von Editorials für das SFCBW-Fanzine Baden-Württemberg Ak­tuell (BWA), in dem ich damals zum Chefredakteur avancierte. Planungsgedan­ken zu der Artikelreihe „Bausteine der Kreativität“ schlossen sich an.10

Selbiges gilt dann, als ich 1999 damit begann, im OSM den Romanzyklus um den Xin-Feuerspürer Shorex’uss zu entwickeln. Am 23. September 1999 skizzier­te ich dazu eine weitläufige Entwicklungslinie.11

Manche Ideen wie etwa „Die Wolkenfabrik“12 habe ich später in anderen OSM-Fragmenten weiterentwickelt, wobei ich den Ursprung der Idee aus dem Blick verlor wie in diesem Fall. Dass das OSM-Fragment „Ani und das Wolkenmäd­chen“13 hierauf zurückging, war mir völlig unklar.

Auch sind die Kreativkladden ein quasi unerschöpflicher Quell von Zitaten, die ich niederschrieb – fremde, meistens wenigstens. In der Frühzeit beließ ich es bei einfachen Abschriften. Langjährige Brieffreunde von mir wissen, dass ich früher – und heute noch gelegentlich – die Neigung hatte, Briefe mit Zitaten zu beginnen, um selbige aufzulockern. Interessanter wurde das in der späteren Zeit, wo ich dazu überging, die Zitate zu bewerten und zu kommentieren. Ich nehme an, aus meinen Zustimmungen oder Relativierungen können spätere Le­ser interessante Rückschlüsse auf meine mentale Verfassung zum jeweiligen Zeitpunkt der Niederschrift oder grundsätzlich auf meinen Charakter ziehen.

Ebenfalls fast notwendigerweise finden sich in den Kreativkladden erotische Skizzen, die manchmal in Geschichten oder Romane eingeflossen sind, mehr­heitlich aber in der Aporie enden und sich meist ziemlich ähneln. Nur relativ selten gibt es – oft nach mehreren Etappen, üblicherweise in aufeinander fol­genden Kladden niedergeschrieben – so etwas wie einen abgerundeten Hand­lungsbogen.

Es ist speziell hieran deutlich zu erkennen, dass ich in den frühen Kladden noch ein wenig orientierungslos war und nicht recht wusste, wohin ich diese Ideen fokussieren sollte. Ein sehr früher Ansatz – vor den Kladden – war die Fantasy-Erotik-Serie „Horrorwelt“, die ich ab Ende 1983 schrieb und die auf mehr als 150 Episoden kam, zweifellos stark angelehnt an die damals noch existente MY­THOR-Serie.

Als diese Heftromanserie einging, entwickelte ich deutlich später das Konzept der Serie „Erotische Abenteuer“, die von 1996-1999 auf immerhin 74 Episoden kam. Und dann, das ist in den Kladden überdeutlich zu erkennen, schwenkte ich mit der Realisierung solcher Gedanken nahezu vollständig auf den Archipel um.

Faszinierend ist auch, dass ich gerade in den Jahren 2000 und 2001, wo ich ja an sehr langen Archipel-Romanen arbeitete und noch der Ansicht war, der Archipel drücke sich prinzipiell in Romanen über 300 Seiten Umfang aus (was, wie ich heute weiß, natürlich nicht stimmte), von einer regelrechten Schwemme von Kurzgeschichtenideen heimgesucht wurde. Sie finden sich logischerweise nahe­zu vollständig in den Kreativkladden. Allein 38 noch nicht realisierte Ideen stam­men aus diesem kleinen Zeitfenster.

Als eine Form von Stimmungsbarometer lassen sich die Kreativkladden also durchaus analytisch auswerten. Es ist ebenfalls für die Spätzeit recht klar zu er­kennen, dass ich hier nüchterner wurde, mehr Zitate eintrug, diese stärker kom­mentierte, und sonst verstärkt zu Reiseberichten überging, da ich die Kladden dann auf Reisen mitnahm und entsprechende Eintragungen machte. Ob es sich dabei um einen SF-Con in Bad Urach handelt14, um meinen Besuch bei einer Hochzeitsfeier einer lieben hessischen Brieffreundin15 oder um Dienstreisen im Auftrag meiner historischen Beschäftigung in Projektverträgen…16 das alles fin­det sich eben genau hier.

In der Gegenwart, das merkt man in den späteren Kladden, deren Laufzeiten er­staunlich lang sind, hat das Eintragen deutlich nachgelassen. Das hat verschie­dene Gründe, mehrheitlich, so denke ich, ist das auf die verstärkte Computeri­sierung meines Schreibens zurückzuführen. Nein, das ist gar kein so kryptischer Gedanke, wie es jetzt auf den ersten Blick scheint – denkt mal selbst darüber nach. Wenn man nicht computerisiert ist oder es ein Weilchen dauert, bis man sich an die Schreibmaschine setzt und eine Notiz schreibt, neigt man (ich wenigstens) dazu, schnell und flink handschriftliche Notizen zu machen. Hat man dann eine Kladde zur Hand, ist es offensichtlich, wo eingetragen wird.

Wenn man aber, wie ich heute, den Computer direkt vor sich auf dem Schreibtisch als alltägliches Arbeitsgerät stehen hat, ist es wirklich leichter, so­fort eine neue Datei zu schaffen und Notizen darin zu integrieren, anstatt sie erst in eine Kladde einzutragen und später abzuschreiben. Der handschriftliche Arbeitsgang wird in der Regel übergangen. Ist nicht immer der Fall, aber inzwi­schen sehr häufig. Bis die Kreativkladde 12 also gefüllt und abgeschlossen ist, werden vermutlich noch Jahre vergehen.

Dennoch würde ich sagen, das Instrument der Kreativkladde ist durchweg nicht überflüssig. Bei Reisen leistet es mir ausgezeichnete Dienste, dito, wenn ich irgendwo unterwegs bin und mich eine Idee anfliegt. Neulich hätte sie mir sehr geholfen, als ich jählings in der Mensa von dem Bilderstrom der OSM-Story „Rilaans Geschichte“… ja… geradezu attackiert wurde. So kann man das wohl am ehesten nennen, das war ein echter Überfall. Da die Kreativkladde zu zücken und sofort mit dem Schreiben zu beginnen, das wär’s gewesen!

Vielleicht sollte ich die Kladde tatsächlich wieder zu meinem alltäglichen Requi­sit auf Reisen machen. Das könnte nützlich sein… nun, ich halte euch diesbe­züglich mal auf dem Laufenden, Freunde. Und für jeden von euch, der hin und wieder von Ideen geplagt und heimgesucht wird, empfehle ich ebenfalls das Führen einer solchen Kladde, eines kreativen Tagebuchs oder etwas in dieser Richtung. Ihr werdet schon sehen, das lohnt sich.

Soviel für heute von der kreativen Arbeitsfront. Nächstes Mal suchen wir wie­der einen legendären Schauplatz auf. Lasst euch davon überraschen, um wel­chen es diesmal geht.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Die handschriftliche Vorarbeit dazu findet sich in der Kreativkladde 5 (Laufzeit: 1999/2000).

2 Es handelte sich um das Fragment „Also doch eine Dunkel-Dirne!“, geschrieben am 20. November 2001, das ich in der Kreativkladde 7 entdeckte (Laufzeit: 2000-2002).

3 Niedergeschrieben in der Kreativkladde 7 am 14. Mai 2001.

4 Niedergeschrieben in der Kreativkladde 8 (Laufzeit: 2002-2004).

5 Enthalten in Kreativkladde 1 (Laufzeit: 1995-1997).

6 Ich hatte schon vergessen, dass ich diese Geschichte ursprünglich „Die Pirateninsel“ nennen wollte, so doku­mentiert in der Kreativkladde 2 (Laufzeit: 1997-1998).

7 Dokumentiert in der Kreativkladde 2 gegen Anfang 1998

8 Zu finden in Kreativkladde 3 (Laufzeit: 1998).

9 Ebd.

10 Beginnend in Kreativkladde 5 (Laufzeit: 1998-1999).

11 Sie findet sich ebenfalls in Kreativkladde 5.

12 Enthalten in der Kreativkladde 6 (Laufzeit: 2000).

13 Entwickelt am 23. Oktober 2010.

14 Enthalten in Kreativkladde 11 (Laufzeit: 2010-2016).

15 Enthalten in Kreativkladde 9 (Laufzeit: 2004-2008).

16 Enthalten in den Kreativkladden 10 (Laufzeit: 2009-2010) und 11.

Rezensions-Blog 153: Mathilde – eine große Liebe

Posted Februar 28th, 2018 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

wer länger meinem Blog folgt oder mich persönlich kennt, weiß um meine Lei­denschaft für eines der dramatischsten Kapitel des frühen 20. Jahrhunderts – den Ersten Weltkrieg. Ich stehe auf dem Standpunkt, dass er, wiewohl das Er­eignis in diesen Jahren aufgrund des „100jährigen Jubiläums“ wieder im Fokus der Geschichtsschreibung und der journalistischen Berichterstattung steht, im Wesentlichen noch weiße Flecken aufweist. Namentlich gilt das für den Punkt, der im unten stehenden Buch exemplarisch literarisch aufgearbeitet wird: das Einzelschicksal „vergessener“ Soldaten, wie sie in diesem Konflikt zu Hundert­tausenden auf schreckliche Weise von der Knochenmühle des Krieges zermah­len wurden.

Andere, darunter auch der unten thematisierte naive Manech, gerieten dann allerdings in eine mörderische Maschinerie, die mit der des Krieges und der di­rekten Vernichtung wie ein Zahnrad in ein anderes fasste: in die Verwaltungs­mühlen, die sich nicht um Emotionen, Ängste oder existenzielle Lebenserhal­tung kümmerte, sondern die Soldaten zu kleinen Rädern eines gewaltigen, menschenverachtenden Automatismus´ machte.

Wie in jeder Verwaltung, wie in jedem riesigen Apparat, kommen Fehler vor. Manchmal sind diese Fehler dramatischer, ja tödlicher Natur. Und dann wieder gibt es so etwas wie unbegreifliche, magische Wunder inmitten dieser Erbar­mungslosigkeit. Menschen, die aus dem Blickfeld verschwinden, deren Namen ausgelöscht sind, wie es scheint. Und andere Menschen mit blutenden Herzen, die nicht aufgeben wollen, die die Hoffnung nicht in den Wind schreiben, sich nach Wahrheit, nach der vollen Wahrheit sehnen. Selbst dann, wenn sie verbo­ten ist und gefährlich.

Solch eine Leidenschaft einer jungen, sehnsüchtig verliebten Frau schildert das unten stehende, sehr empfehlenswerte Buch. Wer weder Verfilmung noch Buch kennt (oder nur die Verfilmung), der lese bitte weiter. Es lohnt sich:

Mathilde – Eine große Liebe

(OT: Un long dimanche de fiançailles)

von Sébastien Japrisot

Aufbau Taschenbuch Verlag, 2005

320 Seiten, TB

Aus dem Französischen von Christiane Landgrebe

ISBN 3-7466-2117-8

Man schreibt den 6. Januar des Jahres 1917.

An der französischen Front gegen die deutschen Invasionsheere wird eine Kolonne von fünf Soldaten in Richtung Front getrieben. Es handelt sich um französische Soldaten, ihre Hände sind auf dem Rücken zusammengebunden, jeder von ihnen hat eine verbundene Hand. Sie sind verurteilt worden wegen Desertion – denn sie haben sich in der Hoffnung, dadurch aus dem Schlachtgemetzel des Gra­benkrieges entkommen zu können, selbst verstümmelt. Dafür sind sie, dem Kriegsrecht entspre­chend, als Verräter zum Tode verurteilt worden… doch anstatt Kugeln an sie zu verschwenden, wer­den sie zu einem der vorderen Grabenabschnitte getrieben, dicht an die deutschen Linien, um dann ins Niemandsland gestoßen und ihrem Schicksal überlassen zu werden. Von diesem Moment an ver­schwinden sie aus der Geschichte, allesamt.

Dieser Grabenabschnitt wird „Bingo Crepuscule“ genannt (etwa: Glücksspiel in der Dämmerung)1, und hier beginnen die Geheimnisse, die Lügen und die Rätsel: Die fünf Verurteilten sind von sehr unter­schiedlichem Naturell, sie haben sich vorher nicht gekannt, und nachher sind sie aus der Weltge­schichte ausradiert, offensichtlich alle im Niemandsland umgekommen. Der jüngste von ihnen, Jean Etchevery, genannt Manech, ist gerade 17 Jahre jung. Er hat eine ein Jahr jüngere Verlobte namens Mathilde, die nahe der Küste lebt und durch eine Krankheit in der frühen Kindheit gezwungen ist, dauerhaft in einem Rollstuhl zu fahren. Das ist für die beiden unwesentlich, seit Jahren lieben sie sich und sind sich selbst genug… gewesen.

Der Krieg zerstört alles, wie es immer so ist.

Aber in diesem Fall ist es schlimmer. Und doch anders.

Als Mathilde Donnay Monate nach dem Geschehen an der Front die grässlich nichtssagende Nach­richt von Manechs Tod erhält, mit der sie – wie es immer so ist – niemals gerechnet hat, da ist sie am Boden zerstört. Aber anstatt zu resignieren, wie man es erwarten könnte und wie es Millionen Wit­wen und Geliebten am Ende des Krieges widerfährt, beginnt diese kleine, zähe und versehrte Frau, einen Traum zu träumen. Den Traum einer jeden Frau, die ihren Geliebten im Krieg verloren hat: ich will wissen, was wirklich passiert ist. Ich will wissen, ob er tatsächlich nicht mehr am Leben ist, ich will Gewissheit!

Mathildes Vorteil ist es, dass ihre Eltern als Anwaltsfamilie vergleichsweise vermögend sind. Auf diese Weise kann sich das behinderte, intelligente Mädchen voll und ganz auf seine Suche konzentrieren – wenn es nicht Gemälde malt, mit denen Mathilde einigen Erfolg hat. Mit Hilfe von Zeitungsannoncen beginnt Mathilde, zu ermitteln. Die erste Fährte, die sie erhält, stammt aus einem Kloster, in dem ein sterbender Offizier namens Daniel Esperanza liegt. Er erzählt ihr die Geschichte von Manechs letzten Stunden, wie er sie erlebt hat, von dem Marsch durch den Schützengraben, nennt ihr die Namen der anderen Verurteilten. Erzählt, dass sie alle bei einem Feuergefecht im Niemandsland umgekommen sind. Niemand habe überlebt.

Mathilde weint.

Und sie sucht weiter, gegen alle Vernunft. Irgendetwas sagt ihrem Herzen, dass das nicht alles sein kann.

Und sie behält Recht, es ist nicht alles.

Weitere Zeitzeugen wissen Dinge, die Esperanza nicht wusste. Sie erzählen andere Geschichten. Dass es viele von den Verurteilten erwischte, aber nicht alle. Dass irgendwer davonkam. Dass Manech, geis­tig völlig verstört, einen Schneemann im Niemandsland baute. Dass einer der Verurteilten sich seiner Fesseln entledigte und eine Heldentat beging.

Mathilde forscht nach weiteren Angehörigen, Verwandten, und während sie das tut, verstreicht ein Monat nach dem nächsten, ein Jahr nach dem nächsten. Sie entdeckt zu ihrer nicht geringen Bestür­zung, dass die Geschehnisse im „Bingo“ von der Armeeführung vertuscht worden sind. Weil ein juris­tisches Unrecht geschehen ist: die Verurteilten waren bereits begnadigt, als sie auf ihren Marsch gin­gen. Die Begnadigung wurde aus niederen Motiven zurückgehalten.

Ansehen steht auf dem Spiel. Pensionen sind bedroht, wenn das herauskommt.

Neben ihrem brennenden Herzen beginnt Mathilde Donnay auch Wut zu empfinden, unendliche Wut und Rachsucht, will die Schuldigen finden, die dafür verantwortlich sind, dass ihr Geliebter sterben musste, obwohl es nicht nötig gewesen wäre. Wenigstens das will sie, wenn denn schon Manech tat­sächlich nicht mehr leben sollte.

Aber davon ist sie längst nicht mehr überzeugt.

Es ist eine wilde, verwegene Hoffnung, und Mathilde hat eigentlich keine Chance, das Rätsel zu klä­ren, wenn er noch leben sollte. Dennoch klammert sie sich daran, an den Brief eines Mitgefangenen, den man Cet Homme nannte und den er an demselben letzten Abend schrieb, ehe man ihn mit Manech ins Niemandsland trieb, an jenem 6. Januar 1917.

Er ist verschlüsselt, das erkennt man an der Wortwahl, und das ist natürlich ein unbegreifliches Rät­sel: warum sollte jemand, der dem Tode geweiht ist, noch einen verschlüsselten Brief schreiben? Das ergibt keinen Sinn… es sei denn, er kennt einen Weg hinaus aus der Falle, in der er steckt. Wenn er sicher ist, dass er das überlebt.

Doch Mathilde kann den Code nicht knacken, viele Jahre lang nicht.

Das gelingt ihr erst im Jahre 1924, nach zahllosen Reisen und Besuchen und Wegen in Sackgassen. In­zwischen hat sie mit dem wagemutigen Célestin Poux und dem Privatdetektiv Germain Pire, der ihre Hartnäckigkeit und ihre Bilder bewundert, Mitstreiter gefunden, die nach Möglichkeit auf ihrer scheinbar aussichtslosen Odyssee zur Seite stehen.

Und schließlich, am Ende des Weges, findet sie die Lösung…

Ich gestehe, ich hatte die Bilder der Verfilmung von 2005 im Kopf, als ich das Buch las, aber wiewohl sie in wesentlichen Teilen von dem Roman abwichen, insbesondere natürlich, was den Schluss an­geht, erwies sich das als weithin bedeutungslos. Im Zuge der Verfilmung wurde das Werk von Sébasti­en Japrisot (1931-2003) natürlich verändert, aber ich würde behaupten, der Kern blieb erhalten, und es ist eine wunderschöne Verfilmung geworden. Das Buch ist, wie das nahezu immer so ist, natürlich besser. Niemanden, der Literaturverfilmungen kennt, kann das wundern.

Wer „Action“ erwartet, weil ja schließlich wesentliche Teile des Romans im Ersten Weltkrieg spielen, wird notwendig enttäuscht werden. Die Rahmenhandlung, die in den Jahren 1919-1924 spielt (mit Ausflügen ins Jahr 1910, die einfach himmlisch süß geschrieben sind! Man lese sich nur mal die erste Begegnung zwischen Manech und Mathilde durch!), besticht durch einen atemberaubenden Detail­reichtum und eine bis in kleinste Einzelheiten hinein gehende Nachbildung der damaligen Zeit. Das betrifft insbesondere die Briefe und die beschriebenen Räumlichkeiten, aber auch die ganz unter­schiedlichen, auftretenden Charaktere erhalten ein lebendiges Feuer, das sie mal mehr, mal weniger liebenswert macht.

Das, was im Zusammenhang mit dem Ersten Weltkrieg gern vergessen wird, weil die Zahl der gefalle­nen und versehrten Soldaten, die Zahl der trauernden Hinterbliebenen und der Vertriebenen, ob­dachlos Gewordenen und zerstörten Leben so unbegreiflich groß ist, ist hier exemplarisch in einem Fokus dargestellt worden: jeder einzelne dieser Soldaten, jedes einzelne Skelett in einem der Massen­gräber ist ein Individuum, ein jedes hat eine Biografie gehabt, war Sohn einer Familie, aus der er durch die grausame Macht des Krieges für immer vor der Zeit gerissen worden ist. Und mit ihm wur­den alle Hoffnungen, alle Sehnsüchte, alle biografischen Bindungen, die ihn an das Leben banden, zerfetzt und zerstört, ein für allemal. Und für die meisten von diesen Soldaten lautete das Schicksal fortan auf: Namenlosigkeit, Vergessenheit. Degradierung zu einer reinen Zahl oder zu einem banalen Namen auf einer Gedenktafel (wenn man Glück hat).

Japrisot hat darüber hinaus ein hochpolitisches Kapitel der Vergangenheit aufgearbeitet, mit dem sich auch die deutsche Militärjustiz bis heute schwer tut: die Frage nämlich, wie man als Militärführung mit Menschen umgeht, die ihr unterstellt sind und die aus diesem Wahnsinn namens Krieg entfliehen wollen, weil ihr existenzieller Lebenserhaltungstrieb sie dazu drängt (übrigens ein völlig verständli­cher Reflex, wenn man mich fragt). In der plumpen Militärpsychologie, die im Übrigen auch noch bis Ende des Zweiten Weltkriegs – und vielleicht in vielen Armeen heute noch – vorherrschend ist, wer­den solche Personen einfach kriminalisiert. Meist bedroht man sie nur mit Haftstrafen, man bringt sie nicht gleich um.

Der Autor des Buches fragte sich: was wird sein, wenn einer dieser zum Tode Verurteilten und dann sogar noch vor dieser Tat Begnadigten dieses Schicksal übersteht?2 Er findet einen höchst intelligen­ten Ausweg aus dem moralischen und auch juristischen Dilemma, der sehr lesenswert ist (und nicht der Lösung im Film entspricht!). Jenseits der äußerst lesenswerten Liebesgeschichte, die der Franzose hier also erzählt, hat das Buch auch einen sehr spannenden und immer aktuellen politisch-histori­schen Bezug, den man nicht übersehen sollte. In jeder Hinsicht ist dies also ein Buch, das nicht nur Historikern, aber selbstverständlich auch ihnen, als gute Lektüre zugänglich gemacht werden sollte. Ihr werdet es genießen, Brief und Siegel darauf!

© 2009 by Uwe Lammers

Ja, mag sein, dass ich mit diesem „WK-I-Buch“ etwas spät dran bin, wenn ich diese Rezension heutzutage im Februar 2018 veröffentliche. Aber sei’s drum, ich stehe zu den obigen Worten, und das Desiderat der Forschung ist, soweit ich das aktuell sehen kann, nach wie vor nur partiell behoben worden.

In der kommenden Woche bleiben wir in der Zeitgeschichte, wechseln aber das Genre und das Jahrzehnt sowie den regionalen Fokus. Dann landen wir in den 50er Jahren in der Sowjetunion.

Neugierig geworden? Dann schaut wieder herein, Freunde!

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Das ist nicht der richtige Name, aber das Rätselspiel um den wahren Namen, der im Buch aufgelöst wird, mag ich an dieser Stelle nicht aufdröseln, es macht zu viel Spaß, es als Leser selbst zu versuchen.

2 Es mag übrigens gut sein, dass Japrisot einen Präzedenzfall vor Augen hatte, der mir nicht bekannt ist und ihn romanhaft exzellent aufarbeitete.

Liebe Freunde des OSM,

es ist wirklich atemberaubend, wie schnell die Wochen gegen Jahresende so da­hinfliegen. Ehe man sich versieht, sind schon wieder vier Wochen vorbei, und die Adventszeit steht direkt vor der Tür… ach ja, und vergesst bitte die Mär, dass arbeitslose Mitmenschen Unmengen an Zeit zur Verfügung haben. Für mich we­nigstens gilt das definitiv nicht. Ich erzählte jüngst meinem besten Freund am Telefon, womit ich so beschäftigt sei, und er meinte trocken zu mir: „Klingt so, als müsste dein Tag dreimal so lang sein wie normal, um alles darin unterzu­bringen, was du gerade zu schultern hast.“ Und es gipfelte in dem launigen Witz, vielleicht könnte ja eine Zellteilung, d. h. Duplizierung meiner Person die Lösung sein…

Nun, wie wir wissen, ist das Science Fiction und aktuell nicht im Bereich des Vorstellbaren. Ihr merkt halt, hier seid ihr unter die Phantasten gefallen. Was in anderem Kontext nur befremdlich wirkt, ist hier quasi Alltagssprache, und die exotischen Überlegungen führen nicht selten zur Geburt neuer Geschichten. Davon mag ich ein anderes Mal vielleicht mehr berichten. Heute gilt der Fokus meiner Aufmerksamkeit jenen lediglich 24 Werken, die ich im November 2017 fertig stellen konnte.

Vorhang auf:

Blogartikel 256: Work in Progress, Part 59

(OSM-Wiki)

(18Neu 95: Königreich Normandie)

(18Neu 96: Operation Horrorgrab)

E-Book 37: Die Nomaden von Twennar

Anmerkung: Ja, was lange währt… ihr kennt den Fortgang dieses uralten Spru­ches. Und doch, obwohl dieses E-Book nun fertig ist (und euch im Impressum mit „E-Book 39“ überrascht – das ist die externe Zählung, die obige ist meine in­terne), ist das natürlich noch kein Grund zum erleichterten Aufatmen. Der nächste Band bringt erst den (vorläufigen) Abschluss des RHONSHAAR-Cestai-Zyklus, es folgt später noch ein weiterer. Das ist so ähnlich wie damals mit den Abenteuern von Vaniyaa und ihren Gefährten. Um Vaniyaa geht es demnächst wieder in TI-Band 35. TI 30 steht jetzt jedenfalls jetzt verstärkt auf der Agenda meiner Aufmerksamkeit, also „Das Kriegernest“. Ihr werdet es hoffentlich schon in eurem E-Book-Speicher haben, wenn dieser Blogartikel Ende Februar 2018 er­scheint. Drückt mir mal die Daumen, dass ich das alles so zeitlich hinbekomme, wie ich das jetzt derzeit plane.

(E-Book 38: Das Kriegernest)

(12Neu 42: Alte und neue Wissenssucher)

Blogartikel 259: „Was ist eigentlich der OSM?“, Teil 51

(Wandlungen – Archipel-Story)

12Neu 41: Das Experiment des Rescaz

(12Neu 43: Hüterin des Schwarzen Juwels)

(12Neu 44: TOTAMS Botschaft)

14Neu 46: Asyl der Calnarer

(14Neu 47: Unterwegs in tödlichem Auftrag)

(DER CLOGGATH-KONFLIKT – OSM-BUCH (Abschrift))

(Sarittas Hilflosigkeit – Archipel-Story)

(18Neu 97: Entdeckung am Rande des Wahnsinns)

(18Neu 98: Die Allianz des Lichts)

(18Neu 99: Vorstoß nach TOTAM)

Blogartikel 258: Der OSM in Gedichtform (6): Blume des Lebens

Anmerkung: Als ich diesen Blogartikel schrieb, kam mir gleich ein ergänzender Gedanke, weil ich die nächsten Blogartikel inzwischen schon recht weit durchge­plant hatte. Mir schoss nämlich die Idee durch den Kopf, dass ich hier gewisser­maßen „seriell“ vorgehen könnte – nach dem obigen Teil 6 der Subartikelreihe gleich den siebten Teil auch zu schreiben. Und schwupp, schon war das passiert… so kann’s manchmal kommen.

Blogartikel 270: Der OSM in Gedichtform (7): Die Türme von MONOLITH

(E-Book 40: Zeitenwandel)

(Rilaans Geschichte – OSM-Novelle)

(14Neu 48: Invasion der Cranyaa)

Blogartikel 253: Legendäre Schauplätze 6 – Feuerrad

Anmerkung: Bis ich diesen Beitrag schrieb, hat es Wochen gedauert… der Grund dafür ist verständlich, wenn ich ein bisschen aushole – die meisten Geschichten zur Galaxis Feuerrad habe ich zwischen 1995 und 2003 verfasst, das heißt, vor spätestens 15 Jahren vor Gegenwart. Die Erinnerung erwies sich deshalb als et­was eingerostet, und ich schmökerte mich unwillkürlich in den – noch nicht digi­talisierten und noch unpublizierten – Episoden des KONFLIKTS 20 „Oki und Cba­lon – Das Ewigkeitsteam“ (OuC) fest.

So kann’s gehen, echt. Mit Staunen entdeckte ich, dass ich Oki Stanwer und die unsterblichen Technos aus der Galaxis Hingrag über einen sterbenden Synox stolpern ließ und dies zur Entdeckung eines geheimen Imperiums der psycho­tischen Kristallwesen in Feuerrad führte… davon hatte ich überhaupt keinen Schimmer mehr. Es bewahrheitete sich einmal mehr die Erkenntnis, dass das, was ich aufs Papier mental ausgelagert habe, im Kopf in die untersten Gedan­kenschubladen schiebe und dann einfach nicht mehr präsent habe. Das geht so­weit, bis ich vergessen habe, das überhaupt jemals geschrieben zu werden.

Ihr könnt euch dann vorstellen, was das für ein aufregendes Leseabenteuer für MICH ist, wenn ich diese Seiten nach 20 oder mehr Jahren wieder hervorziehe und schmökere. Am Ende des Monats November hatte ich noch so ein Erlebnis, davon erzähle ich gleich.

Die Totenköpfe 1: Die Alte Armee, Teil 18

(18Neu 100: Das Zeitalter der SIEBEN SIEGEL)

Anmerkung: Und das ist die Stelle, die ich eben meinte… mit Band 100 fängt in KONFLIKT 18 „Kampf gegen TOTAMS Dämonen und Schergen“ (KGTDUS, in kommentierter Abschrift bekanntlich „18Neu“ der Finalzyklus mit seinen 15 Epi­soden an. Und es gibt gleich jede Menge grässliche Überraschungen. Ich deute das nur mal an, was ich jüngst bei der Neulektüre an spannenden Dingen auf­fand, ohne das Puzzle an dieser Stelle schon zusammenbauen zu wollen – nehmt es mal als unzeitgemäßen „Appetizer“ auf kommende Sensationen:

Oki Stanwer ist nach einem unvermeidlichen Zeitsprung im Jahre 2061 heraus­gekommen. Das Weltende, das für das Jahr 2036 terminiert war – durch den Amoklauf der SIEBEN SIEGEL VON TOTAM – konnte vertagt werden. Aber die Auswirkungen waren in jederlei Weise desaströs. Die Zivilisation, wie wir sie kennen, hat aufgehört zu existieren. Die Matrixfehlerseuche hat Milliarden Menschen weltweit dahingerafft, die SIEGEL zahlreiche Großstädte und gigan­tische Landstriche eingeäschert, tiefgefroren oder anderweitig magisch ver­seucht.

Die Welt, in der Oki Stanwer nun wieder zu sich kommt, ist darum eine Ruinen­landschaft, und alles, was zuvor gewiss war, ist jetzt in Frage gestellt. Schlim­mer noch: laut seinem besten Freund Klivies Kleines bleiben ihm gerade einmal sechs Monate, um einen erneuten Amoklauf der SIEGEL zu verhindern, der das Ende der Menschheit besiegeln wird.

Aber die Feinde ruhen nicht. Auf dem Festland schart sich eine Dämonenwaffen-Allianz zusammen und rekrutiert eine monströse Armee von den Friedhöfen, um Krieg gegen die Lebenden zu führen, und es scheint nichts und niemanden zu geben, was sie aufhalten kann.

Oki und seine Freunde haben inzwischen herausgefunden, dass die finale Aus­einandersetzung in den Pyrenäen stattfinden soll, nahe einem bedeutungslosen Gebirgsdorf namens Ellagretta. Hier befindet sich ein verfallenes Kloster, auf dessen Grund und Boden es spuken soll.

Dass das tatsächlich stimmt, bekommt der junge Einheimische Jean Gasvaquin zu spüren, der seiner Angebeteten imponieren möchte. Er wird Zeuge des nächt­lichen Spuks, bei dem ein finster lachender Fremder die Mönche des Klosters ei­nem nach dem anderen zu Asche verwandelt.

Als Oki Stanwer später Jeans Gedanken liest und seine Erinnerungen sieht, ist er wie vom Donner gerührt – denn die Mönche sind keine Geringeren als Grauhäu­tige… und deren letzter ist angeblich vor 25 Jahren in Australien vor seinen Au­gen gestorben. Was ihn aber noch viel mehr erschüttert: der grässlich lachende Massenmörder ist niemand Geringeres als sein leiblicher Sohn Marconius, der sich schrecklich verändert hat.

Und als Oki dann versucht, das Kloster paramental auszuforschen, werden er und Thor Gordenbeyl geradezu in Luft aufgelöst… hinübergesogen in ein Konti­nuum ohne Wiederkehr: das Reich der SIEBEN SIEGEL VON TOTAM…

Und, verdammt noch mal, das ist nur der erste Teil von fünfzehn!

Ihr könnt euch vorstellen, dass ich in der nächsten Zeit einige Stunden mit der Abschrift der erwähnten Episoden zubringen werde, zuvorderst mit Band 2 des Finalzyklus, der den programmatischen Titel „Durch das Zentrum des Feuer­sturms“ trägt und sich mit den ERSTEN SIEGEL befasst, das schon Paris in Schutt und Asche gelegt hat, als es die Seinemetropole nur streifte…

Blogartikel 265: „Was ist eigentlich der OSM?“, Teil 52

Tja, und damit war der Monat dann vorüber. Ich hatte zwar relativ wenige Wer­ke wirklich vollendet, aber wie die obige Aufstellung schlagend belegt, an sehr viel mehr gearbeitet. Ich hoffe sehr, im Monat Dezember diesen Level mindes­tens halten zu können. Das Rezept dafür ist, dem ersten Anschein nach, klar: weniger lesen, weniger streamen, mehr schreiben.

Seufz. Ihr wisst aber ebenfalls, dass alle Rezepte, die so leicht und simpel wir­ken, einen Pferdefuß besitzen. Reden kann man viel, Pläne schmieden dito, aber wenn es an die Umsetzung geht, wird es zumeist unberechenbar. Nun, in einem Monat sind wir alle schlauer.

In einer Woche schicke ich euch in eine völlig unbekannte Welt, von der ich sicher schon mal ansatzweise erzählt habe – in meine zwölf handschriftlichen Kreativkladden. Was sich da wohl so finden mag…? Ihr werdet es sehen.

Bis nächste Woche, Freunde, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 152: Harry Potter und der Feuerkelch (4)

Posted Februar 21st, 2018 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

als ich anno 2005 das vorliegende Buch als vorläufig letzten aktuellen Roman der Harry Potter-Reihe las – die anderen waren noch nicht publiziert – , da war selbst die Verfilmung noch nicht weit genug fortgeschritten, so dass ich unten spekulieren musste, was dieselbe im Falle dieses Werkes ergeben würde. Nun, meine Prognose war völlig berechtigt.

Disney hatte scheinbar sehr wenig Interesse daran, das Problem des Menschen­handels und der leider immer noch existenten Sklaverei (es gab zur Zeit, als Rowling dieses Buch verfasste, einen aktuellen Skandal, wenn ich mich recht entsinne, und es erschien das Buch „Sklavin“ von Mende Nazer zu dem Thema) zu behandeln. Der Handlungsstrang um die Elfenrechte fiel vollkommen dem Vergessen anheim. Dasselbe geschah weitgehend mit all den politischen An­spielungen.

Nennen wir es freundlich „Entschärfung“ der problematischen und kritischen Passagen des Buches. Ich glaube, die Autorin hatte aufgrund der großen Popu­larität, die sie bis dahin bereits besaß, einige „Narrenfreiheit“, die sie hier weid­lich ausnutzte. Insofern ist dieser Band der Harry Potter-Reihe vermutlich der interessanteste überhaupt. Später fiel sie, wenigstens meiner Einschätzung zu­folge, hinter diese Linie wieder zurück.

Meine Vermutung, dass das Buch zudem nur noch bedingt als Jugendbuch ge­eignet wäre, wurde mir damals von einer Mutter bestätigt, die ihren Kindern diese Bücher vorzulesen pflegte. Sie fühlte dieselben Vorbehalte wie ich – wie sie ihren Kindern dann die restlichen Werke vermittelte, entzieht sich leider meiner Kenntnis, ich habe den Kontakt verloren.

Wer wider Erwarten mit dem vorzustellenden Buch nun noch keinen Kontakt gehabt haben sollte oder eben nur die Kinofassung kennt, die hinter dem ge­schriebenen Werk wie üblich weit zurückbleibt, der sollte sich auf ein inter­essantes Leseabenteuer einstellen und in der Lektüre jetzt fortfahren:

Harry Potter und der Feuerkelch

(Harry Potter and the Goblet of Fire)

von Joanne K. Rowling

Carlsen-Verlag, 2001

768 Seiten, TB

Übersetzt von Klaus Fritz

Als Harry Potters viertes Jahr an der Zaubererschule von Hogwarts beginnt, überschattet ein erstaunliches Ereignis alles andere: die Quidditch-Weltmeister­schaft (ein eindeutiger Klon der Fußball-WM des Jahres 2000, das sei mal als Nebensatz angemerkt). An einem streng geheim gehaltenen Ort treffen sich Tausende von Zauberern, um Quidditch-Spielern aus verschiedensten Ländern zuzusehen. Durch gute Beziehungen zur Familie Weasley, der Harrys bester Freund Ron entstammt, gelingt es ihm, eine der begehrten Karten zu ergattern und daran als Zuschauer teilzunehmen. Und damit beginnt das Unheil.

Denn wiewohl es ein beispielloses Spektakel ist und der junge Zauberer dabei auswärtige Schulen wie Beauxbaton in Frankreich und Durmstrang (mutmaßlich auf dem Balkan gelegen, vielleicht aber auch am Polarkreis, so genau kommt das nicht heraus) kennenlernt und die Bekanntschaft mit zwei wichtigen Ange­stellten des Zaubereiministerium – Barty Crouch und Ludo Bagman (letzterer ist ein einstiger Quidditch-Champion) – macht, endet Harrys eintägiger Besuch der Quidditch-Weltmeisterschaft im Desaster: über einem Wald erscheint überdi­mensional ein gigantischer Totenschädel, das Zeichen des Dunklen Lords Volde­mort, und dieses Zeichen versetzt die meisten Zauberer in Hysterie. Verant­wortlich für das Chaos zeichnen offenbar Crouchs Hauselfe Winky, die er post­wendend entlässt, und… Harrys Zauberstab!

Schlimmer scheint es aber zu sein, dass eine Gruppe vermummter Gestalten Jagd auf Muggel (also Menschen) gemacht hat – angeblich so genannte „Todes­ser“, Anhänger Voldemorts, die der Jagd vor vierzehn Jahren entgangen sind, als Voldemort seine Macht nach dem Mordanschlag auf die Potters verlor. Auch jetzt werden sie nicht entlarvt, sondern können entkommen.

Harry ist jedenfalls sehr froh, als er sich endlich in Hogwarts befindet. Leider verfolgt ihn das Pech: eine nervige Hexe des Tagespropheten, einer prominen­ten Klatschzeitung der Zaubererwelt, Rita Kimmkorn, hat sich auf ihn einge­schossen und zerrt Harrys Vergangenheit in völlig sinnentstellender Weise ans Tageslicht. Um die Sache noch schlimmer zu machen, werden auch Harrys Freunde Hermine Granger, Ron Weasley und der Wildhüter Hagrid in die Sache hineingezogen und deren Ruf lädiert, sehr zum gehässigen Vergnügen von Har­rys Intimfeind und Mitschüler Draco Malfoy. Der einzige Lichtblick ist der einsti­ge Auror und „wahnsinnige“ neue Lehrer für die Verteidigung gegen die dunklen Künste: der furchtbar verstümmelte „Mad Eye Moody“, der Harry in Schutz nimmt und zu einem neuen Freund wird.

Und dann verkündet der Schulleiter Dumbledore, dass beschlossen worden ist, zum ersten Mal seit siebenhundert Jahren ein Trimagisches Turnier auszutra­gen, bei dem drei magische Schulen – Hogwarts, Beauxbaton und Durmstrang – gegeneinander anzutreten haben. Dafür entfällt die Quidditch-Meisterschaft für dieses Schuljahr.

Harry ist davon nicht erfreut, schließlich ist er begeisterter Quidditch-Spieler. Doch wer beschreibt seine Verblüffung, als aus dem Feuerkelch, der über die Wahl der Teilnehmer zu entscheiden hat, ungeachtet der magischen Altersbe­schränkung VIER Namen statt dreien gezogen werden? Der vierte ist, selbst zu Dumbledores großer Verblüffung, Harry Potter selbst.

Und von da an geht alles schief.

Ron ist überzeugt, Harry habe seinen Namen heimlich eingeworfen, Hermine beginnt mit dem Champion der Durmstrangs zu flirten (und für die Rechte ver­sklavter Elfen einzutreten), Ludo Bagman ist der Ansicht, er müsse Harry be­ständig helfen, und Rita Kimmkorn schreibt einen wilden, gehässigen Artikel nach dem nächsten über Harry.

Viel zu jung für das Turnier, viel zu unerfahren und völlig eingeschüchtert, sucht der junge Zauberer heimlich Rat bei seinem Patenonkel Sirius Black, und ins­geheim hat er die Befürchtung, dass, wer immer seinen Namen in den Feuer­kelch tat, damit vielleicht beabsichtigt hat, ihn während der Prüfungen zu töten.

Wie der Plan wirklich aussieht, begreift er leider erst, als er, an einen Grabstein gefesselt, seinem tödlichsten Feind Auge in Auge gegenübersteht: Lord Volde­mort höchstpersönlich…

Man kann vermutlich geteilter Meinung sein, ob HARRY POTTER 4 noch einen Kinder- und Jugendroman darstellt oder nicht. Ich denke das nicht. Während die ersten beiden und, mit Einschränkung, auch der dritte noch einwandfrei Werke sind, die Jugendliche mit viel Vergnügen und atemloser Spannung lesen kön­nen, scheint mir doch der sehr weitgespannte Handlungsbogen des vorliegen­den Buches mit all den zum Teil beunruhigenden Themenkomplexen eher für Leute jenseits der 18 geeignet zu sein.

Was etwa soll man von der Frage der Elfen und der Sklaverei halten, die stark thematisiert wird und von der Zwölf- bis Fünfzehnjährige vermutlich noch nicht eben viel Ahnung haben werden? Wie ist das mit der immerzu durchschim­mernden Beschäftigung mit Korruption und politischen Abhängigkeit in den Entscheidungsprozessen? Was ist mit dem offensichtlichen Rassismus, der im­mer mehr bei einzelnen Protagonisten in den Vordergrund drängt? Vollends verlassen wird das Feld der Jugendliteratur aber meiner Ansicht nach in dem Augenblick, wo wir Zeugen der magischen Schauprozesse gegen die Anhänger von Lord Voldemort werden. Darin schwingt soviel mit von Justizproblemen nach dem Wechsel von Unrechtsregimen zu demokratischen Herrschaften, dass ich der Ansicht bin, Jugendliche im Alter zwischen 12 und 15 würden die hier dargestellten Sachverhalte möglicherweise nicht oder nur verzerrt begreifen können.

Rowling zeigt mit diesem Roman, dass sie durchaus willens und fähig ist, lang­gestreckte Handlungsbögen, sehr komplexe Plotlinien und gesellschafts­politische Probleme miteinander zu verbinden. Wer diesen Roman infolgedes­sen nur als „Kinderbuch“ abtut, hat einfach keine Ahnung, was für ein Potenzial darin steckt. Ob es hilfreich ist, Kinder und Jugendliche in so frühem Alter schon an derartig schwer verdauliche Themen heranzuführen, kann ich nicht beurtei­len. Elterliche Begleitung ist für dieses Buch deshalb sicherlich sehr nützlich. Wie viel von diesem Inhalt die Verfilmung überlebt, muss sich zeigen (vermut­lich nicht eben viel).

Viele Themen, die noch offen sind, harren weiter ihrer Bearbeitung, und wenn man sieht, wie weitläufig die Verbindungslinien inzwischen sind (Rowling nimmt in diesem Buch bevorzugt Fäden aus dem ersten und zweiten Band auf), dann kann man sehr neugierig sein, wie sich das alles weiter entwickelt und wie sich ihr Kontinuum ausdehnt. Die magische Welt ist nun, nach dem Ende des Trimagischen Turniers, eine Welt auf Messers Schneide, und der Krieg gegen Lord Voldemort steht bevor. Ein Krieg, in dem alteingesessene Familien auf der einen Seite stehen und auf der anderen – vielleicht – die Dementoren aus Aska­ban, Lord Voldemort und die Riesen. Aber das ist nur ein Vielleicht.

Vielleicht kommt es auch ganz anders. Lassen wir uns überraschen…

© 2005 by Uwe Lammers

Soviel zu meiner Einschätzung des vierten Potter-Romans von vor dreizehn Jah­ren. In der kommenden Woche möchte ich euch ein weiteres interessantes Werk vorstellen, in dem es um eines meiner historischen Lieblingsthemen geht, den Ersten Weltkrieg. Allerdings nicht um den Krieg selbst, sondern um ein Schicksal, das direkt im Anschluss daran eine kriminalistische Spurensuche not­wendig macht und wunderschön verfilmt worden ist.

Neugierig geworden? Dann schaut nächste Woche wieder herein, Freunde. Ich freue mich drauf.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Liebe Freunde des OSM,

ich war mit dem Frühjahr 2013 in eine aufregende neue Zeit eingetreten – end­lich, nach so langer Zeit, in der ich lediglich das Fandom sporadisch mit meinen Geschichten erfreuen konnte und doch so vieles unausgesprochen „unter der Decke“ zu halten gezwungen war, arbeitete ich an einem konsequenten Pro­gramm, was meine Veröffentlichungen anging. Das E-Book-Programm, massiv unterstützt von dem E-Book-Lektorat www.ebokks.de und dem Förderverein Phantastika Raum & Zeit e.V. in Braunschweig, hatte begonnen, und ganz wie ich euch das Anfang 2013 sagte: ich plante, diesmal gründlich und überlegt an die Sache heranzugehen.

Nicht mehr halbherzig irgendwelche Geschichten aus irgendeiner OSM-Serie herausreißen und euch entgegenwerfen, ignorierend, ob ihr die komplexen Hin­tergrundstrukturen verstehen würdet. Nein, diesmal sollte das in überlegter, gut dosierter Form geschehen, und das hieß, ich musste mir überlegen, mit wel­cher Serie ich beginnen würde, und vor allen Dingen aber auch, wie ich das al­les flankieren würde.

So entstand auf der Homepage www.oki-stanwer.de die sonntägliche Blogstruk­tur, und parallel dazu wuchs langsam, doch stetig die OSM-Wiki. Gerade die regelmäßige Abfassung von Blogartikeln erzeugte eine völlig ungekannte Form von strukturierter Denk- und Schreibarbeit, die ich aber – wie einst das Verfas­sen von Editorials und die monatliche Redaktionsarbeit am Fanzine Baden-Württemberg Aktuell (BWA) – schnell schätzen lernte. Das Dosieren der In­formationen war dann schon deutlich schwerer… stellt euch das vor wie einen Ozean, der durch ein Nadelöhr gehen soll, aber nicht so, dass er selbiges zer­drückt und für immer verschließt. Und ihr als Leser seid auf der anderen Seite, stets in Gefahr, von der Informationsflut fortgespült zu werden, die aus meinem Geist herausdrängte.

Nun, es wollten Jahrzehnte des OSM und des konsequenten Schreibens am liebsten sofort hinaus… völlig ausgeschlossen. Das führte zur Kultivierung einer Zurückhaltung, die anfangs sehr schwer einzuhalten war. Inzwischen bin ich da etwas entspannter.

Ich sagte jüngst, dass ich das erste Quartal des Jahres 2013, in dem das alles be­gann, als äußerst positiv bewertete. Und so ging es weiter:

Im April entstanden zunächst sieben Blogartikel, so dass ich hier ordentlichen Vorlauf besaß. Ich schrieb eine alte Schreibmaschinen-Story des OSM ab, „Geheimdaten verweigert!“, kümmerte mich um kommentierte Abschriften der Serien „Kampf gegen TOTAMS Dämonen und Schergen“ (KGTDUS) und „Oki Stanwer – Der Schattenfürst“ (DSf). Auch bei der kommentierten Abschrift des KONFLIKTS 12 „Oki Stanwer – Bezwinger des Chaos“ (BdC) kam ich etwas voran, trieb zudem die Neuformatierung der OSM-Ebene 15 voran und arbeitete – eher halbherzig – an der Abschrift des ältesten Proto-OSM-Romans „Der stäh­lerne Tod“ weiter. Eine neue, kuriose Storyidee mit dem Titel „Monsterjagd“ wuchs für den OSM heran… sehr vergnüglich, wie ich sagen muss, sie gedieh aber noch nicht sehr weit.

Eine kurze Stippvisite erfolgte in dem Archipel-Roman „Die Suyenka“. Gegen Ende des Monats (kreatives Gesamtergebnis: 32 fertig gestellte Werke!) gelang es mir glücklich, im KONFLIKT 9 „Oki Stanwer – Der Kaiser der Okis“ (DKdO) den ersten Zyklus „Magellan“ abzuschließen, indem ich Band 16 „Transfer in die Heimat“ abschloss… eine ziemlich voluminöse Arbeit, die einen tränenreichen Abschied beinhaltet und das Feld für spätere Dinge bereitete… beizeiten erzäh­le ich euch gern davon, Freunde. Heute lasst mich beim aktuellen Thema blei­ben.

Anfang Mai überraschte ich euch mit dem „Maiblog 2013“, einer seither ge­pflegten guten Sitte, die mir angesichts des Tages der Arbeit durchaus ratsam schien und immer noch scheint. In knapp zweieinhalb Monaten ist es wieder soweit…

Außerdem arbeitete ich am Archipel-Fragment „Brigitta“ weiter, beschränkte mich auf lediglich 2 Blogartikel in diesem Monat und feilte dann sowohl an E-Books wie auch an Storyabschriften und Nacharbeiten… denn wiewohl ich mit „Der Schiffbrüchige“ und „In der Hölle“ nur zwei E-Book-Texte perfektionierte (hört sich heute verrückt ab, aber die damaligen Texte waren, wie ihr euch erin­nern werdet, noch kürzer, und da die TI-Serie so am Anfang stand, gab es auch noch keine sehr komplexe Handlung, was das Schreiben deutlich erleichterte), reifte in meinem Kopf schon ein weitergehender Gedanke.

Er hieß: Warum soll ich Einzelgeschichten neben den OSM-E-Books publizieren, wenn ich vielleicht für 2014 eine Storysammlung (!) in Angriff nehmen könnte? Voraussetzung dafür wäre natürlich zweierlei: Erstens müsste ich aus dem großen Fundus meiner Geschichten passende in digitaler Fassung vorliegen ha­ben, und zweitens wäre es notwendig, eine ideale Titelbildidee zu finden.

Wie ihr wisst, hat beides funktioniert, und 2014 kam dann meine erste E-Book-Storysammlung „Beide Seiten der Medaille und andere phantastische Ge­schichten“ ans Licht, der inzwischen drei weitere gefolgt sind. Für 2019 ist eine nächste in Arbeit. Also, die Vorarbeiten zur ersten Storysammlung begannen hier im Mai 2013.

Daneben gingen die Arbeiten an KONFLIKT 18 und KONFLIKT 12 rege voran. Ich beschränkte mich aber nicht darauf, sondern machte auch gelegentliche Besu­che im grässlichen KONFLIKT 21 „Oki Stanwer – Fürst von Leucienne“ (FvL), ar­beitete für FAN meinen Beitrag „E-Book-Times #1“ aus, schrieb weiterhin Epi­soden des KONFLIKTS 22 ab und formatierte solche des KONFLIKTS 15 neu. Au­ßerdem, aber das sei hier nur am Rande erwähnt, trieb mich – angeregt durch eine Professorin der TU Braunschweig, die mir dazu innig riet – die Überarbei­tung meiner Magisterarbeit von 2002 um, die ja nie erschienen war. Das war eine Herausforderung, die mich Monate an Arbeitszeit kosten sollte, und wohl allein der Tatsache, dass ich arbeitslos war, ließ diese Arbeit möglich werden.

Es gab reichlich Glossararbeiten, die diese Tätigkeiten, die ich oben erwähnte, flankierten, das sei nur so am Rande erwähnt. Rezensionen blühten auf, ich machte Besuche im „Erotic Empire“… und Ende Mai kam ich auf weitere 28 neu entstandene Werke. Die meisten davon aber, das kann nicht überraschen, Neu­formatierungen oder kommentierte Abschriften.

Im Juni intensivierte ich die Blogarbeit wieder (6 Beiträge), die im Mai ja etwas stiefmütterlich behandelt worden war. Mit „Wenn der Sternenhammer fällt…“ wurde die nächste E-Book-Geschichte fertig. Ebenfalls in dieser Zeit entstand dann die OSM-Wiki auf der Homepage, so dass ich endlich diese Flankierungs­idee optimieren konnte.

Ansonsten ging der Monat zunächst mit „Business as usual“ voran: Abschriften von OSM-Episoden sowie Neuformatierungen aus den KONFLIKTEN 22, 18, 21 und 15, Glossararbeiten und gelegentliche Besuche im Archipel (etwa in der Story „Kapitän Taisanors Geschichte“ oder im Roman „Abenteuer im Archipel“). Ich begann an sehr vielen weiteren E-Books zu feilen, bis hinauf zu Band 11, „Die Katze, die die Sonne stahl“, die dann im Dezember 2013 erschei­nen sollte. Ihr merkt, all diese Geschichten brauchten reichlich Vorlauf.

Weiterhin schickte ich mich an, eine Handlungslücke im KONFLIKT 4 „Oki Stan­wer – Der Insel-Regent“ (IR) zu schließen, wo Band 21 „Geheimnisse der Bau­meister“ immer noch fehlte. Um es vorauszuschicken – ich habe das dann erst 2017 geschafft… manche Dinge brauchen einfach viel Zeit und den richtigen Moment des kreativen Bilderflows.

Vielleicht, weil ich hieran nicht recht vorwärts kam, versuchte ich mich an zwei weiteren OSM-Fragmenten, nämlich an „Geister“ und „Auf Sklavenjagd“ (spielen beide in KONFLIKT 22). Doch da ich KONFLIKT 22 zwar derzeit ab­schrieb, aber noch nicht weiter bearbeitete, stockte auch diese Arbeit schnell wieder… das Los eines Kreativen, der definitiv auf viel zu vielen Baustellen un­terwegs ist. Es war zum Mäusemelken!

Dann war da noch das Weiterfeilen am OSM-Fragment „Spurensuche in Baby­lon“, allerdings ebenso erfolglos. Der Monat schloss mit 27 fertigen Werken, aber wie ihr sehen könnt, mehrheitlich mit Routinearbeit.

Im Juli wollte ich da wieder etwas Land gewinnen… und machte den Fehler, noch eine neue Baustelle anzufangen, nämlich – durchaus nahe liegend – die Neuformatierung meiner alten Gedichte. Neben Weiterarbeit der Neuformatie­rung an KONFLIKT 15 (plus diesbezüglichem Glossar) und 8 Blogartikeln wurde ich überraschend von meiner E-Book-Lektorin interviewt. Ich formatierte, eher so aus Langeweile, würde ich heute konstatieren, den Archipel-Roman „Abenteuer im Archipel“ neu. Mit „Der Bibliothekar“ und „Die Schuttwelt er­wacht“ entstanden die nächsten beiden E-Book-Rohtexte.

Ich hätte allerdings wirklich nicht beginnen sollen, NOCH eine Baustelle zu er­öffnen… das war allerdings indirekt das Resultat meines Interviews. Ich hatte Corinna Rindlisbacher Einblick in meine zahlreichen Geschichtenordner gewährt und dabei besonderen Wert auf die Frühzeit gelegt. Was mir dabei auffiel, war durchweg alarmierend: der KONFLIKT 14 „Oki Stanwer – Feldherr der Cranyaa“ (FdC), den ich Anfang 1988 abgeschlossen, aber bekanntlich bereits 1983 begonnen hatte, damals noch in Handschrift, meist mit Tinte und auf Recycling-Papier, zeigte deutliche Erscheinungen des Verblassens des Haupttextes. Am 6. Juli 2013 begann ich also, durchaus folgerichtig, mit der digitalen Abschrift dieser Serie. Aber wie ich oben schon andeutete: das war eine weitere Baustelle, die ich im Grunde genommen zeitlich gar nicht bewirtschaften konnte. Dass ich bis 2017 dennoch fast die halbe Serie abschreiben konnte, kann man fast ein Wunder nennen.

Ebenfalls einen kreativen Schatten voraus warf das 30-Jahre-Jubiläum des Science Fiction-Clubs Baden-Württemberg (SFCBW), für das ich – natürlich – als langjähriges Mitglied und vor allen Dingen Chefredakteur des BWA einen Bei­trag verfassen musste. Das stand auch noch in diesem Monat an. Außerdem ar­beitete ich an einem neuen Biografiekapitel zu meiner reformierten Magisterar­beit – ich fügte den Philosophen Professor Dr. Willy Moog in die Arbeit ein, was ich schon seit 2002 hatte machen wollen. Auch das band natürlich nicht eben wenig Arbeitszeit.

Dank dieser vielen Abschriften und Neuformatierungen landete ich mit 45 fertig gestellten Werken im Juli 2013 auf einem wirklich phänomenalen Monatsstand und schaute wirklich nicht schlecht.

Wenn ich, so meine Vorstellung, ein paar von diesen Baustellen alsbald ab­schließen könnte, würde ich auch bei den E-Books einen ordentlichen Vor­sprung ausbauen können und dann womöglich in der zweiten Jahreshälfte auch wieder originär kreativ werden, durch NEUE OSM-Episoden… inwieweit mir das gelungen ist, erfahrt ihr dann in der nächsten Folge dieser Artikelreihe in ein paar Wochen.

In der kommenden Woche bringe ich euch zunächst mal auf den neuesten Stand, was meine aktuelle Arbeit im Monat November 2017 im OSM erbracht hat.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 151: Der goldene Buddha

Posted Februar 14th, 2018 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

ja, heute geht es um ein gar mächtiges Lesevergnügen, das meine Lachmuskeln an vielen Stellen auf köstliche Weise strapazierte, und außerdem sorgte es für den einen wie anderen Schweißausbruch bei allzu kribbeligen, kniffligen Phasen der Geschichte. Das hatte damit zu tun, dass ich es zwar a) mit einem Roman von Clive Cussler zu tun hatte und üblicherweise genau weiß, dass den zentra­len Personen… nun, sagen wir… nichts ERNSTES zustoßen kann. Aber b) ich hat­te es außerdem mit einem völlig neuen Romantypus und weitgehend fremdem Personal zu tun, und da muss man natürlich immer damit rechnen, dass der eine oder andere auf der Strecke bleiben könnte.

Es blieb also spannend bei der Jagd der OREGON-Crew nach dem „goldenen Buddha“. Und saukomisch, um es umgangssprachlich zu sagen, war das auch. Wer also an diesem Buch aufgrund seiner schlichten Außengestaltung bislang vorbeigelaufen sein sollte, dem rate ich dringend, diese Entscheidung zu revi­dieren. Das Werk hier sei euch ausdrücklich ans Herz gelegt, nicht nur, wenn ihr für die Freiheit des tibetischen Volkes seid.

Neugierig geworden? Dann schmökert mal weiter und lest die Details:

Der goldene Buddha

(OT: Golden Buddha)

Von Clive Cussler & Craig Dirgo

Blanvalet 36160

448 Seiten, TB, 2005

Aus dem Amerikanischen von Thomas Haufschild

ISBN 3-442-36160-5

So etwas kommt nun wirklich selten vor: eine ganze Romanwelt entgleist munter in die völlige Kontrafaktik, und sie tut es mit einem unglaublichen Char­me, respektlosen und professionellen Rabauken, viel Humor und einem atem­beraubenden Feuerwerk von skurrilen Ideen – da kann man sich nur noch erge­ben und von Seite zu Seite mehr genießen und grinsen.

Vergessen wir einfach mal, dass das Titelbild einen Taucher zeigt. Die Leute, die für diesen Missgriff verantwortlich zeichneten, dachten platt schematisch: Clive Cussler – NUMA – Taucher, Motiv klar. Alles falsch. Es geht nicht um die NUMA (wiewohl natürlich ein Schiff vorkommt), Cusslers Helden Dirk Pitt und Al Gior­dino sucht man hier vergebens. Stattdessen wird auf charmante Weise die Weltgeschichte umgekrempelt, und das hat folgenreiche Auswirkungen auf den Rest des Cussler-Paralleluniversums (in dem sich eben Dirk und Al herumtrei­ben, ebenso wie Pitts Kinder Dirk Pitt junior und Summer Pitt, aber halt auch Joe Zavala und Kurt Austin).1 Auf knapp 450 Seiten wird mal eben die Weltge­schichte umgestülpt, und das geht so:

31. März 1959. Die letzten Stunden des Dalai Lama2 Tenzing Gyatso in Lhasa sind gekommen. Das Oberhaupt der Tibeter beschließt schweren Herzens, die Flucht aus Tibet anzutreten und im nordindischen Exil den Kampf gegen die chinesischen Besatzer aufzunehmen. Dabei nimmt er eine wichtige kultische Statue mit sich, den goldenen Buddha, der ein wichtiges Geheimnis in sich birgt. Doch während der Dalai Lama Dharamsala3 in Nordindien erreicht, verschwin­det die fünf Zentner schwere Goldfigur spurlos.

Was niemand weiß, ist indes, dass der amerikanische CIA-Mann Langston Over­holt III. sich die Vertreibung des tibetischen Oberhaupts als persönliches Versa­gen anrechnet und sich fest vornimmt, dereinst dafür zu sorgen, dass das Exil des Dalai Lama endet. Er wird es nicht mehr erleben. Sein Sohn, Langston Over­holt IV., bekommt mit dem Problem schließlich zu tun.

In der Gegenwart, etwa um das Jahr 2000 herum, macht der Leser sodann die Bekanntschaft mit alten Vertrauten. Wie Clive Cussler schon im Vorwort erläu­tert, hatte er einst das subversive Schiff OREGON und seine Besatzung unter dem „Vorsitzenden“ Juan Cabrillo für den Dirk Pitt-Roman „Höllenflut“ entwor­fen und erfunden.4 Und er fand es höchst bedauerlich, dass diese skurrilen Ty­pen wieder in der Versenkung verschwinden mussten. Sein Schriftstellerkollege Craig Dirgo war ganz seiner Ansicht, und so entwarfen sie also dieses erste Abenteuer der so genannten „Oregon-Files“.

Die OREGON ist ein offensichtlich heruntergekommener Trampdampfer, der auf wirklich unglaubliche Weise beschrieben wird (goldig etwa der Moment, wo ein Lotse an Bord kommt, ein Geländer anfasst und auf einmal ein Stück davon in der Hand hält. Er ist völlig konsterniert, aber Cabrillo nimmt nur das Trümmer­stück und wirft es ganz gelassen über die Schulter aufs Deck, als wäre das völlig normal – und ich versichere, es wimmelt von so wilden Szenen und Vignetten im Buch!). Unter der Haut des halbwracken Dampfers hingegen verfügt die OREGON über hochmoderne Technik, verborgene Decks, Labore, einen „Moon-Pool“ über dem Kiel, so dass sie selbst einen Taucheinsatz mit eigenen Tauch­booten durchführen kann, Torpedorohre, Flugabwehrraketen und ähnliche Fi­nessen. Wehe also dem Schiff und den Behörden, die diesen „Kahn“ unter­schätzen.

Auch die Besatzung ist höchst eigenwillig. Cabrillo und seine Crew führen unter­einander keine Ränge, sie sind keiner Regierung unterstellt, keiner Behörde, sondern arbeiten als „Company“ auf eigene Rechnung. Jeder einzelne ist Spezialist auf seinem Gebiet, sei es, dass es Techniker sind, sei es, dass es Ärzte, Waffenexperten, Fluchthelfer, Tarnungsspezialisten, Piloten oder Scharfschüt­zen sind… und es ist nicht umsonst so, dass die 24 Personen der Besatzung alle­samt im alphabetischen Namensverzeichnis auftauchen (allerdings sind das nicht alle „Angestellten“ der Company, im Laufe des Romans tauchen noch mehr auf). Man könnte sie als humanitäre Söldner bezeichnen, die in einer rechtlichen Grauzone agieren. Das erlebt der Leser sehr schnell beim ersten Ein­satz der Crew in diesem Roman, der die OREGON in den Hafen von Havanna führt, wo eine Mission durchgeführt werden soll (und schon hier kommt man aus dem Staunen und Kichern kaum mehr heraus – allerdings sind das erst rund 50 Seiten des Romans. Danach geht der Spaß erst richtig los).

Langston Overholt IV., der Vertraute der OREGON von der CIA, heuert die „Company“ für einen Auftrag an, kaum dass sie das kubanische Abenteuer er­folgreich abgeschlossen haben. Diesmal geht es nach Fernost: der legendäre verschollene goldene Buddha ist wieder aufgetaucht (leider erfährt niemand, woher und warum gerade jetzt, das ist eigentlich der einzige zentrale Schwach­punkt der Handlung), und er soll an einen chinesischen Kunstsammler namens Stanley Ho in Macao verkauft werden. Zweihundert Millionen Dollar, nicht eben ein „Schnäppchen“. Aber der Makler Winston Spenser, der ihn im Auftrag von Ho erwirbt, treibt ein doppeltes Spiel. Er hat ein Duplikat anfertigen lassen und beabsichtigt eigentlich, den originalen Buddha insgeheim an einen Tycoon aus dem Silicon Valley zu verhökern. So gibt es also auf einmal zwei Buddha-Figu­ren, die nach Macao unterwegs sind, und einen Milliardär vor Ort, während der zweite sich aus den USA einfliegen lässt, um sich „sein“ Eigentum zu holen.

Ja, und dann ist da die „Company“. Und ein sich anbahnender Sturm, der über Macao ungeplant hereinbricht, während die ganze Operation „Goldenes Dicker­chen“ munter auf den Höhepunkt zudriftet. Ganz zu schweigen von den über­haupt nicht dummen Polizeibehörden von Macao, die für mächtigen Ärger sor­gen werden.

Langston Overholt IV. macht Juan Cabrillo jedenfalls vorweg klar, dass er den Plan gefasst hat, dem Dalai Lama die Rückkehr in sein Heimatland zu ermögli­chen. Das geht nur, wenn er auch den goldenen Buddha dabei hat. Außerdem gilt es, die chinesischen Besatzer in Tibet gründlich abzulenken und ihnen zu­gleich eine Möglichkeit zu belassen, ihr Gesicht zu wahren, falls Tibet tatsäch­lich wieder autonom werden soll. Und für all das haben sie nur einen sehr ge­ringen Zeitrahmen, weil der ideale Termin für die Rückkehr der 1. April sein soll. Keine Woche mehr entfernt.

Unmögliche Geschichte?

Nun, sagen wir es so… da ist ja noch die „Company“. Und da ist Parteichef Hu Jintao in Peking, dessen Land in eine massive Wirtschaftskrise steuert. Und da befindet sich ein Präsident Putin in Russland an der Macht, der, gewisse ökono­mische Anreize vorausgesetzt, schon durchaus mal mit den militärischen Mus­keln spielen könnte… gesetzt den Fall, da springt etwas für ihn heraus.

Ach ja, und so beginnt die gut gelaunte Crew der OREGON damit, Macao anzu­laufen und Maske zu machen. Eine falsche Gräfin, eine falsche Musikband, nächtliche Überfälle, gestörte Funkkanäle, Einsatz von Drogen (zum Brüllen ist die Szene, als der auch zur Feier bei Milliardär Ho geladene Polizeichef von Macao, Sung Rhee, drogenumnebelt, auf das Blumenarrangement auf dem Tisch stiert, während er mit seinem Stellvertreter telefoniert, der ihn gerade vom Diebstahl einer Buddhastatue unterrichten möchte, und Sung halluziniert, aus dem Bukett nicke ihm ein Pferd zu, woraufhin er zu seinem Assistenten sagt: „Hören Sie, mein Pferd ist hier.“).

Es ist ein wirklich unberechenbares Nonstop-Abenteuer der ganz besonders un­terhaltsamen Sorte, was hier vor sich geht, und es gipfelt dann buchstäblich auf dem Dach der Welt, wo der Showdown stattfindet, der mit chinesischen Kampf­jets, einer tibetischen Untergrundarmee und Giftgas zu tun hat, um nur ganz wenig von dem anzudeuten, was da sonst noch passiert…

Es ist bei Clive Cussler natürlich immer ein wenig schwierig, wenn man sich an alte, vertraute Personen gewöhnt hat und auf einmal mit neuen konfrontiert wird. Das ist so gewesen, als Kurt Austin und Joe Zavala in Erscheinung traten5, und das ist hier bei den Abenteurern von der OREGON ebenfalls so. Und natür­lich muss Cussler als Auftaktabenteuer einen ganz besonderen Knaller bieten – was er hier definitiv tut. Die Befreiung von Tibet ist so eine Geschichte, die man wirklich nicht erwartet, allein schon deshalb nicht, weil das in UNSERER Welt eben nicht möglich ist.

Aber ich sagte oben schon: diese Welt entgleist vollständig in die Parallelge­schichte, und sie tut es mit Absicht. Ich denke, Cussler hat das schon seit lan­gem intendiert. Er hat beispielsweise in seiner Romanwelt das amerikanische Embargo gegen Kuba aufgehoben, er hat eine amerikanische Mondstation be­schrieben und die TITANIC in einem Stück gehoben, den Glassarkophag von Alexander dem Großen und die verschollene Bibliothek von Alexandria finden lassen, ebenso wie übrigens das Grab von Christoph Kolumbus und das ver­schwundene Inka-Gold… der Parallelkosmos weist also viele Dinge auf, die es bei uns (leider, möchte man manchmal sagen), wohl so niemals geben wird. Und „Der goldene Buddha“ schlägt ganz genau in dieselbe Kerbe.

Schön ist dabei auch, dass der enorme Personalfuhrpark einigermaßen charak­terisiert wurde. Durch die manchmal sehr kurzen Szenenblenden erhält die Ge­schichte enorme Fahrt und mächtige Dramatik. Man hat zwar das Gefühl, als sei der Dalai Lama tatsächlich so eine Art Spinne in einem gigantischen informellen Netzwerk von loyalen Glaubensagenten (wie es die chinesische Propaganda gern unterstellt), aber da die „Company“ und ihre Protagonisten definitiv im Zentrum stehen, fällt das nicht so unliebsam auf. Bedauernswerter ist hingegen, dass der Roman vergleichsweise kurz ausfällt – selbst bei langsamem Lesen verbringt man höchstens 4 Tage damit, wie ich – , und das Vergnügen ist sehr schnell vorüber.

Indes: ebenso, wie der Lesespaß garantiert ist, steht ja fest, dass es noch sieben weitere Romane der „Oregon-Files“ gibt. Ab Band 3 ist dann Jack du Brul für die Umsetzung verantwortlich, wir können neugierig sein, wie es ihm gelingt, die Crew der OREGON darzustellen. Ihr werdet es beizeiten erfahren.

© 2012 by Uwe Lammers

Tja, auch nach 150 Rezensions-Blogartikeln kann ich also immer noch mit über­raschenden Lesefunden aufwarten, nicht wahr? Gut so, wenn ich euch über­rascht haben sollte. In der kommenden Woche besuchen wir Harry Potter ins einem vierten Schuljahr in Hogwarts. Und wer die Filme kennt, der weiß, dass auch dies nicht unspannend ablaufen wird.

Näheres in sieben Tagen an dieser Stelle.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Und dass sie alle im gleichen Parallelkosmos leben, ist verbürgt. Man vergleiche dazu das Zusammentreffen von Pitt und Juan Cabrillo im Roman „Höllenflut“.

2 Im Roman konstant als „Dalai-Lama“ falsch geschrieben.

3 Im Roman konstant als „Klein-Lhasa“ bezeichnet, was vermutlich verkehrt ist.

4 Warum nur muss ich bei ihm als dem „Vorsitzenden“ immer wohl an den „Großen Vorsitzenden“ (=Mao) denken? Das ist bestimmt auch Absicht… der ganze Roman trieft vor Ironie und Lässigkeit, allein das ist schon ein Lesegenuss.

5 Vgl. Clive Cussler & Paul Kemprecos: „Das Todeswrack“.