Liebe Freunde des OSM,

wie in der letzten Folge dieser Artikelserie berichtet, war das Jahr 2012 eines in meinem Leben, in dem ich wirklich enorm kreativ vorankam. Das war in den er­sten fünf Monaten so, und im Juni 2012, um den es jetzt gehen soll, setzte sich das folgendermaßen fort:

Der Monat startete mit Weiterarbeit an der OSM-Novelle „Auf ewiger Mission“ und wurde sogleich kontrastiert vom Archipel-Gesamtglossar, Version 6, das am 2. Juni schon 568 Seiten Umfang erreichte.

Abschriften und Neuformatierungen alter Episoden der Serie „Oki Stanwer und das Terrorimperium“ (TI) und „Oki Stanwer – Der Siegeljäger“ (DSj) folgten. Während ich beruflich an der Datenbank „Kommunale Amtsträger“ und ihrer Perfektionierung feilte, glühte nach wie vor die kreative Schiene.

Das Archipel-Begriffsregister, Version 6, wurde am 6. Juni fertig (48 Seiten)… und dann war es wieder Zeit für etwas ganz Neues. Wofür? Für ein neues Frag­ment… ja, ja, ich weiß, was ihr sagen wollt: „Gibt es denn davon nicht schon ge­nug? Wäre es nicht wesentlich gescheiter, endlich mal was abzuschließen?“ Well, natürlich, das sehe ich ganz genauso. Aber die intuitive Kreativität hat ihre eigenen unkalkulierbaren Gesetzmäßigkeiten. Und so kam es also anders.

So entstand stattdessen der Geschichtenkeim „Mutproben“, der sehr passend zum Titel selbst eine Mutprobe für mich darstellt. Warum dies genau? Nun, weil die Geschichte in einer bislang unkartierten Region des mysteriösen und un­übersichtlichen KONFLIKTS 28 „Oki Stanwer – Der Siegeljäger“ spielt. Und das ist ja bekanntlich eine Serie, die auf einem recht schwammigen Untergrund ba­siert – weil die KONFLIKTE 25-27 noch gar nicht existieren und der sehr komple­xe KONFLIKT 24 „Oki Stanwer – Der Neutralkrieger“ noch im Entstehen begrif­fen ist. Wie man erwarten konnte, kam ich nicht sehr weit darin. Aber ich bin sehr gespannt, wann dieser Handlungsstrom um ein wagemutiges Mädchen und ihren Freund weitergeht. Die beiden schmuggeln sich nämlich an Bord ei­nes scheinbar stillen und leblosen Vakuumseglers der RETTER, um ein Abenteuer erleben… dummerweise ist der Segler alles andere als verlassen, und die RETTER werden auf sie aufmerksam.

Die ganze Dramatik dieser Geschichte erschließt sich allerdings erst demjeni­gen, der weiß, dass die RETTER einstmals „Totenköpfe“ genannt wurden und in der Handlungszeit noch sehr viel instabiler sind als ein gewisser „Wanderarbei­ter“ Shush. Und menschenfreundlich sind sie wahrhaftig auch nicht mehr in diesem Universum, ganz im Gegenteil…

Wissende gruseln sich jetzt, und mit Recht.

Es ging weiter mit den Arbeiten am Glossar zum KONFLIKT 28, weitere Abschrif­ten von DSj-Episoden folgten. Ich versuchte mich außerdem an der Weiter­schrift des dortigen Bandes 55: Reiseziel TOTAM“, dann schwenkte ich in KON­FLIKT 19 „Oki Stanwer – Der Missionar“ (DM) zurück, um an „Eine scharf ge­schliffene Waffe“ weiterzuschreiben.

Weitere Abschriften und Neuformatierungen von TI- und DSj-Episoden kosteten einiges mehr an freier Kreativzeit. Das Glossar der TI-Serie wurde ebenfalls weitergeführt… und ein kleines antagonistisches Schreibfenster öffnete sich, als ich, gewissermaßen zur Abwechslung gegenüber den Abschriften und Neufor­matierungen im Bereich des OSM, an den Archipel-Stories „Brigitta“ und „Sha­yas Bestimmung“ arbeiten konnte. Und während ich so zwischen dem OSM und dem Archipel hin und herzappte, schlug wie aus heiterem Himmel ein Ge­schichtenblitz aus dem Archipel ein, und „Zwei Welten“ entstand nebst dem dazu gehörigen Glossar – eine Story, die im Gefolge der Geschichte „Der Geheimbericht“ (April 2010) in mir aufblühte, aber erstaunlich viel Zeit brauch­te, um dann ausgearbeitet zu werden… nun, mit 106 Seiten Umfang sollte ich dies wohl eher eine Novelle nennen. Im Kern wird hier die Geschichte einer Protagonistin aus der älteren Geschichte referiert, die unvermittelt mit der eigenen Biografie konfrontiert wird. In gewisser Weise ein mikrogeschichtlicher Argumentationsansatz, der recht nah am BDSM-Milieu ist, das mir damals aber noch nicht so durch Lektüre vertraut war wie heutzutage. Es ist immer wieder verblüffend, zu entdecken, wie viele Archipel-Geschichten und Archipel-Settings stark BDSM-verwandt sind…

Gleich im Anschluss stürzte ich mich in ein weiteres erotisches Abenteuer, an dem ich schon seit Jahren feilte: „Rückzug in das Liebeskloster“ (bis heute ein Archipel-Romanfragment). Und direkt danach begann ich, vielleicht ein wenig unvorsichtig vom Timing her, eine weitere kreative „Baustelle“ aufzuräumen, die seit 2007 vor sich hinschlummerte.

Wovon rede ich?

Nun, im Jahre 2007 gab es den ernsthaften Versuch, wie schon einmal erwähnt, den KONFLIKT 12 des Oki Stanwer Mythos, also die Serie „Oki Stanwer – Be­zwinger des Chaos“ (BdC) zu veröffentlichen. Aus diesem Plan ist damals nichts geworden, das stimmt schon. Aber ich hatte die ersten Episoden abgeschrieben und dann ausgebaut. Jetzt dachte ich: Verdammt, es wäre doch sehr sinnvoll, selbst wenn eine Veröffentlichung der Serie jetzt in weite Ferne gerückt ist, hieran weiterzuarbeiten und so die Grundlagen für eine spätere Veröffentli­chung zu schaffen.

So entstand also der Grundstock der Serie „12Neu“, der kommentierten Ab­schriftenversion des KONFLIKTS 12. Bis heute, ich kam nur langsam daran vor­wärts, sind immerhin schon fast 40 Bände entsprechend in digitales Format übertragen worden (von insgesamt 128, die Arbeit dauert entsprechend noch an), aber hier fing es eben ernsthaft an, auch wenn die Wurzeln dieses Projekts anno 2007 zu verorten sind.

Entsprechend entstand dann auch gleich ein Glossar für „Oki Stanwer – Bezwin­ger des Chaos“, und ihr spürt, ich fühlte mich einfach großartig. Die Quantität der geschaffenen Werke spricht dann allein im Monat Juni 2012 auch für sich: 32 an der Zahl.

Für heute unglaublich, nicht wahr? Wie gesagt – das war ein phantastisch um­triebiges Jahr.

Im Juli folgte ich vorerst der BdC-Abschriften- und Kommentierungsschiene, machte mit den Abschriften des KONFLIKTS 28 weiter, versuchte mich weiter am dortigen Band 50 „MATRIXPEST“ und schrieb nach wie vor an der Daten­bank „Kommunale Amtsträger“. Es kamen dann auch Neuformatierungen von TI-Episoden hinzu und eine kurzzeitige Stippvisite in KONFLIKT 21 „Oki Stanwer – Fürst von Leucienne“ (FvL), wo ich natürlich schon seit Jahren wusste, dass ich dringend weiterschreiben sollte. Doch wie oben schon angedeutet: so etwas zu wissen und das dann auch umzusetzen, war und ist immer abhängig von den erratischen Strömen der intuitiven Kreativität, und die lenkt mich halt recht häufig vom Weg ab.

Diesmal führte mich der Weg zu KONFLIKT 18, den ich ja ebenfalls abschrieb und kommentierte. Bei der Serie 18Neu, „Kampf gegen TOTAMS Dämonen und Schergen“ (KGTDUS) war ich bislang bis Band 17 gekommen. Jetzt erreichte ich annähernd Band 20. Sekundiert wurde das, natürlich, von den entsprechenden Glossararbeiten für diese Serie, außerdem feilte ich an einer weiteren Version des OSM-Hauptregisters (Version 3), versuchte mich an einem neuen Hinter­grundartikel mit dem Titel „Notizen zum OSM“, und am 30. Juli blühte noch kurz mit „Veronica“ (Planungstitel!) eine neue Archipel-Idee auf. Diese blieb aber wirklich bis heute sehr kurz.

Mann, dachte ich, das ist die reinste Achterbahn hier… schon wieder phantas­tische 25 fertige Werke in diesem Monat.

Als ich in den Monat August eintrat, rutschte ich endgültig in einen weiteren OSM-KONFLIKT ab, nämlich in KONFLIKT 9 „Oki Stanwer – Der Kaiser der Okis“ (DKdO). Wie in einem Sturmlauf entstanden hier in rascher Folge die sehr um­fangreichen, lebendigen und dramatischen Episoden 13, 14 und 15 – und damit hatte ich fast, wirklich leider nur fast, das Ende des ersten Zyklus „Magellan“ er­reicht (das sollte Band 16 werden, aber den sollte ich 2012 dann nicht mehr vollenden können).

Gleich darauf war ich wieder mitten in den Abschreib- und Neuformatierungs­arbeiten „gefangen“: KONFLIKT 18, dann KONFLIKT 28, auch KONFLIKT 2… da­zwischen die Kommunalen Amtsträger, meine monatliche BWA-Redaktion, KONFLIKT 12… wirklich, ein ständiges Wechseln, wie in einem Hütchenspiel. Di­verse Glossare wurden fortgeführt, manche Storyfragmente wie „Mutproben“ (im OSM) oder „Raubgut“, „Shayas Bestimmung“ und „Brigitta“ (Archipel) be­schäftigten mich weiter. Was definitiv zu kurz kam, sehr zu meinem Bedauern, das waren neue Werke, neue Episoden.

Überrascht es dabei, dass wieder ein neues Fragment entstand? Wohl kaum. Diesmal „erwischte“ es KONFLIKT 18, so kann man das vielleicht ausdrücken – und der Anlass ist zweifellos in den zahlreichen kommentierten Abschriften der Serie zu sehen, die mich wieder enger an den frühen Handlungsstrom dort her­anführten.

Ich hatte schon eine ganze Weile lang über den Anfang der Serie sinniert, die in­zwischen einen parallelen Anfang für die spätere Romanüberarbeitung erhalten hatte (Spoileralarm! Ich darf hier noch nicht zu viel vorwegnehmen). Am Anfang der Serie „Kampf gegen TOTAMS Dämonen und Schergen“ wird Oki jedenfalls mit einem Mitstreiter konfrontiert, Gerd Kartland, der eine magische, faszinie­rende Waffe schwingt, das so genannte „Babylonische Zepter“, dessen Herkunft bis weit in die 50er-Bände der Serie rätselhaft war. Was lag also näher, als mich mal mit der Vorgeschichte des Artefakts zu beschäftigen? Und jählings befand ich mich dann mit „Spurensuche in Babylon“ mitten in einem Agenten-Adven­ture in einem höchst instabilen Nahen Osten, unter Archäologen, Radikalen und dämonischen Kreaturen. Und en passant erhielt dabei dann auch Gerd Kart­land, das bis dahin recht blasse Kerlchen, deutlich mehr Konturen.

Nun, wenn die Story eines Tages fertig sein wird, werdet ihr das lesen können. Das dauert aber sicherlich noch ein paar Jährchen. Aktuell ist hier leider der Bil­derstrom versiegt – und solange es sich so verhält, herrscht an diesem Frag­ment Stillstand. Das ist ja für die meisten angefangenen Episoden, Romane und Fragmente der Normalfall, leider…

Irgendwie hatte ich mit diesem Fragment aber schon wieder eine Lawine losge­treten. Denn nur drei Tage darauf entstand mit „Beas Freund“ eine weitere OSM-Fragmentgeschichte, die dieses Mal erneut in einem völlig anderen Kos­mos spielte. Ich fand mich zur eigenen Verblüffung in KONFLIKT 16 „Oki Stan­wer – Der Mann aus dem Nichts“ (DMadN), den ich 1998 abgeschlossen hatte, und sogar einige Jahrhunderte vor der Serienhandlungsgegenwart. Dammich, dachte ich… das ist ja kurios. Nicht zuletzt besonders deshalb, weil es keinen di­rekten Anlass gab, an den ich mich entsinnen konnte. Weder hatte ich eine kommentierte Abschrift begonnen – das wäre zu diesem Zeitpunkt wirklich Wahnsinn gewesen, dafür hatte ich genug andere Baustellen! – , noch hatte ich mich wieder in die Serie eingelesen.

Nun, was ich mir vorstellen könnte, ist ein anderer Zugang, gewissermaßen auf einer Parallelspur – denn es geht in der Geschichte um ein kleines Mädchen und Gestaltwandler aus dem Volk der Berinnyer. Vielleicht kam ich also unter­bewusst über die Dawson-Connection aus KONFLIKT 19 zu diesem Setting, da ich mich ja nicht lange zuvor mit Ian Perry und seiner Tochter Senyaali beschäf­tigt hatte… möglich ist ebenfalls, dass meine Schreibarbeiten am KONFLIKT 12, in dem es ja auch zentral um die Berinnyer geht, einen gewissen Einfluss ausgeübt hat. Aber was auch immer der Anlass genau gewesen sein mag – die kleine Bea fing mich halt einfach so ein, wie mir das schon Jahre zuvor Rhonda vorgemacht hatte, als sie mich im Urwald von Coorin-Yaan geradewegs über den Haufen rannte.

Toll, so etwas. Leider kam ich in der Bea-Geschichte nur bislang 7 Seiten weit. So ist das halt, wenn man sich völlig verzettelt. Zwar kam ich auf 20 Werke in diesem Monat, die ich abgeschlossen hatte, aber einmal mehr waren es haupt­sächlich kommentierte Abschriften oder Neuformatierungen.

Ärgerlich, dachte ich… es wäre doch zu schön, wenn sich das bald wieder än­dern würde.

Was sich stattdessen änderte, war das Amtsträger-Projekt, das sich im Septem­ber dem Ende zuneigte. Davon berichte ich euch in der nächsten Folge.

Kommende Woche habt ihr dann wieder einen „Work in Progress“-Report vor euch, da berichte ich dann vom Arbeitsstand im Juli 2017.

Bis dann, meine Freunde, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 134: Illuminatus! Band 2: Der goldene Apfel

Posted Oktober 18th, 2017 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

ja, hier kommt also nach vier Wochen der zweite Teil des schrillen 70er-Jahre-Romans um die gewaltige weltumspannende Verschwörungsgeschichte, durch­mischt von Hippie-Phantasien, sexuellen Ekstasen, mythischen Wesenheiten, Zeitsprüngen, Atlantis, telepathischen Delphinen und Schlimmerem… ich sagte ja schon im Blogartikel 130, dass das eine Saga ist, die es echt in sich hat. Dage­gen ist die ganze Metaphysik von STAR WARS wirklich höchst erbärmlich und simpel gestrickt. Das hier fordert euch vollständig, Freunde – ein anspruchsvol­les, höchst amüsantes und verwirrend gestricktes Geschichtengarn.

Ich kann echt nicht anders, als noch mal nachdrücklich dazu aufzufordern, euch dieser Geschichte zu stellen, und mögt ihr auch im ersten Anlauf daran schei­tern (wie ich vor so langer Zeit)… der Stoff ist den zweiten Anlauf unbedingt wert.

Also, bitte anschnallen, es geht weiter auf der wagemutigen Tauchreise des yel­low submarines des ultimativen Anarchisten Hagbard Celine. Und der nächste Tauchstopp erfolgt in… Atlantis!

Vorhang auf:

Illuminatus!

Band 2: Der goldene Apfel

(OT: Illuminatus! – The Golden Apple)

von Robert Anton Wilson & Robert Shea

Kailash, Hugendubel 2002

260 Seiten

Erstausgabe: 1978

Übersetzt von Udo Berger

Also, Freunde, noch mal kurz erden, bevor es dann wieder aufgeht ins zuneh­mend eskalierende Chaos.

Wir erinnern uns: irgendwann so um das Jahr 1975 herum (der Zeitpunkt wird nicht genannt) taumelt die Welt auf einen nuklearen Krieg zu, der sich an einem kleinen Eiland vor der westafrikanischen Küste entzündet, einer Insel namens Fernando Poo. Während die Regierungen der UdSSR, der USA und Chinas der Auffassung sind, die jeweilige Gegenseite habe diesen Konflikt in Szene gesetzt, verhält es sich gänzlich anders. Die Erde ist seit langen Jahrtausenden Schau­platz der Kämpfe von unterirdischen Mächten, die – nach bisherigen Erkennt­nissen – ihren Ursprung auf dem mythischen Kontinent Atlantis haben, der vor 10.000 Jahren im Atlantik versank.

Übriggeblieben ist von dieser uralten Macht der Geheimorden der Illuminaten, der in zahlreichen Verkleidungen und Tarnorganisationen über die Jahrtausen­de hinweg die menschlichen Kulturen infiltriert und gegeneinander gehetzt hat, um die absolute Macht zu erlangen. Wenn wir auf die Weltgeschichte schauen, erkennen wir, dass das bislang fehlgeschlagen ist. Sieht wenigstens so aus.

Die Gegenströmung ist anarchistischer Natur, und als „Frontkämpfer“ dient ge­genwärtig offenbar der geniale Rechtsanwalt, Pirat und U-Boot-Kommandant Hagbard Celine mit seinem yellow submarine LEIF ERIKSON (das ERICKSON in der letzten Rezi war die Übernahme eines hartnäckigen Schreibfehlers im Buch). Mit seinem Geheimorden, der Legion des Dynamischen Diskords, ver­sucht Celine, die Pläne der Illuminaten und zahlreicher anderer Untergrundor­ganisationen zu durchkreuzen. Diese bestehen übrigens, wie man hier rasch im zweiten Buch erfährt, nicht nur in der Entfesselung eines Nuklearkrieges (der hat aber ein monströses, logisches Ziel!).

In Wahrheit geraten sogar die Ereignisse auf Fernando Poo und die um den bri­tischen Geheimagenten 00005 (Eigenname: Fission Chips) ein wenig ins Hinter­treffen. Der Brite verirrt sich etwa in eine Kirche auf Fernando Poo und findet sich hier auf einmal in einer dem Weird Fiction-Leser sehr bekannten Szenerie wieder: in einer Kirche auf dem Federal Hill in Providence, Rhode Island, und er macht zunächst die furchterregende Bekanntschaft mit den Großen Alten und sodann mit dem Dealy Lama unter der Dealy-Plaza in Dallas, Texas, wo einst John F. Kennedy erschossen wurde.

Eine Nebenhandlung avanciert unvermittelt zum Haupthandlungsstrang: näm­lich die um einen Biowaffenexperten, der sich nach Las Vegas zurückgezogen hat, um sich hier von einer Prostituierten verwöhnen zu lassen. Dummerweise ist der Mann mit seiner tödlichen Anthraxvariante vergiftet und bringt somit unabsichtlich sich und die Frau um. Letztere wiederum infiziert ihren Zuhälter Carmel, der daran denkt, das ganz große Geld zu machen, indem er ebenjene Anthraxvariante an Staatsfeinde verkaufen will. Er ahnt natürlich nicht, dass all dies zu den Langzeitplänen der Illuminaten gehört.

Von diesen Plänen gibt es insgesamt drei, und bis der Leser zu ahnen beginnt, was für eine eigentliche Bedeutung das scheinbar unspektakuläre Rockfestival bei Ingolstadt haben soll, das nahe dem Totenkopfsee stattfinden soll, in dem in den Endtagen des Zweiten Weltkrieges von Hitler eine ganze Division Toten­kopf-SS mitsamt Waffen versenkt worden ist (vorher brav mit Zyankali vergiftet, was die Gefahr leider nicht entschärft, wenn die Illuminaten Recht behalten), bis dahin ist alles längst zu spät. Oder vermutlich jedenfalls, denn wie schon im ersten Band gehen die Zeiten und Informationsebenen munter durcheinander, und es trägt definitiv nicht zur logischen Durchdringung des Buches bei, wenn man Hagbards Reden lauscht (die er im nächsten Atemzug als Lügen abtut und dann wieder für die Wahrheit ausgibt), Reden der Illuminaten, die einen Wer­befilm über die Ereignisse im Atlantis vor 10.000 Jahren zeigen (ein kleiner Überrest davon ist übrigens Fernando Poo, wer hätte das gedacht?) oder man sich vergegenwärtigen muss, dass zahlreiche Personen im Buch als Doppel-, Dreifach- oder Fünffach-Agenten in verschiedenen, teilweise absolut konträren Organisationen Mitglied sind und absichtlich und gewollt oder sogar von allen Seiten gefördert Informationen an die Gegner weiterreichen.

Man merkt, die Konfusion nimmt zu, und während Fernando Poo sich offen­sichtlich von selbst entschärft, bekommt man immer deutlicher mit, dass es doch einen übernatürlichen Aspekt an der Geschichte gibt. Schließlich entdeckt der Leser mit Grausen ein fünfeckiges Steingebäude in Atlantis, in dem niemand Geringeres als Yog-Sothoth gefangengehalten wird. Und wenn man dann über­legt, dass die Illuminaten hinter der Erbauung des Pentagon in Washington stecken…

Nach wie vor ein mächtig wilder Stoff, der auch weiterhin ein enzyklopädisches Wissen abverlangt und ziemliche Durchhaltekraft. Viele Dinge erschließen sich erst beim zweiten Lesen, weil man anfangs einfach nicht auf solche merkwürdi­gen Dinge wie etwa im ersten Band vorkommende Handelsgesellschaften wie GOLD AND APPLE TRANSFERS geachtet hat (im zweiten Band erkennt man darin Hagbard Celines Schmuggler-Dachorganisation). Der Leser erfährt eine Menge über die Mythen des modernen Rauschgifthandels, die Protagonisten werden mit zunehmender Informationsfülle immer bereiter, sich mit einer ordentlichen Pfeife Pot ins mentale Nirwana zu begeben, wobei es da auch zu Überschnei­dungen mit anderen Geistern (Quasi-Telepathie), Flashs in die Vergangenheit oder zu beinahe richtiger Illumination kommen kann.

Während unsere beiden Polizisten aus dem ersten Teil fast in Vergessenheit ge­raten, schlingert der Polizist, der auf ihren Spuren wandelt, in Miss Maos Illumi­natenzirkel hinein und verliert seinen Glauben an die Welt; Joe Malik und Geor­ge Dorn, inzwischen beide im Dienste Hagbard Celines, haben genug damit zu tun, das metaphysische Dickicht der Welt zu durchdringen und ihre eigenen Kräfte zu entwickeln; aber da ist dann auch noch Simon Moon, und es gibt diese seltsame Vierlings-Rockband, die in Ingolstadt spielen soll…

Äh, ja, was wollte ich eigentlich sagen? Well, vielleicht soviel, als dass hier na­türlich das letzte Wort noch nicht gesprochen werden kann, sich die Story aber insgesamt nach wie vor ultracool und richtig heftig abgefahren entwickelt. Eins ist sicher: nach diesem Buch braucht ihr keinen Trip mehr, und die Lachkur könnt ihr auch absagen, das wird hier locker erledigt. Jedenfalls für den Fall, dass ihr genügend von dem rafft, was euch die beiden Autoren erzählen wollen. Wer Lovecraft nicht kennt, die Freimaurer, ein wenig von der Geschichte, At­lantis usw. etc., der hat vielleicht mehr die Stirn zu runzeln als zu kichern. Aber von dem Gedanken, dass man unbedingt stoned sein muss, um das Buch zu ver­stehen, bin ich inzwischen weg.

Bin nur mal gespannt, ob es den Großen Weißen Wal wirklich gibt, der angeb­lich die Weltherrschaft anstrebt, oder ob das nur so ein bizarrer Crossover zu Melvilles Moby Dick ist. Im Band 3 mit dem Titel „Leviathan“ werden wir’s er­fahren.

Stürzt euch ins Vergnügen, Jungs und Mädels!

© 2004 by Uwe Lammers

Keine Sorge, so verrückt bleibt mein Rezensions-Blog natürlich nicht. In der kommenden Woche durchreisen wir einmal mehr vertraute Gewässer und schauen uns einen Abenteuerroman von Clive Cussler an. Ihr könnt mir glau­ben, da werden uns gewiss keine telepathischen Delphine begegnen, und auch bestimmt keine Anarchisten.

Was sonst? Nun, da solltet ihr euch, die ihr dieses Buch nicht kennt, mal überra­schen lassen. Nächste Woche einfach wieder hereinschauen!

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Wochen-Blog 241: Der OSM in Gedichtform (4) – Bitter Sun

Posted Oktober 14th, 2017 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

lange, lange ist es her, dass ich euch mit dieser Rubrik unterhalten habe? Ja, fürwahr lange ist das her, das letzte Mal kümmerte ich mich am 4. Juni um das Thema des OSM-Gedichts, das liegt also ein munteres halbes Jahr zurück. Wir bleiben im Jahr 1987, und diesmal, muss ich sagen, ist der Anklang an den OSM doch nur ein sehr vager, der mich bei der Abschrift Jahre später selbst über­rascht hat.

Schaut euch das am besten mal selbst an, mir will scheinen, das wird ein recht kurzer Beitrag heute:

Bitter Sun

Gedicht von Uwe Lammers

Im Schein der rötlich gelben Sonne

erstarren Magmagluten zu schwarzem Stein

stürzen die Wälle der Ewigkeit,

Gestalt gewordener Finsternis Bastion.

Im schwindenden Licht der Sterne

verharren mächtige Gestalten ehrfürchtig,

brachen ein in das Revier des Todes,

ein Reich Gestalt gewordenen Grauens.

Im Flimmern der knisternden Brände

sieht man die Armeen marschieren,

voller Hoffnung und Mut,

der unsichtbaren Vernichtung entgegenschreitend.

Im Abgrund der dunklen Augen

finden schmerzerfüllte Seelen Schicksal,

das alles treibt und vorwärts drängt,

beseelt vom Drang zu wissen.

Und wie sie kommen,

so fallen sie auch,

nichts errettet sie.

Im Schein der rötlich gelben Sonne

stehen Monumente des Todes starr,

rostende Ketten hängen herab,

Waffen liegen hilflos verstreut.

Im schwindenden Licht der Sterne

liegt das Schlachtfeld leer und einsam,

niemand stört des Todes Schlaf,

in dem die Kämpfer sind.

Eine große Hand legt sich auf die Welt,

wissend, beherrschend und erdrückend.

Und die Hand ist schwarz wie die Nacht,

böse wie der Tod.

Schwarze Zinnen erheben sich bald,

überragen Hügel und Täler.

Stadtanlagen breiten sich aus,

Banner werden gehisst.

Niemand versteht das Banner,

schwarze Sonne auf rotem Grund,

zweiunddreißig Strahlen verschleudernd,

die das Zeichen des Bösen sind.

So schaut die bittere Sonne hinab,

auf die Ebenen der Welt,

wo einst ihr Leben wohnte

und nun nur Tod und Feindschaft herrscht.

Das Schicksal ist hart.

Bittere Sonne.

ENDE

© 1987 by Uwe Lammers

Gifhorn, den 27. Februar 1987

Abschrift: Braunschweig, den 30. Juni 2015

Gedicht Nr. 42

Anmerkung: Mit einiger Überraschung entdeckte ich heute bei der Abschrift, dass es sich im Kern um ein OSM-Gedicht handelt, denn die „zweiunddreißig Strahlen der Sonne“ sind ganz offensichtlich eine Anspielung an TOTAMS Sonne Granat sowie auf die 32 Dämonen von TOTAM. Auch die „schwarze Sonne“ passt durchaus dazu. Während ich anfangs noch annahm, dies sei ein Gedicht, das in meiner erfolglosen Schwärmerei für ein Gifhorner Mädchen entstanden ist, sieht das nun deutlich anders aus.

Tatsache ist, dass dieses Gedicht gerade mal eine runde Woche nach dem vor­herigen entstand, also nach „Könige stolzen Hauptes“. Vielleicht erklärt sich die „Fantasylastigkeit“ dieser beiden Gedichte daraus, dass ich damals a) noch rela­tiv viel Fantasy las, b) dass ich mich zu dieser Zeit noch relativ nah an meiner Marion Zimmer-Bradley-Phase befand und c) gerade in der Endphase eines vo­luminösen Fantasy-Roman steckte, den ich am 18. April 1987 vollenden sollte.

Ach, ich weiß, dass ihr Andeutungen nicht so toll findet… also schön, dann er­zähle ich euch eben bei der Gelegenheit noch etwas mehr dazu:

Die sieben Prüfungen“, so der Titel des gut 300 Seiten umfassenden Werkes, das ich damals sehr zu Recht als „BUCH“ einstufte, als das erste von zahlrei­chen, die noch folgen sollten im Laufe der kommenden 30 Jahre, handelte von Leben und Tod und brachte Gevatter Tod höchstselbst als Protagonist auf die Bühne des Schicksals. Der junge Prinz Corian entdeckte in der Todesstunde sei­nes Vaters, dass der lange Frieden, der in seiner Heimat geherrscht hatte, auf einen Handel seines Vaters mit Gevatter Tod zurückzuführen war. Um diesen Frieden zu erneuern, galt es sieben Prüfungen zu bestehen, die ihn in verschie­denerlei Inkarnation und in diverse bizarre Welten führte.

Ausschlaggebend für die Gedankenführung war, so überraschend das heute klingen mag, eine deutsche Popgruppe namens ZARA-THUSTRA, deren Album „Ritter der neuen Zeit“ (das es offensichtlich nicht auf CD gibt, was ich sehr be­dauerlich finde) mich massiv zu den Szenarien des Romans anregte. Stilistisch, da machen wir uns mal nichts vor, ist der Roman heutzutage zweifellos völlig altbacken und hölzern. Aber allein der schiere Umfang ist schon recht beeindru­ckend, wie ich sagen muss.

Nun, bis ihr dieses Werk, das bis heute nicht in digitaler Version vorliegt, mal zu Gesicht bekommen werdet, vergeht zweifellos noch eine Menge Zeit. Ihr wisst jetzt, dass es existiert und könnt weiterhin neugierig sein.

In der kommenden Woche steuere ich euch dann in bekanntere Gewässer zu­rück – in die Artikelreihe „Was ist eigentlich der OSM?“ – und reise in die nähe­re Vergangenheit zurück. Ich würde sagen, es bleibt interessant… selbst wenn ich hier aktuell nur mit relativ kleinen Zwergen-Trippelschritten vorankomme, deutlich langsamer, als ich mir das ursprünglich vorstellte. Aber so ist eben die Welt: nie tut sie tatsächlich das, was wir wollen, sondern sie hat eben ihren ganz eigenen Kopf.

Also, lasst euch mal von den Worten der kommenden Woche überraschen.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 133: Blut der Erde

Posted Oktober 11th, 2017 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

heute geht es mal um ein Buch für wirklich eingefleischte Fans, das ist nicht zu leugnen. Ich besaß diesen Roman schon seit geraumer Zeit, hatte aber immer, weil mir bewusst war, wie wenige ungelesene Werke von Keith Laumer mir noch offenstanden, stets gezögert, das Buch zu lesen. Tja, die Wartezeit wirkte sich nicht eben positiv auf die Lektüre aus – das hatte nur mittelbar damit zu tun, dass das Buch fast so alt ist wie ich selbst auf dieser Welt weile. Im Gegen­satz zu den Lafayette O’Leary-Romanen (zu denen ich euch beizeiten mehr er­zählen werde) oder gar den James Retief-Abenteuern des Diplomaten vom CDT (auch dazu komme ich noch), empfand ich bei diesem hier doch eine gewisse Enttäuschung, je weiter die Lektüre voranschritt.

Woran lag das? Nun, einmal sicherlich an meinem Lesehorizont, der derzeit na­türlich erheblich weiter ist als vor rund 25 Jahren, als das Buch in meinen Besitz kam. Zum anderen… ah, aber lest doch lieber selbst weiter, was ich unmittelbar nach der Lektüre dazu niederschrieb:

Blut der Erde

(OT: Earthblood)

Von Keith Laumer & Rosel George Brown

Heyne 3146/47

München 1969

Aus dem Amerikanischen von Birgit Reß-Bohusch

256 Seiten, TB (antiquarisch, keine ISBN)

Man schreibt das 14. Jahrtausend terranischer Zeitrechnung… so könnte diese Geschichte beginnen. Aber das ginge etwas in die Irre. Denn wir befinden uns zwar in der Milchstraße, und sie ist rege bevölkert von Billionen intelligenter Le­bensformen… doch Menschen, reinrassige Terries, sucht man wirklich verge­bens.

Terries sind fast so etwas wie eine Legende.

Die Heimatwelt der Menschen, Terra, hält sowieso jeder für einen Mythos.

Und abgesehen davon haben die meisten Galaktiker sowieso ganz andere Sor­gen. Und ob sie nun Tentakel tragen, Schuppen oder Flügel, ob sie gefiedert sind oder sich Erdbehausungen graben – sie alle kämpfen ihren täglichen klei­nen Kampf ums Dasein. Es gibt nur sehr wenige idealistische Wesen, deren Ah­nenlinie vor langer Zeit von der Menschheit abging, die nach wie vor die alten Legenden hochhalten und sich selbst zugleich für „Terraner“ halten. Es sei doch nicht so wichtig, ob man Hörner besäße oder Klauen oder Schwimmhäute… die Einstellung sei wichtig.

Raff Cornay und seine Frau Bella sind solche Idealisten. Sie ersehnen sich einen möglichst reinen menschlichen Nachwuchs und scheinen am Ziel zu sein, als sie auf dem Hinterwäldlerplaneten Tambool endlich einen menschlichen Embryo finden, der ihnen geeignet erscheint. Aber etwas ist daran seltsam – er scheint sehr begehrt zu sein, und das Ehepaar wird prompt kurz darauf überfallen… doch die Räuber haben nicht mit dem wilden Widerstand Raff Cornays gerech­net, der die meisten von ihnen kurzerhand umbringt und dabei selbst zum Krüppel wird. Nur einer der Angreifer, ein Yill namens Thoy’hoy, bleibt am Le­ben und ist fortan ihr Sklave und Diener.

Und so wächst der menschliche Embryo in Bellas Bauch heran und kommt zur Welt als Roan Cornay, als absolut menschliches Wesen unter lauter Alienkin­dern. Später wird er erfahren, dass man solche Wesen „Geeks“ nennt – Men­schenabkömmlinge, die eher weniger denn mehr menschlich sind. Mischwesen und Hybriden. Sie werden unterschieden von so genannten „Gooks“, die zwar entfernt menschenähnlich sind, aber völlig fremden Spezies entstammen. Ein Beispiel hierfür ist etwa „Eisen-Robert“, dessen Bekanntschaft Roan später macht.

Roans „Vater“ Raff schärft seinem Kind den Stolz ein, ein Terry zu sein, und zwar einer von bestem Blut. Und er erzählt ihm von der alten Erde, die für ihn selbst kaum mehr als ein Mythos ist. Berichtet davon, wie die terranische Imperialflot­te vor vielen Jahrtausenden einen verheerenden Krieg mit einer Invasorenrasse ausfocht, den finsteren Niss, die ihnen angeblich überlegen waren und schlussendlich Terra mit einer undurchdringlichen Blockade von gigantischen Kriegs­schiffen einschlossen. Doch meint Raff Cornay, dass es die Erde noch gibt und irgendwo auch noch die zerstreute terranische Imperialflotte. Und er impft sei­nem Kind ein, dass die Terraner die durchsetzungsfähigste und wandlungsfä­higste Spezies der Milchstraße seien. Einstmals Herrscher der Galaxis, und dass sie es dereinst wieder sein würden.

Aber Terra ist eben ein Mythos.

Nun, und Roan Cornay, der unweigerlich von Terra träumt und wissen möchte, woher er tatsächlich stammt – denn er ist in der Tat optisch ein absolut reinras­siger Terraner, das ist unübersehbar – , ist durchaus bereit, Risiken auf sich zu nehmen, um seine Herkunft zu entschleiern. Dummerweise bekommt er dazu gar keine Gelegenheit. Denn vorher wird er von dem Zirkusdirektor Gom Bullj kurzerhand zu den Sternen entführt und an Bord eines uralten terranischen Kriegsschiffes zu einer Zirkusattraktion aufgebaut.

Hier lernt er allerdings die bildhübsche Hybridenfrau Stelleraire kennen und eckt an vielen Stellen mit der Bordmannschaft an. Und das ist erst der Anfang seiner Odyssee, in der es dann auch noch um Raumpiraterie geht, um Plündern und Kolonialweltenüberfälle… und irgendwann gibt es auch Anzeichen, dass es tatsächlich noch so etwas wie eine terranische Imperialflotte gibt, all den Jahr­tausenden zum Trotz, die seither vergangen sind.

Doch leider gibt es eben auch den anderen Mythos noch – die Niss.

Und manche Mythen haben einen äußerst schalen, desillusionierenden Beige­schmack, wenn man ihnen erst einmal auf den Grund gegangen ist…

Keith Laumer und Rosel George Brown haben mit diesem Buch eigentlich einen klassischen Abenteuerroman geschrieben, die Lebensgeschichte von Roan Cor­nay, der unter lauter Mutationen und Aliens in der fernen Zukunft nach seiner Herkunft sucht, zugleich dem Wahrheitsgehalt der Legende über die Erde auf den Grund gehen möchte. So schlägt er sich von Kindesbeinen an durch, als Kind entführt, zur Zirkusattraktion gemacht, dann zum Raumpiraten, mit wild zusammengewürfelten, oft intriganten Kameraden zusammen… und das liest sich in der ersten Hälfte auch durchaus sehr packend, und man kommt voran und hat an vielen Stellen ordentlich etwas zum Lachen.

Doch je weiter der Roman voranschreitet, so kam es wenigstens mir vor, desto vager und fader wurde er. Es mag eine Frage der schieren Länge sein – immer­hin ist der Roman deutlich länger als die landläufigen Laumer-Romane, und es hat sicherlich auch etwas zu besagen, dass Laumer hier mit einem Coautor zu­sammenarbeitete, von dem ich sonst nichts kenne. Meiner Ansicht nach hat sich das auf das Buch nachteilig ausgewirkt, beide Faktoren. Die Geschichte hat in der zweiten Hälfte ganz eindeutige Längen, und besonders zäh wurde es für mich dann, als der Held tatsächlich sein Ziel erreichte. Da wurde die Storyline irgendwie orientierungslos. Der Schluss wirkt demzufolge etwas gezwungen und bemüht.

Ich fühlte mich ein wenig an die alten Romane um Earl Dumarest erinnert, die E. C. Tubb zeitlebens in Serie veröffentlichte. Auch Dumarest war immerzu auf der Suche nach der Erde, doch im Gegensatz zu dem vorliegenden Roman kam Dumarest – meines Wissens nach jedenfalls – nie auf der Erde an, sondern ging immer nur weiteren Spuren nach. Es ist eigentlich wie immer bei solchen Ques­ten (und dies ist eindeutig eine): wenn man am Ziel angelangt ist, ist die Ge­schichte aus, und ja, meistens ist das Ziel deutlich weniger wert, als man das ur­sprünglich geglaubt hat. Der Traum ist fad geworden, die Wirklichkeit hält der Imagination nicht stand.

Leider kann man das auch von diesem Roman sagen. Bei aller Liebe zum Detail, das auf viele Passagen verwendet wird, ist er doch auch leider etwas sehr ober­flächlich. Man schließt als kritischer Leser und als Laumer-Fan das Buch eigent­lich mit einem Gefühl der milden Enttäuschung.

Schade.

© 2014 by Uwe Lammers

Ihr seht, es gibt manchmal gute Gründe, mit dem Grundprinzip meines Rezensi­ons-Blogs zu brechen – dem Prinzip eben, nur Romane zu rezensieren und euch vorzustellen, die mir absolut gefallen. Verschiedentlich bereits hat es Werke ge­geben, die deutliche Missklänge in den Rezensionen spiegelten. Das ändert aber in diesem Fall absolut nichts daran, dass ich Laumer als Autor grundsätz­lich nach wie vor sehr schätze. Nur hat jeder Verfasser mal gute und weniger gute Stoffe, mit denen er sich befasst, und die Übersetzer kann er sich in der Regel auch nicht aussuchen. Hier kommt es eben auch vor, dass man die guten Übersetzer nicht bekommt, sondern 08/15-Übersetzer den Job erledigen, die unter hohem Zeitdruck und mit geringem Honorar überstürzte Arbeit leisten müssen.

Dennoch bin ich der Auffassung, dass es in diesem Fall nicht am Übersetzer gelegen hat, denn Reß-Bohusch ist wirklich eine sehr versierte Übersetzerin gewesen. Hier funktionierte die Grundidee nicht. Vermutlich hat Laumer aus der Idee noch das Nonplusultra herausgeholt.

In der kommenden Woche geht der strukturelle Alptraum und der goldige Lese­wahnsinn von „Illuminatus!“ in die zweite Runde. Das solltet ihr euch echt nicht entgehen lassen, Freunde!

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Liebe Freunde des OSM,

es gibt meiner Ansicht nach ein ganzes Bündel höchst unterschiedlicher Schrift­steller. Zwei dieser Kategorien kennt ihr schon – die Gliederung in die struktu­rierten Planer einerseits und die intuitiven Autoren andererseits. Die Personen der ersten Gruppe neigen dazu, ihren Roman wie an einem Reißbrett Kapitel für Kapitel, Person für Person zu entwerfen, zurechtzufeilen und das gesamte Set­ting aufzuschlüsseln, mitunter, ehe sie die erste Zeile geschrieben haben. Die Autoren der zweiten Gruppe, zu denen ich mich rechne, lassen sich auf das un­berechenbare Abenteuer ein, das das Schreiben darbietet: sie folgen dem un­kalkulierbaren Sirenenruf und erleben phantastische Odysseen jenseits der Vor­stellung.

Es ist offensichtlich, wem meine größere Sympathie gilt… wenngleich damit nicht gesagt sein soll, dass die erstgenannten Verfasser uninteressante Romane schreiben, ganz im Gegenteil. Zumeist sind sie sogar höchst lesenswert. Sie ber­gen halt nur für Vielleser die Gefahr, in gewisse schematische Fallen zu gehen. Das ist jetzt so meine private Meinung und Erfahrung mehrerer intensiver Lese­jahrzehnte.

Es gibt aber noch eine weitere Schwierigkeit, und der widmen wir uns heute nach dieser vielleicht etwas seltsam klingenden Einleitung: Ich habe in all die­sen Lesejahren nämlich das bedauerliche Gefühl gehabt, dass diese planenden Autoren häufig eine Art von Grundaufschlag begehen – sie neigen dazu, in Ein­zelromansettings oder aber wenigen, oft dreibändigen Zyklen, zu denken und zu argumentieren. Nach diesem Handlungsbogen ist oftmals die kreative Ener­gie erschöpft, und der Handlungsrahmen oder das Handlungsuniversum wird verlassen und nicht wieder angesteuert.

Dies hat dann zur Folge, dass im nächsten Roman alles wieder von vorn be­ginnt: man braucht neue Protagonisten, man braucht einen neuen Handlungs­hintergrund, in der SF beispielsweise neue Welten, neue Technologie, neue Völ­ker… und das ständig wieder und immer wieder zu ersinnen, das kommt mir schon seit sehr langer Zeit äußerst ermüdend und ermattend vor. Die oben an­gedeutete Gefahr, dann in eine Art von Standard-Mainstream-Fahrwasser abzu­gleiten und schematische Personen, schematische Settings usw. zu entwickeln, einfach aus Gründen der Energieersparnis, wird dann eine höchst reale Schwie­rigkeit.

Sehen wir uns beispielsweise nur mal kurz die sieben Harry Potter-Romane von Joanne K. Rowling an: der zentrale Konflikt, um den alles kreist, ist die Ausein­andersetzung zwischen Harry und Lord Voldemort. In dem Moment, wo die fi­nale Katharsis stattfindet und Voldemort – erwartungsgemäß – auf der Strecke bleibt (es ist ein Jugendbuch, das kann man schlecht mit dem Sieg des Bösen enden lassen, gell?), ist der Spannungsbogen ausgereizt. Folgerichtig sagte Frau Rowling auch, sie habe nicht vor, jemals an diesem Universum weiterzuschrei­ben.

Inzwischen wissen wir, dass sie sich überreden ließ, das anders zu gestalten, und nun schreibt sie eben über Newt Scamander und den amerikanischen ma­gischen Schauplatz – aber das bestätigt nur meine obigen Worte: Hogwarts mag noch unendlich viele unerforschte Winkel und Ecken und Biografien be­sitzen, aber sie strahlten für Rowling erkennbar nicht soviel Reiz aus, dass sie sich dort heimisch gefühlt hätte. Der Schatten von Harry Potter war zu über­mächtig, also wechselte sie Zeit und Schauplatz, um einen völlig neuen Konflikt zu ersinnen. Wir werden sehen, ob er die Qualität des ersten Siebenteilers be­sitzt. Wenigstens fängt die Geschichte schon interessant an, das werden diejeni­gen unter euch, die „Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“ gese­hen haben, vielleicht ebenso sehen wie ich.

Was hat das alles mit dem Oki Stanwer Mythos (OSM) zu tun? Eine Menge.

Ihr wisst, dass ich am OSM inzwischen seit gut 40 Lebensjahren schreibe. Ein Verdruss ist, das könnt ihr jedes Jahr mehrmals an meinen „Work in Progress“-Reports ablesen, ist dabei aber nach wie vor nicht in Sicht, im Gegenteil, ich muss immer wieder dagegen ankämpfen, NOCH MEHR neue Ideen aufzuzeich­nen und auszuarbeiten.

Offensichtlich unterliegen weder der OSM noch ich selbst dem oben skizzierten Phänomen, dass sich ein Gewöhnungs- oder sogar Ermattungseffekt breit­macht. Da stellt sich doch die Frage, wieso das so sein kann.

Ich für meinen Teil schätze, dass das erstens etwas mit meiner intuitiven Schreibweise zu tun hat, und zweitens hat es sicherlich damit zu tun, wie ich Universen in meinem Geist entstehen lasse und sie den Weg aufs Papier bzw. in die digitalen Dateien finden. Und damit sind wir, nach zugegeben langer Vorre­de, beim Thema angelangt.

Der Oki Stanwer Mythos ist eine komplexe Struktur, die nach ursprünglicher Auffassung 33 Universen und einen zeitlichen Rahmen von rund 165 Milliarden Handlungsjahren umfassen soll (eher mehr, würde ich heute schätzen, deutlich mehr… aber das lässt sich aktuell noch nicht quantifizieren). Von diesen 33 Universen habe ich inzwischen zehn in der Rohversion fertig beschrieben, d. h. zehn KONFLIKTE sind ausgetragen worden und ich weiß, wie sie endeten. Verra­te ich an dieser Stelle natürlich nicht, ich bin ja nicht närrisch… ihr wollt schließ­lich noch beizeiten mit spannendem Lesestoff versorgt werden, nicht wahr? Warum sollte ich euch den Spaß verderben?

Weitere acht KONFLIKTE sind derzeit in Arbeit, einige davon schon recht fortge­schritten (dazu zählen KONFLIKT 2 „Oki Stanwer und das Terrorimperium“ und 4 „Oki Stanwer – Der Insel-Regent“, bei den anderen wage ich noch keine Progno­se). Das bedeutet aber, wenn man mitzählen mag, dass etwa die Hälfte des ge­samten OSM bislang vollkommen unerforschtes Neuland darstellt. Allein das ist schon eine enorme Herausforderung, aber sie intensiviert sich durch meine Art des Schreibens.

Ein traditioneller Autor arbeitet sich üblicherweise von Punkt A nach Punkt B voran, in der Regel chronologisch. Gelegentlich – wie etwa im Falle von Eric van Lustbader – in einer gebrochen-chronologischen Struktur, indem er eine Gegen­wartshandlung mit Vergangenheitskapiteln kontrastiert und so den Leserver­stand fordert. Üblicherweise wird hier eine Vergangenheitsdimension in „ge­planten“ Romanen nur insofern später als die Handlungsgegenwart integriert, als sie im Rahmen analytischer Erforschung offen gelegt und als Erklärungsan­satz für rätselhafte Strukturen der Erzählgegenwart herangezogen wird.

Im OSM läuft das anders, und zwar grundlegend anders. Das hat mit der achro­nischen Struktur des Oki Stanwer Mythos zu tun. Ich begann 1981 mit dem re­gulären OSM in der Serie „Oki Stanwer“, aber sie agierte nicht im luftleeren Raum, sondern hatte gedankliche Vorläufer, von denen meine Leser natürlich nichts wissen konnten.

In dieser Serie fußte das zersplitterte galaktische Imperium der terranischen Na­tionen auf einer uralten Vergangenheit: rund neuntausend Jahre vor der Hand­lungsgegenwart (was etwa dem Jahr 2000 vor Christus entsprochen hätte) exis­tierte der Legende zufolge das okische Imperium in der Milchstraße. Seine Supertechnik war immer noch verstreut vorhanden, es gab Robotaußenposten, „schlafende“ Roboter und Raumflotten, und dies alles erwachte wieder zum Le­ben, als Oki Stanwer hier auftauchte.

Das Problem, das sich mir bald stellte, sah aber so aus: Die Ruinen des okischen Imperiums gehörten streng genommen gar nicht in dieses Universum, sie stell­ten Baufehler der universellen Matrix dar, so genannte „Matrixfehler“, die na­türlich gleichwohl von ihrer Existenzberechtigung sehr überzeugt waren und sie mitunter militant verteidigten. Aber genau genommen waren sie Phantome.

Phantome einer Handlungszeit, die ich schließlich im 9. KONFLIKT verortete, von dem noch nicht eine Zeile geschrieben worden war. Die gesamten ruinen­haften Strukturen waren aber existent und höchst quicklebendig in meinem Geist. Sie hatten nur in diesem Universum keinen Raum.

Das brachte mich noch während der Schlussphase dieses KONFLIKTS dazu, den Versuch zu starten, das okische Imperium in einer alternativen Serie auszuar­beiten, die aber bereits in Ansätzen steckenblieb („Der Kaiser der Okis“, 1983-1990).

Es gab also, gewissermaßen, eine „Bringschuld“ für mich als Autor. Ich wusste, es gibt einen schlummernden Handlungshintergrund, zu dem sehr viel zu schreiben ist, eine Form von stiller Reserve der Kreativität, ein Schattenreich voller Abenteuer.

Der OSM dehnte sich nach Abschluss dieser ersten Serie „Oki Stanwer“ (1981-1984) auf mehrere weitere Universen aus, und ich wurde mit der Tatsache „al­ternativer“ Zeitlinien der Erde konfrontiert. Damit war nicht so etwas wie das klassische Paralleluniversenparadigma angesprochen, mit dem ich es mir sicher­lich leicht hätte machen können. Die Dinge lagen deutlich komplizierter.

Vor Urzeiten hatten die Sieben Lichtmächte, die rätselhaften, nebulösen Auf­traggeber Oki Stanwers und des legendären Volkes der Baumeister, damit be­gonnen, den uralten Antagonisten TOTAM zu bekämpfen, und dabei waren 33 Abschnitte einer universalen Energiematrix entstanden, die zu Blaupausen von Universen wurden. Formal – so nahm ich das sehr lange Zeit an – waren all diese Universen homogen. Das wäre ein Gebot des Pragmatismus und der Effizienz gewesen, zugleich natürlich auch einer gewissen Bequemlichkeit. Dummerweise gab es bei diesem Denkansatz recht schnell Probleme, und zwar zwei an der Zahl. Für das erste wusste ich rasch eine Lösung, an dem zweiten biss ich viele Jahre lang.

Problem Nummer eins war: Wenn das immer 1:1-Kopien desselben Grunduniversums in 33facher Vervielfältigung waren, warum wechselte dann immer wie­der der Handlungsschauplatz? In KONFLIKT 13 war es die Erde, in KONFLIKT 14 befand ich mich in der Galaxis Hun’arc, in Risalon, Wukarin, Srakkonar… in KON­FLIKT 20 bereiste ich die Galaxis Zooltahn, in 21 hielt ich mich in Bytharg und Leucienne alias La Sheem jol Karrah auf…

Nun, das Problem ließ sich leicht lösen: Das Universum war gigantisch, nicht wahr? Warum sollten die Lichtmächte nicht den Kampfschauplatz neu entwi­ckeln und die Gefechte an anderen Orten stattfinden lassen? So wurde womög­lich auch die strukturelle Integrität der kosmologischen Matrix gewahrt.

Problem Nummer zwei stellte mich vor ein Rätsel: Oftmals war die Erde der KONFLIKT-Schauplatz. Aber wiewohl die geografischen Details auf bestechende Weise identisch waren, bis hin zu den Namen der Städte und Länder, differierte der Zeithorizont und die Menschheitsgeschichte nicht eben wenig. Man schaue sich nur mal die Zeitlinien an:

KONFLIKT 13: Das Jahr 2123/24. Die Menschheit beherrscht nicht die Raum­fahrt.

KONFLIKT 15: Das Jahr 7476. Das menschliche Sternenreich ist über die ganze Galaxis zerstreut.

KONFLIKT 16: Das Jahr 3938. Die zerstreuten Menschenwelten kämpfen gegen die Dämonenwaffenallianz unter GOLEM und andere Feinde, mit dem Rücken zur Wand.

KONFLIKT 17: Das Jahr 2092. Das irdische Sternenreich umfasst gerade mal gut zwanzig Kolonialwelten in einer Raumkugel von rund 400 Lichtjahren Distanz.

KONFLIKT 18: Das Jahr 2034. Menschliche Raumfahrt? Unbekannt.

KONFLIKT 19: Das Jahr 2081. Extrasolare Transite nur über das Baumeisterportal auf der Venus möglich, sonst ist Raumfahrt generell unmöglich.

Und so weiter. Diese Handlungsebenen spielten einwandfrei NICHT auf dersel­ben Erde, sondern auf verschiedenen. Und es waren eindeutig keine Parallel­welten, sondern unterschiedliche Universen, Milliarden Jahre voneinander ge­trennt.

Nun, natürlich nahm ich anfangs an, es gäbe einen einfachen Erklärungsansatz dafür, wieder einen schematischen – „die Baumeister sind schuld“, dachte ich. Sie entwickeln einmal die Erde in allen Feinheiten, und dann übernehmen sie die in den nächsten KONFLIKT. Das wäre zwar ein monströser Denkansatz, aber wenigstens plausibel.

Leider war er falsch.

Die Erde stellte selbst für die Baumeister ein unheimliches Phänomen dar, und nicht nur die Erde, sondern sehr viele andere Orte, Völker und Personen dazu. Das Phänomen der Matrixfehler machte den OSM, je weitere ich in ihn schrei­bend vordrang, immer unberechenbarer. Und wie ihr euch vorstellen könnt, ist so etwas das reinste Ambrosia für eine brodelnde kreative Phantasie.

Ich will damit nicht sagen, dass ALLES möglich ist, aber doch sehr vieles. Die enorme Komplexität des OSM, die hieraus resultiert, erzeugt einen kreativen Flow, der sehr viel mehr einer Entdeckerreise früherer irdischer Jahrhunderte gleicht als dem schematischen Zusammenkombinieren bekannter „Kochrezept­zutaten“.

Dies ist also ein Element, das es mir leicht macht, neue Universen zu entdecken, ja, buchstäblich zu entdecken. Und es kommt noch ein weiteres hinzu, das mit dem angesprochen achronischen Charakter des OSM zu tun hat.

Ich fing mit der Serie „Oki Stanwer“ an, die später dann KONFLIKT 15 des OSM wurde. Das bedeutete für mich: es gibt 14 vorherige Universen. Während Oki im KONFLIKT 15 weitgehend seine Erinnerung verloren hat (was für mich von Vorteil war, da ich mich in den früheren Universen selbst nicht auskannte, aus­genommen der nachmalige KONFLIKT 9 „Oki Stanwer – Der Kaiser der Okis“, den ich in den „Gedankenspielen“ mit meinem Bruder Achim gegen Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre bereist hatte), war mir immer klar, dass dieses schwarze Loch der Information so natürlich nicht bestehen bleiben konnte.

Und was sich da nicht für schreckliche Dinge tummelten!

Ich wusste bereits 1984 vom „Terrorimperium der Troohns“, ohne zu wissen, wo genau es verortet war. Mir war bald klar, dass Oki schon vor KONFLIKT 9 auf der Erde gewesen sein musste (heute weiß ich: es war in dem noch ungeschriebe­nen KONFLIKT 8). Vereinzelt spielten seltsame OSM-Geschichten – sämtlich bis heute unveröffentlicht – in früheren Universen, aber sie fühlten sich… falsch an. Und heute weiß ich, dass etwa Werke wie „Fragment der Ewigkeit“ definitiv in­haltlich gründlich schief sind.

Auch, als ich höhere KONFLIKTE ausarbeitete, tauchten ständig Verbindungspfa­de in die Vergangenheit auf. Da wurden Welten wie ELDORADO genannt oder THIRAAN-56, eine kybernetische Supermacht namens Z-NULL kam zum Vor­schein, und ich lokalisierte das alles in KONFLIKT 16. Machte mir Notizen und musste mich am Riemen reißen, nicht an allen Fronten gleichzeitig aktiv zu wer­den… was sowieso unmöglich gewesen wäre.

Die Schreibschulden wuchsen und wuchsen.

Wie ich verschiedentlich sagte: es ist nicht so, dass ich mir irgendwelche Ideen ausdenken müsste, sie kommen vielmehr in einer Zahl und Intensität auf mich zu, dass ich mich manchmal in völlig andere Aktivitäten flüchten muss, um bei Verstand zu bleiben. Vermutlich könnte ich Tag und Nacht schreiben, wäre ich nicht genötigt, mir das Geld zum Lebensunterhalt arbeitend zu verdienen.

Und was nun die Basisfrage angeht, wie ein Universum entsteht… nun, das ist eine Frage des organischen Wachstums. Das meine ich so: üblicherweise bin ich mit den aktuellen KONFLIKTEN und Serien des OSM so beschäftigt, dass kein Raum bleibt für Neuentwicklungen. In der Frühzeit des OSM-Schreibens sah das so aus, dass immer nur dann, wenn eine andere Serie abgeschlossen wurde, eine neue emporsprießen konnte… und durchaus nicht eine, die direkten kau­salen Anschluss hatte. Das sah dann etwa folgendermaßen aus:

Im Januar 1984 schloss ich die Serie „Oki Stanwer“ (KONFLIKT 15) ab. Da ich schon sehr genau wusste, wie sie enden würde, war es mir ein Leichtes, schon kurz zuvor Band 1 der Nachfolgeserie „Oki Stanwer – Der Mann aus dem Nichts“ (KONFLIKT 16) zu verfassen, wo Oki Stanwer in dem Wrack eines Oki-Kampfschiffs im Weltraum driftend vorgefunden wird… im Wrack der KÄMP­FER, seines Flaggschiffs im Kampf im Nebelsektor am Ende von KONFLIKT 15. Al­lerdings ist die Zeitlinie dieses Universums eine völlig andere. So etwas wie die „Sternenreichsunion“ in KONFLIKT 16 gab es im vorherigen Universum nicht. Dafür existieren hier die sinistren Voorks nicht, die in KONFLIKT 15 das terrani­sche Sternenreich zerstörten.

Als ich den KONFLIKT 17 „Drohung aus dem All“ 1986 beendete, spross nur we­nige Monate später der KONFLIKT 12 „Oki Stanwer – Bezwinger des Chaos“ aus meinem Verstand und gab solchen uralten Reizworten wie „Bytharg“ und „Arc“ blühendes, frisches Leben. Hier begegnete ich außerdem phantastischen, erotischen Wunderwesen, den Sternenfeen, die fortan im OSM für amouröse Abenteuer sorgten, nicht zuletzt in dem schon in der Entstehung befindlichen KONFLIKT 20 „Oki und Cbalon – Das Ewigkeitsteam“.

Sobald sich die stürmische Entwicklung des KONFLIKTS 23 „Oki Stanwer – Der Dämonenjäger“ dem Ende zuneigte, das war 1994, da war es völlig unvermeid­lich, herauszufinden, was am Beginn des KONFLIKTS 24 passieren würde. So entstand noch im gleichen Jahr die Serie „Oki Stanwer – Der Neutralkrieger“, mit Abstand eine der abenteuerlichsten und unübersichtlichsten Serien des OSM überhaupt. Ich habe auch nach zwanzig Schreibjahren nicht die mindeste Ahnung, wohin sich das alles nach dem Untergang des Baumeister-EXILS HANKSTEYN entwickeln wird oder wie lang der Handlungsbogen noch sein mag.

Seit 1998 habe ich keine OSM-Serie mehr abgeschlossen. Ich betonte schon verschiedentlich, dass es längst wieder an der Zeit ist. Das ist aus zwei Gründen besonders dringlich in den nächsten Jahren:

Erstens sind seit dieser Zeit bereits drei (!) neue Serien entstanden, die den bis­herigen Aktionsrahmen – also das Abschließen einer Serie, ehe eine neue emporwachsen kann – klar durchbrachen (KONFLIKT 2: „Oki Stanwer und das Terrorimperium“, 2003; KONFLIKT 4 „Oki Stanwer – Der Insel-Regent“, 2004; und KONFLIKT 7 „Oki Stanwer – Held der Hohlwelt“, 2006). Dass ich im letzten der genannten KONFLIKTE gegenwärtig kaum vom Fleck komme, kann nicht überraschen – es gibt zu viele Baustellen. Ich muss dringend wieder ein Univer­sum abrunden und einen KONFLIKT beenden. Aktuell tendiere ich zu KONFLIKT 4, gebe ich ehrlich zu.

Zweitens drängen zwei neue Universen empor, die ich langfristig kaum werde aufhalten können: KONFLIKT 3 mit einer extrem kurzen Handlungslinie, die noch ganz nebulös ist, aber ständig schon Erinnerungs-Interferenzen erzeugt, mehrheitlich in KONFLIKT 4 und 9; sowie auch KONFLIKT 8, aus dem ich eine sehr intensive Erinnerungsblende in KONFLIKT 9 einbauen musste, weil ich defi­nitiv nicht ausweichen konnte.

Wie ich bereits andeutete… Universen im OSM werden nicht auf dem Reißbrett entworfen. Sie bestehen in meinem Unterbewusstsein schon und wachsen langsam und gemächlich wie die Keime von Pflanzen, die ans helle Licht drän­gen, und manchmal stehen sie sich dabei dann auch munter im Weg und kom­men als eigentümlich verwachsene Gebilde zutage… der Proto-OSM-KONFLIKT 9 „Der Kaiser der Okis“ war so ein Ding, ebenfalls mein 1984 begonnener erster Ansatz für das Troohn-Imperium oder der erste Versuch, KONFLIKT 23 zu schrei­ben.

Ich denke, dieser Art des Entstehens ist auch der zentrale Grund, warum der OSM einfach nicht langweilig werden kann und mich auch nach so vielen Jahr­zehnten immer wieder maßlos fesselt. Es ist eine Forschungsreise in ein niemals endendes Wunderland der Rätsel und Geheimnisse, und für jedes davon, das man löst, scheinen zwei oder drei neue aufzutauchen oder bekannte Sachver­halte mit neuem Licht aus bizarren Winkeln beleuchtet werden, so dass man misstrauisch wird, ob man das alles wohl schon recht begriffen und korrekt durchdacht hat…

Naturgemäß erzeugt das neue Geschichtenkeime.

Das ist definitiv eine inspirierende, niemals endende Aufgabe, und Langeweile kommt hier nun wirklich nicht auf. Ehe ich also gezwungen werde, mir irgend­welche schematischen schriftstellerischen „Kochrezepte“ aus den Fingern zu saugen, wird noch eine Menge Zeit vergehen, davon könnt ihr ausgehen. Es mag sein, dass ich stilistisch vielleicht nicht sehr begnadet bin, aber spannende Ideen, faszinierende, wilde Settings und immer neue Mysterien, die werdet ihr im OSM stets entdecken können.

Doch, die Universen des OSM halten da noch jede Menge Überraschungen parat. Und wie ich sagte… sie müssen nicht entwickelt werden, sie entstehen gewissermaßen aus sich selbst und drängen ans Licht, mit bisweilen unkalkulierbaren Auswirkungen auf meine Lebenszeit und Lebensplanung.

Das klingt jetzt vielleicht bedrohlich, aber so ist es nicht gemeint – ich genieße dieses unberechenbare Abenteuer, und ich betrachte die OSM-Universen in gewisser Weise als meine „Kinder“, denen ich eine Menge durchgehen lasse. Ich wäre vermutlich, möchte ich amüsiert anfügen, ein äußerst großzügiger Va­ter, der seinen Sprösslingen kaum Zügel anzulegen imstande wäre. Es ist also wohl gut so, dass ich nicht den Wunsch habe, eine biologische Familie zu grün­den.

Für heute möchte ich die Kosmologie-Lektion abschließen. In der kommenden Woche zitiere ich mal wieder eines der wenigen OSM-Gedichte und stelle es so der breiten Öffentlichkeit vor.

Welches? Worum es geht? Nun, da lasst euch mal überraschen.

Bis demnächst, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 132: Das Mandala des Dalai Lama

Posted Oktober 4th, 2017 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

ihr wisst natürlich längst alle, dass ich der Faszination des Phänomens Sherlock Holmes seit geraumer Zeit erlegen bin, alle Werke des „Kanons“ verschlungen habe, die Sir Arthur Conan Doyle zu dem legendären Detektiv verfasst hat. Und ebenso selbstverständlich ist die Geschichte damit nicht beendet worden. Sher­lock Holmes ist Kult, wie ich an anderer Stelle einmal sagte, und Kult zieht gera­dezu magisch Epigonen an.

So ist auch Sherlock Holmes´ begrenzte Lebensspanne von Nachfolgeautoren mit immer neuen Fällen, Details und Schrullen angefüllt worden, und der jüngs­te Hype um Guy Ritchies bislang zwei Sherlock Holmes-Filme bzw. die BBC-Serie „Sherlock“ oder die amerikanische Reihe „Elementary“, die Holmes´ Aktivität ins frühe 21. Jahrhundert nach New York verlagert, geben davon eindrucksvolle Kenntnis.

Aber auch das Leben des Detektivs selbst weist Lücken und weiße Flecken auf. Der wohl legendärste ist jener Zeitraum von zwei Jahren nach dem Jahre 1891, als Holmes nach der Konfrontation mit dem „Napoleon des Verbrechens“, Pro­fessor James Moriarty vermeintlich in den Reichenbachfällen in der Schweiz den Tod gefunden hatte.

Was hat er in dieser Zeit erlebt? Nach seinem Wiederauftauchen deutet er eher vage an, er sei in Indien unterwegs gewesen. Aber was das wirklich bedeutet und was schriftstellerische Phantasie daraus zu entwickeln vermag, das zeigt euch das heute vorzustellende Buch, das ich euch wärmstens ans Herz legen möchte.

Vorhang auf für Jamyang Norbu und sein alter Ego, Hurree Chunder Mookerjee. Möge das Spiel beginnen:

Das Mandala des Dalai Lama

Die Abenteuer des Großen Detektivs in Indien und Tibet

Ein Roman von Jamyang Norbu

Basierend auf den Erinnerungen von

Hurree Chunder Mookerjee

C.I.E., F.R.G.S., Rai Bahadur

(Sherlock Holmes – The Missing Years: The Adventures of the

Great Detective in India and Tibet)

Bastei 15128, April 2004

336 Seiten, 7.90 Euro

Übersetzt von Stefan Bauer

Der 24. April des Jahres 1891 brennt sich dem britischen Arzt Dr. John Watson unvergesslich in seine Seele ein, denn es ist jener Tag, an dem der lange und unerwartete Abschied von seinem Freund Sherlock Holmes beginnt: An diesem Tag sucht ihn Holmes in seiner Praxis auf und verhält sich bereits höchst eigen­tümlich. Er sieht sehr erschöpft aus, verschließt sorgsam die Läden des Zimmers, als ob er feindliche Beobachter fürchte, und beginnt Watson eine Ge­schichte zu erzählen, die dieser kaum zu glauben vermag: die Geschichte eines verbrecherischen Genies, gleichsam eines „Napoleons des Verbrechens“, eines Mannes zudem, der fast unbekannt ist und in London, etwa mit einer giftigen Spinne vergleichbar, in einem gewaltigen Netz sitzt und die Fäden in der Unter­welt zieht. Der Name des Mannes ist James Moriarty, Professor James Moriarty.

Holmes ist gewiss, diesen größten Verbrecher, gegen den er jemals gekämpft hat, in die Enge getrieben zu haben, er braucht nur noch ein paar Tage Zeit, und dafür muss er aus London fort. Zusammen mit Watson begibt er sich auf den Kontinent, bis hinauf in die Gebirgsregionen der Schweiz. Und hier, in der Schlucht der Reichenbachfälle, wird Watson durch eine List von seinem Freund fortgelockt. Als er jählings erkennen muss, was der Grund dafür ist, stürzt John Watson verzweifelt zurück zur Schlucht… und kommt zu spät. Alles, was er noch vorfindet, sind Sherlock Holmes´ Spazierstock, eine kleine metallene Tabakdose mit einigen Notizen seines Freundes und schließlich, am Ende des Pfades, zer­wühlte Erde. Der Rest ist schwindelerregender, dröhnender Abgrund. Wer hier hinabstürzt, den kann keine Macht der Welt mehr retten.

Nach Sherlock Holmes´ eigenen Worten ist dies der Moment gewesen, in dem er mit Professor Moriarty abrechnete. Eine Abrechnung, die er, wie es scheint, mit dem eigenen Leben bezahlt hat. Man schreibt den Sommer des Jahres 1891, und allein die Zeitungen berichten vom tragischen „Unfalltod“ des großen Detektivs. John Watson hingegen ist wie betäubt, und erst zwei Jahre später wird er aus der Reserve gelockt, als Moriartys Bruder die Geschehnisse bei den Reichenbachfällen verfälschen will, um seinen verbrecherischen Bruder reinzu­waschen.1

Doch wer vermag das ungläubige Staunen und die atemlose Freude zu be­schreiben, als im Frühling des Jahres 1894 sich ein seltsamer weißhaariger Bü­chernarr in Watsons Praxis buchstäblich im Handumdrehen in niemand Ge­ringeren verwandelt als in den lange totgeglaubten Sherlock Holmes, der offen­sichtlich blass und abgemagert, aber doch bei bester Gesundheit ist? Watson jedenfalls fällt prompt in Ohnmacht, wie er bekennt, wohl das erste und einzige Mal in seinem ganzen Leben.2

Vergleichsweise lakonisch macht Holmes seinem alten Freund klar, dass es für ihn an der Zeit gewesen sei, unterzutauchen. Aber wo um alles in der Welt er denn gesteckt habe? Wie das alles möglich gewesen sei? Dem guten Watson liegen zweifellos tausend Fragen auf der Zunge, indes, sein Freund beantwortet nur wenige davon. Dies ist es im wesentlichen, was er erklärt:

…Ich reiste zwei Jahre durch Tibet, besuchte Lhasa und verbrachte ein paar Tage mit dem Groß-Lama. Vielleicht, mein lieber Watson, haben Sie von der be­merkenswerten Forschungsreise eines Norwegers namens Sigerson gelesen, aber Sie haben sicher nie vermutet, dass es sich dabei um Neuigkeiten von ei­nem Freund handelt…“

Wie sollte er auch darauf kommen?

Obwohl John Watson noch zahlreiche der Aberhunderte Fälle des Sherlock Hol­mes niederschreibt, kommt er nie wieder explizit auf diese zwei fehlenden Jah­re im Leben seines Freundes zu sprechen, wiewohl er zweifellos einiges mehr gewusst haben muss, als er den Lesern des Strand Magazine später Glauben machen wollte. Die Leser mussten auf den unwahrscheinlichen Zufall warten, irgendwann einmal durch irgendwen auf Informationen gestoßen zu werden, was wohl in jener Zeit genau geschehen war.

Der Zufall kam, als der Tibeter Jamyang Norbu im Oktober 1988 sein Manu­skript zu diesem Buch in Dharamsala/Nordindien vorlegte.

Schon 1944 geboren, gehörte Norbu zu jener Generation von Indern, die früh mit den Eltern, wohlhabenden Händlern, nach der chinesischen Besetzung Ti­bet verließen. Er wuchs in Nordindien auf, ging hier zur Schule und lernte unter anderem einen Schatz kennen, von dem er vorher keine Ahnung gehabt hatte: die englische Sprache, die ihm die Werke eines Arthur Conan Doyle und, vor al­len Dingen, eines Rudyard Kipling erschloss. Und so erfuhr er auf Umwegen von einem rätselhaften norwegischen Reisenden namens Sigerson, der zu einer Zeit in Tibet gewesen sein sollte, als dort der chinesische Einfluss sehr stark war und jeder Ausländer Kopf und Kragen riskierte. Lhasa selbst galt vollends als verbo­tene Stadt, in der seit Jahrzehnten niemand aus dem Ausland mehr willkom­men gewesen war. Tibet war so abgeschieden von der Welt, als gehöre es gar nicht mehr dazu.

Und im Jahre 1892 sollte ein norwegischer Reisender dort gewesen sein?

Schwer glaublich. Doch die Mönche in Dharamsala, die 1959 mit dem Dalai Lama ins Exil geflüchtet waren… ihnen war von einer solchen Reise etwas be­kannt, wenngleich auch nicht mehr viel. Es schien keine Unterlagen zu geben, jedenfalls keine zugänglichen. Allerdings entsann sich ein Mönch, in den Archi­ven des Dreizehnten Dalai Lama auf eine kurze Notiz gestoßen zu sein, die davon sprach, es seien in der fraglichen Zeit Reisepapiere für zwei Ausländer ausgestellt worden. Nur an den zweiten erinnerte er sich: er trug den Namen „Hari Chanda“.

Norbu war wie vor den Kopf geschlagen, denn dieser Name war ihm beim bes­ten Willen nicht unbekannt – der britische Journalist Rudyard Kipling hatte die­sem Mann in dem Roman „Kim“ ein fragwürdiges Denkmal gesetzt: einem Inder in britischen Kolonialdiensten, der im wesentlichen ein recht gemütlicher Spion war, sehr beleibt und etwas tollpatschig im Umgang mit Schusswaffen. In engli­scher Schreibweise lautete sein voller Name Hurree Chunder Mookerjee, der später Gelehrter wurde und 1928 in Darjeeling in seinem Haus, der Villa Lhasa, starb.

Der Zufall wollte es weiterhin, dass bald darauf ein Erdbeben eine Wand jenes Gebäudes beschädigte und darin eine rostige Metallbüchse zum Vorschein kam, in der sich jener Bericht befand, den Norbu nun in diesem Buch der Öffentlich­keit, mit wenigen Anmerkungen versehen, präsentiert. Jener Bericht, den der gute Hurree beim besten Willen nicht zurückhalten, aber aufgrund der Ereignis­se in Tibet, an denen er teil hatte, auch nicht veröffentlichen konnte. Er hatte schließlich Sherlock Holmes sein Ehrenwort gegeben, zeit seines Lebens dar­über Stillschweigen zu bewahren.

Nun, dies hielt er auch ein.

Es war an Norbu, uns Lesern dieses Werk – ergänzt um Karten und ein reiches Glossar indischer und tibetischer Begriffe sowie ausführlicher Literaturangaben zu Doyle und Kipling – zugänglich zu machen. Und dies ist das, was Hurree Chunder Mookerjee einst an der Seite des berühmten Detektivs erlebte:

Rudyard Kiplings Artikel im Pioneer vom 15. Juni 1891 über das „Große Spiel“ brachte unvorsichtigerweise eine ganze Abteilung des indischen Geheimdiens­tes zu Fall. Die Konsequenz bestand unter anderem darin, dass Hurree Chunder Mookerjee von seinem Vorgesetzten „auf Sicherheitsurlaub“ geschickt wurde – bis man ihn zurückbeordert, damit er in Bombay einen Ausländer unter die Lupe nimmt, der sich höchst verdächtig verhält – er reist nicht, wie sonstige weiße Sahibs, mit großem Gepäck, er ignoriert die Dienste Einheimischer und… der hagere, Pfeife rauchende Norweger Sigerson, der über geradezu gespensti­sche, hellseherische Fähigkeiten zu verfügen scheint (zweifellos ist er mit Geis­tern im Bunde, das sieht man ja sofort, es KANN keine andere Erklärung geben!), wird seinerseits verfolgt!

Ist dieser Sigerson also ein Spion? Aber für wen? Oder was um alles in der Welt macht er in Indien? Zumal mit nicht viel mehr als einem Kasten, der verdächtig nach einem Geigenkasten aussieht? Warum auch trifft er sich heimlich mit Cap­tain E. Strickland, Esq.? Und schließlich: weshalb sollte der Empfangschef eines Hotels versuchen, auf grauenhafte Weise einen Mann umzubringen, den er niemals zuvor gesehen hat – eben jenen Norweger Sigerson?

All das geschieht, und jählings wird Hurree in ein Geheimnis hineingezogen, das es eigentlich gar nicht geben kann. Es dreht sich um den angesehenen Colonel Sebastian Moran, um eine tödliche, nahezu lautlose Waffe, um den Roten Tod, der die Opfer zu einem dramatischen, unaufhaltsamen Sterben verdammt, und dann ist da schließlich noch der dringende Wunsch Sherlock Holmes´, das ver­botene Land Tibet aufzusuchen.

Sowohl Strickland als auch Hurree versuchen ihn davon abzubringen, und eine Zeitlang scheint das auch wirklich zu glücken. Schließlich ist Tibet absolut verbo­tenes Gebiet, niemand, der kein Tibeter ist, kann dort hinein. Selbst Inder ha­ben – wie Hurree unangenehm am eigenen Leibe erleben musste – erhebliche Probleme!

Aber die Mörder sind und bleiben weiter auf Holmes´ Fersen, und Sherlock Hol­mes ist niemand, der sich von seinen Zielen ablenken lässt. Als schließlich auch noch eine förmliche Einladung an den großen Detektiv und seinen Begleiter und Bewacher Hurree Chunder Mookerjee ergeht, dem Dalai Lama Beistand zu leis­ten, kann Holmes nichts mehr zurückhalten: weder reißende Flüsse, Stein­schlag, meuchelmordende Thugs, Attentäter oder chinesische Soldaten können ihn davor zurückschrecken lassen, Tibet aufzusuchen.

Hier aber geraten die Gefährten erst recht ins Räderwerk der großen Politik und der zum Teil wirklich übernatürlichen Intrigen. Es geht um das Rätsel des Man­dalas des Dalai Lama, um einen abtrünnigen Lama, der in den Diensten Beijings steht… und schließlich führt die Fährte bis zu jenem rätselumwobenen Eispa­last von Shambala, dessen Tor sich nur einmal in fünfzig Jahren öffnet…

Für die Leser, die vertraut sind mit den Abenteuern des berühmtesten Detektivs der viktorianischen Zeit, ist dieses Buch gleichsam eine Offenbarung. Der sehr in feine und wunderbare Details gehende Autor Jamyang Norbu erweckt die Welt des viktorianischen Indien mit einer Intensität wieder zu neuem Leben, dass man meint, die Menschen zu sehen, durch die prächtigen Gänge der Ho­tels zu streifen und mit Holmes und Hurree zusammen über die eisigen, felsigen Pässe des Himalaya zu reiten. Wer weiß schon, dass die Bahnabteile in Indien damals keine Zentralgänge besaßen (zum Schutz gegen Diebstahl), sondern je­des Abteil über eine Tür verfügte, die nach draußen ging? Wer weiß schon um die anatomischen Wunderlichkeiten des Hirudinea himalayaca giganticus? Und so weiter und so fort…

Als Tibeter bringt Norbu außerdem eine feinsinnige, tiefe Kenntnis der indi­schen und tibetischen Mythologie mit, die sich in vielerlei Weise bemerkbar macht, zudem noch ein ausgezeichnetes Wissen über seine Heimat und die Hauptstadt Lhasa (inklusive eines schön gestalteten Stadtplanes von Lhasa aus dem Jahre 1892). Wüsste man es nicht besser, könnte man sich als Leser und als Historiker durchaus täuschen lassen, so geschickt ist das Garn von Trug und Realität gewoben worden.

Natürlich macht Norbu Anleihen, das ist unumgänglich.

Einige Anspielungen gehen offen auf den Tibetreisenden Sven Hedin zurück. Vieles weitere hat er wahrscheinlich von Rudyard Kipling entlehnt (den ich selbst bisher nicht gelesen habe), einiges ist erkennbar aus Doyles Werken selbst genommen und hier geschickt eingefügt. Dennoch – die immer wieder beeindruckenden, auf reiner Beobachtung und logischem Schließen beruhen­den Beweise des Sherlock Holmes entfalten auch hier ihre geradezu hypno­tische Wirkung und machen einen Gutteil des Romans aus. Weiteres Vergnügen kann man aus dem Verhalten und der Innenreflexion des Ich-Erzählers Mooker­jee ziehen.

So erhält man als Käufer des Buches ein Werk, das sich so flüssig und gefällig le­sen lässt, dass man sich zwingen muss, es mal ein paar Stunden ruhen zu las­sen. Der Strom der Erzählung ist zwar durchaus ein gelassener, aber doch deut­lich dramatischer als in den ursprünglichen Stories des „Kanons“, den Norbu mit deutlicher Ironie als „Heilige Schriften“ bezeichnet, also jene 56 Geschichten, die Sir Arthur Conan Doyle um Sherlock Holmes schrieb.

Und so ist auch jener kleine Fauxpas relativ zu Beginn, der nur einem aufmerk­samen Leser auffallen wird, zu verschmerzen, wiewohl er Puristen säuerlich dreinschauen lassen wird. Um was für einen Fauxpas handelt es sich? Nun, es ist ein zeitliches Problem. Es sagt nämlich Strickland im dritten Kapitel: „Wir wurden von London über den Professor [Moriarty] und seine Bande informiert. Außerdem habe ich eine recht eindrucksvolle Geschichte über die ganze Affäre im Strand Magazine gelesen.“ Da aber dort zu diesem Zeitpunkt lediglich die Berichte von John Watson über Sherlock Holmes´ Abenteuer gedruckt werden, kann sich diese Bemerkung nur auf die Geschichte „Sein letzter Fall“ beziehen. Doch schreibt Watson dort selbst: „Ich hatte mir… vorgenommen, es dabei be­wenden zu lassen und den Vorfall, der vor zwei Jahren eine Lücke in mein Leben gerissen hat, welche ich heute noch in fast ungeschwächtem Maße empfinde, nicht in den Kreis meiner Darstellung zu ziehen…“

Aus diesen Worten geht klar hervor, dass Watson diesen Fall erst im Laufe des Jahres 1893 an die Öffentlichkeit dringen lässt. Es ist mithin unmöglich, dass die Kenntnis dieser Zusammenhänge bereits zwei Jahre zuvor nach Indien gedrun­gen ist. Natürlich könnte man wieder Mycroft Holmes bemühen, Sherlocks nicht minder genialen und einflussreichen Bruder… aber ich denke, das wäre unstatt­haft. Man kann ihn nicht für alles verantwortlich machen.

Sieht man von diesem kleinen Schnitzer ab und der vielleicht etwas zu stark im letzten Fünftel des Buches bemühten metaphysischen Intervention, dann lässt sich von Norbus Werk sagen, dass es einfach ein Hochgenuss ist und zweifelsoh­ne zu den faszinierendsten und liebenswürdigsten Sherlockiana gehört, die ich kenne. Und wer weiß, vielleicht kommt dereinst noch einmal jemand aus dem Orient oder aus Afrika, um über Sherlock Holmes´ weitere Abenteuer zu schrei­ben. Über welche? Ach, lassen wir doch den Meister noch einmal selbst zu Worte kommen. Denn als er aus Tibet zurückkommt, geht Holmes nicht so­gleich nach London zurück, wahrhaftig nicht. Vielmehr „wanderte ich durch Per­sien, machte einen Abstecher nach Mekka und stattete in Khartum dem Kalifen einen kurzen, aber interessanten Besuch ab, dessen Ergebnisse ich im Foreign Office veröffentlicht habe…“3 Von seinem Aufenthalt in Frankreich und seinen chemischen Experimenten dort schweige ich an dieser Stelle.

Es gibt nichts mehr über Sherlock Holmes zu berichten? Freunde, die ihr das glaubt, ihr habt nur die Geschichten nicht richtig gelesen – dort gilt es auch weiterhin, zwischen den Zeilen zu suchen und die Aberhunderte von Fällen und Fakten herauszulesen, die von Watson nur angedeutet wurden. Oder – in Un­kenntnis ihrer Existenz – nicht mal das.

Sherlock Holmes´ Leben bleibt also spannend. Es lohnt eine Wiederentdeckung.

© 2006 by Uwe Lammers

Ihr merkt natürlich meine schwärmerische Begeisterung, die das Werk vor über zehn Jahren bei mir auslöste… und wenn ich etwas dazu sagen darf: ich finde die Rezension wie das Buch auch nach all der verflossenen Zeit immer noch ge­lungen. Das ist wirklich ein echtes Schmankerl, das man sich nicht allein als Sherlock-Fan einverleiben sollte. Den Holmsianern erschließen sich freilich die zahllosen Anspielungen deutlich besser als jemandem, der nur die Verfilmun­gen kennt.

In der kommenden Woche starten wir mal wieder richtig durch zu den Sternen. Es geht um Aliens, um rätselhafte Geheimnisse und um einen Findling, der sei­nen Ursprung sucht. Mehr zum Thema lest ihr am kommenden Mittwoch an dieser Stelle.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Vgl. Sir Arthur Conan Doyle: „Sein letzter Fall“ (The Final Problem), zuerst publiziert in The Strand, Oktober 1893.

2 Vgl. Sir Arthur Conan Doyle: „Das leere Haus“ (The Adventures of the Empty House), zu­erst publiziert in Collier’s, 26. September 1903. Es handelt sich um den Fall des Adair-Mordes und des Colonels Moran. Nach der Lektüre dieses Buches wird man jene Ge­schichte mit anderen Augen lesen…

3 Vgl. Fußnote 2.

Wochen-Blog 239: Legendäre Schauplätze 5 – Erde

Posted Oktober 1st, 2017 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

es ist ein unscheinbar wirkender blauer Planet am Ende eines Spiralarms einer durchschnittlichen Standardgalaxis, wie es Millionen davon im Universum gibt. Wie sollte man auf die Idee kommen, diese Welt namens Erde, Terra, Sol 3 oder wie immer man sie auch sonst nennen mag, sei etwas Unikates, etwas Singulä­res? Leiten wir das allein aus der Tatsache ab, dass es die einzige Welt ist, die wir persönlich schon mehr oder weniger weit bereist haben? Ist es egozentri­scher Stolz unserer Spezies homo sapiens auf ihre Heimaterde?

Vermutlich ein bisschen von alledem.

Die meisten phantastischen Romane und Serien erweisen sich als außerstande, sich von den Sicherungsseilen des Planeten Erde freizumachen, manche Au­toren lassen sogar ihre Protagonisten – wenn solche Trennung gelingt – ihr Le­ben lang nach der Muttererde suchen. So geschieht es beispielsweise E. C. Tubbs Held Earl Dumarest in der gleichnamigen Romanserie, die es schon seit Jahrzehnten gibt (es ist zweifelhaft, ob er jemals ans Ziel kommen wird, da ist mehr der Weg das Ziel). Und wenn solche Reisenden denn an ihr Ziel gelangen, sind sie nicht selten ziemlich enttäuscht von dem, was sie dort finden. Ich ver­weise da nur mal auf Keith Laumers und Rosel George Browns Zusammenarbeit „Blut der Erde“.1

Im Oki Stanwer Mythos (OSM), der seinerseits weite Teile des Universums im Blick hat, sollte man annehmen, dass die Erde auch eher stiefmütterlich behan­delt wird, und in manchen Ebenen des OSM ist das tatsächlich auch umgesetzt, da sind diese Welt und seine Bevölkerung nicht mal bekannt. In anderen Ebenen hingegen schon… und da fängt es an, interessant und kompliziert zu werden. Nähern wir uns dem Problem dieses legendären Schauplatzes behutsam.

In einigen Monaten wird im Fanzine „Baden-Württemberg Aktuell“ (BWA) der Teil 13 des OSM-Romans „Die Totenköpfe 1: Die Alte Armee“ erscheinen, auf den ich aus gegebenem Anlass heute vorgreifen möchte. Dort werden die Erleb­nisse des Totenkopfs Shylviin beschrieben, der in einem humanoiden Körper in einer versunkenen Welt, der Shopping-Mall von Tushwannet (untergegangen in KONFLIKT 4, der Roman selbst spielt in KONFLIKT 21, also fast 100 Milliarden Realjahre später), gefangen sitzt. Ebenfalls in dieser Mall macht er die Bekannt­schaft von weiteren Totenkopf-Seelen, wie ich das mal vereinfachend nennen möchte. Viele von ihnen stammen von einer Welt namens Erde oder Terra… und das ist Grund für endlosen Streit.

Wieso das jetzt? Nun, lauscht mal selbst:

Shylviin machte die Bekanntschaft von Terranern, wobei diese höchst verwirrend von unter­schiedlichen Welten stammten, die gleichwohl alle Terra hießen und ziemlich eindeutig ein und denselben Planeten darstellten. Dessen ungeachtet musste man auf diesen „Terras“ oder wie man das bezeichnen sollte, aber ganz unterschiedliche Zeiten und Technologielevel un­terscheiden.

Letzteres stellte Shylviin dann wirklich vor ein ordentliches Rätsel und ließ sich überhaupt nur sehr bedingt klären, was daran lag, dass diese Totenköpfe einander gern der Lüge bezich­tigten, der Phantasterei oder Aufschneiderei… viele redeten inzwischen überhaupt nicht mehr miteinander. Nun, es wirkte auch sehr eigenartig: einige von ihnen blieben steif und fest dabei, dass ihre Rasse bis zum Jahre 2124 lokaler Zeitrechnung – und sie bezogen sich alle definitiv auf genau dieselbe Zeitrechnung, das ließ sich durch Nachfragen schnell klären – das solare Heimatsystem niemals verlassen habe.2

Dann hingegen gab es welche, die fest und unbeirrt sagten: Nein, Terra habe doch bis zum Jahre 2092, in dem es dann durch TOTAMS Generalangriff unterging, schon mehr als ein Dut­zend Kolonialwelten gehabt!3 Woraufhin die ersteren widersprachen und meinten: Nein, die Erde sei erst 2124 durch TOTAMS Intervention untergegangen, und das Knochentor CLOG­GATH habe dabei ebenfalls eine zentrale und durchweg zerstörerische Rolle gespielt.

Ja, und dann gab es die Terra-Totenköpfe, die steif und fest behaupteten, nein, nein, das würde alles Unfug sein, sie sollten nicht solches nutzloses Wunschdenken zur Schau stellen, denn jeder, der das erlebt habe, wisse doch genau, wie es tatsächlich gewesen wäre: es sei doch gar nicht CLOGGATH oder TOTAM gewesen, sondern nichts Geringeres als die SIEBEN SIEGEL VON TOTAM selbst hätten die Erde verwüstet und vernichtet, und zwar im Jahre 2061!4

Im Nu war der schönste Streit im Gange, es gab schrecklich viel undiszipliniertes Geschrei, manchmal sogar Prügeleien, und niemand konnte sich dabei einigen.

Gewiss, Shylviin erfuhr auf diese Weise enorm viel Neues, aber aus diesen Disparitäten wurde er wirklich so gar nicht schlau. Und noch schlimmer war es, wenn er dann auf Wesen aus dem „Zweiten Weltkrieg“ der Erde stieß, den es auf der einen Welt gegeben haben sollte, auf der anderen Erde aber eben NICHT. War es wohl möglich, dass es mehrere Welten na­mens Erde gegeben hatte? Alle bevölkert von Terranern sehr verwandter Kultur- und Techno­logiestufen?

Das lehnten natürlich die entsprechenden Totenköpfe generell ab. Nein, es gab nur EINE Erde, und zwar die ihre, und alle anderen erzählten irgendwelchen durchgeknallten Quatsch, aus welchem Grund auch immer (das Argument, sie seien „wahnsinnig“, das funktionierte bei Totenköpfen ja leider nicht…).

Ah, ich spüre, ihr merkt langsam, dass es hier knifflig wird. Wird es in der Tat. Und wenn ihr jetzt sagt: Okay, das ist wie in den DC-Streaming-Serien, wo wir es mit Parallelwelten zu tun haben… dann ist das zwar ein netter Ansatz, aber der funktioniert im OSM auch nur bedingt und hat, das versichere ich euch hier und jetzt eindringlich, mit dem obigen Problem wirklich nichts zu tun. Das ist mehr noch ein Spezialfall davon.

Die wahren Probleme liegen deutlich tiefer.

Denn ja: es gibt und gab verschiedene Erden in verschiedenen KONFLIKTEN des Oki Stanwer Mythos. Und wiewohl ich über den Anfang dieses ganzen Kuddel­muddelfadens bislang nur gewisse Ideen habe, noch keine ausgeformte Ge­schichte, die ich dazu erzählen könnte – das wäre dann Aufgabe des noch zu verfassenden KONFLIKTS 8, der bislang noch nicht mal einen Serientitel besitzt – , kann ich euch hier und heute eine ganze Menge über diesen legendären Schauplatz namens Erde erzählen.

Begonnen hat alles – wie sollte es auch anders sein? – mit der Invasion der Erde. Wann und wo das genau war, ist ein wenig kniffliger zu sagen. Lassen wir mal die Geschichte selbst sprechen:

Im März 1970 wurde ein UFO gesehen.

80 Jahre später, im Jahre 2050(,) hatte sich die Welt entscheidend verändert… Die Menschen hatten eine 120 Millionen Flotte [sic!] von Raumschiffen. Sie wa­ren auf der Venus, der Erde und auf dem Mars stationiert. Die Bumerangflotte lag 10 Millionen Kilometer außerhalb des Sonnensystems. Heute stand die Erde auf ihrer Abschussliste…“5

Das Volk, das hier noch nach der sichelförmigen Gestalt der Raumschiffe „Bu­merangs“ genannt wird, erhält später im OSM die Bezeichnung „All-Hüter“. In dieser durchaus synkretistischen Welt, in der sich zahllose Leseerinnerungen aus Heftromanen der 60er und 70er Jahre eingeschlichen haben, was die Ge­schichte an sich völlig entwertet, wird die Erde für mehrere hundert Jahre un­terjocht, ehe sich die Menschen schließlich in einer heroischen Anstrengung zur Wehr setzen und die Invasoren vertreiben können. Dabei geht allerdings die Erde unter, die Menschheit siedelt auf den siebten Trabanten im Sternbild Altair um.

Als ich bald nach Abschluss dieses Romans, in dem auch bekannte OSM-Ele­mente und -Protagonisten auftauchen (beispielsweise Oki Stanwer, Klivies Klei­nes, die Totenköpfe, TOTAM und das Volk der Baumeister), damit begann, die Handlungsspuren Oki Stanwers zu verfolgen und die Serie „Oki Stanwer“ zu schreiben, da landete ich wo? In der Galaxis Milchstraße… allerdings verdammt weitab von Schuss, nämlich im 75. Jahrhundert irdischer Zeitrechnung. In einer Welt, in der sich die Menschheit über weite Teile der Galaxis kolonistisch ver­streut hatte. Die Erde selbst galt als verloren. Es bedurfte dann Oki Stanwers heroischer Anstrengung, sie wieder zu entdecken und vor der geplanten Zerstö­rung zu retten.

Gleichwohl spielte Terra in dieser Serie keine zentrale Rolle.

Das war ganz anders in einer zweiten OSM-Serie, die zu jener Zeit aufblühte, nämlich „Oki Stanwer Horror“. Hier schrieb man das Jahr 2113, als Oki Stanwer aus dem Nichts auftauchte mit der Aufgabe, die Menschheit gegen die drohen­de Gefahr namens TOTAM zu sensibilisieren und sie zu einer schlagkräftigen Streitmacht zu formen.

Ihr werdet in Bälde mehr aus dieser Welt erfahren, denn ich erwähnte schon vor Monaten, dass ich diese Serie, den KONFLIKT 13 des OSM, in Form des Fort­setzungsromans „DER CLOGGATH-KONFLIKT“ (CK) als E-Book veröffentlichen werde. Durch die Verzögerungen meines E-Book-Programms wird das allerdings wohl Herbst 2018 werden, ehe das klappt.

Wie dem auch sei: In dieser Welt hat die Menschheit die Raumfahrt vorzeitig beendet und sich stattdessen der ökologischen Sanierung des blauen Planeten gewidmet. Natürlich dachte ich damals noch dasselbe wie ihr: wie, bitte schön, kann man diese beiden Zeitlinien der beiden Serien in Deckung bringen? Ant­wort: gar nicht. Offensichtlich gibt es zwei grundverschiedene Erden mit indivi­duellen Zeitabläufen und Zukünften. Nicht das, was man von einer klassischen Parallelwelt erwarten würde.

Die Sache wurde noch schleierhafter durch eine dritte Serie des OSM, die nun ab 1983 ebenfalls heranwuchs. Auch hier ging alles auf der Erde los… aber hier schrieb man das Jahr 2092, und es gab bereits ein vorhandenes kleines Sternen­reich. Die Serie, KONFLIKT 17 des OSM, war „Drohung aus dem All“, und auch sie besaß logisch keine gescheite zeitlinientechnische Schnittmenge mit den beiden anderen Serien.

Erst als mir das komplexe Konzept des OSM klarer wurde und mir bewusst war, dass ich es mit unterschiedlichen, zeitlich aufeinander folgenden Universen zu tun hatte, konnte ich damit leichter umgehen. Es war überhaupt nicht nötig, irgendwelche Zeiten der Finsternis oder Zeitmanipulationen, Wirklichkeitserd­rutsche oder dergleichen zu inszenieren, um die drei Serien in Deckung zu bringen.

Das war doch sehr erleichternd.

Natürlich freute ich mich zu früh. Denn die Angelegenheit an sich blieb unheim­lich genug. Oberflächlich betrachtet konnte ich mich mit dem Konzept der „Ma­trixfehler“ herausreden, wenn es etwa Differenzen im Handlungsstrom gab oder in den Erinnerungen der Protagonisten. Lange Zeit glaubte ich ernsthaft, damit würde ich alle Schwierigkeiten zur vollsten Zufriedenheit geklärt haben – Wunschdenken, selbstverständlich. Aber das ahnte ich damals noch nicht.

Während der OSM wuchs und gedieh, schloss ich den KONFLIKT 15 „Oki Stan­wer“ ebenso ab wie OSH, also KONFLIKT 13, und 1986 folgte KONFLIKT 17 „Dro­hung aus dem All“.

Während ich mich mit anderen, neuen OSM-Serien in fernen Regionen anderer Universen herumtrieb (davon irgendwann später mehr, darum geht es hier nicht, sonst hört dieser Beitrag gar nicht mehr auf), griff ich Gedanken auf, die ich in OSH nicht mehr hatte realisieren können – die SIEBEN SIEGEL VON TO­TAM, über die ich nur wenig wusste. Zeit, darüber ausführlicher zu schreiben. Und das ging natürlich am besten in einem bekannten Setting.

Was heißt das?

Ich landete in KONFLIKT 18 „Kampf gegen TOTAMS Dämonen und Schergen“ (KGTDUS) wieder auf der Erde… einer Erde, sollte ich gleich dazu sagen, denn sie besaß erneut einen anderen Handlungshintergrund und eine andere An­fangszeit. Diesmal landete ich im Jahre 2034. Eine nicht-kosmische Erde, ganz auf das Diesseits fokussiert. Zugleich eine seltsame Welt, in der der Zweite Weltkrieg zwar stattgefunden, aber die Sowjetunion ebenso wie der Kalte Krieg nach wie vor Bestand hatten. Das erzeugte seine ganz eigenen Komplikationen, die schließlich in einem nuklearen Vernichtungskrieg gipfelten, den die Dämo­nenwaffe GOLEM angezettelt hatte.

Brachte das Oki Stanwer um? Nein.

Er hatte nämlich ganz andere Schwierigkeiten: durch ein Zeitportal zurück­gereist ins 2. Jahrtausend vor Christus, machte er dort die Bekanntschaft mit dem Dämonenschmied von Babylon, niemand Geringerem als dem WESEN TO­TAM selbst… und dann löste er bei der Heimreise ins kleinasiatische Reich der Hethiter ein Zeitparadoxon aus und schnitt sich den Rückweg ab.

Jedenfalls fast.

Er kam in der Gegenwart wieder an, aber sie hatte mit der, die er kannte, kei­nerlei Ähnlichkeit mehr – es handelte sich nun um GOLEMS Wunschwelt, be­herrscht von einem diktatorischen Großreich von Hatti, während GOLEMS Trup­pen einen surrealen Krieg gegen TOTAM führten.

Ein haarsträubendes Abenteuer, von dem ich euch beizeiten mehr berichten werde. Kommen wir wieder zur Erde, diesem legendären Ort, zurück. Ich hatte zwischendrin nämlich schon wieder eine Serie in Bearbeitung, die auch in der Galaxis Milchstraße spielte – KONFLIKT 16 „Oki Stanwer – Der Mann aus dem Nichts“ (DMadN). Erneut ein kosmisches Sternenreich der Terraner, diesmal im 39. Jahrhundert nach Christus angesiedelt.

Und dann gab es noch, als ich mit KGTDUS 1989 endete, auch hierzu eine Folge­serie, die wirklich phantastisch-bizarre KONFLIKT-Ebene 23 „Oki Stanwer – Der Dämonenjäger“, die mich an transtemporale Zeitreisen, das Tahuantinsuyu der Inkas, den wahnsinnigen Baumeister HORUS und die schwarze Matrix TOTAMS heranführen sollte, von den TASSYJAAREN, den schwarzen Quanten TOTAMS, die ich hier en passant ebenfalls entdeckte, mal ganz zu schweigen.

Bei all diesem „Erden-Chaos“ übersah ich bei der letzten OSM-Serie, die sich primär um die Erde drehte, KONFLIKT 28 „Oki Stanwer – Der Siegeljäger“ (DSj), dass es sich hierbei um eine höchst unheimliche Welt handelte, der ich anfangs auch viele Jahre nur stiefmütterlich Aufmerksamkeit schenkte. Zu mehr kam ich wirklich erst, als eine Reihe der früheren Serien abgeschlossen werden konnten.

Eigentlich hatte ich angenommen, die planetaren KONFLIKTE, also alle jene, die primär auf der Erde spielten, seien gewissermaßen im Sinne der Hegelschen Dialektik stets höhere Level der Erkenntnis. Anfangs sah das ja auch so aus: in KONFLIKT 13 bekam es Oki Stanwer mit Dämonentoren und Dämonenwaffen zu tun. In KONFLIKT 18 kamen die SIEGEL hinzu. In KONFLIKT 23 folgten dann unter anderem die Reiter der Apokalypse und die GRALSJÄGER… aber spätestens, als ich in den 90er Jahren verstärkt in KONFLIKT 28 eindrang, wurde mir klar, dass die Dinge dort grundlegend anders liefen.

Grundlegend anders.

Ich habe schon des Öfteren über diesen „unheimlichen“ KONFLIKT kursorisch berichtet, und ich kann versichern, er ist wirklich ein sehr, sehr gefährlicher Ort, über den ich nur bedingt abschließende Erkenntnisse gewonnen habe. Der überrascht mich ständig von neuem und ist aktuell aus gutem Grund von der Schreibfront suspendiert. Es gilt, vorher einige ältere Werke abzuschließen, ehe ich meine Energie darein verstärken kann.

Während der Arbeiten an KONFLIKT 23, also bis 1994, waren mir immer stärke­re Zweifel gekommen, ob ich tatsächlich mit dem Matrixfehler-Konzept alle Ab­sonderlichkeiten des Matrixfehlers Erde würde klären können. Und ob das alte Matrixfehler-Konzept überhaupt an sich stimmte. Es fühlte sich zunehmend falsch an… und das sollte euch zeigen, dass der OSM kein monolithisch festge­fügtes Gebilde ist, sondern durchaus – in gewissen Grenzen – im Fluss befind­lich. Manchmal fließen die logischen Hintergrundstrukturen aber in sehr seltsa­me Richtung.

So erging es mir, als ich mich ab 2013 allmählich im Zuge der Schreibarbeiten am KONFLIKT 9 „Oki Stanwer – Der Kaiser der Okis“ (DKdO) dem Problem der ersten Erde näherte.

Die erste Erde, sollte ich dazu jetzt erwähnen, hatte ich schon vor Jahren irgendwo zwischen KONFLIKT 7 und KONFLIKT 9 verortet. Nachdem mir klar wurde, dass KONFLIKT 7 in der Hohlwelt Hyoronghilaar spielen würde und die Menschen nicht vorkommen konnten, blieb nur KONFLIKT 8. Und als ich hier eine Erinnerungsblende in DKdO niederschrieb und über ein von den Dämonen von TOTAM verursachtes Zeitparadoxon auf der Erde des KONFLIKTS 8 schrieb, kam mir schlagartig zu Bewusstsein, was ich so unheimlich gefunden hatte.

Es war die Ähnlichkeit. Und nein, das Matrixfehlerkonzept war nicht hinrei­chend dafür, auch das noch zu erklären. Nicht zuletzt deshalb, weil ich ja inzwi­schen wusste, wie Matrixfehler wirklich zustande kamen.

Das Ähnlichkeitsproblem kannte ich schon seit sehr langer Zeit. Es lässt sich vielleicht am besten am Beispiel des Schädelfriedhofs von Oban verdeutlichen. Oki Stanwer findet diesen Friedhof, einen Rückzugsort der Dämonenwaffe GO­LEM, in KONFLIKT 13. In KONFLIKT 18, also nicht weniger als 25 Milliarden Jahre später, ist er dort wieder zu Gast… und nichts hat sich verändert, rein gar nichts! Nicht mal die Grashalme scheinen seither höher gewachsen zu sein!

Und auch in KONFLIKT 28, satte 50 Milliarden Jahre nach KONFLIKT 18, ist der Schädelfriedhof von Oban absolut identisch existent.

Wie ein niemals endender Alptraum kehrte dieses Ding immer wieder in die Existenz zurück… und nicht nur das. Dasselbe betraf, mit nur wenigen Abwand­lungen auch alle Staaten der Erde, alle Völker, Sprachen, Städte, Flussläufe, Ge­birge und deren Benennung…

Wäre es, um das mal als tabula rasa zu nehmen, so gewesen, dass nur der Pla­net Erde selbst den Matrixfehler dargestellt hätte, so wäre doch zweifellos die Geologie noch ähnlich bis identisch gewesen. Aber hätte dann jede Mensch­heit, unabhängig voneinander, ihre Städte an exakt denselben Plätzen gebaut, sie mit exakt denselben Sehenswürdigkeiten versehen und bis in feinste Nuancierungen dieselben Sprachen entwickelt, bis hin zu den Geldmitteln und politischen Systemen?

Nein, dachte ich, wenn man da genauer drüber nachdenkt und zugleich eine di­rekte Verbindung in Form von Parallelwelten kategorisch ausschließt, dann ha­ben wir es hier mit einem verdammt unheimlichen Phänomen zu tun. Normal geht ganz und gar anders.

Es mag ein schwacher Trost sein, dass unsereins natürlich solche Dinge wie Großbritannien und London aus unserer Welt vertraut sind und wir damit leich­ter umgehen können, als wenn da auf einmal völlig fremd klingende Nationen, Städte und Sprachen existierten. Aber erklärungsbedürftig bleibt das nach wie vor… und das ist, neben der Tatsache, dass vielfältige „Erden“ im OSM Hand­lungsschauplätze für die Abenteuer Oki Stanwers und seiner Freunde sind, ein ganz zentraler Grund, warum ich die Erde als „legendären Schauplatz“ benannt habe.

Ihr mögt am Anfang vielleicht die Stirne gerunzelt haben, warum ich einen so vermeintlich unspektakulären und bekannten Schauplatz „legendär“ nannte. Nun seid ihr im Bilde.

Über den nächsten legendären Schauplatz verrate ich hier und heute noch nichts, der Blogartikel liegt ja noch Wochen in der Zukunft. Aber wohin wir in der nächsten Woche reisen, das flüstere ich gern schon mal: es geht wieder um eine der seltenen Kosmologie-Lektionen des OSM.

Viel Vorfreude darauf! Bis bald dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Vgl. dazu meinen Rezensions-Blog 133, der am 11. Oktober 2017 erscheinen und dieses Buch besprechen wird.

2 Dabei handelt es sich um Menschen aus der 13. OSM-Ebene „Oki Stanwer Horror“ (1982-1985).

3 Diese Totenköpfe stammen von der Erde der 17. OSM-Ebene „Drohung aus dem All“ (1982-1986).

4 Diese Totenköpfe entstammen der Erde der 18. OSM-Ebene „Kampf gegen TOTAMS Dämonen und Scher­gen“ (1984-1989).

5 Zitat aus dem Prä-OSM-Roman „Der stählerne Tod“, ca. 1979, bislang nur handschriftlich, digital partiell er­fasst.

Rezensions-Blog 131: Brennendes Wasser

Posted September 26th, 2017 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

da sind wir also wieder bei Clive Cussler gelandet… genauer gesagt bei einem seiner erfolgreichen Tandempartner, nämlich Paul Kemprecos, der noch eine ganze Reihe Werke zum NUMA-Kosmos beigesteuert hat. Das hier ist der zweite Band der so genannten „NUMA-Files“, und wie erwartet, geht es wieder richtig zur Sache. Dass meine Rezension dennoch nicht so überzeugend ausfiel wie die zu seinem Erstling neulich („Das Todeswrack“), liegt vermutlich in zweierlei Ur­sachen verborgen: erstens einmal bin ich nun mal, was Cussler angeht und his­torische Zusammenhänge dazu, ein recht kritischer Leser. Und zweitens ist dem Buch anzumerken, dass es deutlich zügiger als der Erstling geschrieben wurde. Mit der unschönen Konsequenz, dass da einige Sachen hinten runterfallen bzw. zu kurz dargestellt werden. Das Buch hätte sicherlich hundert Seiten mehr In­halt gebrauchen können und ein solides wissenschaftlich-historisches Korrefe­rat.

Nun, man kann den Roman natürlich auch so lesen, wie ich unten schreibe. Amüsant ist er allemal, und wenn man selbst historisch nicht sattelfest ist, ent­gehen einem vermutlich die ganzen Wischiwaschi-Details dieses Buches. Aber um euch davon selbst ein Bild zu machen, lasse ich mal die Rezension selbst sprechen:

Brennendes Wasser

(OT: Blue Gold)

Von Clive Cussler & Paul Kemprecos

Blanvalet 35683, 2002

480 Seiten, TB

ISBN 3-442-35683-0

Aus dem Amerikanischen von Thomas Haufschild

Da ist er also, der zweite Roman mit Cusslers „neuen Helden“, dem hünenhaf­ten, weißblonden Kurt Austin und seinem kleineren, kompakteren Kompagnon mit mexikanischen Wurzeln, Joe Zavala. Der Leser entsinnt sich, die beiden Hel­den in ihrem Erstling „Das Todeswrack“ kennen gelernt zu haben, wo sie im Mittelmeer einer Meeresarchäologin das Leben retteten und so auf die Spur ei­nes bruderschaftlichen Geheimbundes kamen, der strikt alle Indizien vernich­ten wollte, die darauf hindeuteten, dass es jemals zwischen der Alten und der Neuen Welt kulturelle Kontakte gegeben hatte, und zwar vor Christoph Kolum­bus. Witzig genug – dies führte letzten Endes zur Entdeckung von Kolumbus´ verschollenem Grab in der Unterwelt von Guatemala. Wie ich schon jüngst an­lässlich des Romans sagte: solch ein Auftakt macht natürlich neugierig auf weitere Bände der Serie der so genannten „Numa Files“. Dies hier ist der zweite.

Die Geschichte beginnt mit einem Cussler-typischen Vorspann, diesmal im Jahre 1991. Die schöne, junge Professorin Francesca Cabral ist von ihrer Heimat Brasi­lien aus unterwegs mit dem Flugzeug zu einem Umweltkongress in Kairo, wo sie ein revolutionäres neues Verfahren vorstellen will, das ein drängendes Mensch­heitsproblem lösen wird – bedauerlicherweise erweist sich, dass die neuen Pilo­ten der Crew Handlanger einer kriminellen Organisation sind, deren Ziel in Fran­cescas Kidnapping besteht. In der Konsequenz des sich im Flugzeug entspan­nenden Kampfes führt diese Veränderung der Situation allerdings dazu, dass ihr Flugzeug mit allen Insassen mitten im venezolanischen Urwald abstürzt und nie­mand mehr wieder von ihr hört.

Im Jahre 2001 erleben wir dann den Beginn der Haupthandlung und sogleich den rasanten Auftritt von Kurt Austin und Joe Zavala, die ein neues experimen­telles Rennboot bei einem Bootsrennen vor San Diego testen. Kurz vor dem Ende rast die Rennbootphalanx allerdings in eine Herde von toten Walen und löst ein einziges Chaos aus, in dem allein Austins Wagemut eine noch größere Katastrophe verhindert.

Anschließend ist er jedoch neugierig, was es mit den toten Tieren auf sich hat und entdeckt, dass sie offensichtlich an den Folgen extremer Erhitzung gestor­ben sind, was ihm einigermaßen rätselhaft vorkommt – und das ist alles erst der Anfang. Die Fährte führt nämlich nach Mexiko in eine Tortilla-Fabrik (kein Witz!), wo sie zudem ein geheimes Forschungslabor entdecken, das gerade während ihrer Entdeckung buchstäblich in die Luft fliegt und sie beinahe umbringt. Ein Wrackteil der Station entpuppt sich sodann, und damit wird die Sache noch um einiges rätselhafter, als Bauteil eines so genannten Deltaflüglers der US Air Force aus den frühen 50er Jahren… allerdings eines Deltaflüglers, der offiziell nie gebaut wurde.

Der Leser knobelt an dem Problem herum und fragt sich, wo das wohl alles hin­führen mag. Zu dem Zeitpunkt noch ganz ergebnislos, und das macht die Sache wirklich interessant. Zudem wird man dann auch noch von einem Kapitel stets zum nächsten von der Kurt Austin-Handlungsebene in den venezolanischen Ur­wald verschlagen (die Handlungsebenen alternieren anfangs fast von Kapitel zu Kapitel, nachher bekommt die Austin-Handlung deutliches Übergewicht, und da sind jetzt Seiten und nicht Kalorien gemeint!), wo wir weitere alte Bekannte aus dem ersten Roman treffen: Gamay Morgan-Trout und ihren Mann Paul Trout, ebenfalls beide bei der NUMA angestellt. Sie sind von einem hiesigen Wissen­schaftler namens Dr. Ramirez gebeten worden, sich die Bedingungen der Wasserqualität eines inländischen Flusslaufes in Venezuela anzusehen, um ab­schätzen zu können, ob für die Population der Flussdelphine eine Gefahr be­steht.

Das ist offenkundig nicht der Fall – aber während sie noch bei Dr. Ramirez sind, wird ein Einbaum mit einem toten Eingeborenen angetrieben, der eine seltsam blauweiße Körperzeichnung trägt. Ein so genannter „Chulo“, ein Angehöriger ei­nes sehr zivilisationsfeindlichen Indiostammes, den man auch „Geisterindianer“ nennt. Angeblich wird der Stamm von einer weißen Göttin regiert, was einiger­maßen unglaubwürdig scheint. Aber der Tote, der erst gefoltert worden zu sein scheint, um anschließend durch einen Schuss getötet zu werden, hat ein paar sehr beeindruckende technische Hilfsmittel dabei, unter anderem einen Bogen aus Aluminium. So etwas macht Gamay und Paul natürlich schon neugierig… aber ihr folgender Besuch bei den Chulo ist mehr ein Unfall, der einiges zu tun hat mit Biopiraterie, skrupellosen Pharmakonzernen und Mord und Totschlag.

Derweil verfolgen Kurt Austin und sein Gefährte Joe Zavala die Fährte in Mexiko weiter und landen bei einem Liebhaber alter Duellpistolen (ganz wie Kurt) – dummerweise ist der Mann namens Enrico Pedralez nicht nur Besitzer einer Tortilla-Fabrik, sondern auch Banden- und Drogenboss im Grenzgebiet zu New Mexiko, und er steht im Ruf, jeden, der ihm seltsam kommt, kurzerhand umzu­bringen, auch einen Gringo.

Und Pedralez ist immer noch nicht die Spitze des Eisbergs, sondern nur ein weiterer Mosaikstein, der letztlich zu einem Moloch führt, der sich „Gokstad“ nennt und von einer skrupellosen Persönlichkeit beherrscht wird, die für ihre Pläne letztlich über Leichen geht, wenn nötig, auch über die Leichen ganzer Na­tionen…

Im Vergleich zu manch anderem Cussler-Buch ist dieses hier eher schmal gera­ten, die Konsequenz besteht dann in lediglich vier Lesetagen. Auch diesmal ist zu konstatieren, dass das Lesen einfach Spaß bereitet, und zwar außerordentli­chen. Es gibt nur wenige Wermutstropfen. Einer ist der Titel. „Brennendes Wasser“ ist wirklich selten dämlich, darum geht es nicht in Wahrheit.1 Es GEHT zwar um Wasser, aber das brennt eigentlich nicht. „Blaues Gold“ wäre also in je­derlei Hinsicht die bessere Übersetzung gewesen (klang dem Verlag aber viel­leicht nicht spannend genug). Auch das Titelbild ist ausnehmend einfallslos.

Dann gewinnt man ein bisschen das Gefühl, der Verfasser habe zu viele Filme gesehen, etwa „Der Smaragdwald“, und zudem ist er zweifelsohne eifriger NA­TIONAL GEOGRAPHIC-Leser. Ich erkannte jedenfalls die im Gamay-Handlungs­strang beschriebene Kunststoffkonstruktion zur Erforschung der Gipfelregion der tropischen Regenwälder recht deutlich wieder – sie fanden sich in Artikeln sowohl im NATIONAL GEOGRAPHIC als auch im deutschen GEO Ende der 80er Jahre. Ähnlich verhielt es sich mit den gigantischen Tafelbergen und dem spek­takulären Wasserfall. Dabei (dieselben Anregungsquellen können angegeben werden) handelt es sich fraglos um den Abglanz der venezolanischen „Zeugen­berge“, der Tepui, zu denen es ein höchst beeindruckendes Buch von Uwe Geor­ge gibt.2 Das ist nicht unbedingt negativ zu verstehen, aber in der Umsetzung war es mir dann doch ein bisschen zu wenig, was die Autoren daraus machen, das hätte definitiv Stoff für schönere Beschreibungen hergegeben.

Und dann kommen wir zu „Gokstad“, jenem verbrecherischen Superkonzern mit seinem sinnigerweise „Walhalla“ genannten Stammsitz und den noch viel ver­rückteren Plänen (mit „Walhalla“ und den nordischen Geschichten hat Cussler es irgendwie. Man erinnere sich an diverse seiner früheren Romane). Die Hauptperson und ihr biografischer Background bleiben letztlich bedauernswert ungenügend. „Nur“ böse, größenwahnsinnig und machtgierig, das ist ein biss­chen wenig, um letztlich überzeugend zu sein. Und was die Kulisse angeht, so ist auch das ein wenig lieblos ausgefallen. Das gilt übrigens allseitig – der Kon­zern benennt sich nach dem legendären Gokstad-Schiff der Wikinger, von dem auch ein 1:1-Nachbau in der Konzernzentrale ausgestellt ist3, und das bekom­men die NUMA-Mitarbeiter schließlich auch heraus. Doch dort, wo sonst Cuss­ler sein Präzisionswissen einbringt, regiert hier ein wenig Halbheit. Da heißt es dann, das Gokstad-Schiff sei „irgendwann im 19. Jahrhundert“ in Norwegen ge­funden worden. Das kann man doch genauer herauskriegen, dachte ich und schlug nach:

Gokstad ist eine südnorwegische Stadt an der Mündung des Oslofjordes und bekannt geworden durch den Fund eben des Gokstad-Schiffes, einer Schiffsbe­stattung aus der Wikingerzeit. Das Schiff selbst ist 23,8 Meter lang und 5 Meter breit mit einem Tiefgang von 1,1 Metern. Es wurde in einem Grabhügel bei Gokstad samt dem Toten im Jahre 1880 ausgegraben und ist heute im Museum von Bygdöy bei Oslo. Was im Roman ebenfalls richtig (aber nur vage) erwähnt wurde, ist die Tatsache, dass ein Nachbau dieses Schiffes von Norwegen nach Amerika segelte und damit die transatlantische Seetüchtigkeit nachdrücklich unter Beweis stellte. Das fand im Jahre 1893 statt und brachte damals eine nor­wegische Delegation zur Weltausstellung von Chicago.4

Ich meine, wenn ICH solche Daten schon herauskriegen kann, dann muss man doch konstatieren, dass entweder Verlag, Übersetzer oder aber die Verfasser hier ganz schön geschlafen haben, ganz zu schweigen von dem vielen inter­essanten Detailwissen, was solche Romane (nicht zuletzt den Erstling!) erst so faszinierend machte.

Auch dem Zufall wird an manchen Stellen doch erheblich nachgeholfen, manch­mal auf interessante, fast tapsige Weise (etwa bei dem Handlungsstrang, in dem es dann um den alten Piloten des Deltaflüglers geht), etwas plumper bei den beiden serbokroatischen Killern, die sich im Bosnienkrieg als skrupellose Mörder und Folterer einen Namen gemacht haben und sadistisch ihre Opfer liquidieren.

Man kann aber dem Roman auf der anderen Seite dann auch zugute halten, dass er durchaus ernste Probleme anspricht. Da ist beispielsweise das Thema der Biopiraterie im südamerikanischen Urwald, das nicht nur anno 2002 ein Problem war, sondern auch heute noch ist. Da ist das Thema des globalen Wassermangels, verbunden mit der damals schon hellsichtig scheinenden Kritik, was für Gefahren eine leichtfertige, allein aus kurzfristigem monetärem Blickwinkel zuwege gebrachte Privatisierung etwa der Wasserversorgung in sich birgt. Das ist meines Erachtens heute mehr denn je ein ernstes Problem, und es scheint durchaus möglich, dass es in weiteren Romanen dieser Reihe noch in dieser Richtung entsprechende Weiterungen geben wird.

Ansonsten konstatiere ich, dass der „Zweitling“ an den Erstling definitiv nicht herankommt… aber der wirklich trockene Wortwitz ist schon die Lektüre defini­tiv wert (goldig die Szene, als eine Hauptperson fassungslos Kurt Austin fragt, wo er wohl herkomme, und er lakonisch bemerkt: „Mit dem Bus.“ Wobei man dazu sagen sollte, dass diese Begegnung in einem Unterwasserlabor stattfindet – dennoch sind seine Worte die reine Wahrheit). Doch, es gibt eine Menge zum Lachen in dem Werk, unstrittig. Und wer sich nicht um die historischen oder sachlichen Fakten so sehr schert, wird hier zweifelsohne gut unterhalten.

Kann man lesen, macht durchaus Spaß.

© 2012 by Uwe Lammers

Ein Cussler-Roman zum Abgewöhnen? Nein, würde ich so jetzt nicht sagen wol­len. Der hier ist durchaus lesenswert. Die üblen Romane kommen ja erst noch.

Auch den Roman, den ich in der kommenden Woche an dieser Stelle präsentie­ren möchte, kann ich wirklich nur wärmstens empfehlen. Und wer – im Gegen­satz zu mir – Rudyard Kiplings Werk gut kennt, wird sicherlich eine ganze Reihe Aha-Effekte erleben. Doch auch sonst ist dieses Werk, das in den 1890er-Jahren in Indien und Tibet spielt, eine famose Sache, die mir großen Spaß bei der Lektüre bereitet hat.

Neugierig geworden? Gut so. Und ich mache euch den Mund noch wässriger mit einem berühmten Namen: Sherlock Holmes.

So, damit aber genug verraten für den Moment. In der kommenden Woche seid ihr schlauer. Das solltet ihr euch nicht entgehen lassen…

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich muss dabei an griechisches Feuer denken. Das kommt im Roman zwar AUCH kurz vor, aber für die Haupthandlung spielt es eigentlich keine Rolle. Als Titel taugt es gar nicht.

2 Vgl. Uwe George: Inseln in der Zeit, Hamburg 1993 (4. Auflage).

3 Unsympathisch fiel mir auf, dass „Gokstad“ durchgängig als „Gogstad“ falsch geschrieben wird. Ich denke, das ist ein Lektoratsfehler. Aber soviel Präzision hätte doch wirklich schon sein können.

4 Vgl. Glyn Daniel: Enzyklopädie der Archäologie, Bergisch-Gladbach 1996, S. 177. Hier wird freilich der Ort ebenfalls falsch geschrieben, diesmal als „Gokstadt“. Aber das Buch wimmelt leider sowieso von Druckfeh­lern. Die Fakten selbst sind indes präzise.

Wochen-Blog 238: Work in Progress, Part 55 – Der OSM im Juni 2017

Posted September 24th, 2017 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

tja, die Hoffnung stirbt zuletzt, sagt man ja landläufig, und da stimme ich gern zu. Indes, so allmählich macht mir die „Durststrecke“ der Kreativität, die durch anderweitige zeitraubende Verpflichtungen sozusagen aufgezwungene, doch sehr zu schaffen. Und ich weiß auf der anderen Seite natürlich sehr gut, dass ihr als meine Leserschaft nach meinen nächsten E-Books hungert… glaubt mir, wir ziehen da sehr am gleichen Strang.

Der Monat Juni hat sich also, wie ihr euch nach dieser wenig optimistischen Vorrede wohl schon denken könnt, nicht wirklich so entwickelt, wie ich das ge­plant hatte. Der Juli bietet da mehr Potenzial, da eine Reihe von Urlaubstagen mich in die Lage versetzen sollte, kreativ etwas aufzuholen. Ihr erfahrt Näheres dazu dann im Blogartikel 243, versprochen. Heute also die übliche Rückschau auf den Monat Juno:

Blogartikel 234: Work in Progress, Part 54

Blogartikel 241: Der OSM in Gedichtform (4): Bitter Sun

(Raubgut – Archipel-Story)

(Gashoyys Geschichte – Archipel-Story)

(14Neu 43: Das Synox-Komplott)

(OSM-Wiki)

Kämpfer gegen den Tod – OSM-Roman (Abschrift)

Erläuterung: An der Abschrift dieses Romans von 1997 arbeitete ich schon seit 2015, aber ich schob die Fertigstellung und den Neuausdruck dieses Werkes im­mer wieder vor mir her. Am 11. Juni, buchstäblich dem letzten Tag meines Ur­laubs, bekam ich die Abschrift noch hin.

Der Roman selbst spielt im euch noch nicht zugänglichen KONFLIKT 24 „Oki Stanwer – Der Neutralkrieger“ (NK) und nimmt einen Handlungsfaden um die Totenkopf-Nation und das rätselhafte interdimensionale Habitat Hohlringland auf, das ich 1995 bald nach Beginn der Serie entdeckte. Da gibt es noch soviel zu erzählen… ich wünschte, ich könnte daran weiterarbeiten. Aber solange mich in dieser Serie der Mammutkomplex um das Baumeister-EXIL HANKSTEYN blockiert, ist das ausgeschlossen. Es kann also noch geraume Zeit dauern, ehe dieser Roman als E-Book vorliegt. Die Abschrift hat mir sehr viele Schwachstellen aufgezeigt, die erst behoben werden müssen, vom strukturell-logischen Anschluss an das, was euch vom OSM bislang bekannt ist, mal ganz zu schweigen. Dies ist also noch ein Langzeit-Projekt in der Warteschleife.

(Tengoor und Malisia – Archipel-Story)

(Wandlungen – Archipel-Story)

(Schatzsucher – Archipel-Story)

(Die Suyenka – Archipel-Roman)

(Die Weghaus-Sklavin – Archipel-Story)

(Lebensweg zweier Teilzeitdirnen – Archipel-Story)

Erläuterung: Diese beiden Titel sind euch noch unbekannt. Sie sind gleichwohl keine neuen Werke. In meinen zahlreichen Kreativkladden hielt ich in früheren Jahren, als ich noch nicht so sehr auf den Computer fixiert war, zahlreiche Ideen fest, davon gehören einige auch in den Archipel. Während meines Urlaubs in der ersten Junihälfte fand ich Gelegenheit, hier auch Abschriften zu leisten, und diese beiden Fragmente gehören dazu.

Es ist aufgrund der Tatsache, dass wesentliche Elemente dieser beiden Frag­mente in anderen Archipel-Werken wiedergekehrt sind, unwahrscheinlich, dass ich sie langfristig vollständig ausarbeite… aber man weiß natürlich nie so recht, vielleicht ändert sich das auch. Jedenfalls liegen hier nun auch digitale Dateien vor, das ist mittelfristig vermutlich nützlich. Ähnlich werden sicherlich in den kommenden Monaten noch so ein paar „Exoten“ aus meinen Kreativkladden auftauchen. Das ist nur eine Frage der Zeit.

(Sarittas Hilflosigkeit – Archipel-Story)

Die magische Waffe – OSM-Novelle (Abschrift)

Erläuterung: Das hier ist ein ausgesprochener Alptraum. Während ich für Serien und Kinofilme rund um Zombies wirklich nicht viel übrig habe, sah das litera­risch gegen Mitte der 80er Jahre noch etwas anders aus. Im KONFLIKT 13 „Oki Stanwer Horror“ (OSH, 1982-1985) beschrieb ich damals etwas, was ich als „magischen Weltuntergang“ charakterisierte, und genau das war es auch.

Der CLOGGATH-KONFLIKT brach über die Erde im frühen 22. Jahrhundert herein und zermalmte die menschliche Zivilisation zwischen zwei magischen Super­mächten: TOTAM einerseits und CLOGGATH andererseits. Und Oki Stanwer un­ternahm den wirklich wahnwitzigen Versuch, beide gegeneinander auszu­spielen… mit katastrophalen Folgen.

Im Vorfeld dieser Auseinandersetzung, bevor der eigentliche reguläre KONFLIKT im Jahre 2123 begann, ereignete sich etwas, was nachher nur noch als „DER TAG“ bezeichnet wurde: die Vernichtung der Grünen Insel Irland. Binnen eines Tages wütete ein ungeheuerliches, quasi-sturmgleiches Phänomen über der In­sel und kostete wirklich jedes Lebewesen auf der Insel das Leben. Zurück blieb eine Höllenlandschaft, die nun von grässlichen Kreaturen bevölkert wurde. Vampirwesen, kannibalistische Weißflora, Säureflüsse, lebende Skelette und alle möglichen anderen Unarten von rätselhaften und mörderischen Kreaturen.

Dieser Roman ist ein Ausflug in die Hölle Irlands nach „DEM TAG“. Zugleich aber auch die Suche nach einem dort verborgenen Schatz, der mit mörderischen Mit­teln ausfindig gemacht werden muss und eine schreckliche Reihe von Überra­schungen in sich birgt. Nichts für Leser mit schwachen Nerven, kann ich ver­sichern, und mir ging schon während der Abschrift der Magen auf Grundeis… ich habe keine Ahnung, wie schnell ich die Überarbeitung in Angriff nehmen werde, aber das ist eher ein mittelfristiges Projekt, da ja die Publikation des CLOGGATH-KONFLIKTS in E-Book-Form ebenfalls schon in der engeren Planung ist (das Cover für Band 1 ist sogar schon fertig montiert).

Also, da kommt was Alptraumhaftes auf euch zu… in den nächsten zwei oder drei Jahren, würde ich schätzen. Hängt von meinem Zeitkontingent ab und von meinen Nerven…

Die Totenköpfe 1: Die Alte Armee, Teil 12

Die Totenköpfe 1: Die Alte Armee, Teil 13

Erläuterung: Ja, das ist die abschnittsweise Publikation dieses Romans für das Fanzine „Baden-Württemberg Aktuell“ (BWA) des Science Fiction-Clubs Baden-Württemberg (SFCBW). Damit ist schon das gesamte Jahr 2017 abgedeckt. Es geht 2018 aber noch munter weiter. Der Roman ist halt etwas länger. Ihr werdet solche Einträge also noch öfter zu sehen bekommen.

(DER CLOGGATH-KONFLIKT – OSM-BUCH (Abschrift))

Erläuterung: Auch hierfür fand ich wieder etwas Zeit. Allerdings nicht wirklich viel. Inzwischen stecke ich mit der Abschrift in Kapitel 6, aber wenn ihr bedenkt, dass ich bei der Reinschrift bereits in Kapitel 37 (von 50) gekommen war, seht ihr, dass noch jede Menge Abschreibzeit investiert werden muss. Der CK ist eben ein verdammt langes Werk. Es ist jedenfalls davon auszugehen, dass ich im Juli ebenfalls hieran weiter abschreiben werde. Von selbst geht das bekanntlich nicht…

Blogartikel 233: 75 Fragmente… und was die Folge war

Blogartikel 235: Aus den Annalen der Ewigkeit – alt und neu (XVIII)

(Der Herr der Schwarzen Berge – OSM-Story (Abschrift))

Erläuterung: Das war ein sehr guter Spontanentschluss zum Ende des Monats hin. Auch diese Geschichte, 1993 abgeschlossen und einmal in einem inzwi­schen eingegangenen Fanzine in dieser Fassung publiziert, lag schon eine Weile hier in einer Mappe „auf Halde“ als eines der älteren Annalen-Werke, das ich abschreiben und so in eine digitale Fassung überführen wollte. Jetzt ging ich es an, bekam aber bis zum gestrigen Tag nur die Abschrift selbst fertig, nicht die anspruchsvolle Kommentierung.

Warum ich eine Abschrift kommentiere? Nun, das hat verschiedene Gründe. Ei­ner ist darin zu sehen, dass ich meine eigenen Schreibfehler dokumentiere, wie ich das aus diversen historischen Quellenpublikationen seit vielen Jahren gewohnt bin. Manchmal lerne ich dabei auch etwas über meine eigenen Schreibschwächen, die ich natürlich besitze. Solche bizarren Worte wie „aufok­troyieren“, „terretorial“ tauchen da auf und treiben mir die Schamröte ins Ge­sicht. Das kann so natürlich nicht bleiben.

Ich stehe mit derlei Aussetzern nicht allein da. Andere Autoren verstehen es bei­spielsweise nicht, dass es „je mehr, desto“ heißt (sondern schreiben unverblümt und vielfach „je mehr, umso“) oder sie bringen „niedere“ und „niedrige“ regelmäßig durcheinander. Solche Dinge stelle ich in der Kommentierung meiner Werke dann entsprechend heraus und korrigiere sie.

Außerdem aber, und das ist noch sehr viel wichtiger, entschlüssele ich mit den Anmerkungen kryptische Andeutungen in den Geschichten, die nur ich selbst de­chiffrieren kann. Man muss ja nicht einfach hilflos und wenig erfolgreich rätsel­raten, wenn – in der obigen Geschichte – jemand falsch als „Gonx“ bezeichnet wird. Das ist ein Eigenname, der dort in der langen historischen Überlieferung abgeschliffen wurde. Die Person, die damit gemeint ist, ist der Soogrer Goonex, ein einstmaliger Helfer des Lichts in KONFLIKT 22 „Oki Stanwer – Der Schatten­fürst“ (DSf). Wer außer mir sollte das schon wissen?

Und für die Überarbeitung mache ich da ebenfalls entsprechende Anmerkun­gen, wo ich präzise nachzubessern habe, wo Logiklücken bestehen und dringen­der Beschreibungsbedarf. Das ist in der obigen Story in massiver Form an vielen Stellen der Fall.

Die Geschichte selbst ist ansonsten für euch sicherlich interessant, nicht zuletzt wegen der im Titel genannten Person. Der „Herr der Schwarzen Berge“, nach dessen Grab der Toccer Cotaar in dieser Geschichte sucht, erweist sich als ein le­gendärer KONFLIKT-Krieger – als TK 40112, der mythische Totenkopf-Prophet! Und er ist zwar ein Untoter, aber alles andere als tot, wie der Toccer sehr hand­greiflich erleben muss.

Diese Geschichte zu überarbeiten, das wird mir Vergnügen bereiten. Aber auch in diesem Fall kann ich euch leider noch nicht sagen, wann exakt das sein wird. Zwei Dinge stehen aber schon ziemlich sicher fest: die Geschichte wird deutlich länger werden als bisher, möglicherweise doppelt so lang wie bislang, so dass sie wohl Novellen-Format bekommen dürfte. Und zum anderen ist sie damit sicherlich zu lang für eine meiner Storysammlungen und wird folgerichtig einst als ein separater Band in der Reihe „Aus den Annalen der Ewigkeit“ als E-Book erscheinen. Ob das vor 2019 der Fall sein wird, kann ich noch nicht versprechen. Aber interessant wird das für euch auf alle Fälle, versprochen!

Blogartikel 237: „Was ist eigentlich der OSM?“, Teil 47

Nun, und mit diesem buchstäblich in letzter Minute geschriebenen Blogartikel war dann der Monat Juni auch schon Vergangenheit. Zwar habe ich in diesem Monat insgesamt 22 Werke fertig gestellt, aber davon waren, lasst mich kurz kontrollieren, sieben Blogartikel und weitere 9 Rezensionen. Wie ihr seht, bleibt da nicht wirklich viel übrig.

Deshalb – nein, der Monat Juni war, Urlaub hin oder her, nicht wirklich ein höchst erfolgreicher Monat, sondern allenfalls einmal Durchschnitt. Bedauer­lich, ja, aber so sehen meine Monate eben aktuell aus. Ich hoffe sehr darauf, dass sich im September 2017 der Wind dreht, aber das hängt selbstverständlich davon ab, wie sich meine berufliche Situation weiter entwickelt.

In der kommenden Woche blättere ich mit der Rubrik „Legendäre Schauplätze“ wieder einen Ereignisraum des OSM auf, der euch interessieren dürfte, zumal er sehr vertraut ist… wenigstens auf den ersten Blick. Heißt er doch ganz lapidar „Erde“. Aber die Erde in verschiedenen Universen hat sehr verschiedene Gesich­ter… ihr werdet das erleben. Freut euch darauf, das wird ein echtes Abenteuer, Freunde!

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 130: Illuminatus! Band 1: Das Auge in der Pyramide

Posted September 20th, 2017 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

es gibt verschiedene Bücher, die ich mehrmals zu lesen begann, sie aber im er­sten Anlauf nicht zu bewältigen verstand. Leseabenteuer… das kann einem mit jedem x-beliebigen Buch so gehen. Aber üblicherweise beiße ich mich durch die Lektüre durch. Das ist ja auch bei wissenschaftlichen Werken so, die mir unge­achtet meiner Ausbildung bisweilen arges Stehvermögen abnötigen.

Dann wieder gibt es Werke, bei denen ich das stete Gefühl habe, dass sie mich reizen und reizen und reizen… und mit denen ich gleichwohl nicht sofort warm werde. Ein solches Buch ist, auf den ersten Blick wenigstens, die Illuminatus!-Trilogie. Als ich durch einen schönen antiquarischen Zufall die Trilogie in einem dicken Wälzer preiswert in die Finger bekam, mehr als tausend Seiten stark und sehr schön aufgemacht, da entschied ich: Jetzt ist es an der Zeit, einen zweiten Anlauf zu wagen.

Ja, denn einen ersten hatte es mehr als zwanzig Jahre zuvor schon mal gegeben, als ich noch in Wolfsburg lebte und einen ziemlich kläglich-engen Lesehorizont besaß. Inzwischen war ich deutlich weiter und dachte mir, sowohl mit einem abgeschlossenen Geschichtsstudium in der Tasche als auch weit gefächerten Le­seinteressen, ganz zu schweigen von Tausenden von Büchern, die ich zwischen­zeitlich gelesen hatte: Nu isses Zeit. Nu wollen wir uns mal dem harten Brocken stellen.

Um es kurz zu machen: Es war auch diesmal eine Anfechtung, aber ich wage zu prognostizieren, dass, wer immer sich bis Seite 100 des Romans durchgebissen hat, mit der Lektüre wohl kaum mehr wieder aufhören kann. Und ihr kennt mich, ich stufe so etwas als klares Qualitätskriterium von Büchern ein.

Es wird aber auch wirklich ein bizarrer Mix aus historischen Fakten, munterer Erfindung, wahnhaften Verstrickungen und Manipulationen erzählt, die schlussendlich fast in den Dritten Weltkrieg abdriften. Ich glaube, wenn Wilson & Shea heutzutage noch solche Romane schreiben würden, dürften die Comics und Co­micverfilmungen als Ingredienz nicht fehlen, das würde alles noch schriller ge­stalten. Aber es ist auch so schon abenteuerlich genug.

Bereit für ein extraordinäres Leseabenteuer? Na, Freunde, dann schnallt euch mal an, und ab geht die Post mit dem yellow submarine (wobei durchaus nicht nur die Beatles grüßen lassen, aber die natürlich ganz besonders):

Illuminatus!

Band 1: Das Auge in der Pyramide

(Illuminatus! – The Eye in the Pyramid)

von Robert Anton Wilson & Robert Shea

Kailash, Hugendubel 2002

336 Seiten

Erstausgabe: 1978

Übersetzt von Udo Berger

Seid ihr bereit für den totalen Trip? könnte man in einer ironischen Abwandlung eines Zitates von Joseph Goebbels sagen, für eine extraordinäre Erfahrung im Sinne eines Buches, das vorgibt, die Weltformel gefunden zu haben und die Er­klärung für so rätselhafte Dinge wie da etwa sind: der Mord an John F. Kennedy, die Regierungskrise auf dem Eiland Fernando Poo vor der afrikanischen West­küste, Adolf Hitlers triumphalen Aufstieg zur Macht, das Pyramidensymbol auf der amerikanischen Dollarnote, sprechende Delphine, ein yellow submarine, den wahren Grund für den Tod des Gangsters Dillinger, die tieferen Wahrheiten hinter den Freimaurern, H. P. Lovecrafts frühen Tod, die Funktion der UNO, die Tempelritter und ihre Widersacher um den Alten vom Berge usw. usf… seid ihr dafür bereit? Dann auf ins Abenteuer:

Irgendwann (man schreibt etwa das Jahr 1975, Watergate ist schon gewesen, aber noch nicht so richtig vorbei – aber auch die Gründung und Zerschlagung des Illuminaten-Ordens im Jahre 1776 bzw. 1785 ist hier noch nicht vorbei, warum nicht, das wird gleich erklärt – und Jimmy Carter bereits an der Regie­rung) explodiert in den Büroräumen der linksgerichteten Zeitschrift Confronta­tion in New York City eine Bombe. Sie richtet nur Sachschaden an, denn die Re­daktionsräume sind leer. Chefredakteur Joseph Malik und sein Chefkorrespon­dent George Dorn sind verschwunden. Die ermittelnden Beamten der New Yor­ker Polizei, Barney Muldoon und sein steinalter Gefährte Saul Goodman entde­cken stattdessen eine ganze Reihe von Memoranden, die Malik offensichtlich über kryptische Zusammenhänge mit einem uralten Geheimbund informieren sollten.

Der Geheimbund, um den es geht, sind die Bayrischen Illuminaten, gegründet von Adam Weishaupt im Jahre 1776, verboten 1785. So steht es in der Encyclo­pedia Britannica. Aber vielleicht, so legen andere Memoranden nahe, ist das auch nicht die ganze Wahrheit und alles geht ein paar Jahrhunderte weiter zu­rück auf Hassan i Sabbah, den Alten vom Berge, der die Sekte der Assassinen gründete. Doch wie passen die UNO, die Chinesen, Adolf Hitler, Außerirdische von der Venus, Atlantis, ein geheimes Königreich in einer gigantischen unterirdi­schen Höhlenwelt unter dem Himalaja und George Washingtons Hanfplantage in diese Geschichte hinein (dies ist übrigens eine höchst unvollkommene Auflis­tung! Warnung! Ich habe stark vereinfacht)?

Je mehr sich die beiden Polizisten mit den anfangs sehr wirren Dingen beschäf­tigen, desto klarer wird ihnen, dass nur Joe Malik hier Sinn hineinbringen kann. Aber Malik ist spurlos verschwunden. Und dann verschwinden auch noch die beiden Polizisten und werden via Drogen einer Art von Gehirnwäsche unterzo­gen.

Derweil erhält der stellvertretende Redakteur des Confrontation, der in einem Ausweichquartier die Stellung hält (aber auch nicht Bescheid weiß) einen Anruf von George Dorn. Befragt, wo er sich gerade aufhalte, erklärt Dorn, er sei von freimaurerischen Sturmtruppen aus dem Gefängnis von Mad Dog, Texas, befreit worden, wo er den Mörder von John F. Kennedy getroffen habe. Inzwischen be­findet sich Dorn aber an Bord der LEIF ERICKSON, einem gigantischen gelben Unterseeboot des einstigen Rechtsanwalts und jetzigen Piraten und Esoterikers Hagbard Celine (ein Norweger, der eigentlich mehr wie ein Sizilianer aussieht und dies unter anderem auf seine genetischen Stammbäume zurückführt, die bis in die Zeit des alten Atlantis vor 10.000 Jahren zurückreichen) auf dem Grunde des Atlantiks, auf dem Weg zu dem legendären, untergegangenen Kon­tinent, wo sich eine goldene Pyramide mit einem Auge darin befindet, die gera­de von Tieftauchrobotern der Illuminaten geplündert werden soll.

Denn, so vertraut Hagbard George an, die Illuminaten sind nach wie vor aktiv, keineswegs ausgerottet oder dergleichen. Sie haben, angefangen mit der Fran­zösischen Revolution und endend mit der Errichtung des amerikanischen Penta­gon, immer noch ein und dasselbe Ziel: die Beherrschung der Menschheit durch ihre Strohmänner, ob die nun Ku-Klux-Klan, Tempelritter, UNO, Kommunisten, Kapitalisten oder Verbrechersyndikate sind oder vermittels religiöser Sekten wie der des Aga Khan oder über den des chinesischen sozialistischen Sonderweges zustande komme, ist vergleichsweise egal. Die Illuminaten sitzen überall.

Hagbard Celine jedoch ist dabei, die inzwischen seit 59 Jahrhunderten aktiven Langzeitpläne der Illuminaten zu durchkreuzen, die dummerweise auf den Dritten Weltkrieg hinzielen. Und das hängt wiederum mit einem kleinen Eiland namens Fernando Poo zusammen und auch einem britischen, paranoiden Geheimagenten mit der Kennziffer 00005…

Wer da eben ein wenig den Anschluss oder den Überblick verloren haben soll­te, lasse sich beruhigen: es ging dem Rezensenten nicht anders, und es ist schon fast zu bedauern, dass er DOD1 ist oder besser DDA.2 Manch einer mag be­haupten, dieses Buch sei ohne eine ordentliche Dosis Hasch nicht zu verstehen, und möglicherweise hat er nicht ganz unrecht.

Ich neige indes dazu, Bücher mit klarem Verstand zu lesen, um die Fakten von dem zu scheiden, was an Phantastereien darin steckt. In dieser Beziehung gab mir das vorliegende Buch allerdings gehörige Probleme auf. Es ist eine Melange, bei der man einfach kaum entscheiden kann, wo die Phantasie beginnt und wo sie aufhört.

Überdies ist der zeithistorische Kontext gestört. Das bedeutet, dass viele, viele Anspielungen auf Personen gemacht werden, die um 1975 politisch oder wirt­schaftlich von Bedeutung waren, häufig gibt es Vergleiche von Handlungsperso­nen mit damals lebenden Menschen (was mir spontan einfällt, war etwa der optische Vergleich eines Protagonisten mit dem damals amtierenden Papst Paul VI. Nun ist der gestorben, als ich noch ein relativ kleines Kind war, ich könnte also nicht sagen, wie er aussah. Infolgedessen sagt mir diese Beschrei­bung wenig).

Weiter erschwert wird die Sache durch die Sprünge. Das bedeutet, wenn man hier auf normale Kapitelblenden fixiert ist, erleidet man so kläglich Schiffbruch, wie ich einst etwa 1982 Schiffbruch erlitt, als ich das Buch zum ersten Mal zu le­sen versuchte. Es erschien mir damals schlicht UNLESBAR, und wenn man nicht eine Menge Grips, Informationen und Geduld besitzt, mag es das tatsächlich sein. Es gibt kein Personenverzeichnis, und selbst wenn alle Handlungspersonen (die bisher bekannt sind, es kommen laufend welche dazu, und bisher sind nur höchst wenige verstorben) endlich aufgetaucht sind, wird die Geschichte nicht einfacher, denn… nun…, sagen wir es mal so: sie verwandeln sich. So kommt es etwa vor, dass sich George Dorn auf einmal im Kopf von Saul Goodman wieder­findet bzw. dieser Bewusstseinstransfer für einen Transfer der Perspektiven ge­nutzt wird. Erklärt wird er in den seltensten Fällen. Manchmal murmeln die Au­toren hier etwas von Telepathie.

Dann sind da die chronologischen Sprünge.

George Dorn erinnert sich beispielsweise, während er im Gefängnis sitzt oder im U-Boot unterwegs ist, an seine anarchistische Kindheit (bedingt durch die anarchistischen Eltern, was einen Exkurs in den Trotzkismus erforderlich macht), an seine studentischen Unruhezeiten, an die Bekanntschaft mit Joseph Malik. Von da kann aber die Handlung aus, sagen wir, 1968, ganz jählings ins Jahr 1932 umschlagen und sich mit dem Verbrecher John Dillinger beschäftigen. Oder mit H. P. Lovecraft und der Miscatonic University. Oder mit einem afrikani­schen Medizinmann, der Nadeln in die Körper des Präsidenten der USA und der Staatsratsvorsitzenden der UdSSR und Chinas sticht, worauf diese an Voodoo-Schmerzen zu leiden beginnen (etwa 1975, vor der Fernando-Poo-Geschichte). Manchmal findet sich der Leser auch übergangslos im Jahr 1776 wieder. Oder im Jahre 1943, während die Krematorien der Nazis rauchten. Oder in der Ge­meinschaft mit einem singenden, hochintelligenten Delphin namens Howard, der mit Hagbard Celine gegen die Illuminaten zusammenarbeitet…

Das Muster ist kein Muster, es ist nicht vorhersagbar, was wann wo eingeblen­det wird, wo man sich auf der nächsten Seite befinden wird und was für Entde­ckungen die handelnden Personen und der Leser machen werden. Das ist für einen Leser, der einen konstanten Handlungsfluss erwartet, eine enorme An­fechtung und Beanspruchung. Ich schweige mal davon, dass man eigentlich alle möglichen Nachschlagewerke zu Rate ziehen sollte (inklusive solchen über Kabbalistik, Schwarze Magie, Zahlenmystik und Schöpfungskulte, Biowaffen, internationale Politik der 70er Jahre, die Prohibitionszeit und das Gangsterunwesen in den USA zu Beginn des 20. Jahrhunderts… und die Freimaurerei), um einen Großteil der erwähnten Details zu erschließen. Das muss man sich wohl für das zweite und dritte Lesen aufsparen.

Ich empfehle den interessierten Lesern – und jeder, der für intelligente Phantas­tik schwärmt und sie sucht, sollte Illuminatus! mal gelesen haben, es ist ein wunderbares Training für die Lachmuskulatur! – , vielleicht als „Trockenübung“ vorweg Das Foucaultsche Pendel von Umberto Eco zu lesen, das eine ähnliche Geschichte erzählt. Doch während Eco bierernst eine weltweite Verschwörungs­geschichte zu erzählen sucht und dabei unvermittelt seine Protagonisten auf eine WIRKLICHE Verschwörung stoßen lässt, was eine Katastrophe auslöst, ist Il­luminatus! einfach nur köstlich. Nicht genug damit, dass die Autoren die Welt­geschichte, die Geheimbünde und vieles andere mehr auf die Schippe nehmen, nein, sie verschonen auch sich SELBST nicht!

Auf Seite 265 findet der geneigte Leser den Ansatz einer Selbstrezension des Buches, die folgendermaßen vom fiktiven Rezensenten namens Wildeblood be­gonnen wird: „Es ist einfach ein grässliches Monster von einem Buch… Die bei­den Autoren halte ich für völlig inkompetent – nicht eine Spur von Stilgefühl oder für Gliederung. Es fängt als Kriminalroman an, springt dann über zu Science Fiction, gleitet anschließend ab ins Übernatürliche und ist überladen mit den ausführlichsten Informationen über Dutzende von entsetzlich langweiligen Themen. Zudem ist der Zeitablauf völlig durcheinander, was ich als eine anma­ßende Imitation von Faulkner und Joyce werte. Am allerschlimmsten aber ist, es hat die obszönsten Sexszenen, die du dir vorstellen kannst. Ich bin sicher, dass es nur deshalb verkauft wird…“ Das geht noch ein bisschen so weiter, aber ich schweige hier. Ich habe jedenfalls vor Lachen schier am Boden gelegen.

Die Autoren sind unheimlich selbstironisch, und manchmal, wenn die Sache gar zu heftig wird, fragt man sich wirklich, ob nicht nur Adam Weishaupt „stoned“ sein musste, um den Illuminaten-Orden 1776 zu erfinden, sondern auch die Er­schaffer dieser völlig bizarren Welt. Sie macht jedoch einfach nur Spaß und ist unglaublich unterhaltsam. Selten ein so köstliches Buch gelesen. Ich freue mich schon auf die beiden Folgebände.

© 2003 by Uwe Lammers

Na, habt ihr den Kopf wieder ordentlich durchgelüftet, Freunde? Das war not­wendig, glaube ich. Und es tut gut, in der nächsten Woche einfach in einen gu­ten, soliden Abenteuerroman der jüngeren Vergangenheit abzutauchen. Es geht wieder hinüber zu Clive Cussler. Lasst euch mal überraschen, welches Buch ich euch da diesmal vorstellen werde.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe

 

1 „Dauerhaft ohne Dope“

2 „Dauer-Drogen-Abstinent“