Liebe Freunde des OSM,

jeder Schriftsteller hat so seine Kniffe und Geheimnisse, mit dem Strom der kreativen Gedanken umzugehen, die ihm in den Sinn kommen und zu neuen Texten inspirieren. Davon nehme ich mich natürlich nicht aus, das ist mir schon seit sehr langer Zeit bekannt.

Manche Autoren neigen dazu, ihren Notizbüchern oder Tagebüchern auch Ge­schichtenideen anzuvertrauen. Andere schwören auf ausgiebige Zettelkästen (Arno Schmid wäre ein Beispiel). Nun, und ich habe eben mein System der Krea­tivkladden.

Ich begann damit etwa im März 1995 zu arbeiten, also kurz vor meinem Umzug nach Braunschweig, aber erst hier wuchs das System der Kreativkladden dann zu einer ansehnlichen Reihe im Laufe der folgenden gut 20 Lebens- und Schreibjahre an. Inzwischen befinde ich mich in Kladde Nummer 12, und sie ste­hen alle griffbereit direkt hinter meinem Schreibplatz im Arbeitszimmer, „im Schatten der Myrte“, wie ich mal vor langer Zeit dichtete.1

Als ich jüngst auf der Suche nach einem bestimmten Archipel-Fragment war, dachte ich mir: Verdammt, ich muss das in irgendeiner Kreativkladde aufge­schrieben haben… aber nur in welcher? Jede der Kladden umfasst immerhin ca. 160 Seiten in einem A5-formatigen roten Kladdenheft. Das war eine Menge Suchraum.

Während ich also diesen frustrierenden Gedanken wälzte, kam mir ein weiterer, der erheblich systematischer war und den ich – aus welchen Gründen auch im­mer – noch nie gewälzt hatte: Ich habe zu fast allem Listen angefertigt, für ge­sammelte Zeitschriften, gesammelte Bücher, Autoren, Blogartikel, E-Books, OSM-Episoden, Ordnerinhalte… weshalb um alles in der Welt habe ich keine Liste der Kreativkladden-Inhalte?

Das war eine wirklich gute Frage. Und da das Grübeln nutzlos und wenig ziel­führend gewesen wäre, machte ich mich umgehend daran, diese Liste anzuferti­gen… das war eine spannende Arbeit, muss ich sagen, und ich entdeckte wäh­rend der zwei Tage, die ich daran schrieb, erstaunliche Dinge. Ja, natürlich das Archipel-Fragment, das ich suchte, richtig.2 Das war lange nicht alles, was ich finden sollte.

Ihr erinnert euch sicherlich noch an den Blogartikel 233 „75 Fragmente… und was die Folge war“ (publiziert am 20. August 2017) und an meinen Verdruss, wie unvollständig die vormalige Auflistung war… nun, ich hätte mich nicht so früh freuen sollen, denn ich fand bei der Kreativkladden-Aufarbeitung nicht we­niger als sechzehn weitere Fragmente! Nun gut, viele davon waren Seitenpfade und Weiterungen vorhandener Geschichten bzw. Variationen davon, aus denen sicherlich keine eigenständigen Geschichten entstehen werden. Aber das betraf durchaus nicht alle.

Wie war das beispielsweise mit „Die Gefangene der See“, ein waschechtes Fantasy-Märchen, das eine wunderschöne Legende des Archipels werden wird?3 Oder diese Idee mit dem Titel „Die Zwerge des Archipels“ vom 11. Au­gust 2003?4 Da juckt es mich definitiv in den Fingern, diese handschriftlichen Fragmente demnächst abzuschreiben und sie in die Ordner der Archipel-Frag­mente einzugliedern. Wundert euch also nicht, wenn da demnächst einige der­artige Archipel-Fragmente in den „Work in Progress“-Berichten auftauchen (ha, bis dieser Beitrag publiziert wird, ist das sicherlich längst geschehen).

Es kamen aber auch noch andere Sachen zutage. Manchmal handelte es sich nur um Ideen, Titelanwürfe, wenn man so will, mitunter aber auch um mehrere Seiten lange Skizzen. Ein paar Beispiele seien erwähnt, um euch einen Eindruck von der Vielfältigkeit der Kreativkladden zu geben:

Allein in der ersten Kladde finden sich solche Ideen wie „Aktion Vampirtod“, „Silberspiegel-Schwestern“, „Sonntagssoldaten“, „Der Blut-Kolibri“, „Sein-Incor­porated“ und „Der Spiegelscherben-Mensch“ – bislang sämtlich nicht realisierte Gedankenfragmente, auf die ich vermutlich irgendwann mal zurückgreifen wer­de, wenn mein kreativer Dynamo erlahmt. Aktuell ist davon wohl eher keine Rede.

Zahllose Gedichte habe ich hier als erste handschriftliche Entwürfe festgehal­ten, die ich später abschrieb und in separaten Gedicht-Ordnern abheftete. Zeit­nahe Planungsskizzen, etwa für die Fertigstellung des KONFLIKTS 20 „Oki und Cbalon – Das Ewigkeitsteam“5, aber auch für die frühen Archipel-Romane wie „Die drei Strandpiratinnen“6 und „Evi und Petra“ sowie „Rhondas Weg“ finden sich in den Kreativkladden.

Manchmal ist es dabei erhellend, zu sehen, was mir für Gedanken kamen, die ich dann in den Romanen selbst NICHT anwandte. Diese handschriftlichen Vi­sionen sind in jederlei Weise ursprünglicher und näher an der Inspiration, wes­wegen ich sie für besonders wertvoll halte.

Interessante Hintergrundskizzen zum Oki Stanwer Mythos lassen sich hier ent­decken, etwa zum Komplex des WAHREN LEBENS in KONFLIKT 24 „Oki Stanwer – Der Neutralkrieger“7. Ebenfalls fand ich ein paar faszinierende Skizzen zu mei­ner phantastischen Krimiserie „Barry Carson“, über die ich mir 1998 noch inten­sive Gedanken machte.8

Ebenfalls hier entdeckte ich den zweiteiligen Abriss eines schlichten philosophi­schen Artikels mit dem Titel „Gedanken über eine Philosophie des Mehrwerts menschlichen Lebens“, der mich 1998 beschäftigte.9 Vielleicht verfolge ich das beizeiten mal weiter. Dieser Entwurf blieb damals fragmentarisch.

Ein Grund für meine Ablenkung davon dürfte in meiner Einbindung in die Struk­turen des Science Fiction-Clubs Baden-Württemberg (SFCBW) gewesen sein, denn in der Kladde 4 beginnen mehr oder minder ausführliche Überlegungen zur Entwicklung von Editorials für das SFCBW-Fanzine Baden-Württemberg Ak­tuell (BWA), in dem ich damals zum Chefredakteur avancierte. Planungsgedan­ken zu der Artikelreihe „Bausteine der Kreativität“ schlossen sich an.10

Selbiges gilt dann, als ich 1999 damit begann, im OSM den Romanzyklus um den Xin-Feuerspürer Shorex’uss zu entwickeln. Am 23. September 1999 skizzier­te ich dazu eine weitläufige Entwicklungslinie.11

Manche Ideen wie etwa „Die Wolkenfabrik“12 habe ich später in anderen OSM-Fragmenten weiterentwickelt, wobei ich den Ursprung der Idee aus dem Blick verlor wie in diesem Fall. Dass das OSM-Fragment „Ani und das Wolkenmäd­chen“13 hierauf zurückging, war mir völlig unklar.

Auch sind die Kreativkladden ein quasi unerschöpflicher Quell von Zitaten, die ich niederschrieb – fremde, meistens wenigstens. In der Frühzeit beließ ich es bei einfachen Abschriften. Langjährige Brieffreunde von mir wissen, dass ich früher – und heute noch gelegentlich – die Neigung hatte, Briefe mit Zitaten zu beginnen, um selbige aufzulockern. Interessanter wurde das in der späteren Zeit, wo ich dazu überging, die Zitate zu bewerten und zu kommentieren. Ich nehme an, aus meinen Zustimmungen oder Relativierungen können spätere Le­ser interessante Rückschlüsse auf meine mentale Verfassung zum jeweiligen Zeitpunkt der Niederschrift oder grundsätzlich auf meinen Charakter ziehen.

Ebenfalls fast notwendigerweise finden sich in den Kreativkladden erotische Skizzen, die manchmal in Geschichten oder Romane eingeflossen sind, mehr­heitlich aber in der Aporie enden und sich meist ziemlich ähneln. Nur relativ selten gibt es – oft nach mehreren Etappen, üblicherweise in aufeinander fol­genden Kladden niedergeschrieben – so etwas wie einen abgerundeten Hand­lungsbogen.

Es ist speziell hieran deutlich zu erkennen, dass ich in den frühen Kladden noch ein wenig orientierungslos war und nicht recht wusste, wohin ich diese Ideen fokussieren sollte. Ein sehr früher Ansatz – vor den Kladden – war die Fantasy-Erotik-Serie „Horrorwelt“, die ich ab Ende 1983 schrieb und die auf mehr als 150 Episoden kam, zweifellos stark angelehnt an die damals noch existente MY­THOR-Serie.

Als diese Heftromanserie einging, entwickelte ich deutlich später das Konzept der Serie „Erotische Abenteuer“, die von 1996-1999 auf immerhin 74 Episoden kam. Und dann, das ist in den Kladden überdeutlich zu erkennen, schwenkte ich mit der Realisierung solcher Gedanken nahezu vollständig auf den Archipel um.

Faszinierend ist auch, dass ich gerade in den Jahren 2000 und 2001, wo ich ja an sehr langen Archipel-Romanen arbeitete und noch der Ansicht war, der Archipel drücke sich prinzipiell in Romanen über 300 Seiten Umfang aus (was, wie ich heute weiß, natürlich nicht stimmte), von einer regelrechten Schwemme von Kurzgeschichtenideen heimgesucht wurde. Sie finden sich logischerweise nahe­zu vollständig in den Kreativkladden. Allein 38 noch nicht realisierte Ideen stam­men aus diesem kleinen Zeitfenster.

Als eine Form von Stimmungsbarometer lassen sich die Kreativkladden also durchaus analytisch auswerten. Es ist ebenfalls für die Spätzeit recht klar zu er­kennen, dass ich hier nüchterner wurde, mehr Zitate eintrug, diese stärker kom­mentierte, und sonst verstärkt zu Reiseberichten überging, da ich die Kladden dann auf Reisen mitnahm und entsprechende Eintragungen machte. Ob es sich dabei um einen SF-Con in Bad Urach handelt14, um meinen Besuch bei einer Hochzeitsfeier einer lieben hessischen Brieffreundin15 oder um Dienstreisen im Auftrag meiner historischen Beschäftigung in Projektverträgen…16 das alles fin­det sich eben genau hier.

In der Gegenwart, das merkt man in den späteren Kladden, deren Laufzeiten er­staunlich lang sind, hat das Eintragen deutlich nachgelassen. Das hat verschie­dene Gründe, mehrheitlich, so denke ich, ist das auf die verstärkte Computeri­sierung meines Schreibens zurückzuführen. Nein, das ist gar kein so kryptischer Gedanke, wie es jetzt auf den ersten Blick scheint – denkt mal selbst darüber nach. Wenn man nicht computerisiert ist oder es ein Weilchen dauert, bis man sich an die Schreibmaschine setzt und eine Notiz schreibt, neigt man (ich wenigstens) dazu, schnell und flink handschriftliche Notizen zu machen. Hat man dann eine Kladde zur Hand, ist es offensichtlich, wo eingetragen wird.

Wenn man aber, wie ich heute, den Computer direkt vor sich auf dem Schreibtisch als alltägliches Arbeitsgerät stehen hat, ist es wirklich leichter, so­fort eine neue Datei zu schaffen und Notizen darin zu integrieren, anstatt sie erst in eine Kladde einzutragen und später abzuschreiben. Der handschriftliche Arbeitsgang wird in der Regel übergangen. Ist nicht immer der Fall, aber inzwi­schen sehr häufig. Bis die Kreativkladde 12 also gefüllt und abgeschlossen ist, werden vermutlich noch Jahre vergehen.

Dennoch würde ich sagen, das Instrument der Kreativkladde ist durchweg nicht überflüssig. Bei Reisen leistet es mir ausgezeichnete Dienste, dito, wenn ich irgendwo unterwegs bin und mich eine Idee anfliegt. Neulich hätte sie mir sehr geholfen, als ich jählings in der Mensa von dem Bilderstrom der OSM-Story „Rilaans Geschichte“… ja… geradezu attackiert wurde. So kann man das wohl am ehesten nennen, das war ein echter Überfall. Da die Kreativkladde zu zücken und sofort mit dem Schreiben zu beginnen, das wär’s gewesen!

Vielleicht sollte ich die Kladde tatsächlich wieder zu meinem alltäglichen Requi­sit auf Reisen machen. Das könnte nützlich sein… nun, ich halte euch diesbe­züglich mal auf dem Laufenden, Freunde. Und für jeden von euch, der hin und wieder von Ideen geplagt und heimgesucht wird, empfehle ich ebenfalls das Führen einer solchen Kladde, eines kreativen Tagebuchs oder etwas in dieser Richtung. Ihr werdet schon sehen, das lohnt sich.

Soviel für heute von der kreativen Arbeitsfront. Nächstes Mal suchen wir wie­der einen legendären Schauplatz auf. Lasst euch davon überraschen, um wel­chen es diesmal geht.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Die handschriftliche Vorarbeit dazu findet sich in der Kreativkladde 5 (Laufzeit: 1999/2000).

2 Es handelte sich um das Fragment „Also doch eine Dunkel-Dirne!“, geschrieben am 20. November 2001, das ich in der Kreativkladde 7 entdeckte (Laufzeit: 2000-2002).

3 Niedergeschrieben in der Kreativkladde 7 am 14. Mai 2001.

4 Niedergeschrieben in der Kreativkladde 8 (Laufzeit: 2002-2004).

5 Enthalten in Kreativkladde 1 (Laufzeit: 1995-1997).

6 Ich hatte schon vergessen, dass ich diese Geschichte ursprünglich „Die Pirateninsel“ nennen wollte, so doku­mentiert in der Kreativkladde 2 (Laufzeit: 1997-1998).

7 Dokumentiert in der Kreativkladde 2 gegen Anfang 1998

8 Zu finden in Kreativkladde 3 (Laufzeit: 1998).

9 Ebd.

10 Beginnend in Kreativkladde 5 (Laufzeit: 1998-1999).

11 Sie findet sich ebenfalls in Kreativkladde 5.

12 Enthalten in der Kreativkladde 6 (Laufzeit: 2000).

13 Entwickelt am 23. Oktober 2010.

14 Enthalten in Kreativkladde 11 (Laufzeit: 2010-2016).

15 Enthalten in Kreativkladde 9 (Laufzeit: 2004-2008).

16 Enthalten in den Kreativkladden 10 (Laufzeit: 2009-2010) und 11.

Rezensions-Blog 153: Mathilde – eine große Liebe

Posted Februar 28th, 2018 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

wer länger meinem Blog folgt oder mich persönlich kennt, weiß um meine Lei­denschaft für eines der dramatischsten Kapitel des frühen 20. Jahrhunderts – den Ersten Weltkrieg. Ich stehe auf dem Standpunkt, dass er, wiewohl das Er­eignis in diesen Jahren aufgrund des „100jährigen Jubiläums“ wieder im Fokus der Geschichtsschreibung und der journalistischen Berichterstattung steht, im Wesentlichen noch weiße Flecken aufweist. Namentlich gilt das für den Punkt, der im unten stehenden Buch exemplarisch literarisch aufgearbeitet wird: das Einzelschicksal „vergessener“ Soldaten, wie sie in diesem Konflikt zu Hundert­tausenden auf schreckliche Weise von der Knochenmühle des Krieges zermah­len wurden.

Andere, darunter auch der unten thematisierte naive Manech, gerieten dann allerdings in eine mörderische Maschinerie, die mit der des Krieges und der di­rekten Vernichtung wie ein Zahnrad in ein anderes fasste: in die Verwaltungs­mühlen, die sich nicht um Emotionen, Ängste oder existenzielle Lebenserhal­tung kümmerte, sondern die Soldaten zu kleinen Rädern eines gewaltigen, menschenverachtenden Automatismus´ machte.

Wie in jeder Verwaltung, wie in jedem riesigen Apparat, kommen Fehler vor. Manchmal sind diese Fehler dramatischer, ja tödlicher Natur. Und dann wieder gibt es so etwas wie unbegreifliche, magische Wunder inmitten dieser Erbar­mungslosigkeit. Menschen, die aus dem Blickfeld verschwinden, deren Namen ausgelöscht sind, wie es scheint. Und andere Menschen mit blutenden Herzen, die nicht aufgeben wollen, die die Hoffnung nicht in den Wind schreiben, sich nach Wahrheit, nach der vollen Wahrheit sehnen. Selbst dann, wenn sie verbo­ten ist und gefährlich.

Solch eine Leidenschaft einer jungen, sehnsüchtig verliebten Frau schildert das unten stehende, sehr empfehlenswerte Buch. Wer weder Verfilmung noch Buch kennt (oder nur die Verfilmung), der lese bitte weiter. Es lohnt sich:

Mathilde – Eine große Liebe

(OT: Un long dimanche de fiançailles)

von Sébastien Japrisot

Aufbau Taschenbuch Verlag, 2005

320 Seiten, TB

Aus dem Französischen von Christiane Landgrebe

ISBN 3-7466-2117-8

Man schreibt den 6. Januar des Jahres 1917.

An der französischen Front gegen die deutschen Invasionsheere wird eine Kolonne von fünf Soldaten in Richtung Front getrieben. Es handelt sich um französische Soldaten, ihre Hände sind auf dem Rücken zusammengebunden, jeder von ihnen hat eine verbundene Hand. Sie sind verurteilt worden wegen Desertion – denn sie haben sich in der Hoffnung, dadurch aus dem Schlachtgemetzel des Gra­benkrieges entkommen zu können, selbst verstümmelt. Dafür sind sie, dem Kriegsrecht entspre­chend, als Verräter zum Tode verurteilt worden… doch anstatt Kugeln an sie zu verschwenden, wer­den sie zu einem der vorderen Grabenabschnitte getrieben, dicht an die deutschen Linien, um dann ins Niemandsland gestoßen und ihrem Schicksal überlassen zu werden. Von diesem Moment an ver­schwinden sie aus der Geschichte, allesamt.

Dieser Grabenabschnitt wird „Bingo Crepuscule“ genannt (etwa: Glücksspiel in der Dämmerung)1, und hier beginnen die Geheimnisse, die Lügen und die Rätsel: Die fünf Verurteilten sind von sehr unter­schiedlichem Naturell, sie haben sich vorher nicht gekannt, und nachher sind sie aus der Weltge­schichte ausradiert, offensichtlich alle im Niemandsland umgekommen. Der jüngste von ihnen, Jean Etchevery, genannt Manech, ist gerade 17 Jahre jung. Er hat eine ein Jahr jüngere Verlobte namens Mathilde, die nahe der Küste lebt und durch eine Krankheit in der frühen Kindheit gezwungen ist, dauerhaft in einem Rollstuhl zu fahren. Das ist für die beiden unwesentlich, seit Jahren lieben sie sich und sind sich selbst genug… gewesen.

Der Krieg zerstört alles, wie es immer so ist.

Aber in diesem Fall ist es schlimmer. Und doch anders.

Als Mathilde Donnay Monate nach dem Geschehen an der Front die grässlich nichtssagende Nach­richt von Manechs Tod erhält, mit der sie – wie es immer so ist – niemals gerechnet hat, da ist sie am Boden zerstört. Aber anstatt zu resignieren, wie man es erwarten könnte und wie es Millionen Wit­wen und Geliebten am Ende des Krieges widerfährt, beginnt diese kleine, zähe und versehrte Frau, einen Traum zu träumen. Den Traum einer jeden Frau, die ihren Geliebten im Krieg verloren hat: ich will wissen, was wirklich passiert ist. Ich will wissen, ob er tatsächlich nicht mehr am Leben ist, ich will Gewissheit!

Mathildes Vorteil ist es, dass ihre Eltern als Anwaltsfamilie vergleichsweise vermögend sind. Auf diese Weise kann sich das behinderte, intelligente Mädchen voll und ganz auf seine Suche konzentrieren – wenn es nicht Gemälde malt, mit denen Mathilde einigen Erfolg hat. Mit Hilfe von Zeitungsannoncen beginnt Mathilde, zu ermitteln. Die erste Fährte, die sie erhält, stammt aus einem Kloster, in dem ein sterbender Offizier namens Daniel Esperanza liegt. Er erzählt ihr die Geschichte von Manechs letzten Stunden, wie er sie erlebt hat, von dem Marsch durch den Schützengraben, nennt ihr die Namen der anderen Verurteilten. Erzählt, dass sie alle bei einem Feuergefecht im Niemandsland umgekommen sind. Niemand habe überlebt.

Mathilde weint.

Und sie sucht weiter, gegen alle Vernunft. Irgendetwas sagt ihrem Herzen, dass das nicht alles sein kann.

Und sie behält Recht, es ist nicht alles.

Weitere Zeitzeugen wissen Dinge, die Esperanza nicht wusste. Sie erzählen andere Geschichten. Dass es viele von den Verurteilten erwischte, aber nicht alle. Dass irgendwer davonkam. Dass Manech, geis­tig völlig verstört, einen Schneemann im Niemandsland baute. Dass einer der Verurteilten sich seiner Fesseln entledigte und eine Heldentat beging.

Mathilde forscht nach weiteren Angehörigen, Verwandten, und während sie das tut, verstreicht ein Monat nach dem nächsten, ein Jahr nach dem nächsten. Sie entdeckt zu ihrer nicht geringen Bestür­zung, dass die Geschehnisse im „Bingo“ von der Armeeführung vertuscht worden sind. Weil ein juris­tisches Unrecht geschehen ist: die Verurteilten waren bereits begnadigt, als sie auf ihren Marsch gin­gen. Die Begnadigung wurde aus niederen Motiven zurückgehalten.

Ansehen steht auf dem Spiel. Pensionen sind bedroht, wenn das herauskommt.

Neben ihrem brennenden Herzen beginnt Mathilde Donnay auch Wut zu empfinden, unendliche Wut und Rachsucht, will die Schuldigen finden, die dafür verantwortlich sind, dass ihr Geliebter sterben musste, obwohl es nicht nötig gewesen wäre. Wenigstens das will sie, wenn denn schon Manech tat­sächlich nicht mehr leben sollte.

Aber davon ist sie längst nicht mehr überzeugt.

Es ist eine wilde, verwegene Hoffnung, und Mathilde hat eigentlich keine Chance, das Rätsel zu klä­ren, wenn er noch leben sollte. Dennoch klammert sie sich daran, an den Brief eines Mitgefangenen, den man Cet Homme nannte und den er an demselben letzten Abend schrieb, ehe man ihn mit Manech ins Niemandsland trieb, an jenem 6. Januar 1917.

Er ist verschlüsselt, das erkennt man an der Wortwahl, und das ist natürlich ein unbegreifliches Rät­sel: warum sollte jemand, der dem Tode geweiht ist, noch einen verschlüsselten Brief schreiben? Das ergibt keinen Sinn… es sei denn, er kennt einen Weg hinaus aus der Falle, in der er steckt. Wenn er sicher ist, dass er das überlebt.

Doch Mathilde kann den Code nicht knacken, viele Jahre lang nicht.

Das gelingt ihr erst im Jahre 1924, nach zahllosen Reisen und Besuchen und Wegen in Sackgassen. In­zwischen hat sie mit dem wagemutigen Célestin Poux und dem Privatdetektiv Germain Pire, der ihre Hartnäckigkeit und ihre Bilder bewundert, Mitstreiter gefunden, die nach Möglichkeit auf ihrer scheinbar aussichtslosen Odyssee zur Seite stehen.

Und schließlich, am Ende des Weges, findet sie die Lösung…

Ich gestehe, ich hatte die Bilder der Verfilmung von 2005 im Kopf, als ich das Buch las, aber wiewohl sie in wesentlichen Teilen von dem Roman abwichen, insbesondere natürlich, was den Schluss an­geht, erwies sich das als weithin bedeutungslos. Im Zuge der Verfilmung wurde das Werk von Sébasti­en Japrisot (1931-2003) natürlich verändert, aber ich würde behaupten, der Kern blieb erhalten, und es ist eine wunderschöne Verfilmung geworden. Das Buch ist, wie das nahezu immer so ist, natürlich besser. Niemanden, der Literaturverfilmungen kennt, kann das wundern.

Wer „Action“ erwartet, weil ja schließlich wesentliche Teile des Romans im Ersten Weltkrieg spielen, wird notwendig enttäuscht werden. Die Rahmenhandlung, die in den Jahren 1919-1924 spielt (mit Ausflügen ins Jahr 1910, die einfach himmlisch süß geschrieben sind! Man lese sich nur mal die erste Begegnung zwischen Manech und Mathilde durch!), besticht durch einen atemberaubenden Detail­reichtum und eine bis in kleinste Einzelheiten hinein gehende Nachbildung der damaligen Zeit. Das betrifft insbesondere die Briefe und die beschriebenen Räumlichkeiten, aber auch die ganz unter­schiedlichen, auftretenden Charaktere erhalten ein lebendiges Feuer, das sie mal mehr, mal weniger liebenswert macht.

Das, was im Zusammenhang mit dem Ersten Weltkrieg gern vergessen wird, weil die Zahl der gefalle­nen und versehrten Soldaten, die Zahl der trauernden Hinterbliebenen und der Vertriebenen, ob­dachlos Gewordenen und zerstörten Leben so unbegreiflich groß ist, ist hier exemplarisch in einem Fokus dargestellt worden: jeder einzelne dieser Soldaten, jedes einzelne Skelett in einem der Massen­gräber ist ein Individuum, ein jedes hat eine Biografie gehabt, war Sohn einer Familie, aus der er durch die grausame Macht des Krieges für immer vor der Zeit gerissen worden ist. Und mit ihm wur­den alle Hoffnungen, alle Sehnsüchte, alle biografischen Bindungen, die ihn an das Leben banden, zerfetzt und zerstört, ein für allemal. Und für die meisten von diesen Soldaten lautete das Schicksal fortan auf: Namenlosigkeit, Vergessenheit. Degradierung zu einer reinen Zahl oder zu einem banalen Namen auf einer Gedenktafel (wenn man Glück hat).

Japrisot hat darüber hinaus ein hochpolitisches Kapitel der Vergangenheit aufgearbeitet, mit dem sich auch die deutsche Militärjustiz bis heute schwer tut: die Frage nämlich, wie man als Militärführung mit Menschen umgeht, die ihr unterstellt sind und die aus diesem Wahnsinn namens Krieg entfliehen wollen, weil ihr existenzieller Lebenserhaltungstrieb sie dazu drängt (übrigens ein völlig verständli­cher Reflex, wenn man mich fragt). In der plumpen Militärpsychologie, die im Übrigen auch noch bis Ende des Zweiten Weltkriegs – und vielleicht in vielen Armeen heute noch – vorherrschend ist, wer­den solche Personen einfach kriminalisiert. Meist bedroht man sie nur mit Haftstrafen, man bringt sie nicht gleich um.

Der Autor des Buches fragte sich: was wird sein, wenn einer dieser zum Tode Verurteilten und dann sogar noch vor dieser Tat Begnadigten dieses Schicksal übersteht?2 Er findet einen höchst intelligen­ten Ausweg aus dem moralischen und auch juristischen Dilemma, der sehr lesenswert ist (und nicht der Lösung im Film entspricht!). Jenseits der äußerst lesenswerten Liebesgeschichte, die der Franzose hier also erzählt, hat das Buch auch einen sehr spannenden und immer aktuellen politisch-histori­schen Bezug, den man nicht übersehen sollte. In jeder Hinsicht ist dies also ein Buch, das nicht nur Historikern, aber selbstverständlich auch ihnen, als gute Lektüre zugänglich gemacht werden sollte. Ihr werdet es genießen, Brief und Siegel darauf!

© 2009 by Uwe Lammers

Ja, mag sein, dass ich mit diesem „WK-I-Buch“ etwas spät dran bin, wenn ich diese Rezension heutzutage im Februar 2018 veröffentliche. Aber sei’s drum, ich stehe zu den obigen Worten, und das Desiderat der Forschung ist, soweit ich das aktuell sehen kann, nach wie vor nur partiell behoben worden.

In der kommenden Woche bleiben wir in der Zeitgeschichte, wechseln aber das Genre und das Jahrzehnt sowie den regionalen Fokus. Dann landen wir in den 50er Jahren in der Sowjetunion.

Neugierig geworden? Dann schaut wieder herein, Freunde!

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Das ist nicht der richtige Name, aber das Rätselspiel um den wahren Namen, der im Buch aufgelöst wird, mag ich an dieser Stelle nicht aufdröseln, es macht zu viel Spaß, es als Leser selbst zu versuchen.

2 Es mag übrigens gut sein, dass Japrisot einen Präzedenzfall vor Augen hatte, der mir nicht bekannt ist und ihn romanhaft exzellent aufarbeitete.

Liebe Freunde des OSM,

es ist wirklich atemberaubend, wie schnell die Wochen gegen Jahresende so da­hinfliegen. Ehe man sich versieht, sind schon wieder vier Wochen vorbei, und die Adventszeit steht direkt vor der Tür… ach ja, und vergesst bitte die Mär, dass arbeitslose Mitmenschen Unmengen an Zeit zur Verfügung haben. Für mich we­nigstens gilt das definitiv nicht. Ich erzählte jüngst meinem besten Freund am Telefon, womit ich so beschäftigt sei, und er meinte trocken zu mir: „Klingt so, als müsste dein Tag dreimal so lang sein wie normal, um alles darin unterzu­bringen, was du gerade zu schultern hast.“ Und es gipfelte in dem launigen Witz, vielleicht könnte ja eine Zellteilung, d. h. Duplizierung meiner Person die Lösung sein…

Nun, wie wir wissen, ist das Science Fiction und aktuell nicht im Bereich des Vorstellbaren. Ihr merkt halt, hier seid ihr unter die Phantasten gefallen. Was in anderem Kontext nur befremdlich wirkt, ist hier quasi Alltagssprache, und die exotischen Überlegungen führen nicht selten zur Geburt neuer Geschichten. Davon mag ich ein anderes Mal vielleicht mehr berichten. Heute gilt der Fokus meiner Aufmerksamkeit jenen lediglich 24 Werken, die ich im November 2017 fertig stellen konnte.

Vorhang auf:

Blogartikel 256: Work in Progress, Part 59

(OSM-Wiki)

(18Neu 95: Königreich Normandie)

(18Neu 96: Operation Horrorgrab)

E-Book 37: Die Nomaden von Twennar

Anmerkung: Ja, was lange währt… ihr kennt den Fortgang dieses uralten Spru­ches. Und doch, obwohl dieses E-Book nun fertig ist (und euch im Impressum mit „E-Book 39“ überrascht – das ist die externe Zählung, die obige ist meine in­terne), ist das natürlich noch kein Grund zum erleichterten Aufatmen. Der nächste Band bringt erst den (vorläufigen) Abschluss des RHONSHAAR-Cestai-Zyklus, es folgt später noch ein weiterer. Das ist so ähnlich wie damals mit den Abenteuern von Vaniyaa und ihren Gefährten. Um Vaniyaa geht es demnächst wieder in TI-Band 35. TI 30 steht jetzt jedenfalls jetzt verstärkt auf der Agenda meiner Aufmerksamkeit, also „Das Kriegernest“. Ihr werdet es hoffentlich schon in eurem E-Book-Speicher haben, wenn dieser Blogartikel Ende Februar 2018 er­scheint. Drückt mir mal die Daumen, dass ich das alles so zeitlich hinbekomme, wie ich das jetzt derzeit plane.

(E-Book 38: Das Kriegernest)

(12Neu 42: Alte und neue Wissenssucher)

Blogartikel 259: „Was ist eigentlich der OSM?“, Teil 51

(Wandlungen – Archipel-Story)

12Neu 41: Das Experiment des Rescaz

(12Neu 43: Hüterin des Schwarzen Juwels)

(12Neu 44: TOTAMS Botschaft)

14Neu 46: Asyl der Calnarer

(14Neu 47: Unterwegs in tödlichem Auftrag)

(DER CLOGGATH-KONFLIKT – OSM-BUCH (Abschrift))

(Sarittas Hilflosigkeit – Archipel-Story)

(18Neu 97: Entdeckung am Rande des Wahnsinns)

(18Neu 98: Die Allianz des Lichts)

(18Neu 99: Vorstoß nach TOTAM)

Blogartikel 258: Der OSM in Gedichtform (6): Blume des Lebens

Anmerkung: Als ich diesen Blogartikel schrieb, kam mir gleich ein ergänzender Gedanke, weil ich die nächsten Blogartikel inzwischen schon recht weit durchge­plant hatte. Mir schoss nämlich die Idee durch den Kopf, dass ich hier gewisser­maßen „seriell“ vorgehen könnte – nach dem obigen Teil 6 der Subartikelreihe gleich den siebten Teil auch zu schreiben. Und schwupp, schon war das passiert… so kann’s manchmal kommen.

Blogartikel 270: Der OSM in Gedichtform (7): Die Türme von MONOLITH

(E-Book 40: Zeitenwandel)

(Rilaans Geschichte – OSM-Novelle)

(14Neu 48: Invasion der Cranyaa)

Blogartikel 253: Legendäre Schauplätze 6 – Feuerrad

Anmerkung: Bis ich diesen Beitrag schrieb, hat es Wochen gedauert… der Grund dafür ist verständlich, wenn ich ein bisschen aushole – die meisten Geschichten zur Galaxis Feuerrad habe ich zwischen 1995 und 2003 verfasst, das heißt, vor spätestens 15 Jahren vor Gegenwart. Die Erinnerung erwies sich deshalb als et­was eingerostet, und ich schmökerte mich unwillkürlich in den – noch nicht digi­talisierten und noch unpublizierten – Episoden des KONFLIKTS 20 „Oki und Cba­lon – Das Ewigkeitsteam“ (OuC) fest.

So kann’s gehen, echt. Mit Staunen entdeckte ich, dass ich Oki Stanwer und die unsterblichen Technos aus der Galaxis Hingrag über einen sterbenden Synox stolpern ließ und dies zur Entdeckung eines geheimen Imperiums der psycho­tischen Kristallwesen in Feuerrad führte… davon hatte ich überhaupt keinen Schimmer mehr. Es bewahrheitete sich einmal mehr die Erkenntnis, dass das, was ich aufs Papier mental ausgelagert habe, im Kopf in die untersten Gedan­kenschubladen schiebe und dann einfach nicht mehr präsent habe. Das geht so­weit, bis ich vergessen habe, das überhaupt jemals geschrieben zu werden.

Ihr könnt euch dann vorstellen, was das für ein aufregendes Leseabenteuer für MICH ist, wenn ich diese Seiten nach 20 oder mehr Jahren wieder hervorziehe und schmökere. Am Ende des Monats November hatte ich noch so ein Erlebnis, davon erzähle ich gleich.

Die Totenköpfe 1: Die Alte Armee, Teil 18

(18Neu 100: Das Zeitalter der SIEBEN SIEGEL)

Anmerkung: Und das ist die Stelle, die ich eben meinte… mit Band 100 fängt in KONFLIKT 18 „Kampf gegen TOTAMS Dämonen und Schergen“ (KGTDUS, in kommentierter Abschrift bekanntlich „18Neu“ der Finalzyklus mit seinen 15 Epi­soden an. Und es gibt gleich jede Menge grässliche Überraschungen. Ich deute das nur mal an, was ich jüngst bei der Neulektüre an spannenden Dingen auf­fand, ohne das Puzzle an dieser Stelle schon zusammenbauen zu wollen – nehmt es mal als unzeitgemäßen „Appetizer“ auf kommende Sensationen:

Oki Stanwer ist nach einem unvermeidlichen Zeitsprung im Jahre 2061 heraus­gekommen. Das Weltende, das für das Jahr 2036 terminiert war – durch den Amoklauf der SIEBEN SIEGEL VON TOTAM – konnte vertagt werden. Aber die Auswirkungen waren in jederlei Weise desaströs. Die Zivilisation, wie wir sie kennen, hat aufgehört zu existieren. Die Matrixfehlerseuche hat Milliarden Menschen weltweit dahingerafft, die SIEGEL zahlreiche Großstädte und gigan­tische Landstriche eingeäschert, tiefgefroren oder anderweitig magisch ver­seucht.

Die Welt, in der Oki Stanwer nun wieder zu sich kommt, ist darum eine Ruinen­landschaft, und alles, was zuvor gewiss war, ist jetzt in Frage gestellt. Schlim­mer noch: laut seinem besten Freund Klivies Kleines bleiben ihm gerade einmal sechs Monate, um einen erneuten Amoklauf der SIEGEL zu verhindern, der das Ende der Menschheit besiegeln wird.

Aber die Feinde ruhen nicht. Auf dem Festland schart sich eine Dämonenwaffen-Allianz zusammen und rekrutiert eine monströse Armee von den Friedhöfen, um Krieg gegen die Lebenden zu führen, und es scheint nichts und niemanden zu geben, was sie aufhalten kann.

Oki und seine Freunde haben inzwischen herausgefunden, dass die finale Aus­einandersetzung in den Pyrenäen stattfinden soll, nahe einem bedeutungslosen Gebirgsdorf namens Ellagretta. Hier befindet sich ein verfallenes Kloster, auf dessen Grund und Boden es spuken soll.

Dass das tatsächlich stimmt, bekommt der junge Einheimische Jean Gasvaquin zu spüren, der seiner Angebeteten imponieren möchte. Er wird Zeuge des nächt­lichen Spuks, bei dem ein finster lachender Fremder die Mönche des Klosters ei­nem nach dem anderen zu Asche verwandelt.

Als Oki Stanwer später Jeans Gedanken liest und seine Erinnerungen sieht, ist er wie vom Donner gerührt – denn die Mönche sind keine Geringeren als Grauhäu­tige… und deren letzter ist angeblich vor 25 Jahren in Australien vor seinen Au­gen gestorben. Was ihn aber noch viel mehr erschüttert: der grässlich lachende Massenmörder ist niemand Geringeres als sein leiblicher Sohn Marconius, der sich schrecklich verändert hat.

Und als Oki dann versucht, das Kloster paramental auszuforschen, werden er und Thor Gordenbeyl geradezu in Luft aufgelöst… hinübergesogen in ein Konti­nuum ohne Wiederkehr: das Reich der SIEBEN SIEGEL VON TOTAM…

Und, verdammt noch mal, das ist nur der erste Teil von fünfzehn!

Ihr könnt euch vorstellen, dass ich in der nächsten Zeit einige Stunden mit der Abschrift der erwähnten Episoden zubringen werde, zuvorderst mit Band 2 des Finalzyklus, der den programmatischen Titel „Durch das Zentrum des Feuer­sturms“ trägt und sich mit den ERSTEN SIEGEL befasst, das schon Paris in Schutt und Asche gelegt hat, als es die Seinemetropole nur streifte…

Blogartikel 265: „Was ist eigentlich der OSM?“, Teil 52

Tja, und damit war der Monat dann vorüber. Ich hatte zwar relativ wenige Wer­ke wirklich vollendet, aber wie die obige Aufstellung schlagend belegt, an sehr viel mehr gearbeitet. Ich hoffe sehr, im Monat Dezember diesen Level mindes­tens halten zu können. Das Rezept dafür ist, dem ersten Anschein nach, klar: weniger lesen, weniger streamen, mehr schreiben.

Seufz. Ihr wisst aber ebenfalls, dass alle Rezepte, die so leicht und simpel wir­ken, einen Pferdefuß besitzen. Reden kann man viel, Pläne schmieden dito, aber wenn es an die Umsetzung geht, wird es zumeist unberechenbar. Nun, in einem Monat sind wir alle schlauer.

In einer Woche schicke ich euch in eine völlig unbekannte Welt, von der ich sicher schon mal ansatzweise erzählt habe – in meine zwölf handschriftlichen Kreativkladden. Was sich da wohl so finden mag…? Ihr werdet es sehen.

Bis nächste Woche, Freunde, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 152: Harry Potter und der Feuerkelch (4)

Posted Februar 21st, 2018 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

als ich anno 2005 das vorliegende Buch als vorläufig letzten aktuellen Roman der Harry Potter-Reihe las – die anderen waren noch nicht publiziert – , da war selbst die Verfilmung noch nicht weit genug fortgeschritten, so dass ich unten spekulieren musste, was dieselbe im Falle dieses Werkes ergeben würde. Nun, meine Prognose war völlig berechtigt.

Disney hatte scheinbar sehr wenig Interesse daran, das Problem des Menschen­handels und der leider immer noch existenten Sklaverei (es gab zur Zeit, als Rowling dieses Buch verfasste, einen aktuellen Skandal, wenn ich mich recht entsinne, und es erschien das Buch „Sklavin“ von Mende Nazer zu dem Thema) zu behandeln. Der Handlungsstrang um die Elfenrechte fiel vollkommen dem Vergessen anheim. Dasselbe geschah weitgehend mit all den politischen An­spielungen.

Nennen wir es freundlich „Entschärfung“ der problematischen und kritischen Passagen des Buches. Ich glaube, die Autorin hatte aufgrund der großen Popu­larität, die sie bis dahin bereits besaß, einige „Narrenfreiheit“, die sie hier weid­lich ausnutzte. Insofern ist dieser Band der Harry Potter-Reihe vermutlich der interessanteste überhaupt. Später fiel sie, wenigstens meiner Einschätzung zu­folge, hinter diese Linie wieder zurück.

Meine Vermutung, dass das Buch zudem nur noch bedingt als Jugendbuch ge­eignet wäre, wurde mir damals von einer Mutter bestätigt, die ihren Kindern diese Bücher vorzulesen pflegte. Sie fühlte dieselben Vorbehalte wie ich – wie sie ihren Kindern dann die restlichen Werke vermittelte, entzieht sich leider meiner Kenntnis, ich habe den Kontakt verloren.

Wer wider Erwarten mit dem vorzustellenden Buch nun noch keinen Kontakt gehabt haben sollte oder eben nur die Kinofassung kennt, die hinter dem ge­schriebenen Werk wie üblich weit zurückbleibt, der sollte sich auf ein inter­essantes Leseabenteuer einstellen und in der Lektüre jetzt fortfahren:

Harry Potter und der Feuerkelch

(Harry Potter and the Goblet of Fire)

von Joanne K. Rowling

Carlsen-Verlag, 2001

768 Seiten, TB

Übersetzt von Klaus Fritz

Als Harry Potters viertes Jahr an der Zaubererschule von Hogwarts beginnt, überschattet ein erstaunliches Ereignis alles andere: die Quidditch-Weltmeister­schaft (ein eindeutiger Klon der Fußball-WM des Jahres 2000, das sei mal als Nebensatz angemerkt). An einem streng geheim gehaltenen Ort treffen sich Tausende von Zauberern, um Quidditch-Spielern aus verschiedensten Ländern zuzusehen. Durch gute Beziehungen zur Familie Weasley, der Harrys bester Freund Ron entstammt, gelingt es ihm, eine der begehrten Karten zu ergattern und daran als Zuschauer teilzunehmen. Und damit beginnt das Unheil.

Denn wiewohl es ein beispielloses Spektakel ist und der junge Zauberer dabei auswärtige Schulen wie Beauxbaton in Frankreich und Durmstrang (mutmaßlich auf dem Balkan gelegen, vielleicht aber auch am Polarkreis, so genau kommt das nicht heraus) kennenlernt und die Bekanntschaft mit zwei wichtigen Ange­stellten des Zaubereiministerium – Barty Crouch und Ludo Bagman (letzterer ist ein einstiger Quidditch-Champion) – macht, endet Harrys eintägiger Besuch der Quidditch-Weltmeisterschaft im Desaster: über einem Wald erscheint überdi­mensional ein gigantischer Totenschädel, das Zeichen des Dunklen Lords Volde­mort, und dieses Zeichen versetzt die meisten Zauberer in Hysterie. Verant­wortlich für das Chaos zeichnen offenbar Crouchs Hauselfe Winky, die er post­wendend entlässt, und… Harrys Zauberstab!

Schlimmer scheint es aber zu sein, dass eine Gruppe vermummter Gestalten Jagd auf Muggel (also Menschen) gemacht hat – angeblich so genannte „Todes­ser“, Anhänger Voldemorts, die der Jagd vor vierzehn Jahren entgangen sind, als Voldemort seine Macht nach dem Mordanschlag auf die Potters verlor. Auch jetzt werden sie nicht entlarvt, sondern können entkommen.

Harry ist jedenfalls sehr froh, als er sich endlich in Hogwarts befindet. Leider verfolgt ihn das Pech: eine nervige Hexe des Tagespropheten, einer prominen­ten Klatschzeitung der Zaubererwelt, Rita Kimmkorn, hat sich auf ihn einge­schossen und zerrt Harrys Vergangenheit in völlig sinnentstellender Weise ans Tageslicht. Um die Sache noch schlimmer zu machen, werden auch Harrys Freunde Hermine Granger, Ron Weasley und der Wildhüter Hagrid in die Sache hineingezogen und deren Ruf lädiert, sehr zum gehässigen Vergnügen von Har­rys Intimfeind und Mitschüler Draco Malfoy. Der einzige Lichtblick ist der einsti­ge Auror und „wahnsinnige“ neue Lehrer für die Verteidigung gegen die dunklen Künste: der furchtbar verstümmelte „Mad Eye Moody“, der Harry in Schutz nimmt und zu einem neuen Freund wird.

Und dann verkündet der Schulleiter Dumbledore, dass beschlossen worden ist, zum ersten Mal seit siebenhundert Jahren ein Trimagisches Turnier auszutra­gen, bei dem drei magische Schulen – Hogwarts, Beauxbaton und Durmstrang – gegeneinander anzutreten haben. Dafür entfällt die Quidditch-Meisterschaft für dieses Schuljahr.

Harry ist davon nicht erfreut, schließlich ist er begeisterter Quidditch-Spieler. Doch wer beschreibt seine Verblüffung, als aus dem Feuerkelch, der über die Wahl der Teilnehmer zu entscheiden hat, ungeachtet der magischen Altersbe­schränkung VIER Namen statt dreien gezogen werden? Der vierte ist, selbst zu Dumbledores großer Verblüffung, Harry Potter selbst.

Und von da an geht alles schief.

Ron ist überzeugt, Harry habe seinen Namen heimlich eingeworfen, Hermine beginnt mit dem Champion der Durmstrangs zu flirten (und für die Rechte ver­sklavter Elfen einzutreten), Ludo Bagman ist der Ansicht, er müsse Harry be­ständig helfen, und Rita Kimmkorn schreibt einen wilden, gehässigen Artikel nach dem nächsten über Harry.

Viel zu jung für das Turnier, viel zu unerfahren und völlig eingeschüchtert, sucht der junge Zauberer heimlich Rat bei seinem Patenonkel Sirius Black, und ins­geheim hat er die Befürchtung, dass, wer immer seinen Namen in den Feuer­kelch tat, damit vielleicht beabsichtigt hat, ihn während der Prüfungen zu töten.

Wie der Plan wirklich aussieht, begreift er leider erst, als er, an einen Grabstein gefesselt, seinem tödlichsten Feind Auge in Auge gegenübersteht: Lord Volde­mort höchstpersönlich…

Man kann vermutlich geteilter Meinung sein, ob HARRY POTTER 4 noch einen Kinder- und Jugendroman darstellt oder nicht. Ich denke das nicht. Während die ersten beiden und, mit Einschränkung, auch der dritte noch einwandfrei Werke sind, die Jugendliche mit viel Vergnügen und atemloser Spannung lesen kön­nen, scheint mir doch der sehr weitgespannte Handlungsbogen des vorliegen­den Buches mit all den zum Teil beunruhigenden Themenkomplexen eher für Leute jenseits der 18 geeignet zu sein.

Was etwa soll man von der Frage der Elfen und der Sklaverei halten, die stark thematisiert wird und von der Zwölf- bis Fünfzehnjährige vermutlich noch nicht eben viel Ahnung haben werden? Wie ist das mit der immerzu durchschim­mernden Beschäftigung mit Korruption und politischen Abhängigkeit in den Entscheidungsprozessen? Was ist mit dem offensichtlichen Rassismus, der im­mer mehr bei einzelnen Protagonisten in den Vordergrund drängt? Vollends verlassen wird das Feld der Jugendliteratur aber meiner Ansicht nach in dem Augenblick, wo wir Zeugen der magischen Schauprozesse gegen die Anhänger von Lord Voldemort werden. Darin schwingt soviel mit von Justizproblemen nach dem Wechsel von Unrechtsregimen zu demokratischen Herrschaften, dass ich der Ansicht bin, Jugendliche im Alter zwischen 12 und 15 würden die hier dargestellten Sachverhalte möglicherweise nicht oder nur verzerrt begreifen können.

Rowling zeigt mit diesem Roman, dass sie durchaus willens und fähig ist, lang­gestreckte Handlungsbögen, sehr komplexe Plotlinien und gesellschafts­politische Probleme miteinander zu verbinden. Wer diesen Roman infolgedes­sen nur als „Kinderbuch“ abtut, hat einfach keine Ahnung, was für ein Potenzial darin steckt. Ob es hilfreich ist, Kinder und Jugendliche in so frühem Alter schon an derartig schwer verdauliche Themen heranzuführen, kann ich nicht beurtei­len. Elterliche Begleitung ist für dieses Buch deshalb sicherlich sehr nützlich. Wie viel von diesem Inhalt die Verfilmung überlebt, muss sich zeigen (vermut­lich nicht eben viel).

Viele Themen, die noch offen sind, harren weiter ihrer Bearbeitung, und wenn man sieht, wie weitläufig die Verbindungslinien inzwischen sind (Rowling nimmt in diesem Buch bevorzugt Fäden aus dem ersten und zweiten Band auf), dann kann man sehr neugierig sein, wie sich das alles weiter entwickelt und wie sich ihr Kontinuum ausdehnt. Die magische Welt ist nun, nach dem Ende des Trimagischen Turniers, eine Welt auf Messers Schneide, und der Krieg gegen Lord Voldemort steht bevor. Ein Krieg, in dem alteingesessene Familien auf der einen Seite stehen und auf der anderen – vielleicht – die Dementoren aus Aska­ban, Lord Voldemort und die Riesen. Aber das ist nur ein Vielleicht.

Vielleicht kommt es auch ganz anders. Lassen wir uns überraschen…

© 2005 by Uwe Lammers

Soviel zu meiner Einschätzung des vierten Potter-Romans von vor dreizehn Jah­ren. In der kommenden Woche möchte ich euch ein weiteres interessantes Werk vorstellen, in dem es um eines meiner historischen Lieblingsthemen geht, den Ersten Weltkrieg. Allerdings nicht um den Krieg selbst, sondern um ein Schicksal, das direkt im Anschluss daran eine kriminalistische Spurensuche not­wendig macht und wunderschön verfilmt worden ist.

Neugierig geworden? Dann schaut nächste Woche wieder herein, Freunde. Ich freue mich drauf.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Liebe Freunde des OSM,

ich war mit dem Frühjahr 2013 in eine aufregende neue Zeit eingetreten – end­lich, nach so langer Zeit, in der ich lediglich das Fandom sporadisch mit meinen Geschichten erfreuen konnte und doch so vieles unausgesprochen „unter der Decke“ zu halten gezwungen war, arbeitete ich an einem konsequenten Pro­gramm, was meine Veröffentlichungen anging. Das E-Book-Programm, massiv unterstützt von dem E-Book-Lektorat www.ebokks.de und dem Förderverein Phantastika Raum & Zeit e.V. in Braunschweig, hatte begonnen, und ganz wie ich euch das Anfang 2013 sagte: ich plante, diesmal gründlich und überlegt an die Sache heranzugehen.

Nicht mehr halbherzig irgendwelche Geschichten aus irgendeiner OSM-Serie herausreißen und euch entgegenwerfen, ignorierend, ob ihr die komplexen Hin­tergrundstrukturen verstehen würdet. Nein, diesmal sollte das in überlegter, gut dosierter Form geschehen, und das hieß, ich musste mir überlegen, mit wel­cher Serie ich beginnen würde, und vor allen Dingen aber auch, wie ich das al­les flankieren würde.

So entstand auf der Homepage www.oki-stanwer.de die sonntägliche Blogstruk­tur, und parallel dazu wuchs langsam, doch stetig die OSM-Wiki. Gerade die regelmäßige Abfassung von Blogartikeln erzeugte eine völlig ungekannte Form von strukturierter Denk- und Schreibarbeit, die ich aber – wie einst das Verfas­sen von Editorials und die monatliche Redaktionsarbeit am Fanzine Baden-Württemberg Aktuell (BWA) – schnell schätzen lernte. Das Dosieren der In­formationen war dann schon deutlich schwerer… stellt euch das vor wie einen Ozean, der durch ein Nadelöhr gehen soll, aber nicht so, dass er selbiges zer­drückt und für immer verschließt. Und ihr als Leser seid auf der anderen Seite, stets in Gefahr, von der Informationsflut fortgespült zu werden, die aus meinem Geist herausdrängte.

Nun, es wollten Jahrzehnte des OSM und des konsequenten Schreibens am liebsten sofort hinaus… völlig ausgeschlossen. Das führte zur Kultivierung einer Zurückhaltung, die anfangs sehr schwer einzuhalten war. Inzwischen bin ich da etwas entspannter.

Ich sagte jüngst, dass ich das erste Quartal des Jahres 2013, in dem das alles be­gann, als äußerst positiv bewertete. Und so ging es weiter:

Im April entstanden zunächst sieben Blogartikel, so dass ich hier ordentlichen Vorlauf besaß. Ich schrieb eine alte Schreibmaschinen-Story des OSM ab, „Geheimdaten verweigert!“, kümmerte mich um kommentierte Abschriften der Serien „Kampf gegen TOTAMS Dämonen und Schergen“ (KGTDUS) und „Oki Stanwer – Der Schattenfürst“ (DSf). Auch bei der kommentierten Abschrift des KONFLIKTS 12 „Oki Stanwer – Bezwinger des Chaos“ (BdC) kam ich etwas voran, trieb zudem die Neuformatierung der OSM-Ebene 15 voran und arbeitete – eher halbherzig – an der Abschrift des ältesten Proto-OSM-Romans „Der stäh­lerne Tod“ weiter. Eine neue, kuriose Storyidee mit dem Titel „Monsterjagd“ wuchs für den OSM heran… sehr vergnüglich, wie ich sagen muss, sie gedieh aber noch nicht sehr weit.

Eine kurze Stippvisite erfolgte in dem Archipel-Roman „Die Suyenka“. Gegen Ende des Monats (kreatives Gesamtergebnis: 32 fertig gestellte Werke!) gelang es mir glücklich, im KONFLIKT 9 „Oki Stanwer – Der Kaiser der Okis“ (DKdO) den ersten Zyklus „Magellan“ abzuschließen, indem ich Band 16 „Transfer in die Heimat“ abschloss… eine ziemlich voluminöse Arbeit, die einen tränenreichen Abschied beinhaltet und das Feld für spätere Dinge bereitete… beizeiten erzäh­le ich euch gern davon, Freunde. Heute lasst mich beim aktuellen Thema blei­ben.

Anfang Mai überraschte ich euch mit dem „Maiblog 2013“, einer seither ge­pflegten guten Sitte, die mir angesichts des Tages der Arbeit durchaus ratsam schien und immer noch scheint. In knapp zweieinhalb Monaten ist es wieder soweit…

Außerdem arbeitete ich am Archipel-Fragment „Brigitta“ weiter, beschränkte mich auf lediglich 2 Blogartikel in diesem Monat und feilte dann sowohl an E-Books wie auch an Storyabschriften und Nacharbeiten… denn wiewohl ich mit „Der Schiffbrüchige“ und „In der Hölle“ nur zwei E-Book-Texte perfektionierte (hört sich heute verrückt ab, aber die damaligen Texte waren, wie ihr euch erin­nern werdet, noch kürzer, und da die TI-Serie so am Anfang stand, gab es auch noch keine sehr komplexe Handlung, was das Schreiben deutlich erleichterte), reifte in meinem Kopf schon ein weitergehender Gedanke.

Er hieß: Warum soll ich Einzelgeschichten neben den OSM-E-Books publizieren, wenn ich vielleicht für 2014 eine Storysammlung (!) in Angriff nehmen könnte? Voraussetzung dafür wäre natürlich zweierlei: Erstens müsste ich aus dem großen Fundus meiner Geschichten passende in digitaler Fassung vorliegen ha­ben, und zweitens wäre es notwendig, eine ideale Titelbildidee zu finden.

Wie ihr wisst, hat beides funktioniert, und 2014 kam dann meine erste E-Book-Storysammlung „Beide Seiten der Medaille und andere phantastische Ge­schichten“ ans Licht, der inzwischen drei weitere gefolgt sind. Für 2019 ist eine nächste in Arbeit. Also, die Vorarbeiten zur ersten Storysammlung begannen hier im Mai 2013.

Daneben gingen die Arbeiten an KONFLIKT 18 und KONFLIKT 12 rege voran. Ich beschränkte mich aber nicht darauf, sondern machte auch gelegentliche Besu­che im grässlichen KONFLIKT 21 „Oki Stanwer – Fürst von Leucienne“ (FvL), ar­beitete für FAN meinen Beitrag „E-Book-Times #1“ aus, schrieb weiterhin Epi­soden des KONFLIKTS 22 ab und formatierte solche des KONFLIKTS 15 neu. Au­ßerdem, aber das sei hier nur am Rande erwähnt, trieb mich – angeregt durch eine Professorin der TU Braunschweig, die mir dazu innig riet – die Überarbei­tung meiner Magisterarbeit von 2002 um, die ja nie erschienen war. Das war eine Herausforderung, die mich Monate an Arbeitszeit kosten sollte, und wohl allein der Tatsache, dass ich arbeitslos war, ließ diese Arbeit möglich werden.

Es gab reichlich Glossararbeiten, die diese Tätigkeiten, die ich oben erwähnte, flankierten, das sei nur so am Rande erwähnt. Rezensionen blühten auf, ich machte Besuche im „Erotic Empire“… und Ende Mai kam ich auf weitere 28 neu entstandene Werke. Die meisten davon aber, das kann nicht überraschen, Neu­formatierungen oder kommentierte Abschriften.

Im Juni intensivierte ich die Blogarbeit wieder (6 Beiträge), die im Mai ja etwas stiefmütterlich behandelt worden war. Mit „Wenn der Sternenhammer fällt…“ wurde die nächste E-Book-Geschichte fertig. Ebenfalls in dieser Zeit entstand dann die OSM-Wiki auf der Homepage, so dass ich endlich diese Flankierungs­idee optimieren konnte.

Ansonsten ging der Monat zunächst mit „Business as usual“ voran: Abschriften von OSM-Episoden sowie Neuformatierungen aus den KONFLIKTEN 22, 18, 21 und 15, Glossararbeiten und gelegentliche Besuche im Archipel (etwa in der Story „Kapitän Taisanors Geschichte“ oder im Roman „Abenteuer im Archipel“). Ich begann an sehr vielen weiteren E-Books zu feilen, bis hinauf zu Band 11, „Die Katze, die die Sonne stahl“, die dann im Dezember 2013 erschei­nen sollte. Ihr merkt, all diese Geschichten brauchten reichlich Vorlauf.

Weiterhin schickte ich mich an, eine Handlungslücke im KONFLIKT 4 „Oki Stan­wer – Der Insel-Regent“ (IR) zu schließen, wo Band 21 „Geheimnisse der Bau­meister“ immer noch fehlte. Um es vorauszuschicken – ich habe das dann erst 2017 geschafft… manche Dinge brauchen einfach viel Zeit und den richtigen Moment des kreativen Bilderflows.

Vielleicht, weil ich hieran nicht recht vorwärts kam, versuchte ich mich an zwei weiteren OSM-Fragmenten, nämlich an „Geister“ und „Auf Sklavenjagd“ (spielen beide in KONFLIKT 22). Doch da ich KONFLIKT 22 zwar derzeit ab­schrieb, aber noch nicht weiter bearbeitete, stockte auch diese Arbeit schnell wieder… das Los eines Kreativen, der definitiv auf viel zu vielen Baustellen un­terwegs ist. Es war zum Mäusemelken!

Dann war da noch das Weiterfeilen am OSM-Fragment „Spurensuche in Baby­lon“, allerdings ebenso erfolglos. Der Monat schloss mit 27 fertigen Werken, aber wie ihr sehen könnt, mehrheitlich mit Routinearbeit.

Im Juli wollte ich da wieder etwas Land gewinnen… und machte den Fehler, noch eine neue Baustelle anzufangen, nämlich – durchaus nahe liegend – die Neuformatierung meiner alten Gedichte. Neben Weiterarbeit der Neuformatie­rung an KONFLIKT 15 (plus diesbezüglichem Glossar) und 8 Blogartikeln wurde ich überraschend von meiner E-Book-Lektorin interviewt. Ich formatierte, eher so aus Langeweile, würde ich heute konstatieren, den Archipel-Roman „Abenteuer im Archipel“ neu. Mit „Der Bibliothekar“ und „Die Schuttwelt er­wacht“ entstanden die nächsten beiden E-Book-Rohtexte.

Ich hätte allerdings wirklich nicht beginnen sollen, NOCH eine Baustelle zu er­öffnen… das war allerdings indirekt das Resultat meines Interviews. Ich hatte Corinna Rindlisbacher Einblick in meine zahlreichen Geschichtenordner gewährt und dabei besonderen Wert auf die Frühzeit gelegt. Was mir dabei auffiel, war durchweg alarmierend: der KONFLIKT 14 „Oki Stanwer – Feldherr der Cranyaa“ (FdC), den ich Anfang 1988 abgeschlossen, aber bekanntlich bereits 1983 begonnen hatte, damals noch in Handschrift, meist mit Tinte und auf Recycling-Papier, zeigte deutliche Erscheinungen des Verblassens des Haupttextes. Am 6. Juli 2013 begann ich also, durchaus folgerichtig, mit der digitalen Abschrift dieser Serie. Aber wie ich oben schon andeutete: das war eine weitere Baustelle, die ich im Grunde genommen zeitlich gar nicht bewirtschaften konnte. Dass ich bis 2017 dennoch fast die halbe Serie abschreiben konnte, kann man fast ein Wunder nennen.

Ebenfalls einen kreativen Schatten voraus warf das 30-Jahre-Jubiläum des Science Fiction-Clubs Baden-Württemberg (SFCBW), für das ich – natürlich – als langjähriges Mitglied und vor allen Dingen Chefredakteur des BWA einen Bei­trag verfassen musste. Das stand auch noch in diesem Monat an. Außerdem ar­beitete ich an einem neuen Biografiekapitel zu meiner reformierten Magisterar­beit – ich fügte den Philosophen Professor Dr. Willy Moog in die Arbeit ein, was ich schon seit 2002 hatte machen wollen. Auch das band natürlich nicht eben wenig Arbeitszeit.

Dank dieser vielen Abschriften und Neuformatierungen landete ich mit 45 fertig gestellten Werken im Juli 2013 auf einem wirklich phänomenalen Monatsstand und schaute wirklich nicht schlecht.

Wenn ich, so meine Vorstellung, ein paar von diesen Baustellen alsbald ab­schließen könnte, würde ich auch bei den E-Books einen ordentlichen Vor­sprung ausbauen können und dann womöglich in der zweiten Jahreshälfte auch wieder originär kreativ werden, durch NEUE OSM-Episoden… inwieweit mir das gelungen ist, erfahrt ihr dann in der nächsten Folge dieser Artikelreihe in ein paar Wochen.

In der kommenden Woche bringe ich euch zunächst mal auf den neuesten Stand, was meine aktuelle Arbeit im Monat November 2017 im OSM erbracht hat.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 151: Der goldene Buddha

Posted Februar 14th, 2018 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

ja, heute geht es um ein gar mächtiges Lesevergnügen, das meine Lachmuskeln an vielen Stellen auf köstliche Weise strapazierte, und außerdem sorgte es für den einen wie anderen Schweißausbruch bei allzu kribbeligen, kniffligen Phasen der Geschichte. Das hatte damit zu tun, dass ich es zwar a) mit einem Roman von Clive Cussler zu tun hatte und üblicherweise genau weiß, dass den zentra­len Personen… nun, sagen wir… nichts ERNSTES zustoßen kann. Aber b) ich hat­te es außerdem mit einem völlig neuen Romantypus und weitgehend fremdem Personal zu tun, und da muss man natürlich immer damit rechnen, dass der eine oder andere auf der Strecke bleiben könnte.

Es blieb also spannend bei der Jagd der OREGON-Crew nach dem „goldenen Buddha“. Und saukomisch, um es umgangssprachlich zu sagen, war das auch. Wer also an diesem Buch aufgrund seiner schlichten Außengestaltung bislang vorbeigelaufen sein sollte, dem rate ich dringend, diese Entscheidung zu revi­dieren. Das Werk hier sei euch ausdrücklich ans Herz gelegt, nicht nur, wenn ihr für die Freiheit des tibetischen Volkes seid.

Neugierig geworden? Dann schmökert mal weiter und lest die Details:

Der goldene Buddha

(OT: Golden Buddha)

Von Clive Cussler & Craig Dirgo

Blanvalet 36160

448 Seiten, TB, 2005

Aus dem Amerikanischen von Thomas Haufschild

ISBN 3-442-36160-5

So etwas kommt nun wirklich selten vor: eine ganze Romanwelt entgleist munter in die völlige Kontrafaktik, und sie tut es mit einem unglaublichen Char­me, respektlosen und professionellen Rabauken, viel Humor und einem atem­beraubenden Feuerwerk von skurrilen Ideen – da kann man sich nur noch erge­ben und von Seite zu Seite mehr genießen und grinsen.

Vergessen wir einfach mal, dass das Titelbild einen Taucher zeigt. Die Leute, die für diesen Missgriff verantwortlich zeichneten, dachten platt schematisch: Clive Cussler – NUMA – Taucher, Motiv klar. Alles falsch. Es geht nicht um die NUMA (wiewohl natürlich ein Schiff vorkommt), Cusslers Helden Dirk Pitt und Al Gior­dino sucht man hier vergebens. Stattdessen wird auf charmante Weise die Weltgeschichte umgekrempelt, und das hat folgenreiche Auswirkungen auf den Rest des Cussler-Paralleluniversums (in dem sich eben Dirk und Al herumtrei­ben, ebenso wie Pitts Kinder Dirk Pitt junior und Summer Pitt, aber halt auch Joe Zavala und Kurt Austin).1 Auf knapp 450 Seiten wird mal eben die Weltge­schichte umgestülpt, und das geht so:

31. März 1959. Die letzten Stunden des Dalai Lama2 Tenzing Gyatso in Lhasa sind gekommen. Das Oberhaupt der Tibeter beschließt schweren Herzens, die Flucht aus Tibet anzutreten und im nordindischen Exil den Kampf gegen die chinesischen Besatzer aufzunehmen. Dabei nimmt er eine wichtige kultische Statue mit sich, den goldenen Buddha, der ein wichtiges Geheimnis in sich birgt. Doch während der Dalai Lama Dharamsala3 in Nordindien erreicht, verschwin­det die fünf Zentner schwere Goldfigur spurlos.

Was niemand weiß, ist indes, dass der amerikanische CIA-Mann Langston Over­holt III. sich die Vertreibung des tibetischen Oberhaupts als persönliches Versa­gen anrechnet und sich fest vornimmt, dereinst dafür zu sorgen, dass das Exil des Dalai Lama endet. Er wird es nicht mehr erleben. Sein Sohn, Langston Over­holt IV., bekommt mit dem Problem schließlich zu tun.

In der Gegenwart, etwa um das Jahr 2000 herum, macht der Leser sodann die Bekanntschaft mit alten Vertrauten. Wie Clive Cussler schon im Vorwort erläu­tert, hatte er einst das subversive Schiff OREGON und seine Besatzung unter dem „Vorsitzenden“ Juan Cabrillo für den Dirk Pitt-Roman „Höllenflut“ entwor­fen und erfunden.4 Und er fand es höchst bedauerlich, dass diese skurrilen Ty­pen wieder in der Versenkung verschwinden mussten. Sein Schriftstellerkollege Craig Dirgo war ganz seiner Ansicht, und so entwarfen sie also dieses erste Abenteuer der so genannten „Oregon-Files“.

Die OREGON ist ein offensichtlich heruntergekommener Trampdampfer, der auf wirklich unglaubliche Weise beschrieben wird (goldig etwa der Moment, wo ein Lotse an Bord kommt, ein Geländer anfasst und auf einmal ein Stück davon in der Hand hält. Er ist völlig konsterniert, aber Cabrillo nimmt nur das Trümmer­stück und wirft es ganz gelassen über die Schulter aufs Deck, als wäre das völlig normal – und ich versichere, es wimmelt von so wilden Szenen und Vignetten im Buch!). Unter der Haut des halbwracken Dampfers hingegen verfügt die OREGON über hochmoderne Technik, verborgene Decks, Labore, einen „Moon-Pool“ über dem Kiel, so dass sie selbst einen Taucheinsatz mit eigenen Tauch­booten durchführen kann, Torpedorohre, Flugabwehrraketen und ähnliche Fi­nessen. Wehe also dem Schiff und den Behörden, die diesen „Kahn“ unter­schätzen.

Auch die Besatzung ist höchst eigenwillig. Cabrillo und seine Crew führen unter­einander keine Ränge, sie sind keiner Regierung unterstellt, keiner Behörde, sondern arbeiten als „Company“ auf eigene Rechnung. Jeder einzelne ist Spezialist auf seinem Gebiet, sei es, dass es Techniker sind, sei es, dass es Ärzte, Waffenexperten, Fluchthelfer, Tarnungsspezialisten, Piloten oder Scharfschüt­zen sind… und es ist nicht umsonst so, dass die 24 Personen der Besatzung alle­samt im alphabetischen Namensverzeichnis auftauchen (allerdings sind das nicht alle „Angestellten“ der Company, im Laufe des Romans tauchen noch mehr auf). Man könnte sie als humanitäre Söldner bezeichnen, die in einer rechtlichen Grauzone agieren. Das erlebt der Leser sehr schnell beim ersten Ein­satz der Crew in diesem Roman, der die OREGON in den Hafen von Havanna führt, wo eine Mission durchgeführt werden soll (und schon hier kommt man aus dem Staunen und Kichern kaum mehr heraus – allerdings sind das erst rund 50 Seiten des Romans. Danach geht der Spaß erst richtig los).

Langston Overholt IV., der Vertraute der OREGON von der CIA, heuert die „Company“ für einen Auftrag an, kaum dass sie das kubanische Abenteuer er­folgreich abgeschlossen haben. Diesmal geht es nach Fernost: der legendäre verschollene goldene Buddha ist wieder aufgetaucht (leider erfährt niemand, woher und warum gerade jetzt, das ist eigentlich der einzige zentrale Schwach­punkt der Handlung), und er soll an einen chinesischen Kunstsammler namens Stanley Ho in Macao verkauft werden. Zweihundert Millionen Dollar, nicht eben ein „Schnäppchen“. Aber der Makler Winston Spenser, der ihn im Auftrag von Ho erwirbt, treibt ein doppeltes Spiel. Er hat ein Duplikat anfertigen lassen und beabsichtigt eigentlich, den originalen Buddha insgeheim an einen Tycoon aus dem Silicon Valley zu verhökern. So gibt es also auf einmal zwei Buddha-Figu­ren, die nach Macao unterwegs sind, und einen Milliardär vor Ort, während der zweite sich aus den USA einfliegen lässt, um sich „sein“ Eigentum zu holen.

Ja, und dann ist da die „Company“. Und ein sich anbahnender Sturm, der über Macao ungeplant hereinbricht, während die ganze Operation „Goldenes Dicker­chen“ munter auf den Höhepunkt zudriftet. Ganz zu schweigen von den über­haupt nicht dummen Polizeibehörden von Macao, die für mächtigen Ärger sor­gen werden.

Langston Overholt IV. macht Juan Cabrillo jedenfalls vorweg klar, dass er den Plan gefasst hat, dem Dalai Lama die Rückkehr in sein Heimatland zu ermögli­chen. Das geht nur, wenn er auch den goldenen Buddha dabei hat. Außerdem gilt es, die chinesischen Besatzer in Tibet gründlich abzulenken und ihnen zu­gleich eine Möglichkeit zu belassen, ihr Gesicht zu wahren, falls Tibet tatsäch­lich wieder autonom werden soll. Und für all das haben sie nur einen sehr ge­ringen Zeitrahmen, weil der ideale Termin für die Rückkehr der 1. April sein soll. Keine Woche mehr entfernt.

Unmögliche Geschichte?

Nun, sagen wir es so… da ist ja noch die „Company“. Und da ist Parteichef Hu Jintao in Peking, dessen Land in eine massive Wirtschaftskrise steuert. Und da befindet sich ein Präsident Putin in Russland an der Macht, der, gewisse ökono­mische Anreize vorausgesetzt, schon durchaus mal mit den militärischen Mus­keln spielen könnte… gesetzt den Fall, da springt etwas für ihn heraus.

Ach ja, und so beginnt die gut gelaunte Crew der OREGON damit, Macao anzu­laufen und Maske zu machen. Eine falsche Gräfin, eine falsche Musikband, nächtliche Überfälle, gestörte Funkkanäle, Einsatz von Drogen (zum Brüllen ist die Szene, als der auch zur Feier bei Milliardär Ho geladene Polizeichef von Macao, Sung Rhee, drogenumnebelt, auf das Blumenarrangement auf dem Tisch stiert, während er mit seinem Stellvertreter telefoniert, der ihn gerade vom Diebstahl einer Buddhastatue unterrichten möchte, und Sung halluziniert, aus dem Bukett nicke ihm ein Pferd zu, woraufhin er zu seinem Assistenten sagt: „Hören Sie, mein Pferd ist hier.“).

Es ist ein wirklich unberechenbares Nonstop-Abenteuer der ganz besonders un­terhaltsamen Sorte, was hier vor sich geht, und es gipfelt dann buchstäblich auf dem Dach der Welt, wo der Showdown stattfindet, der mit chinesischen Kampf­jets, einer tibetischen Untergrundarmee und Giftgas zu tun hat, um nur ganz wenig von dem anzudeuten, was da sonst noch passiert…

Es ist bei Clive Cussler natürlich immer ein wenig schwierig, wenn man sich an alte, vertraute Personen gewöhnt hat und auf einmal mit neuen konfrontiert wird. Das ist so gewesen, als Kurt Austin und Joe Zavala in Erscheinung traten5, und das ist hier bei den Abenteurern von der OREGON ebenfalls so. Und natür­lich muss Cussler als Auftaktabenteuer einen ganz besonderen Knaller bieten – was er hier definitiv tut. Die Befreiung von Tibet ist so eine Geschichte, die man wirklich nicht erwartet, allein schon deshalb nicht, weil das in UNSERER Welt eben nicht möglich ist.

Aber ich sagte oben schon: diese Welt entgleist vollständig in die Parallelge­schichte, und sie tut es mit Absicht. Ich denke, Cussler hat das schon seit lan­gem intendiert. Er hat beispielsweise in seiner Romanwelt das amerikanische Embargo gegen Kuba aufgehoben, er hat eine amerikanische Mondstation be­schrieben und die TITANIC in einem Stück gehoben, den Glassarkophag von Alexander dem Großen und die verschollene Bibliothek von Alexandria finden lassen, ebenso wie übrigens das Grab von Christoph Kolumbus und das ver­schwundene Inka-Gold… der Parallelkosmos weist also viele Dinge auf, die es bei uns (leider, möchte man manchmal sagen), wohl so niemals geben wird. Und „Der goldene Buddha“ schlägt ganz genau in dieselbe Kerbe.

Schön ist dabei auch, dass der enorme Personalfuhrpark einigermaßen charak­terisiert wurde. Durch die manchmal sehr kurzen Szenenblenden erhält die Ge­schichte enorme Fahrt und mächtige Dramatik. Man hat zwar das Gefühl, als sei der Dalai Lama tatsächlich so eine Art Spinne in einem gigantischen informellen Netzwerk von loyalen Glaubensagenten (wie es die chinesische Propaganda gern unterstellt), aber da die „Company“ und ihre Protagonisten definitiv im Zentrum stehen, fällt das nicht so unliebsam auf. Bedauernswerter ist hingegen, dass der Roman vergleichsweise kurz ausfällt – selbst bei langsamem Lesen verbringt man höchstens 4 Tage damit, wie ich – , und das Vergnügen ist sehr schnell vorüber.

Indes: ebenso, wie der Lesespaß garantiert ist, steht ja fest, dass es noch sieben weitere Romane der „Oregon-Files“ gibt. Ab Band 3 ist dann Jack du Brul für die Umsetzung verantwortlich, wir können neugierig sein, wie es ihm gelingt, die Crew der OREGON darzustellen. Ihr werdet es beizeiten erfahren.

© 2012 by Uwe Lammers

Tja, auch nach 150 Rezensions-Blogartikeln kann ich also immer noch mit über­raschenden Lesefunden aufwarten, nicht wahr? Gut so, wenn ich euch über­rascht haben sollte. In der kommenden Woche besuchen wir Harry Potter ins einem vierten Schuljahr in Hogwarts. Und wer die Filme kennt, der weiß, dass auch dies nicht unspannend ablaufen wird.

Näheres in sieben Tagen an dieser Stelle.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Und dass sie alle im gleichen Parallelkosmos leben, ist verbürgt. Man vergleiche dazu das Zusammentreffen von Pitt und Juan Cabrillo im Roman „Höllenflut“.

2 Im Roman konstant als „Dalai-Lama“ falsch geschrieben.

3 Im Roman konstant als „Klein-Lhasa“ bezeichnet, was vermutlich verkehrt ist.

4 Warum nur muss ich bei ihm als dem „Vorsitzenden“ immer wohl an den „Großen Vorsitzenden“ (=Mao) denken? Das ist bestimmt auch Absicht… der ganze Roman trieft vor Ironie und Lässigkeit, allein das ist schon ein Lesegenuss.

5 Vgl. Clive Cussler & Paul Kemprecos: „Das Todeswrack“.

Wochen-Blog 258: Der OSM in Gedichtform (6) – Blume des Lebens

Posted Februar 11th, 2018 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

mit diesem Gedicht stoßen wir in eine neue Zeit des OSM vor und vor allen Din­gen in eine Zeit, in der ich sehr viel konkreter Bezug auf die Episoden nahm. Während in den frühen Gedichten bis 1989 eher vage, unklare Bezüge existier­ten, wurde das in diesem Werk gründlich geändert.

Die Entstehungszeit ist interessant, wenn ich sie im Detail durchleuchte: Der Be­zug des Gedichts geht auf den Band 31 der Serie „Oki Stanwer – Der Dämonen­jäger“ (DDj), der „Geliebte des Pharaos“ heißt, aber interessanterweise ist das Gedicht Wochen vorher geschrieben worden, nämlich Ende Mai 1990. Der Handlungshintergrund zum Verständnis des Folgenden ist komplex, kann aber so vereinfacht dargestellt werden:

Der KONFLIKT 23 „Oki Stanwer – Der Dämonenjäger“ ist eine Zeit der Verwir­rung. Die KONFLIKT-Welt ist durch den infamen und wahnsinnigen Baumeister HORUS zu einem Multiwelten-KONFLIKT geworden, und auf jeder der einzelnen Welten existiert eine andere Zielzeit. Dort, wo man das Jahr 2189 schreibt, hat das pharaonische Weltreich weiter existiert. Der Pharao Amenophis XII. ist hier ein Klon von Oki Stanwer, der unter HORUS´ Kontrolle steht. Die Götter des al­ten Nilreiches scheinen absolute Realität zu besitzen, die Grenzen zwischen Realität, Schein und Magie sind fließend.

In diese Welt verschlägt es die Helferin des Lichts Corinne Daladier aus einem anderen Bereich des Multiwelten-Clusters. Sie war dort in Oki Stanwer verliebt, wird nun aber beim Transfer in die Pharaonenwelt auf bizarre Weise einer Transmutation unterzogen, die in Band 19 „Schein und Realität“ beginnt (nie­dergeschrieben im Mai 1990). Für Corinne fühlt sich diese mit einer Gehirnwä­sche verbundene Transmutation an, als würde sie auf altägyptische Weise bei lebendigem Leibe einbalsamiert.

Verantwortlich für dieses grässliche Geschehen ist der Totengott Seth, der hier auf beunruhigende Weise mit der gleichnamigen Dämonenwaffe Seth von TO­TAM verschmilzt – naturgemäß ein Todfeind der Helfer des Lichts. Und so fallen auch die grässlichen letzten Momente von Corinne Daladiers Dasein aus. Ich zitiere aus Band 19 die Schlusspassage:

Diese Fahrt wirst du alleine antreten, meine Liebe“, sagte Seth zischelnd. Und fast meinte sie [Corinne], Bosheit herauszuhören. Die geschlitzten Augen des Grüngesichtigen sahen sie tückisch an. Er legte sie selbst auf die Bahre in den Nachen, der sie ins Jenseits befördern würde.

Bevor er ihr die Maske aufsetzte, die ihr den Blick für den Wahnsinn auf dem Weg ins Jenseits verschließen würde, sagte er noch leise, fast unhörbar: „Grüße Oki Stanwer von mir. Und sage ihm, die Grabeslegionen sind schon fast soweit, aufzubrechen. Er wird sich mit dir vergnügen. Aber du wirst immer denken, dass ICH es bin, bei dem du liegst. Ich entlasse dich aus dem Jenseits, denn die zehnte Schwelle bist du noch nicht wert. Aber bald sehen wir uns vielleicht wieder. Ich freue mich darauf…“

Seth lachte böse und zischelnd.

Und Corinne schrie, bis die Maske sie zudeckte.“

Doch als sie in ihrem neuen Dasein erwacht, ist sie nicht mehr Corinne Daladier, sondern hat eine neue Identität angenommen. Physisch gleich geblieben und unversehrt, versteht sie sich nun als „Si-Ankith“, als „Blume des Lebens“, die Ge­liebte des Pharaos, der ja in der Tat ein physischer Klon Oki Stanwers ist.

Das unten wiedergegebene Gedicht signalisiert gewissermaßen ein Zwischen­glied zwischen den oben genannten Episoden 19 und 31 und stimmt den Leser auf Corinnes neue Rolle als Si-Ankith in Band 31 ein [Nachtrag bei Veröffentlichung – aus mir noch nicht bekannten strukturellen Gründen werden bei Einfügung des Gedichts in den Blog leider die Absätze zwischen den Strophen eliminiert, ich konnte das nicht beheben. Ihr müsst gedanklich ca. alle 5-7 Zeilen eine Leerzeile dazu denken.]:

Blume des Lebens

Gedicht von Uwe Lammers

Si-Ankith

So wirst du genannt

so wirst du heißen,

in den Augen und Herzen

all derer, die dich lieben.

Si-Ankith

Du Blüte des Lebens,

du Erleuchtete unter den Sternen,

Günstling der Götter,

wirst den Herrn erfreuen

und dem Liebe schenken,

dem Liebe gebührt.

Si-Ankith

Lange hat er auf dich warten müssen,

hart war die Zeit der Entbehrung,

doch er wusste, du würdest kommen,

er wusste und war froh,

weil du ihm versprochen warst

seit ewiger Zeit.

Si-Ankith

Gold ist dein Haar,

Anmut deine Gestalt,

Licht deine Seele,

gereinigt von den zehn Sälen,

gewogen und für recht befunden,

geleitet durch die Finsternis ins Licht.

Es gab einen anderen,

in der anderen Welt und Zeit.

Vergiss ihn,

Corinne-Si-Ankith,

vergiss ihn, denn er ist nicht dein.

Er hat andere gefunden,

so, wie du IHN gefunden hast.

Bleibe hier beim Wahren Volk,

bringe Frieden und Wohlstand

über alle im Land des Grünen Nils

und lasse die Blumen blühen,

Si-Ankith – du Blume des Lebens.

ENDE

© 1990 by Uwe Lammers

Gifhorn, den 28. Mai 1990

Das hier erwähnte „Wahre Volk“ ist die ägyptische Bevölkerung des Nilreiches auf der Pharaonenwelt im KONFLIKT 23. Zwar ist im Gedicht selbst nicht viel über den Inhalt einer begeisterten Hymne der Bewunderung an Inhalt zu fin­den, aber es ist doch schon interessant, wie intensiv ich mich bereits zu der Zeit mit Si-Ankiths Rolle auseinandersetzte… allerdings ist das Jahr 1990 sowieso ei­nes, in dem ich in dieser Serie extrem weit vorankam. Ich schrieb damals die Episoden 14 bis 65 (kein Scherz!) in diesem Jahr.

In der kommenden Woche greife ich wieder die Rubrik „Was ist eigentlich der OSM?“ auf und führe euch hier in den nächsten Teilabschnitt meiner Kreativbiografie. Ich denke, das wird recht spannend werden. Das solltet ihr nicht versäumen.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 150: Maia

Posted Februar 7th, 2018 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

heute ist es mal an der Zeit, eine Rezension auszupacken und euch vorzustellen, die ich im Jahre 2000 geschrieben habe und die einen der schönsten Romane thematisiert, den ich je gelesen habe. Kann ich nach wie vor nicht anders nen­nen, auch wenn diese Zweitlektüre, anlässlich derer diese Rezi entstand, eben schon wieder über fünfzehn Jahre her ist… ich muss das Buch dringend wieder lesen.

Die Rede ist von „Maia“ von Richard Adams. Man erinnert sich heute an den vor wenigen Monaten verstorbenen britischen Romancier deutlich eher wegen seiner Tierfabel „Watership down“ und wegen seines Engagements im Tier­schutzbereich, und das ist auch absolut berechtigt. Doch ich lernte ihn mit dem vorliegenden Roman kennen und lieben – und das phantastisch detailreich und mit enormer Liebe zu feinsten Verästelungen der Kultur und Gesellschaft ausge­arbeitete Beklanische Reich ist es, das mich, der ich mit Fantasy eigentlich sonst nicht viel am Hute habe, mühelos aus dem Bereich der Weird Fiction abdriften ließ.

Maia“ ist in meinen Augen ein sehr zu Unrecht weitgehend vergessener Ro­man, ein opulenter Schmöker mit seinen mehr als tausend eng bedruckten Sei­ten (sucht die gebundene Ausgabe antiquarisch, ihr werdet staunen, wie viel Text darin steckt, das spottet wirklich jeder Beschreibung, wenn man sich die heutigen „dicken Schinken“ im Fantasygenre anschaut. Die sehen dagegen wie Lachnummern aus, von dem Detailreichtum und der komplexen Handlung mal ganz zu schweigen), und auf seine Weise ein äußerst bemerkenswertes Werk. Und wenn ihr dieses Buch gelesen habt, dann könnt ihr gleich bei Adams´ frü­herem Werk „Shardik“ weiterlesen, das in derselben Welt handelt, zeitlich aber etwas nach „Maia“.

Wenn diese achronische Struktur ein wenig an meinen Oki Stanwer Mythos (OSM) erinnert, dann kommt das sicherlich nicht von ungefähr. Aber Adams und ich kamen natürlich völlig unabhängig voneinander darauf.

Ah, doch genug der Vorrede – auf in eine unkonventionelle Rezension, die nä­herungsweise der Komplexität des vorliegenden Stoffes gerecht wird und für die hiesige Publikation nur geringfügig überarbeitet wurde. Brechen wir auf ins Beklanische Reich, und alles beginnt mit einem Wasserfall und einem wunder­schönen blonden, singenden Mädchen:

Maia

(OT: Maia)

Von Richard Adams

C. Bertelsmann 1986

1090 Seiten, geb.

ISBN 3-570-03102-0

Was vermag die Liebe einer Frau? Manche sagen, sie ist imstande, Berge zu ver­setzen, andere fürchten, durch sie könnten alle bestehenden Ordnungen einge­rissen werden, denn ungeheuerlich sei die Kraft einer Emotion, so schrankenlos und ungezügelt, dass nichts und niemand ihr standhalten könne…

Dies alles ist wahr, und so ist die Liebe einer Frau, zumal, wenn sie noch jung ist und unerfahren, wenn sie nicht weiß, was sie will und kann, eine Gefahr für je­den Mann und jede Ordnung, die existiert. Sie wird unterschätzt, solange man sie nur als angenehme Kraft wahrnimmt, und in dem Moment, in dem sie zum reißenden Wildbach wird, ist es zu spät, ihr irgendwelche Zügel anzulegen.

Es ist wichtig, dies vorab zu wissen, denn ohne diese Kenntnis erschließt sich der Inhalt des Buches MAIA von Richard Adams nur sehr schwer.

Der Rahmen: Das Beklanische Reich

Nehmen wir an, es handele sich um eine Randprovinz der Sahara, einen step­penartigen Agrarstaat, erstarrt in feudalen Strukturen, auf einer Welt, auf der es keine Reittiere gibt. Was immer man erledigt, tut man gefälligst zu Fuß. Die einzigen Tiere, die mit unserer Welt eine Menge gemeinsam haben, sind die Rinder. Doch das sind für adelige Offiziere kaum ideale Reittiere.

Das Beklanische Reich wird von der Hauptstadt Bekla regiert, eigentlich der ein­zigen „Stadt“ in unserem Sinne, eine Metropole mit Tausenden von Bewoh­nern, mit einem beispiellosen Luxus, der sich unter anderem darin zeigt, dass nahezu alle Gebäude aus Stein sind. Menschen, die aus den Provinzen kommen, sind häufig atemlos und wie erstarrt angesichts solcher Bauten, die sie aus ih­ren Dörfern und kleinen Städten nicht kennen.

Großbaron Durakkon regiert Bekla, und mit ihm die Mitglieder der Clique der so genannten „Leoparden“, die sich vor sieben Jahren an die Macht geputscht ha­ben. Mit ihnen verbündet ist die politisch offiziell unbedeutende, in Wahrheit aber sehr gefürchtete Priesterkönigin der Göttin Airtha, Fornis. Durakkon ist, streng genommen, lediglich eine Marionette der Leoparden unter dem martiali­schen Kriegslord Kembri B’sai.

Und das Reich hat Probleme. Jede Menge Probleme. Im Westen bedrohen das Reich Terekenalt und Katria mit seinem König Karnat, der insgeheim die Leopar­denrevolution unterstützte und von diesen als „Stillhaltetribut“ die beklanische Sumpfprovinz Suba erhielt, die seitdem besetzt ist.

Im Osten des Reiches existiert im Wald von Chalcon in Tonilda eine Reihe von unzufriedenen Baronen, die dem gestürzten Regime nach wie vor die Treue hal­ten, aber außerstande sind, etwas gegen die Leoparden zu unternehmen. Die Galionsfiguren sind hier der Baron Santil-kè-Erketlis und der Baron Enka-Mordet.

Als wenn das noch nicht genügte, gibt es auch noch die Provinz Sarkid, in der die Sklaverei abgeschafft worden ist. Die Leoparden jedoch sind stark in den Sklavenhandel verwickelt und haben sogar Sklavenfarmen eingerichtet, wo neue Sklaven gezeugt und großgezogen werden. Anders lässt sich der kostspieli­ge Lebensstil in Bekla nicht aufrechterhalten.

Und schließlich geht in etwa anderthalb Jahren zu Beginn der Romanhandlung die zweite Amtszeit der Priesterkönigin Fornis zu Ende, etwas, was noch nie da gewesen ist. Normal ist lediglich eine einzige, alles andere ist gegen den Willen der Götter. Aber Fornis, eine äußerst grausame und machtgierige Palteshi, ist fest entschlossen, eine DRITTE Amtszeit durchzusetzen, nötigenfalls auch gegen den Willen der Götter und über die Leichen zahlloser Menschen. Jeder hat vor ihr Angst.

Das Reich, merkt man, schwebt in einem äußerst labilen Zustand. Jede Verände­rung des Status Quo kann diese Lage verheerend verschieben. Und hier kommt Maia ins Spiel. Sie ist, ohne das im Mindesten zu ahnen oder zu wollen, diese Änderung und der Stein, der die Katastrophe ins Rollen bringt.

Die Hauptperson:

Maia ist ein fünfzehnjähriges Mädchen von atemberaubender Schönheit, strah­lend blond, mit einem sehr weiblichen und jungfräulichen Körper, und sie lebt naiv und zufrieden nahe dem nördlichen Ufer des Serrelind-Sees, wo sie sich mehr oder weniger dem Müßiggang hingibt. Sie ist das älteste Kind der armen Bäuerin Morca und des Fischers Tharrin, der seinen kärglichen Lebensstandard durch diverse Reisen aufbessert.

Zwischen Morca und Maia besteht ein spannungsreiches Verhältnis, denn die Mutter mag sie absolut nicht. Tharrin hingegen, Morcas zweiter Mann, verzehrt sich still in Sehnsucht nach Maia, und als sich die Gelegenheit ergibt, verführt er sie und macht sie zur Frau. Dies tut er auf eine sehr sanfte Weise, dass sich Maia unwillkürlich in ihn verliebt, und deshalb fällt das früher oder später auch der Mutter auf.

Morca überreagiert, und bevor Maia begreift, was geschieht, findet sie sich in der Hand von Sklavenhändlern wieder, die sie nach Bekla bringen. Es ist aller­dings ihr Glück, dass sie eine Frau mit schwarzer Hautfarbe kennen lernt, die junge Occula, nur wenig älter als sie selbst, eine entschlossene, harte Frau, die Maias beste Freundin wird und sehr rasch auch ihr Bett teilt und ihr Dinge zeigt, die Frauen miteinander machen können, die das naive Bauernmädchen niemals für möglich gehalten hätte.

Wie, mag man sich fragen, vermag so ein wehrloses Mädchen das Schicksal ei­nes ganzen Reiches zu verändern? Das weiß niemand, am wenigsten Maia selbst. Und doch führt alles ganz unmerklich dazu.

Die Handlung:

In Bekla werden die beiden Mädchen ausgerechnet in das Haus des Großrats Sencho bè-L’vandor verkauft, eines ungeheuer feisten, aufgeschwemmten und verdorbenen Mannes, der überaus grausam ist und darüber hinaus den Geheimdienst der Leoparden im ganzen Reich leitet und lenkt. Er weiß nahezu alles, besitzt eine menschenverachtende Schläue, und eine Leidenschaft von ihm ist es, Menschen zu demütigen.

Das schafft er auch mit Maia und Occula, aber nach einer schweren Anfangszeit gewöhnt sich das Bauernmädchen daran und genießt allmählich die subtile Macht, die es im Dienst des Großrats über Männer ausübt, an die er sie aus­leiht, damit sie das Bett mit ihnen teilt.

Unter diesen Männern befindet sich unter anderem Lord Randronoth, der Gou­verneur von Lapan, der sich (bedauerlicherweise) unsterblich in sie verliebt, was Maia gar nicht registriert. Außerdem gibt sie sich Lord Kembri hin, der sie daraufhin zu seiner persönlichen Agentin bzw. Doppelagentin macht. Und sie schläft mit Eud-Ecachlon, dem Erben des Großbarons von Urtah, einer unruhi­gen Provinz, deren Neigung zu König Karnat von Terekenalt hinlänglich bekannt ist. Nur auf den undurchsichtigen und hässlichen Subanier Bayub-Otal, der von ihrem Anblick unerklärlich beunruhigt wird, scheint ihre erotische Macht nicht zu wirken, was das Mädchen stark kränkt und dazu führt, dass es ihn schließlich hasst.

Auf diese Weise rutscht Maia immer tiefer in das Machtgeflecht hinein, macht sich durch ihre Schönheit und Natürlichkeit und ihre erotischen Aufträge eine Menge Freunde, verletzt jedoch auch eine Reihe von Herzen, was sie, wie ge­sagt, nicht bemerkt und was noch große, schlimme Folgen zeitigen wird. Das Schicksal wird äußerst grausam, als auf dem Fest nach der Regenzeit beinahe in ihrem Dabeisein der Großrat ermordet wird. Die Mörder werden nicht gefasst, aber alles, was Sencho gehört, fällt nun an den Tempel und Königin Fornis. Zwar kann Maia durch Kembris Intervention freikommen, doch der hat nun seiner­seits eigene Pläne mit ihr: sie soll Bayub-Otal aufsuchen und zu flüchten versu­chen. Dabei lautet ihr Auftrag, Kembris Agenten Informationen über die Pläne des Subaniers zukommen zu lassen.

Tatsächlich kehrt Bayub-Otal nach Suba zurück, bevor er von den Leoparden un­ter Verdacht des Hochverrats (Beteiligung am Mord an Sencho) festgenommen werden kann. Das schöne Mädchen nimmt er dabei mit in das Sumpfland. Maia kann jedoch keinerlei Informationen weitergeben.

Und obwohl sie den Subanier hasst, scheint das subanische Volk über alle Ma­ßen von ihr fasziniert zu sein. Und dann… tja, dann begegnet Maia der wahren und einzigen Liebe, und von da an entwickeln sich die Geschehnisse mit einer unbegreiflichen Rasanz und ungestümen Unvorhersehbarkeit, dass alle, die damit zu tun haben, davon überwältigt werden.

Binnen von wenigen Tagen steigt Maia vom wunderschönen, jungen und naiven „Bettmädchen“ auf zur Serrelinda, zur gefeierten Volksheldin des ganzen Rei­ches, fast zu einer Sagengestalt, die die Herzen der einfachen Leute spielend leicht für sich gewinnt. Nur verliert sie dadurch das, was ihr am meisten wert war – ihren Geliebten. Und so wird sie das reichste, bezauberndste und gefeier­teste Mädchen des ganzen Reiches – und das unglücklichste dazu. Denn nie­mandem kann Maia richtig vertrauen und vor allen Dingen ihren Kummer an­vertrauen.

Noch schlimmer ist jedoch, dass sie sich überall Feindschaft zuzieht, vor allen Dingen, weil alle denken, sie möchte das Amt der Priesterkönigin übernehmen. Außerdem verlieren die Leoparden nach Senchos Tod die Kontrolle über das Spionagenetz, und das fragile Gleichgewicht wird zerstört. Das Beklanische Reich gerät an den Rand eines Bürgerkriegs. Und die berühmte Maia ist mitten­drin als Zentralfigur. So nehmen die schrecklichen Entwicklungen in der zweiten Hälfte des Romans unaufhaltsam ihren Lauf…

Mit dem Roman MAIA hat sich Richard Adams schon 1987 fest in mein Herz eingeschrieben. Er verdrängte damals spielend Howard Phillips Lovecraft, der bis dahin mein designierter Lieblingsautor war, auf einen der hintersten Plätze. Dies war damals das einzige Buch, von dem ich mit Fug und Recht behauptete, nachdem ich es gerade zugemacht hatte: jetzt würde ich es am liebsten sofort umdrehen und AUF DER STELLE noch einmal von vorne beginnen!

Dies war damals mein Eindruck, und er war ungeheuer prägend. Als ich vor ei­ner guten Woche wieder anfing, das Buch zu lesen, fragte ich mich ständig kopf­schüttelnd, wie ich es fertig gebracht hatte, dieses Buch ganze ZWÖLF JAHRE im Regal stehen zu lassen, ohne es erneut zu lesen. Jeder TAG, den ich es nicht ge­tan hatte, war im Grunde genommen ein verlorener Tag…

Neben der unsagbar lieben, verspielten, arglosen Hauptperson sind es insbe­sondere die unglaubliche Wortgewalt von Richard Adams und die Überset­zungsleistung von Gisela Stege, die dem Leser schon auf den ersten Seiten ins Auge stechen. Ob die Pracht eines beklanischen Festes, das ausgelassene Bad der schönen Maia im Serrelind-See oder aber das labyrinthische Gewusel der beklanischen Metropole Bekla dem Leser vor das Auge tritt, all dies wird mit sehr inniger Liebe zum Detail ausgebreitet, einem prachtvollen alten Gobelin nicht unähnlich. Wer bildreiche Romane liebt, wechselvolle Charaktere, aber auch Ränke und mitunter lustvolle Umwege, der kommt hier voll auf seine Kosten.

Allerdings ist Maias Welt nicht eine, die nur positiv ist. Es ist eine Welt, in der versklavt wird, in der die Rechte von Frauen zweitrangig sind und fast alles käuf­lich ist. Eine Welt, in der Verrat zur zweiten Natur wird und Moral und Sitte ero­dieren und inzwischen fast unbekannt sind. Doch es blühen auch seltene Blu­men der Freundschaft und Sympathie zwischen den abgründigen Rissen im be­klanischen Wohlstandsgemäuer.

MAIA ist, man kann es nicht anders sagen, ein Abenteuer, doch eines, auf das man sich frohen Herzens einlassen sollte, insbesondere dann, wenn man ver­liebt ist. Denn die Botschaft, die ich daraus gelesen habe, ist die, dass die Liebe immer irgendeinen Weg finden wird, um in Erfüllung zu gehen. Und das, sollte man denken, ist eine Hoffnung, die man immer hegen sollte, ein Ziel, an das man immer glauben muss.

Und eins sollte ich noch hinterherschicken: direkt beim Lesen und kurz danach bin ich erfüllt von einem unglaublichen, alles erfüllenden Frieden, einer Harmo­nie, die so gewaltig ist, als ob ich die ganze Welt damit umfassen könnte. Well, ich glaube, ich bin schlicht und einfach glücklich, so glücklich wie schon seit ewi­gen Zeiten nicht mehr. Und wenn ein ROMAN dies bewirkt, dann MUSS er doch wohl gut sein, nicht wahr?

© 2000; 2016 by Uwe Lammers

In der kommenden Woche machen wir eine weitere abenteuerliche Reise in eine faszinierende Parallelwelt, der man dies auf den ersten Blick gar nicht an­sieht… aber wer genau liest, wird schnell ein paar interessante Details entde­cken, die so bei uns definitiv nicht passiert sind und die mich bei der Lektüre doch sehr faszinierten.

Clive Cussler und sein Coautor Craig Dirgo schlugen jenseits der NUMA-Pfade auf einmal einen alternativen Pfad ein und verfolgten eine Seitenspur von Cuss­lers Romanprotagonisten… eigentlich höchst unüblich, aber sehr, sehr wir­kungsvoll. So entstand ein urkomischer, rasanter und extrem durchgestylter Ro­man, der mir so gut gefiel, dass ich mich mit den neuen Personen sehr schnell anfreundete.

Welche neuen Personen sind das? Nun, davon erzähle ich in sieben Tagen. Aber ich kann jetzt schon versprechen, es wird euch gefallen, sie kennen zu lernen. Schaut wieder rein und überzeugt euch selbst.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Liebe Freunde des OSM,

wir schrieben den September des phantastischen Jahres 2010, und ich berichte­te kürzlich, dass dieses Jahr Ort der unglaublichen Langzeitprojekte und der in erstaunlich kurzer Zeit zu enormen Texten angewachsenen Geschichten war. Ich hatte „Rhondas Reifejahre“ und „Eine Adelige auf der Flucht“ beendet, an de­nen ich viele Jahre geschrieben hatte. „Antaganashs Abenteuer“ war in Rekord­zeit zu einem voluminösen Abenteuer aufgeblüht und vollendet worden.

Am 29. August – das vergaß ich kürzlich wohl – gelang es außerdem noch, den Roman „Ian und der Stein der Götter“ zu vollenden… besser gesagt: die Story, denn zum Roman wurde sie dann erst später im Rahmen meines E-Book-Pro­gramms. Heute würde ich diese Geschichte in ihrem Ursprungsumfang eher als Novelle charakterisieren, also ein Mittelding zwischen Roman und Kurzge­schichte (aber ihr wisst ja, die Grenzen bei Kurzgeschichten sind bei mir da eher fließend, und meine Intuition leitet mich des Öfteren in die Irre, was die Katego­risierung angeht – wie oft sind wohl schon vermeintliche Kurzgeschichten zu Romanen geworden?).

Am 7. September 2010 war es jedenfalls dann schon wieder soweit, ein Lang­zeitprojekt und einen neuen Roman fertigzustellen. Diesmal war es „Mein Freund, der Totenkopf“, den ihr inzwischen als zweiteiligen sechsten Band der Annalen kennengelernt haben dürftet… und falls nicht, so sei seine Lektüre euch ans Herz gelegt.

Im September 2010 hatte ich jedenfalls erst mal für eine Weile die Nase voll vom Archipel-Overflow, der mich monatelang umklammert hielt, und ich stürz­te mich mit vollem Elan in den Oki Stanwer Mythos, um an zahlreichen Frag­menten weiterzuschreiben.

An welchen? Nun, an diesen hier: „Die Tiefenwächter“, „In der Hölle“, „Die Wandlung“, „Jaleenas zweites Leben“, „Die Totenköpfe 1: Die Alte Armee“, „Aktion TOTAMS Ende“ (Überarbeitung), „Die Reisenden von Beltracor“, „Sianlees Verbrechen“, „Verschwörer“, „Ein zukunftsweisendes Verbrechen“, „Eine Frage des Glaubens“, „Die Intervention“, „Die Optimierungsfabrik“, „Die Totenköpfe 2: Durch die Ruinenwelten“ und „DER CLOGGATH-KONFLIKT“.

Lach… ich soll mal wieder Luft holen? Okay, Freunde… nun, ihr seht, ich war da wirklich nicht untätig. Und da ihr bislang nur sehr wenige der oben aufgeliste­ten Werke als fertige Geschichten kennengelernt habt, wisst ihr, dass die meis­ten bis heute Fragmente geblieben sind. Zum Teil recht interessante, etwa „Eine Frage des Glaubens“. Das ist, wenn ich das vorwegnehmen darf, ein Prequel zum KONFLIKT 12 „Oki Stanwer – Bezwinger des Chaos“, mit dessen Publikation ich eigentlich 2017 beginnen wollte. Daraus wird jetzt unzweifelhaft erst 2018 werden. Mutmaßlich wird die eben erwähnte Geschichte früher wieder zur Hand genommen und vollendet werden.

Die Vielzahl an „Baustellen“, die ich oben erwähnte, bedingte natürlich, dass ich im Monat September nur sechs Werke fertigstellen konnte, mehrheitlich Neu­formatierungen und Glossare. Einen kurzen Anflug des Archipels gab es außer­dem, da ich an „Die neue Strafe“ weiterschrieb. Und außerdem grub ich mich tief und immer tiefer in den Roman „Die Alte Armee“ ein, der das nächste Langzeitprojekt werden sollte, das ich fertigstellte.

Und da ich seit einiger Zeit in FAN aktiv war, lag mir zudem daran, einen Hinter­grundbericht zur Genese desjenigen Romanprojekts zu bringen, das mich gera­de vollständig beschäftigte, also das eben erwähnte. Für diesen Zweck entwi­ckelte ich einen Hintergrundartikel mit dem Titel „Inside TOTAM oder Wie es ist, im Jenseits zu sein“, den ich in FAN publizierte.1

Tja, und ich blieb bei den Langzeitprojekten. Kaum hatte ich – und das war wirk­lich faszinierend – eins beendet, fokussierte ich meine Energie auf das nächste derartige Werk. Diesmal spross im Oktober 2010 ein weiteres Romanprojekt hoch, sehr ähnlich wie weiland bei dem Antaganash-Roman: „Die schamlose Frau“, die erotisch-dramatische Geschichte der Sternenfee Gloria mit ihrem Ge­liebten Anton Devorsin. Es sollte zwar noch bis Frühjahr 2011 dauern, ehe ich hier zu einem Abschluss kam, und im Oktober 2010 hielt ich diese Annalen-Ge­schichte noch für eine „Story“ (wir kennen das), doch war der Keim zum Volu­men hier schon zu erahnen.

Ebenfalls in den Oktober 2010 fiel die Fertigstellung der Abschrift der 1989er-Story „Aktion TOTAMS Ende“, an deren Umarbeitung in einen wirklich volumi­nösen Roman ich seither arbeite. Das Projekt ist sehr ambitioniert, da der Handlungsrahmen wirklich Millionen Handlungsjahre umfasst – wenn man ge­nau ist, sind es sogar zahlreiche Milliarden – , und es geht um ein paar zentrale Kerngeheimnisse des Oki Stanwer Mythos. Ich deute nur mal in Form einiger Fragen an, worum es darin geht, und ihr werdet sicherlich sofort verstehen, warum mich die Arbeit nur sehr langsam vom Fleck kommen lässt und Monate zwischen den einzelnen Arbeitsschritten liegen:

  • Woher stammt TOTAM?

  • Was ist der Ursprung der Rasse der Baumeister?

  • Was ist der Existenzzweck der ZYNEEGHARE?

  • Was sind die Sieben Lichtmächte?

  • Was geschah vor Anbruch der KONFLIKT-Zeit tatsächlich?

  • Was ist das Große Vergessen, und warum ist seine Erneuerung in fast jedem Fall tödlich?

Das ist harter Stoff, und nicht ohne Grund ist die 1989er-Story bis heute strikt unter Leseverschluss. Dabei ist das nur der (sehr ungenügend dargestellte) vage und rudimentäre Keim dessen, was ich in der Romanfassung, die schon mehr als 150 Textseiten besitzt… ah, Korrektur, Freunde, es sind 164. Und eben, als ich nachschaute, klebte ich auch sofort wieder in dem Textskript fest, in dem ich zuletzt im November 2010 gearbeitet habe.

Mann, und was sind das für faszinierende Gedanken darin… der Kristallmond, der seltsame Nachbarplanet Bytoin, der Wahn des Automatischen Schreibens, der das Volk der Delaarer fast in den Wahnsinn treibt, die Geschichte mit den Tunneln… beizeiten, Freunde, erzähle ich euch mehr davon, doch nicht heute, sonst komme ich hier gar nicht mehr vom Fleck.

Am 1. Oktober 2010 endete die kurze Phase meiner Arbeitslosigkeit, und ich trat in einen neuen halbjährigen Projektvertrag mit der Fachhochschule Braun­schweig-Wolfenbüttel, kurz Ostfalia genannt, ein. Hier war ich verantwortlich für die Erschließung eines Altaktenbestandes und hatte arbeitszeittechnisch relativ freie Hand, was dann natürlich meiner Kreativität wieder zugute kam.

Das führte dazu, dass ich im Oktober sowohl an dem Annalen-Fragment „Das TOTAM-Koma“ (die mehr oder weniger direkte Fortsetzung der oben erwähn­ten Story von 1989) weiterschreiben konnte als auch eine weitere Geschichtenidee aus diesem Umfeld entwickelte, die „Ani und das Wolkenmädchen“ hieß.2

Im November kam dann fast unvermeidlich das Fragment „Das Transformati­ons-Paradies“ hinzu, eine weitere Geschichte, die in der Frühzeit der Baumeis­ter-Spezies spielt, zu einer Zeit, als sie noch „normale“ Körper besitzen und mit Langlebigkeit und Unsterblichkeit experimentieren.

Außerdem bemühte ich mich in diesem Monat darum, forciert an der Fertigstel­lung der kommentierten Abschrift des KONFLIKTS 17 „Drohung aus dem All“ voranzukommen. Ihr wisst, dass ich das bislang hatte schleifen lassen, weil ich so stark mit den Großprojekten befasst war, erst mit denen aus dem Archipel, dann mit denen aus dem OSM. Die kommentierte Abschrift war inzwischen bis Band 59 vorangeschritten, und wenn man bedenkt, dass es nur 71 Episoden der Serie gibt, lag es auf der Hand, dass ich hier vergleichsweise zügig zum Ende ge­langen konnte, wenn ich mich nur etwas konzentrierte und darauf fokussierte.

Nebenher versuchte ich dann aber zugleich auch, in KONFLIKT 7 „Oki Stanwer – Held der Hohlwelt“ und KONFLIKT 19 „Oki Stanwer – Der Missionar“ wieder Fuß zu fassen. In der einen Serie, weil ich da endlich vorankommen wollte, in der zweiten, weil dort ein paar sehr interessante Episoden anstanden und ich be­reits einen Planungsvorlauf bis Band 70 hatte (und dabei war gerade mal Band 50 fertig geworden).

Diese Zerfaserung tat definitiv nicht gut, keinem der Projekte, und was dann im Dezember geschah, war vermutlich unvermeidlich: Ich schwenkte kurz wieder in den Archipel zurück, oszillierte dann in verschiedenen OSM-Ebenen und ver­suchte, kurz vor Jahresende, eine deutlich zu komplexe, bislang offene Hand­lungsspur des Oki Stanwer Mythos aufzuarbeiten. Das würde ich gern etwas ausführlicher besprechen, da es ausdrücklich in den Bereich der Annalen gehört und uns noch einige Jahre beschäftigen wird, jedenfalls gehe ich aktuell davon aus. Wenn mich nicht ein akuter Arbeitsflow packt – was immer möglich ist, ich habe so etwas gestern erst erlebt, wo ich phänomenal am Band 29 der TI-Serie vorankam – , dürfte es jedenfalls so laufen.

Also… das Datum war der 26. Dezember 2010, und das Jahr neigte sich rapide dem Ende zu. Ich hatte dienstbedingt Urlaub, und meine Kreativität schäumte munter über. Erinnert euch, das ist zu einem Zeitpunkt in meinem Leben gewe­sen, wo ich weder von Blogartikeln noch von Streaming-Internetserien ab­gelenkt wurde, und ich war deutlich fokussierter als gegenwärtig.

Ich saß also da, feilte an diversen Episoden zu KONFLIKT 19 und dachte, weil ich besonders stark an Band 52 der Serie arbeitete (Titel: „Der Intrigant“), dass ich unbedingt mal klären müsste, woher die geheimnisvolle Dawsoner Bewohnerin namens Ghani nun gekommen war. Sie spielte auch in dieser Episode am Rande mit hinein und blieb undurchsichtig und geheimnisvoll.

Was dann geschah, ist schwer zu beschreiben… ich sah eine überwältigende, sehr weit reichende Bilderblende und begann sie niederzuschreiben. Im ersten Anlauf nur 5 Seiten, was wenig scheint… aber bis Silvester wuchs das Fragment munter auf 47 Textseiten und wurde immer atemberaubender. Ich sage nur so­viel: eine Story war das zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr. Inzwischen ist das Romanskript auf mehr als 500 Textseiten angewachsen und immer noch fern der Fertigstellung.

Man erfährt in dieser Geschichte durchaus nicht nur mehr über Ghani, die „Hexe“ aus Oki Stanwers LAGER auf dem Planeten Dawson, sondern auch sehr viel über die Geschichte der frühen irdischen Kolonisten dieser Welt, über die Berinnyer, über so rätselhafte und bedrohliche Dinge wie Kybernoidenkollekti­ve, ferngesteuerte Lebensformen, absolute Kontrolle und eine Entität, die im­stande ist, Erinnerungen zu nivellieren, Lebensverläufe zu verändern, Lebens­formen im Handumdrehen in Asche zu verwandeln und vieles andere mehr.

Dieser Roman mit dem äußerst prägnanten Titel „Eine scharf geschliffene Waf­fe“ erfordert für den vollendeten Lesegenuss eine Menge Hintergrundwissen über zahlreiche Handlungsströme des Oki Stanwer Mythos, und allein deshalb wird es noch geraume Zeit dauern, bis ich ihn euch zugänglich machen kann. Sehr schade, wie ich selbst finde, weil ich ihn für unglaublich spannend halte. Aber ehe ich mit dessen Fertigstellung und Publikation beginne, braucht ihr sowieso erst mal gründlichen Informationsinput in Form der Publikation von KONFLIKT 19… und auch die steht noch nicht auf dem Aktivitätsplan.

Das Jahr 2010 endete jedenfalls so mit einem phantastischen Arbeitsflow und 95 fertig gestellten Werken, und ich blickte höchst optimistisch auf das Jahr 2011. Dafür nahm ich mir vor, die kommentierte Abschrift des KONFLIKTS 17 zu vollenden (ein Plan, der gelingen sollte) und hoffte sehr, dass ich außerdem mindestens ebenso viele Werke wie dieses Jahr fertig stellen konnte.

Ach, Leute, ich hatte ja noch gar keine Ahnung, dass das Jahr 2011 sehr viel schöner werden würde. Ich ahnte noch nicht, wen ich da alles kennen lernen sollte an neuen und alten Freunden meiner kreativen Vergangenheit… und da­bei fing das Abenteuer doch schon unmittelbar nach Neujahr 2011 an.

Mehr davon berichte ich in der kommenden Ausgabe dieser Artikelreihe, ver­sprochen! Nächste Woche machen wir aber erst mal gemeinsam wieder eine Stippvisite bei den OSM-Gedichten.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Hier weist meine Aufzeichnung eine kleine Lücke auf, aber soweit ich das sehen kann, publizierte ich den Beitrag in zwei Etappen in FAN 93 (Januar 2011) und 94 (April 2011) als Bestandteil meines jeweiligen Bei­trags „OSM-Newsletter #7“ und „#8“. Es kann sehr gut sein, dass ich beizeiten diesen interessanten Beitrag mal als Doppelblog-Beitrag bringen werde… lasst euch überraschen.

2 Und nein, Ani ist zwar ein junger Mann, hat aber rein gar nichts mit Anakin Skywalker zu tun, der in den mo­dernen Star Wars-Filmen gern so angesprochen wird.

Rezensions-Blog 149: Die Frau des Zeitreisenden

Posted Januar 31st, 2018 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

ich liebe Zeitreisegeschichten… das ist etwas, was ihr von mir natürlich schon lange wisst. Und das Buch, das ich euch unten vorstellen möchte, gehört in die Rubrik, die ich – unter den Zeitreiseromanen – als absolutes „must have“ einsortieren würde. Ein zutiefst romantischer, witziger und auch etwas tragi­scher Roman. Also genau das, was eine solche Geschichte beinhalten sollte.

Mit einiger Verblüffung entdeckte ich zudem in dieser inzwischen acht Jahre al­ten Rezension ein paar Elemente, die ich im Lichte späterer Erfahrungen etwas kommentieren möchte. So sage ich da unten beispielsweise etwas zum Energie­erhaltungssatz und der Schwierigkeit, wenn Zeitreisende sich in verschiedenen temporalen Versionen begegnen… wenn man sich anschaut, wie abenteuerlich solche „Kollisionen“ bei den DC-Streamingserien „The Flash“ und „Arrow“ ge­handhabt werden, muss ich sagen, bin ich mit meinen unten gemachten Aus­führungen noch sehr zurückhaltend. Scheinbar haben sich die Skriptschreiber der genannten Serien mit Genuss an dem Niffenegger-Roman bedient und sich arglos gesagt: Ach, wenn man das SO in einem Bestseller schreiben kann, dann können wir das auch so ins Serienskript übernehmen.

Halte ich für falsch, aber das ist vermutlich meine Privatmeinung.

Noch interessanter erscheint mir im Lichte meiner Kenntnis der Beziehung zwi­schen Doctor Who und Professorin Dr. River Song (Alex Kingston) in der neuen Doctor Who-Serie die bemerkenswerte Parallelität der chronologischen Asyn­chonizität. Bekanntlich taucht River Song in Staffel 4 der Serie in den Episoden „Tödliche Stille“ und „Wald der Toten“ auf (mit zwei der besten der gesamten Serie, wie ich finde). Und hier wird deutlich, dass die beiden ihre Leben in um­gekehrter Reihenfolge leben. Da diese Serienepisoden erst 2013 ausgestrahlt wurden, bedarf es wohl keiner ausgeprägten Phantasie, dass sie von Niffeneg­ger inspiriert wurden… leider wurde dem Doctor das Liebesglück mit River Song konsequent von den Skriptschreibern versagt, das Henry DeTamble und seiner Clare beschert wurde.

Schade.

Und, wie ich ebenfalls unten ausdrücke: Der Film reicht definitiv nicht aus, um sich eine komplexe Vorstellung des eigentlichen Buches zu machen. Mein Tipp ist immer noch: erst den Film sehen, dann das Buch lesen und bereichert und zufrieden daraus wieder auftauchen.

Bereit für ein wildes Zeitreiseabenteuer? Dann anschnallen, und los geht’s:

Die Frau des Zeitreisenden

(OT: The Time Traveller’s Wife)

von Audrey Niffenegger

Fischer-Verlag, 2007

834 Seiten, Hardcover, Kleinformat

Aus dem Amerikanischen von Brigitte Jakobeit

ISBN 978-3-596-50983-6

Die Zeit ist ein unersättlicher Mahlstrom, der alles zerreibt und zermürbt, was wir kennen, jede Materie, alle Dinge, alle Hoffnungen, einfach letztlich alles, und sie strömt mit unerbittlicher Gleichgültigkeit immer nur in eine Richtung, nämlich die der fortschreitenden Entropie, entgegen jenem fernen Punkt, an dem alle Dinge zerfallen sein werden und alle Wünsche und Sehnsüchte aufhö­ren zu existieren. Doch einmal angenommen, es gäbe… Anomalien. Dinge oder Wesen, die sich der Einbahnstraße der Zeit widersetzen können. Wie würden diese Wesen auf die Umwelt einwirken? Wie wäre es, wenn ein Mensch gleich­sam aus der Zeit herausfiele, ohne dass er etwas dafür könnte? Könnte dieser Mensch jemand anderem plausibel machen, was ihm widerfährt? Könnte er dennoch so etwas wie ein menschliches Leben führen? Lieben vielleicht?

Henry DeTamble ist ein solches Wesen.

Henry ist ein Zeitreisender, und dafür benötigt er keine hochgezüchtete Zeitma­schine a la H. G. Wells, er benötigt keine gewaltigen Mengen an Energien, keine exotische Materie oder Wurmlöcher, auch keine Raumschiffe. Henry ist ein ganz äußerlich ein ganz normaler Mensch und wird im Nordamerika des Jahres 1963 von einem virtuosen Geiger und einer wunderschönen Sängerin geboren. Doch als Henry noch ein kleines Kind ist, erleiden seine Mutter und er einen verhee­renden Autounfall. Seine Mutter ist sofort tot. Er selbst hingegen… befindet sich splitternackt am Straßenrand und begreift gar nichts mehr. In diesem Moment aktiviert sich das verheerende Gen in seinem Körper das erste Mal und entfernt ihn für Sekunden aus der Gegenwart und reißt ihn an einen anderen Ort.

Von diesem Augenblick an ist er ein Zeitreisender, dazu verurteilt, immer wie­der einmal, meist zu den unmöglichsten Momenten, „aus der Zeit zu fallen“, wobei er nichts als seine eigene Haut mitnehmen kann. Es versteht sich von selbst, dass das eine Fähigkeit ist, die er anfangs hasst. Später lernt er mühsam, sich damit zu arrangieren, wobei er diesen Fluch oder was immer es genau sein mag, vor der Umwelt mühsam verborgen hält.

Zu seinem Glück hat er einen Lehrer für diese Fähigkeit und alles, was das Zeit­reisen so mit sich bringt – sich selbst. Recht häufig begegnet der junge Henry seinem älteren alter Ego, das ihm beispielsweise beibringt, wie man sich Klei­dung „organisiert“, wie man Schlösser knackt und sehr wirkungsvoll vor der Polizei flüchtet. Henry DeTamble gelingt es sogar, zu studieren und schließlich in einer Chicagoer Bibliothek als Bibliothekar zu arbeiten.1 Bis zum Jahre 1991 geht alles gut, genauer gesagt, bis zum 26. Oktober 1991, den Henry niemals vergessen wird – denn an diesem Tag trifft er die Frau seines Lebens in der Bi­bliothek, Clare Abshire, eine zwanzigjährige, dynamische Künstlerin. Seine zu­künftige Frau. Aber das weiß er natürlich in diesem Moment noch nicht. Clare schon…

Henry!“ Ich muss mich zurückhalten, um ihm nicht um den Hals zu fallen. Aber offensichtlich hat er mich noch nie in seinem Leben gesehen.

Kennen wir uns? Tut mir leid, ich…“ Henry sieht sich um, befürchtet, wir könn­ten von Lesern oder Kollegen bemerkt werde, durchforstet sein Gedächtnis und begreift, dass eine zukünftige Ausgabe seines Ichs diesem strahlend glücklichen Mädchen, das da vor ihm steht, schon einmal begegnet ist. Als ich ihn das letzte Mal sah, hat er mir auf der Wiese die Zehen gelutscht…

Clare, die Hauptperson des Romans (neben Henry natürlich), erzeugt in dem arglosen Bibliothekar eine ganz besonders aufregende Konfusion. Ihm wird klar, dass er „später“ in seinem Leben Clare „früher“ schon einmal „besucht haben werden wird“ (mit den Zeiten ist das so eine Sache, sie verlaufen in diesem Ro­man sehr vertrackt, aber ungemein reizvoll und niemals so kompliziert, dass sie den Lesefluss hemmen). Und Clare Abshire kennt ihn bereits seit längerem. Wie lange, kann er natürlich nicht wissen. Doch sie erzählt es ihm wenig später: sie hat ihn zum ersten Mal gesehen, als sie sechs Jahre alt war. Er hat darum buch­stäblich ihr gesamtes bisheriges Leben geprägt (ohne dass IHM davon schon et­was widerfahren ist, das kommt alles noch).

So kommen die beiden auf eine sehr romantische Weise, die durchaus höchst chaotisch wird, zusammen, und unablässig springen die Zeiten, immer wieder begegnet Henry sich selbst, Clare in früheren Lebensphasen, überrascht Clares Freundinnen, materialisiert nackt in der Bibliothek und muss sich mit Bewe­gungsmeldern und ähnlich unangenehmen Dingen herumschlagen. Er stellt schnell fest, dass das Leben mit Clare zwar herrlich und vor allen Dingen äu­ßerst erotisch ist, aber es ist nicht eitel Sonnenschein.

Und es gibt Geheimnisse. Dinge, die Clare von Henry und über ihn weiß, er aber nicht (weil er sie noch nicht erlebt hat). Eines davon, das ihr in der Bedeutung aber nicht klar ist, betrifft den 27. Oktober 1984, als Clare 13 Jahre alt war. Für ihn ist das noch ferne, traumatische Zukunft. Aber unausweichlich.

Noch schwieriger wird die Lage aber, als sie Nachwuchs haben wollen. Denn es stellt sich schnell heraus, dass das Zeitreisegen vererbt wird. An jedes einzelne Kind. Und ein jedes stirbt, bevor es geboren wird…

Dieses Buch, das ich 2007 in einer schönen, bibliophilen Ausgabe geschenkt be­kam und erst jetzt nach dem Ansehen des gleichnamigen Kinofilms, der auf dem Buch basiert2, lesen konnte, ist wirklich eine der erlesenen kleinen Kost­barkeiten des modernen Buchmarktes, die man als romantisch veranlagter Mensch meines Erachtens einfach gelesen haben sollte. Die Länge des Buches wird man nach wenigen Seiten gar nicht mehr spüren, sondern sich eher wün­schen, es würde niemals enden (leider ist es nach gut 800 Seiten schon zu Ende, die Taschenbuchausgabe sogar schon nach etwas mehr als 500 Seiten. Sniff!). Und ich glaube auch, es ist gar nicht mal zwingend notwendig, dafür Phantastik-Fan zu sein. Danach könnte man es allerdings werden.

Ein Kritiker merkte zu dem Film an, der Regisseur habe händeringend versucht, die Logiklücken des Films durch romantische Szenen zu überspielen (was m. E. weitgehend gelungen ist), allerdings kamen diese Lücken mehrheitlich im Film vor. Für sich betrachtet, ist er faszinierend, doch empfiehlt es sich sehr, den Film zu sehen und danach erst den Roman zu lesen, sonst könnte eine gewisse Ent­täuschung unvermeidlich sein. Der Regisseur des Films war einfach zu eifrig dar­auf bedacht, Szenen zusammenzubasteln, die so eigentlich nicht recht zu­sammengehörten. Der Leser merkt das rasch. Er entdeckt auch, wie sehr ver­armt die Filmfassung gegenüber dem Buch ist:

Viele wirklich konstitutive Elemente des Buches fehlen im Film gänzlich. Bei manchen kann man es sehr gut nachvollziehen. Als Clare 18 wird und Henry sie auf der Wiese trifft, um sie danach zwei Jahre lang nicht zu besuchen, wird nicht nur ein Kuss ausgetauscht (wie im Film), sondern es geschieht noch weitaus mehr. Das wäre aber für den Regisseur wohl moralisch bedenklich gewesen. Ebenso stelle ich es mir höchst problematisch vor, es als „intelligent“ hinzustellen (wie es im Buch aus purer Notwendigkeit passiert), wenn ein jun­ger Mann seinem jugendlichen alter Ego beibringt, wie man Leute ausraubt und Schlösser knackt. Nicht eben eine Vorbildfunktion, die man im Kino gern zeigen will, nicht wahr? Dito verhält es sich mit der wirklich sehr stürmischen Leiden­schaft, die Henry und Clare an den Tag legen, BEVOR sie verheiratet sind. Wie sagt Clare doch einmal? „An manchen Tagen kann ich gar nicht recht sitzen“, und das sagt doch eine ziemliche Menge über den beiderseitigen Sexwunsch aus… so ist es nämlich gemeint.

Ebenso findet eine drastische Einschränkung des personellen Umfelds der bei­den Familien statt. Freundinnen von Clare, ehemalige Geliebte von Henry, das gesamte Bibliothekspersonal und eigentlich beiderlei Familienangehörige hören quasi auf zu bestehen, gemeinsam mit allen faszinierenden, dramatischen, er­heiternden oder problematischen Szenen, die damit zusammenhängen. Das schwächt den Film außerordentlich ab.

Wo das Buch hingegen eine offensichtlich handlungsdramaturgische Schwäche besitzt, das ist der Punkt der Begegnungen von jüngeren und älteren Zeitreisen­den. Hier wird munter gegen den Energieerhaltungssatz verstoßen. Phantastik-Leser, die sich mit Zeitreisegeschichten auskennen, wissen das zur Genüge. In den weitaus meisten Zeitreisegeschichten hüten sich Zeitreisende, ihrem alter Ego anderer Zeiten nahe zu kommen. Henry I und II haben aber gar keine Skru­pel, einander sehr handgreiflich zu unterstützen und (dosiert) ihr Wissen aus­zutauschen.

Doch das alles ist angesichts der Liebesgeschichte um Henry und Clare wirklich vollkommen nebensächlich. Ich habe wirklich schon sehr lange kein so unend­lich romantisches Buch mehr gelesen, aus dem ich nur mit großem Widerstre­ben wieder auftauchen wollte.

Es ist ein schönes Buch, aller Kritik zum Trotz. Und es ist einfach grandios über­setzt. Wer immer es sehen sollte, muss unbedingt zuschlagen. Wenn ihr auch nur einen Funken romantischen Einfühlungsvermögens besitzt, werdet ihr Hen­ry, Clare, die Autorin und das Buch lieben!

© 2009 by Uwe Lammers

Genug geschwärmt, meine Freunde? Nein, ich glaube nicht! Und weil das so ist, werde ich auch in der kommenden Woche eines meiner ausdrücklichen Lieblingsbücher vorstellen, das ich unbedingt in die „all time favourites“ einsortieren würde, ohne Einschränkung… was bei den Tausenden von Werken, die ich in meinem Leben schon gelesen habe, eine Menge aussagt.

Was für ein magisches Buch ist es diesmal? Lasst euch überraschen – nächste Woche an dieser Stelle.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Und das ist eine der wunderbaren Eigenschaften des Buches: man glaubt diesem Henry DeTamble seinen Charakter, weil die Autorin das ganze Buch mit herrlichen bibliografischen Anekdoten, literarischen Anspie­lungen und wunderschönen Dialogen füllt, die man sich sehr gut bei Bibliothekaren vorstellen kann. Zumal dann, wenn man persönlich welche als Leser kennt, wie es bei mir der Fall ist…

2 Die Frau des Zeitreisenden, mit Eric Bana (Henry DeTamble) und Rachel McAdams (Clare Abshire), 2009. Lei­der fand ich, dass einige wesentliche Charakteristika bei den beiden auf der Strecke blieben, so dass sie ihre Rollen nicht wirklich ausfüllen konnten. Reduktionismus hat eben ernste Nachteile.