Rezensions-Blog 463: König Davids Raumschiff

Posted Juli 3rd, 2024 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

alte Romane in meinem großen Speicher von verfassten Rezen­sionen bringen es mit sich, dass ich nicht alle bibliografischen Informationen damals bei Abfassung in die Rezension einbrach­te. Ihr kennt das. Dieser Fall liegt hier erneut vor … aber wer sich von dem Roman, dem Autor oder dem Sujet angesprochen fühlt, wird zweifellos mit den vorhandenen Angaben via Inter­netrecherche schnell fündig werden.

Die Besprechung des Buches ist ein wenig, ich sage mal, zwie­gespalten. Denn wenn man sie sich näher anschaut, stellt man fest, dass ich sowohl sehr kritische Bemerkungen mache, zu­gleich aber auch eine ausgesprochene Lesbarkeit unterstelle … und sie gleich wieder dahingehend relativiere, wenn ich den Le­serkreis als solchen eingrenze, den es überwiegend nach reiner Unterhaltung gelüstet.

Tja, solcherart waren damals meine Rezensionen im Jahre 2002, sie waren mit der heißen Nadel gestrickt und ein wenig grob­schlächtig. Der Roman ist schon lange nicht mehr Teil meiner Bi­bliothek, und ich gebe zu, das ist vermutlich eine gute Entschei­dung gewesen. Inzwischen gebe ich schon sehr viel schönere Bücher weg – allein aus schieren Platzgründen. Da hätte ein Jer­ry Pournelle wirklich keine lange Halbwerts-Verweildauer beses­sen.

Dennoch, vielleicht lohnt auch nach all der Zeit ein Blick auf die­sen archaischen Schauplatz Prinz Samuals Welt und die Versu­che, die die Planetarier unternehmen, um dem drohenden Ver­hängnis zu entrinnen.

Wer gespannt darauf geworden ist, was hier eigentlich ange­deutet wird, der schaue einfach mal weiter:

König Davids Raumschiff

von Jerry Pournelle

Bastei 22061, 1983

352 Seiten, TB

Übersetzt von Barbara Heidkamp

Nach Jahrhunderten des Krieges ist das irdische Sternenreich allmählich dabei, sich wieder zu konsolidieren. Die Imperiale Raummarine knüpft Kontakte zu einstigen Kolonialwelten, hilft hier gegebenenfalls, eine einheitliche Regierung „in den Sattel“ zu heben und die Planeten so auf ihre Wiedereingliederung vor­zubereiten.

Es gibt nur gewisse Dinge, die dabei mustergültig schiefgehen. Ein solcher Fall ist Prinz Samuals Welt.

Dieser annähernd erdähnliche Planet ist nach dem Abbruch der Kontakte zum Sternenreich der Menschheit, nuklearen Katastro­phen und jahrhundertelangen Überlebenskämpfen auf eine feu­dale Stufe zurückgefallen. Die Oberfläche des Planeten ist ge­sprenkelt von Baronien, Königreichen, Herzogtümern und Stadt­staaten, die sich einzeln munter bekämpfen und dann und wann wechselnde Allianzen schließen.

Wie auch auf der Erde führen die wechselhaften Zeitläufte dazu, dass die technische Innovation durch den Motor Krieg verstärkt angetrieben wird. Schließlich gelangen die wohlhabenderen Staaten Haven und Orleans bis hinauf zum Besitz von dampfbe­triebenen Wagen, Eisenbahnen und schwerer Artillerie.

In der Entscheidungsschlacht zwischen den beiden Hegemonial­mächten greifen jedoch die Imperialen zugunsten des König­reichs Haven ein, das vom Monarchen König David regiert wird. Orleans, fast zerstört, ebenso wie der atomisierte Ort Lechfeld, werden Teil von Haven, die Truppen aufgelöst.

Nathan MacKinnie, der Kommandant der Streitkräfte von Or­leans, muss verbittert mit ansehen, wie die Imperialen sich im­mer stärker breit zu machen beginnen. Er weiß jedoch auch, dass es unmöglich ist, gegen sie mit militärischer Macht anzu­gehen, weil sie schlicht viel stärker sind als jede Militärmacht auf Prinz Samuals Welt.

In diesem Moment, in einer verräucherten Schänke in Haven, beginnt sich sein Leben in eine andere Richtung zu drehen, denn ein Unbekannter nimmt Kontakt mit ihm auf. Dieser Kon­takt führt rasch zum Geheimdienstchef Malcolm Dougal von Ha­ven, dem Mann, der MacKinnies Hauptfeind ist. Und dieser eröff­net dem verbitterten Soldaten überraschende Perspektiven:

Die Imperialen haben einen besonderen Grund, weshalb sie ver­suchen, Havens lange gehegten Traum der planetaren Hegemo­nie zu erfüllen und zu unterstützen. Nur ein geeinter Planet mit einer einheitlichen Regierung kann ins Imperium aufgenommen werden. Und erst, wenn DAS geschehen ist, können die zu den Sternen fliegenden Menschen das tun, was sie eigentlich wollen – eine neue Klasse von Kolonisten auf Prinz Samuals Welt ein­führen, die selbst über dem König steht und damit über kurz oder lang das gesamte Gesellschaftssystem von Haven und al­len anderen Staaten des Planeten zersetzen wird. Die Bewohner des Planeten werden bessere Sklaven sein.

Dougal macht MacKinnie den Vorschlag, in die Dienste König Davids einzutreten und zum Besten seiner Welt zu dienen. Denn der Geheimdienstchef hat erfahren, dass das imperiale Lager gespalten ist. Mindestens in drei Fraktionen: in die Marine, in den Imperialen Händler-Verband und in die Kirche des Neuen Rom. Und so, wie es aussieht, ermöglichen die Händler aus dem Kosmos den einheimischen Händlern – wenn sie denn wagemu­tig genug sind – einen Ausflug zum 12 Lichtjahre entfernten nächsten Kolonialplaneten Makassar, einer hoffnungslos rück­ständigen Welt.

MacKinnie lässt sich überreden, als Händler getarnt, eine Grup­pe dorthin zu führen. Denn auf Makassar befindet sich in einem gigantischen, als Tempel missbrauchten Gebäude der Stadt Ba­tav, ein großes Archiv aus der Zeit vor den Stellarkriegen. Und darin befindet sich Wissen, das die Bewohner von Prinz Samuals Welt dringend brauchen.

Dougal ist völlig klar, dass eine Auflehnung gegen das Imperium sinnlos ist. Aber was sie erreichen können, ist, den Status ihrer Welt zu ändern. Als Kolonie sind sie weitgehend rechtlos. Doch ein Planet zweiter Ordnung hat einen eigenen Sitz im imperialen Parlament und weitere Rechte. Einzige Bedingung für diese „Reife“ ist der Beweis dafür, dass die Planetarier eigenständige RAUMFAHRT betreiben – etwas, wovon Prinz Samuals Welt noch mindestens ein Jahrhundert entfernt ist. Es sei denn, man kann das beschleunigen. Und zwar so, dass es die Imperialen nicht mitbekommen …

Man kann dem Roman nachsagen, was man möchte – beispiels­weise, dass er unangemessen blutrünstig ist und an manchen Stellen mit Schwarzweißklischees nicht spart – , die Überset­zung hingegen ist gelungen, auch die Schilderung der doch sehr antiquiert wirkenden Gesellschaft von Haven (Rolle der Frau!!). Es ist auch bemerkenswert festzuhalten, dass sich Pournelle den „einfachen“ Lösungen verweigert und ein wenig auf Umwe­ge setzt. Auf Makassar sind dies freilich überaus blutige, und er hat eine starke Begeisterung, militärisch zu brillieren und Ge­metzel zu beschreiben. Dabei rutscht er allerdings in die Kli­schees vollkommen ab.

Laut dem Militärhistoriker John Keegan1 ist eine Schlacht spätes­tens seit Waterloo nicht mehr konkret beschreibbar, eigentlich war sie es nie, sondern nur ein wilder Bilderreigen aus Einzelein­drücken, die allenfalls aus der Distanz zu einem halbwegs pas­sablen Bild zusammengefügt werden können. Aus eigener An­schauung kann ich allerdings ergänzen, dass diese zerstreute Perspektive auch schon auf die Schlachten der Antike zutrifft.2

Pournelle macht aus seiner generellen Geringschätzung für die klassischen Religionen wie den Katholizismus und den Islam kei­nen Hehl, und es wird gemetzelt, was das Zeug hält. Wenn man letztlich den Roman Revue passieren lässt, fragt man sich, wozu eigentlich. Manchmal ist das Gedröhne in Bezug auf Ehre und Kriegsruhm einfach nervig

Das Buch ist kurzweilig lesbar, aber bei aller Liebe zu den De­tails – an manchen Stellen – hin und wieder an den Haaren her­beigezogen. Halt ein SF-Abenteuerroman, ganz wie es auf dem Cover steht. Sogar mit einer sehr, SEHR dezenten Lovestory, die freilich schon sehr zeitig durchschimmert.

Angenehme Unterhaltung für Leute, die keinen Wert auf tiefsin­nige Romane legen und vielleicht selbst ein paar Klischees mehr im Kopf haben, insbesondere über Religion, den Dominanzan­spruch bestimmter Rassen und die prinzipielle Unbelehrbarkeit großer Teile der Menschheit …

© 2002 by Uwe Lammers

Na, das war doch mal wieder eine waschechte, altbackene Space Opera, hm? Versprochen, in der nächsten Woche wird es wieder sehr viel irdischer, und es gibt mehr Gegenwarts-Boden­haftung mit einem Roman aus dem Kosmos von Clive Cussler.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Vgl. John Keegan: „Das Antlitz des Krieges“, Frankfurt am Main 1991.

2 Z. B. gilt das für die Schlacht von Delion. Vgl. dazu Victor Davis Hanson: „Die Kriege der griechischen Antike“, Berlin 2001.

Liebe Freunde des OSM,

puh, das war vielleicht ein wilder, turbulenter Monat … da weiß ich kaum, wo ich anfangen soll zu erzählen. Ich erlebte in die­sem Monat eine Cybersecurity-Tagung und vollbrachte meine Feuertaufe als Organisator einer Podiumsdiskussion zum Thema KI und Kreativität. Und dafür war soviel zu tun, so viel zu organi­sieren und zu kommunizieren, dass es mich schlussendlich wirk­lich überraschte, dass ich dennoch 27 Werke fertigstellen konn­te.

In der Welt ringsum grassieren derweil leider immer noch (und verstärkt seit dem 7. Oktober 2023) Unvernunft und blindwüti­ger Wahnsinn, dass man eigentlich den ganzen Tag nur heulen könnte. Da das aber nun mal kein wirklich konstruktives, ziel­führendes Verhalten ist, überlasse ich das den Angehörigen der armen Menschen, die im Mittelmeerraum zunehmend sterben … sei es, dass sie als Flüchtlinge im Mittelmeer umkommen, sei es, dass sie von fanatisierten Radikalen umgebracht werden, sei es, dass sie von rachsüchtigen Soldaten im Gegenzug ermordet werden, dass sie in Erdbebenregionen umkommen oder von Schlammfluten in Nordafrika ins Meer gespült werden.

Schweigen wir von psychisch labilen Menschen in den USA, die dutzendweise Unschuldige massakrieren und sich anschließend selbst umbringen, von Politikern in Europa, die versuchen, rechtsradikale Positionen rechts zu überholen …

Redet noch irgendwer von der Klimakrise? Nein, stattdessen wird wie weiland im Kalten Krieg überall aufgerüstet, überall werden mentale Frontstellungen ausgebaut, Feindbilder be­schworen … internationale Zusammenarbeit gerät unter Ver­dacht, Terrorzellen zu unterstützen … also bitte, die Weltpolitik dreht echt total am Rad. Es gab also wirklich fürwahr eine Men­ge, was mich gründlich vom Kurs hätte abbringen können – wenn ich es denn zugelassen hätte.

Aber ehrlich, ich hatte Besseres zu tun. Was genau? Nun, dies hier:

Blogartikel 564: Work in Progress, Part 130

(Verlorene Herzen – Archipel-Roman)

Anmerkung: Das war eine schöne Arbeit, die sich ziemlich hin­zog. Da die bisherige Druckversion sich von der digital gespei­cherten erstaunlich unterschied, war ich schon seit längerem dabei, sie sukzessive Zeile für Zeile zu kontrollieren. Ich nutzte die Gelegenheit natürlich auch dazu, ungelenke Formulierungen im Rohskript zu ändern, die Wortwahl an manchen Stellen zu ändern und Sätze gründlich nachzufeilen.

Inzwischen ist die Geschichte soweit auf Reihe … und die Arbeit daran machte mich so neugierig, dass ich in diesem Monat den Archipel-Roman „Antaganashs Abenteuer“ noch einmal las, den ich 2010 abgeschlossen habe … ja, ja, genau, ein unveröf­fentlichtes Werk, das mehr als 500 Seiten umfasst … tolle Idee, da wieder reinzulesen. Nicht unmöglich, dass ich nächs­tens an „Verlorene Herzen“ weiterschreibe … lass euch mal überraschen.

20Neu 12: Landung auf Thor-gil

(20Neu 13: Planetenbasis Grat-ban)

(Glossar der Serie „Oki und Cbalon – Das Ewigkeitsteam“)

(Glossar der Serie „Oki Stanwer – Der Mann aus dem Nichts“)

(Lexikon der Serie „Oki und Cbalon – Das Ewigkeitsteam“)

(Lexikon der Serie „Oki Stanwer – Der Mann aus dem Nichts“)

(16Neu 77: Dämonenjagd und Chaos)

Anmerkung: Damit werdet ihr in der nächsten Woche im kom­menden Close-Up-Beitrag konfrontiert. Hier möchte ich noch nichts vorwegnehmen, nur soviel: Oki Stanwer läuft in eine Fal­le, die ihn in einen Bereich des Universums verschlägt, aus dem eine Rückkehr undenkbar scheint. Und selbst heute, nach 27 realen Jahren haben diese Episoden ihren speziellen Zauber nicht verloren …

16Neu 75: Das Königreich der Dämonen

(16Neu 85: Pfadfinder in der Urzeit)

(Die Sorgen des Kommandanten – Archipel-Story)

Anmerkung: Das war eine Stippvisite im Asmaar-Len der Real­gegenwart des Jahres 872 Archipelzeitrechnung. Hier verfolge ich – etwas halbherzig, eingestanden – die Lebensspur des Stadtwachenkommandanten Vaased al Cooresh und bringe so in den Kontext der Rhonda-Romane eine zweite Perspektive ein. Kann aber noch geraume Zeit dauern, bis ich hier zu Rande komme.

(OSM-Wiki)

(16Neu 84: Milliarden Jahre tief)

16Neu 76: FEINDNEST

(16Neu 79: Auf der Schwelle zur Vernichtung)

(16Neu 80: Geheimnisse der Vergangenheit)

(16Neu 86: Baumeister-Kontakt)

20Neu 11: Verschlagen in die Violett-Zone

(20Neu 16: Der Robotkaiser)

Anmerkung: Tja, in dieser Episode taucht Oki Stanwer dann im KONFLIKT 20 auf und sorgt für Angst und Schrecken. Auch wenn er das eigentlich gar nicht will. Aber ich meine: Wer möchte schon gern gut Freund mit einem Terminator ohne Fleischhülle sein? Und so schaut Oki Stanwer in diesem Universum nun mal aus …

(20Neu 15: Eine Königin in Ketten)

(Unter falscher Flagge – Erotic Empire-Story)

(20Neu 17: Zurück in die Realität)

(16Neu 78: GOLEMS Falle)

Blogartikel 544: Langzeitprojekte 7 – Verlorene Herzen

Blogartikel 565: Close Up: Der OSM im Details (54)

(VvD 18: KONFLIKT-Angst)

(VvD 22: Vorstoß in die Fehlerwüste)

Anmerkung: Hier flammten wieder interessante Bilder auf, die das Innere der Galaxis Demor betreffen, und mir wurden ein paar Zusammenhänge klar, die die Handlung deutlich vorantrei­ben werden. Aber dafür brauche ich mehr Ruhe … ich fürchte, das wird im November kaum gelingen, vielleicht im Dezember …

(VvD 19: Rebellin der Sternenfeen)

(16Neu 87: Die Kegelwelten)

Blogartikel 553: Langzeitprojekte 8 – Spurensuche in Baby­lon

(20Neu 14: Gejagte der MACHT)

Und dann war der Monat bereits wieder vorbei.

Ja, ja, ich weiß natürlich, dass ihr lange Gesichter macht. Und es sind selbstverständlich auch kein 27 Werke. Woraus bestand denn der Rest?, das fragt ihr mit Recht. Das kann ich ganz ein­fach sagen: Ich habe eine ziemlich große Menge alter Rezensio­nen abgeschrieben und neu formatiert, insbesondere für die AN­DROMEDA NACHRICHTEN. Bei der Gelegenheit entdeckte ich auch eine uralte, ungewöhnlich kurze Geschichte wieder, die „Das hohle Gähnen der Stadt im Morgengrauen“ heißt und die leider auch nach über 25 Jahren ab Schreibdatum im­mer noch auf die Krisenlage dieser Welt vielfach zutrifft. Des­halb schien es mir geboten, sie wieder ans Licht der Öffentlich­keit zu befördern.

Wisst ihr, wenn man so über die Jahrzehnte der leider zuneh­menden Irrationalität zuschaut, sieht, wie die Politiker sich auf Topfblumenformat zurechtstutzen und wirklich jede Art von kon­struktiver Vision verlieren, wie sie Nebensächlichkeiten zu Staatskatastrophen aufblasen (man denke an die Aiwanger-Ge­schichte oder die Frage, wer jetzt die Verantwortung für Wahl­kampfverluste übernehmen soll), während die wirklich wichti­gen Themen (Begrenzung der Weltbevölkerungszunahme, Kli­maschutzmaßnahmen, gerechtere Verteilung des globalen Wohlstandes, konsequente Bekämpfung von rechtlicher Benach­teiligung und Korruption etwa) aus dem Blick geraten … ja, da kann man als hellsichtiger Zeitgenosse schon ein bisschen an der Vernunft der momentanen politischen Mandatsträger zweifeln.

Es gäbe zweifellos noch sehr vieles, was ich hier thematisieren könnte, aber das lasse ich mal besser, um mir und euch die Stimmung nicht vollends zu vermiesen.

Stattdessen weise ich besser auf die kommende Woche hin, wo Oki Stanwer einen höllischen Ort innerhalb der Milchstraße wei­ter erkundet – das „Königreich der Dämonen“, wo er ins Verder­ben fliegt. Das ist dann wahrhaftig der Stoff, aus dem die Alp­träume gemacht sind.

Ihr werdet es nächste Woche sehen.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß

Rezensions-Blog 462: Ich sehe dich (1)

Posted Juni 26th, 2024 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

erotische Romane von italienischen Autorinnen habe ich, soweit ich mich entsinnen kann, vor diesem hier noch keinen gelesen. Das machte die Lektüre doppelt interessant. Denn zum einen mag ich Venedig sehr gern, wo dieser Roman spielt, zum ande­ren bin ich Historiker und habe ohnehin ein Faible für alte Ge­bäude, bröckelnde Fresken und konservatorische Probleme. Und mit Elena Volpe lernte ich eine durch und durch bodenständige Person kennen, die mir von ihren Prinzipien her sehr zusagte.

Ich bin mal gespannt, was ihr wohl von ihr halten mögt. Vorhang auf für das heutige Buch:

Ich sehe dich

(OT: Io ti guardo)

Von Irene Cao

Goldmann 48061

352 Seiten, TB

ISBN 978-3-442-48061-6

Aus dem Italienischen von Judith Schwaab

Elena Volpe ist ein braves Mädchen. So würde sie sich selbst am ehesten beschreiben. Bieder, jedweder Form von Abenteuern gänzlich abgeneigt, außerdem ausgestattet mit festen Grund­sätzen. Zu ihnen gehören beispielsweise folgende Lebensre­geln: Alkohol ist nichts für mich. Fleisch und Fisch und derglei­chen ist etwas für Leute, denen es nichts ausmacht, fühlende Wesen umzubringen. Ich halte mich lieber an vegetarische Er­nährung. Männer kennenlernen? Sich aufdonnern und mit High Heels auf die Piste gehen, um endlich mal erotische Vergnügun­gen zu erleben?

Nein, nicht mit Elena Volpe.

Sie ist immer schon ein stilles, unaufgeregtes Mädchen gewe­sen, und deshalb hat sie wahrscheinlich auch den Beruf der Re­stauratorin ergriffen. Auch Reisen ist ihre Sache nicht – das ist ihr einfach nicht wichtig. Warum auch? Immerhin lebt ihre Fami­lie in Venedig, und Elena genügt es vollkommen, über Wochen und Monate bei der Restaurierung eines Freskos in einem alten venezianischen Palazzo auf einem Gerüst zu hocken, Schmutz zu entfernen und das Meisterwerk wieder behutsam instand zu setzen.

Ihre beiden einzigen Freunde sind indes unterschiedlich wie Tag und Nacht. Da ist ihr Studienfreund Filippo Di Nardi, der im Ge­gensatz zu ihr Architektur studiert hat und der für sie wie ein Bruder ist. Jedenfalls nimmt Elena das all die Jahre an. Ihre Freundin Gaia hingegen ist Shoppingberaterin für vermögende Leute, und sie liegt Elena natürlich unentwegt in den Ohren, sie kleide sich wie eine graue Maus und solle doch mal richtig ihre Weiblichkeit entdecken.

Auf unerwartete Weise geschieht das schneller, als Elena das für möglich hält – denn ihr Dienstherr Jacopo Brandolini verkün­det unvermittelt, dass der Palazzo, in dem Elena das Fresko re­stauriert, werde für die nächsten Monate einen Gast beherber­gen. Das ist ihr überhaupt nicht recht – fremde Leute, Stress, Aufregung … muss das alles sein? Aber natürlich kann sie dage­gen nichts sagen, der Palazzo gehört Brandolini schließlich.

Und dann lernt sie den Besucher kennen – eine absolut charis­matische Persönlichkeit. Es handelt sich um den Chefkoch Leo­nardo Ferrante, und binnen kürzester Zeit beginnt er damit, Ele­na zu umgarnen und zu verunsichern.

Das ist sie jetzt ohnehin schon – denn kurz zuvor hat Filippo ihr verkündet, dass er für eine Weile nach Rom gehen muss, um dort eine Stelle anzutreten … und dann hat er in der Nacht vor­her recht überraschend mit ihr geschlafen und so überdeutlich gezeigt, dass an Gaias Einschätzung („Er ist schon die ganze Zeit über in dich verschossen!“) deutlich mehr dran ist, als Ele­na all die Jahre wahrhaben wollte.

Und dann kommt der voller Geheimnisse steckende Leonardo wie ein Sturmwind über sie. Und wo Filippo sanft und zärtlich war, ist er eine reine Urgewalt, wild, leidenschaftlich, experi­mentierfreudig und wagemutig. Er bringt Elena dazu, grundle­gend neue Seiten in sich zu entdecken. Zugleich aber spürt die 29jährige Restauratorin einen immer stärkeren Spagat in sich, da sie aus ihrer Beziehung zu Leonardo ein Geheimnis macht, auch gegenüber ihrer Familie und ihren Freunden.

Und schließlich kommt es zur Krise …

Ich glaube, es ist ohne Schwierigkeiten zu sagen, dass Irene Cao mit diesem ersten Band der Trilogie sich einen Herzensroman von der Seele geschrieben hat. Elena ist erkennbar ihr alter Ego, und das liegt nicht nur daran, dass beide in Venedig stu­diert haben und sie so bei allen Beschreibungen des Ambientes und der Besonderheiten Venedigs alles bestens aus eigener Kenntnis darstellen kann. Das ist ein unleugbarer Vorteil gegen­über allen Romanautorinnen und -autoren, die sich für Ge­schichten nur eine interessante Location „wählen“ und den Text dann mit angelesenen Details anreichern.

Die sanftmütige, friedfertige Elena wächst dem Leser mit ihrem unspektakulären, unaufgeregten Leben definitiv sehr ans Herz. Und manchmal tut sie ihm auch leid, denn Leonardo ist oftmals wirklich extrem übergriffig und übt einen Zwang auf seine Ge­spielin aus, den ich häufig fast schon gewalttätig fand. So sehr ich den rauschhaften Zustand Elenas begreifen kann und das, was man dann als eine Form von Hörigkeit bezeichnen sollte, in der sie sich schließlich wieder findet … es war doch definitiv un­klar, wo in dieser klassischen „Frau zwischen zwei Männern“-Ge­schichte Elenas letztendlicher Platz sein würde.

Und dies hier stellt ja lediglich die erste Etappe dar. Es geht noch weiter, und selbst wenn der zweite Band dann erheblich kürzer ist als der erste, bleibe ich neugierig. Im Vergleich zu meiner sonstigen erotisch-romantischen Lektüre ist dieser Ro­man fast schon gelassen und entspannt. Wer Italien und Vene­dig speziell liebt, wird hier vermutlich unbedingt auf seine Kos­ten kommen. Ich bleibe jedenfalls am Ball und möchte wissen, wie das sinnliche Spiel zwischen Elena, Filippo und Leonardo weitergeht …

© 2019 by Uwe Lammers

Nächste Woche brechen wir mal wieder mit einem klassischen Science Fiction-Roman zu den Sternen auf. Und nein, ich verrate hier und heute noch nicht, worum es genau geht. Da müsst ihr euch noch ein paar Tage gedulden, meine Freunde …

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Blogartikel 568: Die Sache mit der Wahrheit im Archipel

Posted Juni 23rd, 2024 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

ich nehme das mal vorweg, damit ich den Kritikern gleich ein wenig den Wind aus den Segeln fangen kann – was ich heute er­zähle, ist nichts für Dogmatiker oder Menschen, die die Worte auf die Goldwaage legen. Es geht heute auf eine originelle Wei­se um die Freiheit der Rede, die vermutlich jeden gestandenen Historiker erblassen lassen wird.

Hey, könntet ihr da einwenden, ich selbst, der da jetzt schreibt, bin doch auch Historiker. Ist das nicht ein wenig widersprüch­lich, wenn ich solche Bemerkungen mache? Verwickele ich mich nicht automatisch in flagrante Widersprüche?

Seht ihr, wo wir diesen Punkt so schnell erreicht haben, sind wir exakt dort, wo ich hin möchte. Und zugleich jener, der mich im­mer wieder grinsen lässt, wenn ich Zeilen an meinen Archipel­geschichten ergänze. Ich lebe diesen faszinierenden Wider­spruch ständig, und inzwischen finde ich ihn durchweg char­mant. Ich will aber auch nicht leugnen, dass er mich vor zwan­zig Jahren bisweilen zur Weißglut vor Verzweiflung trieb. Im Al­ter wird man einfach ein wenig ruhiger … das gilt zumindest für die Majorität der Menschen, die ich kenne. Und das ist auch ganz gut so.

Fangen wir die Diskussion langsam an und tasten uns zu dem zentralen Punkt behutsam vor.

Die Archipelwelt, soviel ist sicherlich auch all jenen unter euch bewusst, die entweder schon sehr lange meinem Blog folgen oder bzw. ergänzend die eine oder andere Archipelgeschichte gelesen haben, die ich verschiedentlich in den zurückliegenden zehn oder fünfzehn Jahren im Fandom veröffentlicht habe, die Archipelwelt muss man als ausdrückliche low tech-Welt verste­hen. Der zivilisatorische Standard entspricht hier etwa dem der frühen europäischen Neuzeit oder des ausgehenden Mittelal­ters.

Erschwert wird die zivilisatorische Entwicklung hier durch ver­schiedene Faktoren. Im durchweg tropischen Archipel – den man mit einer deutlich vergrößerten pazifischen Inselwelt auf unse­rer Welt parallelisieren könnte – herrscht zum einen eklatanter Metallmangel. Auf den Inseln gibt es nach meiner bisherigen Kenntnis keine Bergwerke, auch Meteoriteisen dürfte eher selten sein. Der zweite Grund, warum die Gesellschaft dort eher nicht vom Fleck kommt, ist in einer stark retardierten Fruchtbarkeit der Menschen zu sehen.

Die Konsequenzen daraus sehen dergestalt aus, dass die Archi­pelinseln von kleinen Dorfgemeinschaften gesprenkelt sind, die nur sehr oberflächliche Verbindung miteinander besitzen. Selten haben diese Siedlungen mehr als hundert oder zweihundert Ein­wohner. Die meisten davon liegen an Buchten am Meer, wäh­rend das zumeist dicht bewaldete Hinterland nahezu überhaupt nicht erschlossen ist.

Da zudem die Entwicklung eines eigenen Schriftsystems nicht existent ist, hat sich eine ausgeprägte mündliche Überliefe­rungskultur etabliert. Und hier fingen für mich als Historiker die Probleme schon an, als ich 1997 diese Welt zu erkunden be­gann.

Natürlich wollte ich, sowohl als Historiker wie auch als Autor die­ser Welt wissen: Wie ist es eigentlich um die Vergangenheit die­ser Welt bestellt? Woher kommen diese Menschen, wie ist ihre Lebensform entstanden?

Es gab gute Gründe für solche Fragen. Ich nenne nur ein paar:

Zum einen stellte ich schon sehr früh fest, nämlich im allerers­ten Archipel-Roman „Die drei Strandpiratinnen“ (1997/98), dass es zivilisatorische Reste gab, Ruinen, künstliche Gewässer­bauten, im Urwald versunkene Gebäudestrukturen … das alles legte nahe, dass die heutige Archipelkultur auf den Schultern ei­ner versunkenen Kultur stand. Und ich war neugieriger Histori­ker genug, um mir plausible Fragen zu stellen: Wie sah diese Vorgängerkultur aus? Was wurde aus ihr? Nun, die Beantwor­tung derartiger Fragen war … schwierig.

Im dritten Archipel-Roman, „Christinas Schicksal“ (1999/2000), bekam diese Kultur einen Namen. Es waren, hieß es, die so genannten Us’sheleyaa, die so genannten „Wasser­kinder“. Eine Kultur, die in den mündlich tradierten Legenden als ungemein fortschrittlich und mächtig beschrieben wurde. Herren einer phantastischen Technik (z.B. im Bereich des Was­serbaus und auch des Schiffsbaus und der Navigation), von die­sen Fähigkeiten wurde ihr Volksname abgeleitet.

Aber mit Legenden ist das so eine Sache: Werden sie nicht schriftlich fixiert, verschwimmt die Überlieferung von Generati­on zu Generation immer stärker. Im Archipel, das sollte ich bald entdecken, war es sogar noch deutlich problematischer. Denn hier wurde die Kommunikationsverbindung zwischen den ver­sprengten Siedlungen, etwa auf der großen Archipel-Insel Coo­rin-Yaan, durch wandernde Geschichtenerzähler aufrechterhal­ten, etwa durch den Erzähler Aukan, der verschiedentlich durch Rhondas Heimatdorf kam.1

Inwiefern war das problematisch? Sollte man sich nicht darüber freuen, dass überhaupt irgendwer, und sei es in Form von eher legendenhaften Geschichten, das Wissen über die Vergangen­heit bewahrte?

Eindeutig – ja. Aber dabei blieb es ja nicht.

Aukan, um bei diesem Beispiel zu bleiben, hatte neben der Funktion, Legenden der Vergangenheit zu erzählen, auch die Ei­genschaft, Neuigkeiten von einem Dorf zum nächsten weiterzu­geben. Und außerdem besaß er eine soziale Funktion, indem er nämlich heranwachsende Sprösslinge, insbesondere abenteuerlustigen Mädchen, durch diese Legenden davon ab­brachte, auf eigene Faust das Dorf zu verlassen.

Wie stellte er das an? Nun, er baute schlichtweg Personen aus seiner Zuhörerschaft in die Geschichten ein und erzeugte auf diese Weise sowohl mehr Haftungswirkung dessen, was er er­zählte, als er auf der anderen Seite so auch mahnte und warnte.

Aber veränderte das dann nicht automatisch die historische Überlieferung?, mögt ihr euch jetzt stirnrunzelnd fragen.

Aber ja!

Und das war ja erst der Anfang.

Aukan erzählte beispielsweise auch, daran erinnerte sich Rhon­da später lebhaft, als sie in der Archipel-Metropole Asmaar-Len ihr neues Leben begann, von fernen Orten im Archipel. Beson­ders beeindruckend fand das kleine Mädchen Rhonda dabei die Darstellung von Asmaar-Len, das Aukan als ein Märchenreich beschrieb mit Dächern aus Gold und Korallen … absolut unwi­derstehlich.

Die Realität sah, wie Rhonda entdecken musste, vollkommen anders aus. Und sie schloss daraus messerscharf: Aukan ist nie in Asmaar-Len gewesen.

Machte ihr das etwas aus?

Nein!

Das verdutzte mich dann einfach immer mehr. Und ich fragte mich unweigerlich: Wenn selbst das Wissen über reale Orte, die man selbst nicht gesehen hat, so verzerrt und in jederlei Weise irreal überhöht wird, wenn ferner die Geschichten sich von Ort zu Ort wandeln, weil stets lokale Personen in die Erzählun­gen eingebunden werden können und vielleicht sogar müssen … was um alles in der Welt passiert dann mit historischen Fak­ten, die Jahrhunderte zurückliegen?

Du lieber Himmel! Ja, das war ganz meine Ansicht.

Es sah doch nun wirklich alles danach aus, als wenn binnen we­niger Generationen das reale historische Geschehen vollkom­men in Vergessenheit geraten würde, nicht wahr? Das befürch­tete ich naturgemäß auch.

Historische Wahrheit in unserem Sinne wurde auf diese Weise zu einem fluiden, verwirrenden und verwässerten Etwas, das ein wenig an eine Qualle erinnerte. Glibbrig und nicht mehr recht zu greifen, es würde dem Forscher beständig durch die Finger schlüpfen.

Es gab genügend Grund zu dieser Annahme.

Als Rhonda stärker in die Erzähltradition von Asmaar-Len hinein­wuchs (zum gegenwärtigen Schreibzeitpunkt ist sie knapp 2 Jahre dort), entdeckte sie beispielsweise, dass zahlreiche Legen­den in unzähligen Varianten erzählt wurden. Ich erwähne nur mal die Geschichte der Prinzessin Kyrina, die ab Seite 3500 des Romans „Rhondas Reifejahre“ erzählt wird, als dort eine Kli­entin gleichen Namens in den „Garten der Neeli“ gelangt.

Wie in eigentlich allen Archipel-Geschichten geht es hier um Lie­beshändel, Abenteuerreisen und verlorene und wieder gefunde­ne Liebende. In der Version, die Rhonda hier hörte, wurde bei­spielsweise das Schiff, in dem sie reiste, versenkt, und es sank auf den Meeresgrund, wo sie von einem untermeerischen Volk gerettet wurde.

Es gibt aber auch, wie Rhonda später im Roman „Rhondas Aufstieg“ erfuhr, eine Variante dieser Legende, in der die Prin­zessin Kyrina von einem Wal gerettet wurde, weil sie sich im Be­sitz einer Nixenhaut befand, die es ihr ermöglichte, unter Was­ser zu atmen.2

Und dann gibt es eine weitere Variante, in der, wie das Mädchen Francesca vergnügt erzählt, „die Wale am Meeresgrund lachen“.

Man erkennt hieran: Der Phantasie der Erzählerinnen und Erzäh­ler ist kaum eine Grenze gesetzt. Historische Fakten verweben sich ununterscheidbar mit abenteuerlichsten märchenhaften Details, und es ist völlig normal, wenn in den Legenden, die die Geschichtenerzähler vorbringen, auf einmal Götter, Göttinnen, Waldgeister, Quellnymphen, Goldschuppennixen und andere rätselhafte, mystische Figuren auftauchen.

Für die historische Wahrheit ist das nahezu pures Gift.

Zugleich, das hat der Archipel-Historiker Olongis Na-Kere bei jahrzehntelangen Recherchen im Archipel entdeckt, fußen viele dieser Märchengestalten offenbar auf historischem Boden. Auch hier möchte ich nur stellvertretend für zweifellos viele andere ein einzelnes Beispiel herausgreifen: Als Rhonda im Unterricht in Asmaar-Len vom Unterweltherrscher Karcavennyo hört, der über seine Heerscharen von Juwelen schürfenden Zwergen ge­bietet3, da ist er für sie naturgemäß eine reine Legendengestalt.

Aber später, als sie durch Zufall auf die legendären Heiligtümer von Cooriday stößt, zu der auch unglaubliche Schätze an ge­schliffenen Juwelen gehören, da wird sie doch ein wenig wan­kend in ihrer Überzeugung. Denn immerhin: solche Juwelen gibt es ja wirklich. Und animistisch-gläubig, wie das Mädchen ist, nimmt es an, weil fest überzeugt vom Wirken der göttlichen Vor­sehung und von der Existenz des Sonnengottes Laraykos und seiner vegetativen Gemahlin Neeli, dass es das Reich des Unter­weltherrschers Karcavennyo vielleicht doch irgendwo gibt … und ist ganz froh darüber, dass die Legende so glimpflich für die Menschheit ausgegangen ist.

Sie hat natürlich keine Ahnung davon, dass in fernerer Zukunft ein Schatzsucher sich auf die Suche nach der Archipel-Insel Wushion machen wird. Einer Insel, auf der einstmals ein sagen­haft reicher Regent namens Karcay Vennyos gelebt und ge­herrscht haben soll.4

Allein hieran erkennt man recht deutlich, dass manche mytholo­gische Persönlichkeit doch wohl in der realen Vergangenheit wurzelt. Man kann aber davon ausgehen, dass alle solchen wah­ren historischen Sachverhalte durch die verzerrende Überliefe­rung im Archipel dramatisch entstellt und ins Märchenhafte übersteigert worden sind.

Interessanterweise ist es die Liebesreligion des Archipels an den Sonnengott Laraykos und seine Gemahlin Neeli, die nicht allein retardierende Momente wirksam werden lässt. Viele Elemente der Vergangenheit werden, wenn auch ausgeschmückt und zweifellos übertrieben und verzerrt, durch die Gemeinschaft der Gläubigen in der einen oder anderen Form durchaus über die Generationen überliefert. Und dieser Glaube hat eine unglaubli­che Beharrungskraft. Selbst als die Adeligen vom Südkontinent Coorin-Yaan besiedeln und mit Asmaar-Len die wohl bevölke­rungsreichste Stadt des Archipels gründen, erweist es sich, dass diese Art der Erzählkultur und die solcherart tradierten Legen­den unausrottbar sind.

Es sei nur am Rande darauf hingewiesen, dass auch die Bewoh­ner des Südkontinents – wiewohl es dort eine etablierte Schrift­kultur gibt! – auf sehr ähnliche Weise die reale Historie verzer­ren und mythologisieren. Das aber wäre einen eigenen Artikel wert, dafür ist heute der Platz nicht mehr gegeben.

Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass historische Wahr­heit und Fiktion im Überlieferungsgebaren der Archipelbewoh­ner eine höchst kritische und vorsichtig zu betrachtende Melan­ge darstellen, die man wirklich nicht 1:1 übernehmen kann. Ja, es sei denn natürlich, man ist ein leicht beeinflussbares Mäd­chen von 12 Jahren, wie es meine liebreizende Rhonda ist.

Tatsache bleibt außerdem, dass ich die Neugierde der Kinder auf Archipel-Legenden sehr gut verstehen kann. Man weiß wirk­lich absolut nicht, worauf man treffen wird, wenn man sich auf dieses Abenteuer einlässt … und genau deshalb bin ich wohl nach wie vor mehr fasziniert und entzückt als erschrocken und frustriert, wenn solcherart wirkungsvoll die historische Wahrheit sich hinter einem Schleier vernebelnder Worte versteckt und kaum mehr auffindbar ist. Es steht nicht zu erwarten, dass sich das in näherer Zukunft ändern sollte. Und das ist auch ganz gut so.

Bis bald, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

1 Vgl. dazu die veröffentlichte Story „Zu Besuch in einem kleinen Dorf“, 2001.

2 Vgl. dazu die veröffentlichte Geschichte „Rhonda und die Legende von Sinaaya und der Geisterlagune“, 2008.

3 Vgl. dazu die veröffentlichte Story In Karcavennyos Reich“, 2009.

4 Vgl. dazu beizeiten das Fragment „Schatzsucher“, 2003.

Liebe Freunde des OSM,

als ich vor zwanzig Jahren dieses mit gutem Grund in den Far­ben Schwarz-Rot-Weiß (die Farben der NS-Hakenkreuzfahne!) gehaltene Taschenbüchlein auf dem Wühltisch entdeckte, war ich recht konsterniert. Aber ein Blick ins Inhaltsverzeichnis be­lehrte mich sofort, dass das Werk dringend gekauft und gelesen werden musste.

Es handelte sich nämlich keineswegs um eine apologetische Verteidigungsschrift des NS-Staates, sondern um exakt das Ge­genteil. In diesem Buch nimmt der Autor Markus Tiedemann akribisch und faktenbasiert 60 rechtsradikale, gefährliche Lügen aufs Korn und zerpflückt sie. Auf diese Weise bekommt man eine Menge grässlicher Details über die Naziherrschaft mit, manches davon war selbst mir als Neuzeithistoriker nicht so präsent. Und am Ende ist man nach der Lektüre günstigstenfalls imstande, ahnungsloseren Zeitgenossen dabei zu helfen, ihre schlichten verklärenden Ansichten vom Hitlerstaat, „als alles noch besser war“ auszureden.

Denn das sei vorab gesagt: Natürlich war der NS-Staat eine menschenverachtende Diktatur, in der das Leben Andersden­kender wenig galt. Und es wurden grauenhafte Verbrechen dort verübt, nicht ausschließlich, aber zu erheblichem Teil an den jü­dischen Mitbürgern Europas. Natürlich gab es Überlebende. Na­türlich gab es den Holocaust. Und selbstverständlich gab es im bürokratischen deutschen Staat reichlich Dokumentationsmate­rial, das die Verbrechen selbst dann noch nachweisen konnte, auch wenn die Täter vieles zu zerstören suchten. Außerdem gab es reuige, geständige Täter, denen die Ungeheuerlichkeit des­sen, was sie zu tun gezwungen waren, die Seele schwer mach­te.

Bereit für einen Abstieg in den Alptraum des Schreckens, der sich real ereignet hat? Dann zieht euch warm an, Freunde, hier geht es los:

In Auschwitz wurde niemand vergast.“

60 rechtsradikale Lügen und wie man sie widerlegt

Von Markus Tiedemann

Omnibus 20990

192 Seiten, TB

Dezember 2000, 6.00 Euro

ISBN 3-570-20990-3

Wem alleine schon vom Titel her das sinnbildliche „Messer in der Hose“ aufgeht, der ist hier vollkommen richtig. Der Titel ist ein Zitat aus der rechtsradikalen Extremistenszene, und der Au­tor Markus Tiedemann (offensichtlich ein Pädagoge – über den leider sonst im Buch rein gar nichts steht) unternimmt hier, wie der Untertitel verrät, den (erschütternden!) Versuch, in kurzer und prägnanter Weise sechzig der häufigsten Neonazislogans über das Dritte Reich auseinanderzunehmen. Er tut das nicht mit irgendwelchen moralinsauren Belehrungen, sondern lässt hierzu recht gut dokumentiert die Quellen selbst sprechen, ein Vorgehen, das jedem Historiker nur zu gut bekannt ist und das manchmal auch bei Politikern sehr am Platze wäre.

Neun Abschnitte untergliedern die 60 Lügen. Die ersten zwölf betreffen die Person Adolf Hitlers und beginnen mit solchen abs­trusen Behauptungen wie „Hitler wußte nichts vom Holocaust“, „Hitler wollte Frieden“, „Hitler war ein genialer Politiker“ oder „Hitler liebte das deutsche Volk“. Letzteres kann man ja am völ­lig zerbombten Nachkriegsdeutschland schön nachvollziehen …

Der zweite Abschnitt, der mit zwei „Lügen“ abgekanzelt wird, betrifft die NSDAP und den Staat – deshalb so kurz, weil im ers­ten Komplex schon vieles abgehandelt wurde, das hierhin ge­hörte. Schließlich war der diktatorische Führerstaat geradezu magnetisch auf Hitler ausgerichtet.

Im Bereich III, der die Wehrmacht betrifft, begegnet der Leser so bekannten, geschichtsverdrehenden Behauptungen wie dieser: „Die Wehrmacht war nicht am Holocaust beteiligt“ – um sie und damit die militaristische Tradition vom Völkermord reinzuwa­schen. Ein Versuch, der hier unter anderem durch fotografische Dokumente klar widerlegt wird.

Sehr breiten Raum nimmt Abschnitt 4 ein, wo es um die Kriegs­gegner geht, was zugleich erkennbar die „angenehmen“ von den „weniger angenehmen“ Themen der Revisionisten scheidet. Sehr gerne wird die Aufrechnung gesucht bzw. fremde Schuld entgegengehalten, meist mit Spekulationen und unbewiesenen Behauptungen untermauert, die recht schnell zu entkräften sind.

Aufgeteilt in UdSSR und Westliche Alliierte wird von Seiten der Rechtsradikalen oft argumentiert, die sowjetischen GULAGs sei­en nicht schlimmer als KZs gewesen (was deren Unkenntnis des GULAG-Systems noch mehr offenbart als ihre Unkenntnis über KZs), beim „Fall Barbarossa“ (Überfall auf die Sowjetunion) habe es sich um einen Präventivkrieg gehandelt, bzw. die kaltschnäu­zige Behauptung, die westlichen Alliierten seien ebenso große Antisemiten wie Hitler gewesen und hätten ihn deshalb gewäh­ren lassen.

Gerne verdrängt wird der Bereich 5, wo die Rolle der Euthanasie im NS-Staat erörtert wird. Mit wahrer Wonne „konzentrieren“ sich dagegen die Holocaust-Leugner auf den Holocaust selbst (Bereich 6), die Konzentrationslager und den Mord außerhalb von KZs. Hier wird bagatellisiert, dass sich die sprichwörtlichen Balken biegen. Dort waltet zudem ein solcher Zynismus, dass es dem Leser fast den Magen umdreht. Ein paar Lügen gefällig? Bitte schön:

Da niemand eine Vergasung überlebte, gibt es auch keine be­weiskräftigen Zeugenaussagen.“

Oder: „Ja, es gab Gaskammern, aber sie wurden nie benutzt.“

Oder: „Die sogenannten Einsatzgruppen stellten eine normale Arbeitspolizei dar und dienten höchstens zur Partisanenbe­kämpfung.“

[Nur zwei Bemerkungen hierzu: bei Christopher Browning lässt sich anhand von Aktenmaterial nachweisen, dass die Einsatz­gruppen und angeschlossene Wehrmachtseinheiten am 3. No­vember 1943 alleine bei Majdanek rund 17.000-18.000 „Partisa­nen“ erschossen haben. Bei einer anderen Gelegenheit wurde genau Buch geführt, nämlich am 6. August 1941. Von 1385 er­schossenen Personen dieses Tages waren 275 Frauen und einer ein ehemaliger russischer Soldat…1]

Oder: „Es gab keine Massenerschießungen. Es gibt keine Bewei­se dafür, denn Täter hätten niemals ausgesagt und Überlebende konnte es nicht geben.“

Genug? Okay. Bei solchen Behauptungen bleibt selbst einem ernsthaften Historiker wie mir gelegentlich die Spucke weg, ganz ehrlich.

Noch abenteuerlicher wird es in Abschnitt 7 mit dem Titel „Er­fundenes Beweismaterial“, wo der Autor gut nachweisen kann, dass manche Argumentationslinien einfach absurd sind. Etwa bei Lüge 44: „‘Geheime Dokumente’ in Moskau beweisen alles, was die Geschichtsfälscher gerade beweisen wollen“ – wobei mit „Geschichtsfälscher“ hier diejenigen seriösen Historiker ge­meint sind, die Grundlagenarbeit am Holocaust betreiben. Wie schreibt doch Tiedemann so passend ironisch zu dieser Lüge: „Es sei an dieser Stelle eine Gegenfrage erlaubt: Wie erlangten die selbsternannten Historiker der rechten Szene überhaupt Kenntnis von jenen Dokumenten, wenn diese so sehr geheim ge­halten wurden?“ Darauf weiß vermutlich keiner der rechten Demagogen eine gescheite Antwort. Und das ist gut so.

Wirklich gefährlich ist hingegen Kapitel 8: Professioneller Revisionismus, der sich den Anschein der Seriosität gibt. Hier tauchen haarsträubende Rechenexempel auf, die sich teilweise selbst widerlegen. Da wird die Existenz von Gaskammern zum Teil zugestanden, aber behauptet, dass es dennoch keine Verga­sungen gegeben habe, weil die Gaskammern nicht beheizbar gewesen seien und Zyklon B erst bei 26 Grad Celsius zerfalle (was stimmt!). Oder dass die Rückstände von Zyklon B in den Wänden der Gaskammern zu gering seien, um die „massive Nutzung“ der Räumlichkeiten zu belegen. Außerordentlich kalt­schnäuzig ist die Behauptung, angesichts eines heimlich aufge­nommenen Fotos (!) von Leichenverbrennungen auf dem Gebiet von Auschwitz zu sagen: „Das Gelände des KZ Auschwitz ist viel zu sumpfig, als dass dort ein Scheiterhaufen hätte entfacht wer­den können.“ Es ist natürlich keineswegs unmöglich. Und Tiede­mann erklärt auch, was die Revisionisten hier verschweigen …

Auch die beiden Argumentationslinien zum Thema 9 „Deutsche Bevölkerung“ – einmal jene, die sagt „Das Volk wurde zum Ge­horsam gezwungen“, zum anderen jene, die behauptet „Das Volk war unwissendes und getäuschtes Opfer“ – werden präzise anhand von zahlreichen Beispielen widerlegt und entkräftet.

Vieles in diesem Buch ist auch für mich überaus erschütternd gewesen. Erschütternd und neu. Eine ganze Reihe der im Litera­turverzeichnis genannten Werke werden in absehbarer Zeit mei­ne Büchersuchliste bereichern, das ist ganz klar.

Tiedemanns Aussagen gelten zweifellos nicht nur für das Jahr 1993, in dem in Deutschland Asylheime brannten und in dem die Recherchen für dieses Buch allmählich begonnen wurden. Vieles von dem, was er erzählt, ist gewiss auch gegenwärtig der Fall. So ist anzunehmen, dass auch heute noch

1) das Detailwissen der Jugendlichen über die Zeit des National­sozialismus erschreckend gering ist;

2) das Ausmaß der Professionalität neonazistischer Revisionis­ten und deren Einfluss auf leicht beeinflussbare, ziellose Jugend­liche sehr stark sein dürfte und

3) Pädagogen häufig auf unterbreitete revisionistische Schriften bzw. Ansichten nicht konsequent und entkräftend reagieren kön­nen, weil niemand sie hinreichend darauf vorbereitet.

In einer Zeit hoher Arbeitslosigkeit, politischer Frustration, kriegstreiberischer internationaler Atmosphäre und, kann man vielleicht überspitzt hinzufügen, moralischen Verfalls (darüber lässt sich streiten) ist die Gefahr mit Sicherheit groß, dass per­spektivlose Jugendliche „einfache“ Lösungen als reale Chancen sehen und damit jenen Bauernfängern und Demagogen ins Netz gehen, die dabei sind, die brutale, menschenverachtende Zeit des Nationalsozialismus zu glorifizieren und von neuem herbei­zusehnen.

Ich kann Tiedemanns Absicht daher nur voll inhaltlich unterstüt­zen, wenn er im Vorwort seines wirklich gelungenen Bandes schreibt: „Revisionistische Äußerungen schlicht als indiskutabel zu bewerten und zu übergehen, ist sicherlich ethisch nicht zu beanstanden, pädagogisch sehe ich in diesem Vorgehen jedoch ein großes Risiko. Zum einen erzeugt das Ausbleiben einer Wi­derlegung durch Eltern, Lehrer oder Erzieher bei vielen Jugendli­chen den Eindruck, als sei diese gar nicht möglich …

Zum anderen sollte jenen, die Revisionismus gezielt und profes­sionell betreiben, offensiv begegnet werden … Es gilt unmissver­ständlich klarzumachen, mit welchen Tricks und mit welcher po­litischen Absicht hier geschichtliche Fakten gefälscht oder ge­leugnet werden. Auf diese Weise werden jene rechtsextremen Geschichtsfälscher gezwungen, sich zu dem zu bekennen, was sie wirklich sind: Menschen, die sich an einer Ideologie ergöt­zen, die schon einmal mit absoluter Menschenverachtung millio­nenfaches Leid erzeugt hat.“

Ich glaube, dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

© 2004 by Uwe Lammers

Ja, es ist zwanzig Jahre her, dass ich das Buch rezensiert habe … aber es spielt kaum eine Rolle, wie lange so etwas zurück­liegt, denn bedauerlicherweise grassiert die Geschichtsverges­senheit und die Verdrängung nach wie vor. Je mehr der Zeitzeu­gen wegsterben, desto massiver werden die Leugnungen und Verharmlosungen.

Deshalb ist das immer noch ein Buch, das erhebliche Relevanz besitzt, sei es für den Schulunterricht oder für den allgemeinen Lernprozess der Nachwachsenden. Ihr solltet es wieder hervor­ziehen und lesen, das lohnt sich. Leider, müsste man wohl sa­gen … die Menschheit lernt echt in Mäuseschritten und macht zudem ständig nervöse Rückschritte durch.

In der kommenden Woche kümmere ich mich um eine weitere Trilogie mit erotischem Inhalt. Diesmal geht es nach Italien … al­les Weitere werdet ihr dann sehen.

Bis bald, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

1 Vgl. Christopher Browning: „Ganz normale Männer. Das Reservebataillon 101 und die „Endlösung“ in Polen, Reinbek 1993.

Liebe Freunde des OSM,

heute beleuchte ich im Rahmen dieser Artikelreihe ein weiteres Quartal meines Schaffensprozesses, nämlich die Monate Juli, August und September des Jahres 2021. Die Kreativzahlen lau­ten statistisch: 22, 30 und 31, und ihr spürt hier schon den Hauch der Veränderung, von der ich kürzlich sprach. Ich nehme das mal vorweg:

Ende August 2021 hörte meine Beschäftigung für die TU Braun­schweig planmäßig auf, der Rest der 3-Jahres-Projektfrist war abgelaufen, eine Verlängerung stand nicht im Raum, ich wurde also wie so häufig schon erlebt, wieder in die Arbeitslosigkeit entlassen und Kunde der Agentur für Arbeit. In unserer heutigen Zeit leider für Geisteswissenschaftler ein geläufiges Schicksal. Nervig, keine Frage, und es hatte unvermeidlich einen massiven ökonomischen Einschnitt zur Folge, der bis heute anhält (Schreibdatum: 3. September 2023).

Doch wie alle Dinge hatte auch diese Tatsache zwei Seiten. Die unangenehme habe ich oben genannt. Vorteilhaft war auf der anderen Seite, dass ich so deutlich mehr Zeit für meine Kreativi­tät erhielt. Und da ich in den vergangenen Monaten schon sehr massiv unter einer kreativen Dysbalance und sehr strapazier­tem Zeitmanagement gelitten hatte, das sich auch auf meine berufliche Leistung nachteilig auswirkte, begrüßte ein Teil von mir dieses Ende des Zeitvertrages ausdrücklich.

Wie sah die Auswirkung auf die „Annalen der Ewigkeit“ aus und auf die anderen Arbeitsfelder meiner Werke?

Im Juli gingen natürlich die begonnenen Digitalisierungsprojekte weiter, also KONFLIKT 13 „Oki Stanwer Horror“, KONFLIKT 12 „Oki Stanwer – Bezwinger des Chaos“ sowie in sehr bescheidenem Maße an „Erotische Abenteuer“. Ansonsten merkte ich sehr deutlich massive Erschöpfungserscheinungen.

Ich versuchte zwar, an dem entscheidenden Band 57 „Göttli­che Erkenntnisse“ des KONFLIKTS 28 „Oki Stanwer – Der Sie­geljäger“ voranzukommen, aber das war völlig vergebene Lie­besmüh.

Der Versuch, am Annalen-Werk „Der Kristall-Gral“ weiterzu­kommen, scheiterte ebenfalls. Dasselbe galt für das E-Book „BdC 2: Gestrandet in Bytharg“.

Im August, in dessen zweiter Hälfte ich glücklicherweise noch Resturlaub nehmen konnte, was meinem kreativen Dynamo un­bestreitbar sehr gut tat, sah es anfangs nicht besser aus. Der Urlaub half mir dann, das Digitalisat des KONFLIKTS 12 am 24. August zu vollenden. Ich habe darüber, wenn ihr euch erinnert, schon damals im Blogartikel 437 geschrieben, der am 19. De­zember 2021 erschienen ist.

Ihr entsinnt euch außerdem, dass ich in der vergangenen Folge dieser Artikelreihe erwähnte, dass ich überraschend an KON­FLIKT 24 „Oki Stanwer – Der Neutralkrieger“ vorwärtsgekommen war. Daran versuchte ich in diesem Monat anzuknüpfen, leider kam ich nicht sehr weit. Ich war einfach zu groggy dafür, und die Bilder wollten nicht durch meinen Verstand strömen. Und ihr kennt das – wenn das nicht der Fall ist, stecke ich auf und versu­che mein Glück anderwärts, wo ich mehr Energie fließen fühle.

Diesmal bedeutete das, dass ich schaute, ob es eventuell in KONFLIKT 9 „Oki Stanwer – Der Kaiser der Okis“ besser funktio­nieren würde … aber leider wieder Fehlanzeige.

Okay, dachte ich, dann formatiere ich zumindest die letzten bei­den Teile des OSM-Romans „Kämpfer gegen den Tod“ für BWA … das klappte dann glatt.

Außerdem begann ich am 8. August, weil das Ende von KON­FLIKT 12 schon absehbar war, mit einem weiteren Projekt, das ich schon längst anzugehen versucht war: Ich nahm mich der Digitalisierung des so genannten „Proto-OSM-9-KONFLIKTS“ an, also meines 1983 gestarteten ersten Versuchs, den KONFLIKT 9 des OSM in der Serie „Der Kaiser der Okis“ zu realisieren. Das schlief damals nach wenigen Jahren vollständig ein, aber das bedeutete nun natürlich auch, dass diese Serie sehr kurz war. Und die Episoden waren sehr kurz. Bis Ende August kam ich also schon in Band 4 der Serie.

In der zweiten Monatshälfte, wo sich – wie oben angedeutet – meine Energie wieder etwas von der langen Dysbalance und dem Stress erholte, gelang mir das, was im Juli noch fehlge­schlagen war: Ich konnte „Göttliche Erkenntnisse“ fertigstel­len, einen in jederlei Weise phantastischen Roman voller Enthül­lungen und Neuigkeiten. Ich goss das damals umgehend eben­falls in einen Blogartikel (Nr. 444, erschienen am 6. Februar 2022). Das war auch deshalb sinnvoll, weil das immerhin Band 2050 des OSM wurde.

Anschließend versuchte ich eine weitere Baustelle zu bewirt­schaften, KONFLIKT 21 „Oki Stanwer – Fürst von Leucienne“, aber das war dann zu viel des Guten, hier versiegten die Bilder rasch. Ich seufzte und schickte mich in das Unvermeidliche.

Gegen Ende des Monats probierte ich – mit sehr mäßigem Erfolg – mein Glück noch bei zwei weiteren „Annalen“-Baustellen. Zum einen schaute ich rein in die Story „Mutproben“, die im KON­FLIKT 28 des OSM spielt … ohne Frage deutlich inspiriert vom OSM-Band 2050, der im gleichen Universum angesiedelt ist. Und dann schrieb ich weiter an einem Hintergrundartikel mit dem Titel „BURTSONS Feuerprobe“, der in KONFLIKT 9 spielt. Auch das wurde leider noch nichts.

Im September, nunmehr ganz freigestellt, beendete ich mit dem Blogartikel 449 die Berichterstattung über die klassischen Hor­rorwelt-Folgen. Dann wandte ich mich entspannt einem weite­ren „Annalen“-Fragment zu, nämlich der Geschichte „Quisiins letzter Fall“, die in der Tat in weiten Teilen inzwischen fertig ist, aber ein paar zentrale Elemente in der hinteren Hälfte und der Schluss fehlen nach wie vor.

Außerdem konzentrierte ich einige Energie auf „Das Geheim­nis von Church Island“ (KONFLIKT 13) und etwas auch in die Geschichte „Im Bann der schönen Fremden“ (KONFLIKT 12).

Interessanterweise brannte die kreative Flamme in diesem Mo­nat stärker für die neuen Episoden der Serie „Horrorwelt“. So konnte ich sowohl Band 175 „HOOGHYL“ fertigstellen als auch ziemlich geschwind die nächsten beiden Episoden, wo ich das Schicksal der früheren Waldhexe Mira beleuchtete, der die Flucht aus dem Heerlager der Werwölfe gelang.

Und dann war überraschend das dritte Quartal 2021 schon wie­der Vergangenheit … glaubt mir, ich war selbst verdutzt, wie rasch die Monate dahinflogen. Das sollte noch interessanter werden. Davon werde ich euch in der nächsten Ausgabe dieser Artikelreihe erzählen.

Bis nächste Woche dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 460: Unbestechlich

Posted Juni 12th, 2024 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

ich weiß, es ist lange her, dass ich einen Kriminalroman um den fiktiven amerikanischen Ermittler Isaac Bell gelesen und rezen­siert habe. Den letzten Roman las ich 2020, und ich gestehe, dass ich mich mit der Lektüre anfangs etwas schwertat. Das hatte verschiedene Gründe. Einer davon bestand in der Tatsa­che, dass ich mich an etwas gewöhnt hatte, was ich aus ande­ren Cussler-Romanen, insbesondere aus dem Kosmos des Schatzsucher-Ehepaars Sam und Remi Fargo, lieb gewonnen hatte: Das Personenregister.

Gibt es hier nicht.

Das machte die Übersicht gerade zu Beginn einigermaßen schwer, zumal Faktor 2 ins Spiel kam: Justin Scott baut die Isaac Bell-Abenteuer chronologisch aufeinander auf, die Personende­cke ist recht weitläufig. Das liegt nahe, weil die fiktive Van Dorn Agency nun einmal in den gesamten amerikanischen Bundes­staaten operiert. Da tauchen Agenten auf, Geschäftsstellenlei­ter, Informanten, Botenjungen … da kommt man schnell durch­einander. Und wenn dann noch, wie in diesem Roman, gelegent­lich Bezug auf frühere Fälle genommen wird, die ich vor Jahren (!) gelesen und nicht mehr ganz in Erinnerung habe, dann wird es noch wilder.

Die Handlungszeit macht die Sache nicht leichter: Die frühen 20er Jahre und insbesondere die Prohibitionspolitik der USA in jener Zeit sind mir nur sehr flüchtig geläufig, das wird wohl den meisten LeserInnen so gehen. Aber vertraut meinem Urteil: Man kommt dann doch rasch herein und wird vom leidenschaftlichen Handlungsstrom mitgerissen.

Besonders schön fand ich es, dass wir es hier mal wieder nicht – wie es gelegentlich bei schwächeren Cussler-Romanen ge­schieht – mit Dumpfbacken als „Villains“ zu tun haben, sondern mit ausgesprochen raffinierten, durchtriebenen und gnadenlo­sen Schurken, die Bell und seinen Mannen meist einen oder zwei Schritte voraus sind. Da wird gekämpft, intrigiert, gemor­det und Fallen gestellt, dass sich dem Leser bisweilen die Na­ckenhaare sträuben.

Und am Ende war ich so tief drin, dass ich nicht mehr rausge­kommen bin, ehe ich die letzte Zeile ausgelesen hatte. Also, Freunde, ich schlage vor, ihr nehmt euch das nicht als Abend­lektüre vor, es sei denn, ihr wollt die Nacht durchlesen!

Das bekümmert euch nicht, sondern macht euch eher noch neu­gierig? Well done, dann schauen wir uns die Geschichte mal nä­her an. Gurte angezogen, los geht die Achterbahnfahrt:

Unbestechlich

(OT: The Bootlegger)

Von Clive Cussler & Justin Scott

Blanvalet 0320

412 Seiten, TB, Oktober 2016

Übersetzt von Michael Kubiak

ISBN 978-3-7341-0320-9

Als das als Volstead Act bekannte Gesetz in den Vereinigten Staaten nach dem Ersten Weltkrieg das kurzlebige Zeitalter der Prohibition initiiert und den Alkoholverkauf und seinen Konsum unter Strafe stellt, explodiert das organisierte Verbrechen in ei­ner Weise, die man sich bis dahin nicht einmal im Ansatz vor­stellen konnte. Ehrbare Menschen, die durch die Entlassung aus dem Militärdienst oder eine wirtschaftliche Flaute in prekäre ökonomische Verhältnisse geraten sind, entwickeln auf einmal eine Art von bizarrer Doppelmoral. Austernfischer fahren hinaus aus dem Hafen, um auf der neutralen See in der so genannten „Rum Row“ Schmuggelschiffe aus der Karibik zu treffen und mit ihrer Konterbande nach der Rückkehr die Flüsterkneipen und kriminellen Syndikate zu beliefern, die die alkoholdurstige Öf­fentlichkeit versorgen.

Rasch stellt sich auch heraus, dass Polizisten und öffentliche An­gestellte, Politiker und selbst Volstead-Agenten, die eigentlich Schmuggler verfolgen und vor Gericht bringen sollen, gegen Schmiergeld bereitwillig wegschauen und Fünfe gerade sein las­sen. Ein Klima der allgemeinen Korruption breitet sich aus, und es ist bald offenkundig, dass die Prohibitionsgesetze genau das Gegenteil von dem bewirken, was sie eigentlich sollten.

Im Jahre 1921 befindet sich der Inhaber der Van Dorn Agency, der schon betagte Joseph Van Dorn, auf der Suche nach weite­ren Finanziers, und in diesem Zuge beteiligt er sich auch daran, Alkoholschmuggler auf See aufzubringen. Das ist beinahe sein letztes Engagement, denn er wird Zeuge davon, wie überra­schend ein hochgerüstetes, gepanzertes Boot auftaucht und die Schmuggler schützt. Er wird mehrfach angeschossen und kommt beinahe ums Leben.

Sein Chefermittler Isaac Bell setzt daraufhin Himmel und Hölle in Bewegung, um dieses schwarze Boot zu finden und den Bei­nahe-Mörder seines Chefs zu stellen. Aber er hat keine Ahnung, worin er hier durch schieren Zufall geraten ist. Der wichtigste Zeuge des Überfalls wird fast vor seinen Augen getötet – durch einen Genickschuss einer kleinkalibrigen Waffe. Der Täter kann entkommen. Dabei trifft Bell mit einer betörend schönen Frau zusammen, Fern Hawley, einer reichen Erbin. Noch hält er das alles für seltsame Zufälle und kann sich kaum denken, dass die­se Vorfälle letztlich dazu führen werden, dass er in eine haar­sträubende internationale Verschwörung hineingezogen wird. An diesem Punkt der Geschichte hält er das für ebenso abwegig wie der Leser, aber es kommt genau so.

Bells deutschstämmige Ermittlerin Pauline Grantzau, die auf dem Sprung ins chaotische Deutschland der Weimarer Republik ist und vor der Abreise noch von den Vorfällen erfährt, ist der Ansicht, dass die Mordmethode völlig unamerikanisch ist. Sie kennt dergleichen aus Europa – als Liquidationsmethode der Komintern, der Kommunistischen Internationale, die von Moskau gesteuert wird und überall auf der Welt die Weltrevolution vor­antreiben soll.

Isaac Bell hält das für sehr abwegig, zumal ihm bekannt ist, dass die amerikanische Kommunistische Partei und die Komin­tern verfeindet sind. Mehr noch glaubt er nicht an eine Verbin­dung zwischen den Alkohol schmuggelnden Bootleggern und ei­ner kommunistischen Verschwörung. Das klingt alles zu abstrus. Aber Pauline beweist den richtigen Riecher. In der Tat führen die Spuren, die der Chefermittler und seine Leute rasch zu verfol­gen beginnen, genau in diese Richtung. Ein dubioser russischer Adeliger, Prinz Andre, taucht auf, der in großem Stil in der Wall Street zu spekulieren beginnt. Ein mörderischer anarchistischer Sprengstoffanschlag in der New Yorker Innenstadt macht Bell bald klar, dass sie es mit einem absolut skrupellosen Gegner zu tun haben, der unter der Tarnung eines Bootleggers, also eines hochrangigen Alkoholschmugglers, daran macht, sinistre Ziele zu verfolgen. Ziele, die ihm aber lange Zeit unklar bleiben.

Die Fährte führt nach Detroit am den Großen Seen, wo die Van Dorn-Agenten in die Schusswechsel der Verbrechersyndikate hineingezogen werden und von abenteuerlichen Gerüchten hö­ren, eins abwegiger als das andere. Schwimmende Flüsterknei­pen. Luftschiffe, die dem Alkoholschmuggel dienen sollen, und dann wird auch noch von einem Schmuggeltunnel nach Kanada geflüstert … bald lassen sich Gerüchte und Realität nicht mehr auseinander halten.

Doch was Prinz Andre, der in Wahrheit völlig anders heißt, tat­sächlich für ein Ziel verfolgt, bleibt lange mysteriös und wider­sprüchlich. Als Isaac Bell endlich Klarheit gewinnt, ist es beinahe zu spät – und eine tödliche, schier unaufhaltsame Gefahr nähert sich mit Riesenschritten New York …

Das Zeitalter der Prohibition in den USA ist, parallel zu den tur­bulenten 20er Jahren in Europa (man denke nur an „Babylon Berlin“), eine chaotische, farbenprächtige Zeit, voller schillern­der Charaktere, atemberaubender Intrigen und dubioser Figu­ren, die ihr Fähnlein opportunistisch nach dem Wind drehen und bisweilen recht unerwartet das Lager wechseln. Justin Scott fängt diese wilde, wirre Zeit mit all den schillernden Personen recht solide ein. Die meisten Charaktere bleiben zwar holz­schnittartig, werden nur eher hemdsärmelig charakterisiert, doch lernt man als Leser rasch, den Leuten grundsätzlich zu misstrauen.

Nehmen wir nur ein paar Personen des Ensembles heraus: Da hätten wir Prinz Andre, den wir besser Marat Zolner nennen soll­ten. Ein eisenharter Bootlegger, aber ebenso ein Komintern-Agent in den USA. Ist er tatsächlich, wie seine Genossen mut­maßen, weich geworden und den Verlockungen des Kapitalis­mus verfallen? Oder glaubt er ernsthaft an „die Sache“, wie fragwürdig die Umstände auch sein mögen, in denen er sich be­wegt? Oder wie ist es mit Fern Hawley, der verwöhnten Millio­närserbin? Ist sie nur von Zolner fasziniert oder tatsächlich im Herzen an der Sache der Arbeiterschaft interessiert? Ist sie ein­fach ein Opfer unglücklicher Umstände? Schwer zu sagen.

Manche Leute hätten vermutlich heutzutage im Klima der Can­cel Culture und der schnell aufbrausenden Mimosenmentalität das Erscheinen des Romans an sich verhindert. Warum? Nun, in Detroit skizziert Justin Scott eine jüdische Bootlegger-Organisa­tion unter dem mörderischen Admiral Abe, die „Jewish Navy“ … da könnten naive, empfindsame Seelen schon der Ansicht sein, hier schwinge Antisemitismus mit. Bei genauerem Lesen natür­lich eine absurde Vorstellung. Aber es gibt heutzutage in unser ach so empfindlichen Mimosenkultur ja Leute, die schon bei ei­ner bloßen Andeutung in dieser Richtung lautstark aufschreien könnten. Ich zähle nicht dazu.

Unbestechlich“ ist ein wirklich vielseitiger, spannender Abenteuerroman geworden, in dem sich zwei hochintelligente Seiten belauern und bekämpfen, und in der beide Seiten rigide austeilen und einander ständig Verluste beifügen, ohne dass es – bis ganz zum Schluss – zu einem eigentlichen Showdown kommt.

Wer dabei alles auf der Strecke bleibt und wer künftigen Isaac Bell-Abenteuern als Handlungsfigur erhalten bleibt, das wird hier nicht verraten. Es sei aber gesagt, dass ich die zweite Hälf­te des Romans binnen von zwei Tagen verschlungen habe, weil ich nicht mehr aufhören konnte … ein eindeutiges Qualitäts­merkmal!

Absolute Leseempfehlung von meiner Seite.

© 2023 by Uwe Lammers

Na, das war mal eine schöne tour de force, hm? Dafür gehen wir in der nächsten Woche in dem sehr wichtigen Sachbuch, das ich vorstellen möchte, an einen der schrecklichsten Orte der Ge­schichte: Auschwitz-Birkenau.

Soviel zur Vorwarnung oder zum neugierig machen.

Bis demnächst, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Liebe Freunde des OSM,

vor neun Wochen philosophierte ich an dieser Stelle über die bislang noch offene Frage, wie denn nun das bislang proviso­risch „Autoren-Nachlassarchiv“ genannte Gebilde vielleicht ei­nes nahen oder fernen Tages heißen möge. Auf einen klaren Nenner kam ich dabei, eigentlich erwartbar, noch nicht.

Heute möchte ich auf etwas anderes hinlenken, was im ersten Moment vielleicht nach einer vollständigen thematischen Ab­schweifung aussieht, aber das ist nur im ersten und vielleicht auch zweiten Moment so.

Während am heutigen Tag viele von euch vielleicht eher dar­über nachgrübeln, ob sie zur Europawahl gehen oder, falls ja (worauf ich bei den meisten von euch hoffe), wo sie wohl ihr Kreuz machen sollen, ist das für mich schon längst entschieden. Nein, ich habe keine Briefwahl gemacht. Ich werde brav heute früh zum Wahlbüro schlendern und mein Kreuz da machen, wo ich es immer bei Wahlen zu machen pflege: bei der einzigen Partei, die die Zukunft der Menschheit langfristig im Blick hat und sich primär um ökologische Themen kümmert. Alle anderen Parteien haben das nur so als temporäres Feigenblatt in ihren Wahlprogrammen und befassen sich lieber mit anderen Dingen, lassen sich leicht von den Medien und Meinungsblättern der Re­publik vor ihren Karren spannen.

Damit ist selbstverständlich nicht gesagt, dass die anderen The­men nicht auch wichtig sind und gelöst werden sollten … doch seien wir ehrlich: wenn wir die globale Ökologie nicht in den Griff bekommen, sind solche Themen wie Migration, Rechtsradi­kalismus, erstarkender Nationalismus, Kriminalität, Armut, Haushaltsdefizite usw. auch nicht mehr weiter wichtig.

Soviel zum Thema der heutigen Wahl. Meine Entscheidung steht also fest, ehe ich den Stift gezückt habe.

Ich möchte heute primär von etwas anderem berichten – von ei­nem Event, den ich besucht habe und von einem, der aktuell noch faszinierende Zukunftsmusik ist.

Reden wir über Buchmessen. In diesem Sinne: Von der Leipziger Buchmesse 2024 einerseits und von „Leseflair“ andererseits. Wenn ihr von letzterer Veranstaltung noch nichts wisst, weitet euren Horizont, meine Lieben. Ich sage dazu gleich mehr.

Am 22. März 2024 besuchte ich, wie schon im vergangenen Jahr geplant, die Leipziger Buchmesse. Das Wetter war einigerma­ßen durchwachsen, und es war gut, einen Schirm dabei zu ha­ben, aber das nur so am Rande. Auf der Hinfahrt, die ich sonst traditionell zum Lesen des eingepackten Lesestoffs verwende, kam ich mit einer Bibliothekarin aus einer Randgemeinde von Braunschweig ins Gespräch … und ungelogen, die Zeit wurde uns nicht lang. Ruckzuck waren wir in Leipzig und verloren uns bei dem Gewusel der Aberhunderte von Ständen schnellstens aus den Augen. Nun, es war auch mächtig was los dort, ungelo­gen.

Ich hatte ein paar Ideen für die Buchmesse, muss ich an dieser Stelle zugeben. Beispielsweise wollte ich endlich eine engagier­te Mitstreiterin des Autoren-Nachlassarchiv-Projekts persönlich treffen, was sich bislang nicht ergeben hatte … Mann, was hatte ich mich darauf gefreut, dafür gibt es gar keine Worte mehr.

Doch kurz vor Abreise sandte sie mir eine bedauernde Mail: Ein Bandscheibenvorfall habe sie völlig lahm gelegt, und sie könne nun doch nicht zur Buchmesse kommen.

Nun, gegen höhere Gewalt kann man nix tun, dachte ich bedau­ernd … und konzentrierte mich also schweren Herzens auf wei­tere Planungen. Davon gab es ja noch einige.

Eine weitere Brieffreundin hatte sich mit mir verabredet, aber wir hatten leider keinen klaren Treffpunkt ausgemacht … mit der ernüchternden Konsequenz, dass wir uns verfehlten und ich auch dieses Treffen leider nicht einhalten konnte. Frust auf bei­den Seiten. Dumm gelaufen.

Dann hatte ich zumindest beim Stand des Phantastik Autoren-Netzwerks (PAN) Glück, meinen dortigen Ansprechpartner zu treffen … allerdings war er im Megastress und hatte eigentlich überhaupt keine Zeit. Sehr schade.

Da ich ja, bedingt durch meine berufliche Ablenkung, in der Zwi­schenzeit mit dem Projekt eher nicht so planerisch vorangekom­men war (abgesehen von einem faszinierenden Gespräch im Trafo Hub, von dem ich vermutlich beim nächsten Mal mehr er­zählen kann), beschränkte ich mich also wesentlich auf neugie­riges Flanieren, gelegentliche Gespräche mit Verlegern, Flyer­verteilen für meine E-Books. Und schlussendlich landete ich beim Modernen Antiquariat, einem für den Geldbeutel verhee­renden Regal-Märchenland mit Abertausenden von interessan­ten antiquarischen Büchern. Ich hatte mir zwar vorgenommen, nichts zu kaufen (wenn man mehr als dreitausend ungelesene Bücher daheim hat, sollte man seine Kauflust schon ein wenig zügeln, gell? Ah, sagt das mal einem Bücher-Junkie wie mir … vergebene Liebesmüh!), aber …

So fand ich dann also doch das eine oder andere Schnäppchen.

Dabei hatte ich, als ich schließlich abends die Buchmesse hinter mir ließ, noch keine Ahnung, dass eine weitere Planungspanne passiert war … auch sie lässt sich auf mangelnde Absprache zu­rückführen: Ein langjähriger Autorenkollege, den ich ewig nicht gesehen habe, mit dem ich aber in recht regem Mailaustausch stehe, war doch tatsächlich mal wieder auf der Leipziger Buch­messe gewesen, und dann auch noch am gleichen Tag wie ich!

Da ich davon allerdings nichts wusste, verfehlte ich ihn natür­lich ebenfalls … und erfuhr es dann erst im Nachhinein. Ach ja, das war dann wirklich jammerschade. Manchmal klappt auch gar nichts.

Schon am 7. März erfuhr ich dann, wenn ich es recht erinnere, von dem Projekt, über das ich jetzt berichten werde. An diesem Abend fand der monatliche Kreativ-Stammtisch in der Brunsviga in Braunschweig statt, und ich hatte ausdrücklich darum gebe­ten, eine Braunschweiger Autorin dazu zu holen, weil ich mit ihr zusammen am 8. Mai eine Veranstaltung genauer planen wollte.

Roberta sagte mir an dem Abend, während wir Details für die Eventplanung durchgingen, sie habe erfahren, dass in Braun­schweig nächstens eine erste Buchmesse organisiert werden solle, und zwar genau in der Brunsviga.

Das war mir vollkommen neu, und ich bat sie dann, mir so schnell als möglich genauere Infos zukommen zu lassen. Was sie dann auch tat.

Und da ich ja zurzeit im Zentrum des Netzwerks der KreativRe­gion e.V. (KR) sitze und von hier aus in alle Richtungen kreative Leute miteinander in Kontakt bringe, nahm ich natürlich auch mit dem Organisator dieser „ersten Braunschweiger Buchmes­se“, die den Titel „Leseflair“ trage wird und in der Brunsviga stattfinden soll – also auf für mich und die KR wirklich absolut vertrautem Terrain – umgehend ebenfalls Kontakt auf und lud ihn zu uns ein.

Beim nächsten Kreativ-Stammtisch am 4. April tauchte er dann persönlich auf und redete voller Begeisterung über seine Profes­sion als Buchblogger, seine Leidenschaft für Literatur und von seinem Traum, hier im Norden, recht weit abgeschlagen von an­deren Buchmessen, eine lokale Buchmesse zu organisieren.

Eben „Leseflair“.

Die Veranstaltung, die sich sowohl als Buchmesse wie auch als Festival versteht, wird am 17. und 18. August 2024 stattfinden und neben der Brunsviga auch noch andere Locations einbezie­hen. Details finden sich auf der Seite www.leseflair.de. Er hat zwischenzeitlich auch einen Zeitungsartikel bekommen (Neue Braunschweiger Nr. 16, 61. Jg., 20. April 2024).

Was, so könntet ihr euch jetzt natürlich fragen, hat das alles mit dem Autoren-Nachlassarchiv-Projekt zu tun? Nun ja, um das zu erkennen, muss man vielleicht ein wenig die Kristallkugel bemü­hen. Oder sich daran erinnern, dass es hier zwei wichtige An­knüpfungspunkte gibt: Zum einen geht es um regionale Auto­ren (mehrheitlich aus der Selfpublisher-Szene, wie ihr auf der Webseite entdecken werdet), und das ist unbedingt eine Klien­tel, die für das Nachlassarchiv entdeckt werden will.

Zum anderen ist das Archiv als Langzeitprojekt gedacht. Es fängt zwar im Hier und Heute mit der Idee und den ersten vor­sichtigen Realisierungsschritten an, aber es kann als sicher gel­ten, dass es erst in einigen Jahren tatsächlich an Geschwindig­keit und Konturen gewinnen wird. Deshalb geht es wesentlich darum, das Projekt an sich vor Ort bekannter zu machen. Mit den Kreativen in Braunschweig und Umgebung ins Gespräch zu kommen. Unterstützer zu werben …

Für solche Kontaktanbahnungen sind derartige Veranstaltungen wie Buchmessen ein absolutes Muss – und genau deshalb werde ich Mitte August auf jeden Fall vor Ort sein.

Ob ich dann schon so gut vorbereitet bin, dass ich eine Unter­stützerliste anlegen kann? Keine Ahnung. Für die Leipziger Buchmesse war ein derartiger Gedanke ja definitiv noch zu früh. Aber vergessen ist der ebenso wenig wie zahlreiche andere Ge­danken, die mit dem Projekt in Verbindung stehen.

Es bleibt unbedingt spannend, Freunde. Mehr dazu im nächsten Teil dieser Artikelserie, der für den 4. August geplant ist.

Bis bald, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 459: Die DifferenzMaschine

Posted Juni 5th, 2024 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

Steampunk ist eine Literaturspielart der Science Fiction, die man auch als eine Form von alternativer Retro-SF bezeichnen könnte. Sie wird häufig als dystopisch-archaischer Gegenent­wurf zu klassischen Dystopien gesehen und basiert in der Regel auf Technologien des 19. Jahrhunderts, gelegentlich auch mit magischen Zusätzen versehen. Nicht selten wird hier davon ausgegangen, dass die technologische Entwicklung früher als in unserer Zeitskala einen alternativen, vorzeitigen Weg einge­schlagen hat.

Da findet man dann beispielsweise mit Dampfmaschinen ange­triebene Verkehrssysteme schon Jahrzehnte vor ihrer regulären Einführung, was die Gesellschaften gründlich neuen technologi­schen Impulsen aussetzt. Mit der Konsequenz, dass auch be­kannte historische Persönlichkeiten ein anderes Profil bekom­men, Nationengrenzen sich verschieben, Kriege anders verlau­fen und so weiter und so fort.

Und was wäre, könnte man die klassische Alternativweltenfrage stellen, wenn der Computer nicht erst im 20. Jahrhundert seinen Siegeszug angetreten hätte, sondern gewissermaßen, unter Dampf stehend, bereits im 19. Jahrhundert? Es gab bekanntlich schon weit voraus denkende Techniker und Wissenschaftler, etwa Charles Babbage mit seiner DifferenzMaschine.

Und damit landen wir exakt in dem Kosmos des vorliegenden phantastischen Romans. Viel Spaß mit einem unter Dampf ste­henden England des 19. Jahrhunderts, das in den Rausch der Steampunk-Computer des Charles Babbage gerät:

Die DifferenzMaschine

(OT: The Difference Engine)

Von William Gibson und Bruce Sterling

Heyne 4860

576 Seiten, München 1992

Aus dem Amerikanischen von Walter Brumm

ISBN 3-453-05380-X

London. Man schreibt den 15. Januar 1855. Die Welt ist eisig, und das Keuchen der dampfmaschinengetriebenen U-Bahnen, das Summen der Telegraphenleitungen und besonders die Ge­räusche der aktiven Dirne Sybil Gerard mischen sich ineinander. Sie wird, ohne es zu wissen, in ein Gespinst hineingezogen, in dem es um Macht, Reichtum und die Weltrevolution geht. Der Südstaaten-General Samuel Houston auf England-Tournee, der kleine Gauner Michael Radley, seine Gespielin Sybil und ein Rä­cher, der Engel von Goliad, sie alle spielen die Hauptrollen in diesem ersten, zum Ende hin blutigen Akt.

Die Welt, in der dieses Spiel beginnt, ist eine ungemein faszinie­rende: sie wird beherrscht von den Radikalen-Lords, den Tech­nokraten um Charles Babbage und Charles Darwin, der Adel hat weitestgehend ausgespielt. Dieses England hat den Iren in der Hungersnot der 1840er-Jahre geholfen und ist mit Frankreich verbündet. Wellington wurde von einer Attentäterbombe zerris­sen, und die Dampfmaschine hat, gesteuert durch Charles Bab­bages DifferenzMaschine, den Siegeszug in allen Bereichen des Lebens angetreten. Selbst der Geheimdienst bedient sich ge­waltiger, mit Lochkarten betriebener DifferenzMaschinen, um Jagd auf Verbrecher zu machen, Dossiers und ähnliches anzule­gen. Karl Marx ist aus Frankreich vertrieben worden und hat sein Exil in Manhattan gesucht, wo er eine kommunistische Re­gierung ausrief, die die Kapitalisten dort einen Kopf kürzer machte.

Von dort kommen nun kommunistisch-gesteuerte Agenten, um einen verheerenden Umsturz anzuzetteln, der in der Gluthitze des Londoner Sommers 1855 auch tatsächlich zu beginnen scheint. Doch dies wird in der zweiten und dritten Iteration (analog zu Kapiteln, deren es fünf in diesem Buch gibt) durch die Brille von Edward Mallory, Paläontologe und Entdecker des Brontosaurus, des so genannten „Land-Leviathan“, geschildert. Er stößt bei einem Motorrenn-Derby zufällig auf die Tochter des amtierenden Premierministers, Ada Byron, wo er sich mit zwei Schurken anlegt, in deren Gewalt Ada zu sein scheint. Er erhält von ihr einen Kasten, den er aufbewahren soll.

Dieser Kasten enthält Lochkartensätze. Um an sie zu gelangen, schrecken die Schurken vor nichts zurück. Sie beginnen Mallo­rys Ruf und den Zusammenhalt seiner Familie systematisch zu zerstören, bis dieser schließlich wutentbrannt in den glutheißen Sommertagen zurückschlägt.

Dies alles vermischt sich wiederum mit dem Geheimdienstchef Laurence Oliphant und seinen Aktivitäten. Oliphant, der von sei­nem Überwachungsstaat par excellence träumt und von Diffe­renzMaschinen und technokratischem „Schnickschnack“ weni­ger versteht, als ihm lieb ist, kommt schließlich in den Besitz der geheimnisvollen Lochkarten, ohne jedoch ihre Bedeutung zu verstehen.

Und Ada Byron, eine zwanghafte Glücksspielerin, die immerzu auf der Suche nach dem „Modus“ ist, jener Rechenroutine, die jedwede mathematische Operation zu lösen imstande ist, sie spielt ebenfalls eine gewichtige Rolle in dem komplexen, sich entwickelnden Drama.

Anfangs scheinen all diese Details eingebettet zu sein in eine kuriose, faszinierend fremdartige Welt, und insgesamt zusam­menhanglos. Doch je weiter man kommt, desto mehr wird klar, welche Rolle beispielsweise Florence Bartlett spielt und wieso es sich empfiehlt, die Plakate, die von halbautomatischen Plaka­tiermaschinen angekleistert werden, genau zu lesen …

William Gibson und Bruce Sterling, DIE zwei Spitzenautoren des Cyberpunk, haben hier ein Werk vorgelegt, das umso überra­schender ist, als es sich in einer Zeit bewegt, die der, in der sie normalerweise zuhause sind, kaum ähnelt (heutzutage würden wir von Steampunk reden, doch ich glaube, dieser Terminus war damals noch nicht en vogue). Sie postulieren in dieser Parallel­welt eine Entwicklung zu einem dampfgetriebenen Informati­onszeitalter, das lange vor unserer Zeit sehr ähnliche Proble­men entwickelt: Ätzender Smog in den Großstädten, allmächti­ge Kontrolle der Geheimdienste und der Regierung über die ein­zelnen Menschen, die gleichsam zu Zahlen und Lochkarten in den gewaltigen Getrieben der DifferenzMaschinen werden, die unablässig rattern und Schicksal spielen. Hierin moderne techni­zistische Gottheiten gleich den antiken Nornen zu sehen, die das Schicksal nach dem Glauben der damaligen Menschen lenk­ten, ist vielleicht keine völlig abwegige Analogie.

Der Verweis von Michael Nagula im Nachwort auf Franz Kafka ist auch so falsch nicht. In der Tat verschwinden in Sterlings und Gibsons Werk die Menschen allmählich aus den Getrieben der Welt bzw. sie werden zu Handlangern einerseits, zu Störfaktoren des Fortschritts andererseits. Die Fehleranfälligkeit der Maschi­nen soll nun durch möglichste Vermeidung des Einsatzes menschlicher Hilfskräfte erreicht werden. Rationalisierung, könnte man auch sagen – also das Ausschalten jener unsicheren Variablen der Gleichung, die besonders Fehler produziert. Die Parallelen dieser Welt zu der unsrigen und die diffizile Technik­kritik, die dort die Euphorie manchmal deutlich eintrübt, beides wirkt seltsam vertraut und beängstigend zugleich.

Doch darüber hinaus brilliert dieser Roman durch die Macht der Worte, durch zum Teil sehr subtilen, aber dennoch äußerst tref­fenden Humor und eine große Reihe von absurden Gestalten. Ob es sich dabei um Disraeli handelt, einen populären Schrift­steller, der es NICHT zum Politiker gebracht hat, sondern statt­dessen Liebesromane schreibt und als Ghostwriter beispielswei­se für Mallorys Memoiren zuständig ist (und zum Frühstück in Gin gebratene Makrele isst!); ob es sich um Hetty handelt, eine Dirne, die Freundin von Sybil ist und äußerst kalkulierend für alle Dienstleistungen, die sie bringt und für alles, was ihre Wir­tin ihr und ihren Freiern gibt, noch kleine Beträge ausbedingt; ob es sich um eine Giftmischerin handelt, die als Kommunistin und Hure „freie Liebe“ und das Ende der Ehe propagiert … all diese lebendigen Details und Personen machen den Roman „Die DifferenzMaschine“ zu einem äußerst kurzweiligen Ver­gnügen trotz seines Umfanges. Ich wünschte mir am Ende wahrlich, er wäre noch weitergegangen.

Das ist denn wohl die beste Eigenschaft von Parallelweltenro­mane auf einen aufgeschlossenen und kreativen Geist. Sie las­sen ihn nicht mehr in Ruhe, selbst wenn man sie verlassen hat, sondern sie bohren sich ideell unerbittlich immer tiefer hinein in das Selbst und verlangen geradewegs danach, weitergespon­nen zu werden. Als Fan von Parallelweltgeschichten, von denen ich wirklich eine Menge kenne, muss ich sagen, ist das hier mit Abstand eine der besten und am klügsten durchdachten. Ein Schmuckstück zeitgenössischer Science Fiction, das man wirk­lich kennen sollte.

© 1998 / 2023 by Uwe Lammers

tja, und dennoch möchte ich betonen, dass sowohl diese Re­zension im Berg meiner zahllosen Werke vergessen war, ehe ich sie kürzlich wieder ausgrub und abschrieb. Und ob der Roman selbst heutzutage noch bekannt ist, darf man bezweifeln, ob­gleich er so gut ist.

Ich bleibe dabei: Er lohnt definitiv eine Wiederentdeckung!

In der nächsten Woche wechseln wir das Jahrhundert und reisen in die Prohibitionszeit der Vereinigten Staaten, zurück zum Van Dorn-Ermittler Isaac Bell.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Blogartikel 565: Close Up: Der OSM im Detail – Teil 54

Posted Juni 2nd, 2024 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

also, Freunde, kurz durchatmen, die Wogen des Chaos schlagen gleich wieder über uns zusammen und führen uns an recht ver­schiedene Schauplätze. In den Fragilraum zuerst, dann nach EL­DORADO und auf einen Embryonenplatz GOLEMS, danach hin­über zum Baumeisterstern MONOLITH … und am Ende blicken wir nach SIDEWALK.

Was zuletzt geschah: Oki Stanwer ist dank der bizarren „Hilfe“ des GRALSJÄGERS ASAAI dem Untergang des GRALSREICHES entronnen und hat ihn dazu überredet, ihnen weiter zu helfen, da er sie um die Chance gebracht hat, technologische Hilfe auf dem nun vernichteten Okiplaneten zu finden.

Sie geraten umgehend vom Regen in die Traufe und finden sich in einem unterkosmischen Niveau wieder, wo galaktische Ge­schichte mit kosmischen Ereignissen gekreuzt wird. Auf einem Fallenmond kommen Oki und seine Gefährten beinahe ums Le­ben – Marcia Lo wird von Primärenergie geradewegs verdampft.

Die BARNARDS STERN, das Schiff, in dem Okis restliche Beglei­ter unterwegs sind, wird derweil tiefer in das unterkosmische Niveau geschleudert und strandet in einem Hohlraum, in dem Aberhunderte von CROMO-Kampfschiffen im Ruhemodus ver­harren. Und hinter ihnen driftet eine seltsam oszillierende, pla­netenartige Sichelsphäre heran – eine AUTARCHEN-Lenkbasis, die aus der fernen Zukunft hierher geschickt wurde, um die Ge­schichte zu manipulieren. Etwas, wovor selbst ASAAI Angst hat.

Oki Stanwer macht sich mit ASAAI und den anderen an die Ver­folgung der BARNARDS STERN …

Episode 71: Geheimcode Lichtbasis

(1995, digitalisiert 2023)

Fortsetzung der Oki Stanwer-Handlungsspur:

Die Episode hat zwei Handlungsebenen – einmal die Handlungs­gegenwart um Oki Stanwer … und dann den Ausgangspunkt, von dem aus die AUTARCHEN-Lenkbasis losgesandt wurde. In der Abreisezeit ist sie inzwischen fast unangreifbar, und die hier anrennenden Truppen der Basis der Neutralen haben den Kampf schon fast verloren gegeben.

In der Vergangenheit, also im KONFLIKT 16, dauert die Oszillati­on immer noch an. Aber ASAAI kann Oki Stanwer nicht einmal andeuten, was sie hier gegenüberstehen – und bekämpfen kann er die Lenkbasis schon gar nicht. Jeder Versuch wäre reiner Selbstmord.

Da misst er das temporale Echo einer Zeitmanipulation direkt voraus an. Als sie die BARNARDS STERN einholen, wird allen klar, dass das Schiff nicht zu retten ist – aber ASAAIS Sphäre könnte sie noch evakuieren. Und das rätselhafte Objekt, das in der Kruste des vor ihnen liegenden Mondes verborgen ist, könn­te das CROMO-Problem lösen.

Ekkon, der Ritter vom Goldkristall, begreift jählings, als ASAAI es darstellt, worum es sich handelt – und er löst ein altes Rätsel auf: Einst, kurz nach seinem Erwachen, erklärte ihm der LEUCH­TENDE in der Dimensionszentrale, sie hätten vor Millionen von Jahren Besuch von Oki Stanwer gehabt, was eigentlich unmög­lich ist, da niemand die Zugangscodes kennen kann … nun be­greift Ekkon, als er eines der verschollenen Beiboote der Dimen­sionszentrale vor sich sieht, dass er selbst es war, der Oki Stan­wer JETZT die Zugangscodes für die Dimensionszentrale und alle relevanten Informationen gegeben hat.

Und eine Waffe, mit der sie nun den dimensionalen Hohlraum, in dem die CROMOS stecken, implodieren lassen.

Die AUTARCHEN-Lenkbasis, die noch nicht vollständig materiali­siert ist, wird durch die hier freiwerdenden Gewalten, die wie ein Überschlagblitz in die ferne Zukunft zurückprallen, weitgehend zerstört … und ihre Trümmer landen in der Zukunft und können hier von der Basis der Neutralen ausgewertet werden, um transuniversale Zeitreisen zu entwickeln …

Episode 72: TOTAMS Emissär

(1996, digitalisiert 2023)

Blende nach TOTAM:

Als im Dezember 3937 das GRALSREICH vernichtet wird, regis­trieren das Wesen TOTAM und der Dämonenschlächter, TOTAMS EXEKUTIVE, das deutlich. TOTAM entschließt sich dazu, die EXE­KUTIVE mit einem Spezialauftrag nach MONOLITH zu schicken.

Als bald danach hier der Funkkontakt zustande kommt, sind die Galaxisrebellen erschrocken und völlig fassungslos. Die EXEKU­TIVE TOTAMS schlägt ihnen allen Ernstes einen Pakt auf Zeit vor! Sie könnten in einem begrenzten Unternehmen gegen ei­nen gemeinsamen Feind vorgehen – gegen GOLEM und sein „Königreich der Dämonen“, was immer das konkret sein mag. Keiner der Galaxisrebellen hat von diesem Ort jemals gehört.

Marconius Stanwer tut sich schwer mit der Entscheidung und ahnt genau, dass sein Vater strikt dagegen wäre. Auch viele der Rebellen wittern eine Falle. Allein, Maria Sandriacochi rät ihnen als präkognostisch begabte Helferin des Lichts energisch dazu, diesen Pakt abzuschließen, auch wenn Oki Stanwer noch „ab­gängig“ ist. Dass er nicht tot sein kann, kann dank der Helfer-Kopplung als sicher gelten. Maria hätte längst einen Totalzusam­menbruch erlebt, verhielte es sich anders.

So beginnt eine gefährliche Zusammenarbeit zwischen TOTAMS mörderischem Vollstrecker und den Rebellen.

Und am 4. Januar 3938 taucht ASAAI auf SIDEWALK auf und ent­lässt Oki Stanwer und seine Begleiter aus der Stasissphäre, ehe er spurlos verschwindet.

Episode 73: Die Doppelköpfigen

(1996, digitalisiert 2023)

Blende nach ELDORADO:

Am 10. Januar 3938 hat sich der Antrieb von Thor Gordenbeyls Schiff VIPER soweit erholt, dass der Abschied von ELDORADO eingeleitet werden kann. Zusammen mit der TALACH VI. unter dem Rebellen Enrico Vassili wollen sie alle nun SIDEWALK an­steuern. Dabei ist Thors Bordbesatzung durch all die auf ELDO­RADO Zurückbleibenden inzwischen auf 14 Personen reduziert worden.

Die Schiffe starten … und kurz darauf macht der Astronom U Thim darauf aufmerksam, dass der ursprüngliche Auftrag Oki Stanwers an die VIPER-Crew doch beinhaltete, dass sie Funk­quellen in der Nähe von ELDORADO untersuchen sollten. Eine inzwischen verstummte Quelle lag nur 28,9 Lichtjahre von der vormaligen Freihandelswelt entfernt.

Die neugierige Besatzung nimmt an, dass nun, da dort alles ru­hig ist, wohl keine Gefahr mehr besteht, und während Vassili weiter Richtung SIDEWALK fliegt und verspricht, Verstärkung für alle Fälle zu organisieren, reist die VIPER mit der kleinen Besat­zung in das unscheinbare Sonnensystem.

Es erweist sich als Todesfalle und lebensgefährlich.

Auf dem dritten Planeten ereignen sich, kaum dass sie ange­kommen sind, nukleare Explosionen. Ganz offensichtlich sind die Kämpfe hier alles andere als erledigt!

Thors Schiff schleicht sich vorsichtig an, und er hat immer noch keinen blassen Schimmer, was hier los ist. Auf der Planeten­oberfläche wäre er schlauer – und sehr rasch tot.

Der dritte Planet enthält eine unterirdische Basis der Dämonen­waffe GOLEM, die hier in Labors Millionen von Embryonen ihrer Streitkräfte gehortet hat. Verteidigt wird diese Basis von bizar­ren Wesen, die einmal Menschen waren – nun aber zwei Köpfe besitzen, jeweils einen männlichen und einen weiblichen. Dies sind die monströsen Doppelköpfigen.

Sie werden von grauschuppigen Echsenwesen attackiert – Wee­ler-Fußtruppen der Neuen LIGA Soffrols, die sich in den vergan­genen 40 Jahren zu einem veritablen Imperium gemausert hat. Doch werden die Weeler-Truppen niedergekämpft, und alles sieht danach aus, als würde GOLEM die Oberhand gewinnen.

Aber der Schein trügt … und Thor ist mitten in diese Eskalation hineingeplatzt und weiß nun weder vor noch zurück.

Episode 74: Das All-Hüter-Problem

(1996, digitalisiert 2023)

Fortsetzung der Thor Gordenbeyl-Handlung:

Während Thor mit seiner Besatzung noch entscheidungslos hin­ter dem Mond des dritten Planeten verharrt und der Hüne von Garos allen Ernstes in Erwägung zieht, an einem verlassenen Ort des Planeten zu landen, überschlagen sich die Ereignisse im Embryonenplatz-System.

Ein LIGA-Schiff belauert das System, und der hier kommandie­rende Matrixat entschließt sich dazu, Reservestreitkräfte zu schicken, die über Transmitterbrücken in einen Brückenkopf ge­sandt werden, der dort unten zurzeit noch unter Beschuss liegt und aus dem ein Ausbruch unmöglich scheint.

Das ändert sich, als die LIGA schirmfeldbrechende Weitstrecken­artillerie schickt … jählings beginnt auf Planet 3 der nukleare Weltuntergang, und die Doppelköpfigen geraten in die Defensi­ve.

Sie haben bis dahin aber schon einen modifizierten Spiralan­trieb geortet – den der VIPER! Und sie halten das für ein Schiff von GOLEMS Streitmacht.

Die wird allerdings tatsächlich aktiviert. Auf einer nahen Genba­sis startet eine Reihe von GOLEMS Gigantkreuzern, um mit den LIGA-Streitkräften im System endgültig aufzuräumen. Dies wie­derum aktiviert ein weiteres Schiff, einen ziemlich schäbigen Raumer der All-Hüter, der getarnt das System ebenfalls obser­viert.

Und als kurz nach dem Auftauchen von GOLEMS Gigantschiffen auch noch ein Schwarm von DIGANTEN-Schiffen auftaucht und sich mit GOLEMS Vooler-Truppen einen gnadenlosen Schlagab­tausch liefert, beginnt der Helfer des Lichts voller Entsetzen zu verstehen, was hier gerade abläuft.

Hier findet ein rigoroser Stellvertreterkrieg statt … und das sind jetzt keine DIGANTEN, sondern gewissermaßen Fake-Schiffe: Er hält sie – zutreffend – für Tarneinheiten der All-Hüter, die schon vor 40 Jahren total gestört waren.

Also nutzt er die Gelegenheit zur hastigen Flucht. Das hier ist nicht mehr sein Kampf, hier kann er nur vernichtet werden! Sei­ne bestürzten Kollegen sind ganz seiner Ansicht.

Doch die VIPER entkommt nicht … am Rand des Systems lauert die Tarneinheit der All-Hüter, die die VIPER auch schon auf dem Schirm hat und nun direkt in deren Flugbahn materialisiert und sie zu einem manövrierunfähigen Wrack schießt. Danach wird die VIPER abgeschleppt und in die Tiefen der Galaxis entführt.

Die All-Hüter halten Thor und seine Begleiter für Diener GO­LEMS, die sie gnadenlos ausquetschen wollen …

Episode 75: Das Königreich der Dämonen

(1996, digitalisiert 2023)

Blende nach SIDEWALK, 6. Januar 3938:

Oki Stanwer befragt den WÄCHTER nach all den Geschehnissen, die hinter ihm liegen, und er begreift inzwischen, warum der vormalige Matrixkoordinator und jetzige Helfer des Lichts bei den Rebellen so verhasst ist. Er hat die ganzen Ereignisse bis jetzt schon einmal durchlebt und hätte unzählige Menschenle­ben retten können, nicht zuletzt das von Marcia Lo. Und er hat geschwiegen und schweigt weiter.

Ekkon begibt sich derweil zum LEUCHTENDEN, dem amtieren­den Matrixkoordinator, der auch auf SIDEWALK im Exil lebt und von den Rebellen weitgehend gemieden wird. Überraschender­weise gibt er zu, dass ihm der Name ASAAI etwas sagt – aber nur aus Aufzeichnungen seines Vor-Vorgängers, des GÖTZEN, der für KONFLIKT 10 (zurzeit noch ungeschrieben) zuständig war. Dort trafen er und Oki Stanwer mit ASAAI zusammen.

Der LEUCHTENDE hält ihn für einen Reisenden aus einem Paral­leluniversum, eine intelligentere Lösung für seine Herkunft be­sitzt er nicht. Zugleich wird deutlich, dass der LEUCHTENDE alle Menschen als entbehrliche „Schachfiguren“ sieht, die er beden­kenlos höheren Zielen opfern wird.

Derweil erfährt Oki Stanwer vom Pakt mit dem Dämonen­schlächter und ist, erwartungsgemäß, rechtschaffen schockiert. Aber inzwischen hat Maria noch weitere Informationen aus ihren präkognostischen Träumen … sie hat Blicke in das von der EXE­KUTIVE erwähnte „Königreich der Dämonen“ geworfen, und dort sollen in der Tat Menschen leben. Sehr viele Menschen. Milliar­den. Alle von GOLEM in einer Diktatur versklavt.

Das klingt sowohl für Oki Stanwer als auch die Galaxisrebellen völlig irreal. Milliarden Menschen? Woher sollen die denn kom­men? GOLEM hat die Menschheit quasi ausgerottet, das ist doch allgemein bekannt.

Aber als die Langzeitdaten von MONOLITH ausgewertet werden und die Koordinaten des „Königreichs“ nahe dem Galaxiszen­trum bekannt werden, wird jählings klar, was bisher niemand gesehen hat: GOLEM hat damals vor vierzig Jahren, als er die Sternenreichsunion in die Knie zwang und das solare System zerstörte, die Menschheit nicht ausgerottet.

Vielmehr hat er sie hypnosuggestiv unterworfen und die willen­losen Sklaven zu Millionen ins Galaxiszentrum deportiert. Die Erde wurde erst anschließend verwüstet.

Schlagartig wird klar, warum GOLEMS Truppen nicht so oft in der Galaxis agierten – das lag nicht nur an der LIGA oder an den DIGANTEN, sondern viel mehr daran, dass das „Königreich der Dämonen“ jahrzehntelang konsolidiert werden musste.

Als Oki Stanwer mit dem neuen MONOLITH-Kampfschiff, einem schwarzen Kegelschiff, das er LIBERATOR tauft, und einer Besat­zung von gut 40 Personen ins Galaxiszentrum aufbricht, wo er erwartet, auf den „Verbündeten“ zu stoßen, den Dämonen­schlächter, da hat er ein ganz grässliches Gefühl.

Und während Enrico Vassilis TALACH VI. mit einem Maschinen­schaden daran gehindert wird, zeitig SIDEWALK zu erreichen – wo Oki Stanwer vielleicht, bewegt durch Thors Schicksal, die Ex­pedition verschoben hätte – nähert sich die LIBERATOR vorsich­tig dem Zentrum der Feindmacht.

Doch ehe sie das „Königreich der Dämonen“ erreichen, wird ein blinder Passagier an Bord der LIBERATOR erwischt – der WÄCH­TER. Und er mahnt, sie müssten UNBEDINGT diesen Einsatz fort­führen … andernfalls würden sie alle auf katastrophale Weise die Zeit verändern …

Hier halte ich für heute erst einmal inne. Ihr merkt, die Ge­schichte wird komplexer und dramatischer. Und ich versichere, das ist immer noch erst der Anfang. In der nächsten Folge kommt es dann zum Treffen zwischen Oki Stanwer und dem Dämonenschlächter, zum Kampf gegen die Dämonen unter GOLEMS Kontrolle … und wir erfahren, wohin es Thor Gordenbeyl verschlagen hat.

Das wird spannend, Freunde – schön neugierig bleiben!

Bis demnächst, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.