Blogartikel 385: Close Up: Der OSM im Detail – Teil 18

Posted Juli 18th, 2020 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

die Serie steuert zügig auf das Ende zu, und die Kontrahenten nähern sich immer stärker den finalen Auseinandersetzungen. Nun, es ist nicht so, als wäre das nicht schon wenigstens seit Band 50 der Serie so gewesen, aber so dramatisch wie bisher war es doch selten. Zunächst ein kleiner Rückblick zum Ein­stieg:

Rückblick: Oki Stanwer und seine Getreuen sind nach wie vor in den Tiefen des Zeituniversums verschollen, aber der Feldherr der Cranyaa kämpft darum, über die Brücke von Zeittransmit­tern des Dämons Craathava aus der tiefen Vergangenheit in die Gegenwart zurückzukehren, um den bedrängten Cranyaa beizu­stehen. Sein letzter Erfolg bestand darin, über den Zeittransmit­ter STÜTZPUNKT VIER rund 25.000 Jahre übersprungen zu ha­ben und der Gegenwart näher gekommen zu sein.

Leider sind in der Zwischenzeit Verluste eingetreten. So wurden der Transmittermond der Plegg‘re und die Lichtfestung OREOC vernichtet, dass als einziger Lichtblick in der tiefen Vergangen­heit nun noch der Planet ANTI-TOTAM existiert. Und hier wird ein Angriff der Dämonen erwartet.

In der Gegenwart hat sich der unheimliche Soffrol mit den Te­kras und dem geschassten Troohn Tronlekk verbündet, außer­dem mit einer Gruppe von Baumeistern, die versuchen, TOTAM eine monströse Waffe abzujagen, den „Kristallriesen“, der von TOTAM aus dem Zeituniversum in die Gegenwart gesandt wur­de. Im chaotischen Plegg‘gon-System nahe der Schockzone kommt es zum Zusammenprall zwischen TOTAMS Truppen und Soffrols Kräften …

Episode 86: Soffrols Horrorplan

(2. August 1987, digitalisiert 2020)

TOTAMS Bergungsmannschaft unter den Dämonen Mrokan und Marock sowie dem Frontenwechsler wider Willen, dem Ritter vom Goldkristall Yorrok, haben das Plegg‘gon-System erreicht und die WAFFE ausgemacht – eine kristalline Gigantstruktur, die der Leser geschwind als den abgetrennten Rest der havarierten STELE DER EWIGKEIT aus dem Ovahaan-System wieder erkennt (vgl. Bd. 65). Aber jetzt ist sie metamorphiert in schwarzen Kris­tall und soll TOTAMS Zielen dienen.

Ein intriganter Baumeister hat sich jedoch dort eingeschlichen und nutzt die Traum-Frequenz der STELE, um „Traumkrieger“ zu erschaffen, die die TOTAM-Streitmacht bekämpfen. Parallel dazu bekämpft Soffrol die Dämonen von TOTAM und kann sie beide ausschalten. Yorrok gerät in seine Gefangenschaft, und die Bau­meister entführen die WAFFE ins Tekonar-System von Hun‘arc, wo sie sie auf einem Asteroiden positionieren und ihn sodann ins Zentrum der Galaxis verschleppen.

Soffrol verrät dem traumatisierten Yorrok höhnisch, was es da­mit auf sich hat: er nimmt kurzerhand die ganze Galaxis in Gei­selhaft – denn wenn die WAFFE nahe dem Zentrums-Black Hole aktiviert wird, zerstört sie den dortigen Ereignishorizont … und Hun‘arc wird untergehen!

Episode 87: Timor-Dols Asyl

(5. September 1987, digitalisiert 2020)

Teil 1 der Lichtmächte-Trilogie

Rückblende ins Zeituniversum: In direkter Anknüpfung an die 60er-Episoden der Serie wird der Handlungsstrang um den entropisch mutierten DIGANTEN Timor-Dol und seine NEGATI­VEN fortgesetzt. Sie entschließen sich, auf einer Paradieswelt außerhalb ihrer Heimatgalaxis, die sie Zykhor nennen, eine neue Heimstatt zu errichten. Der DIGANT beginnt mit seinen Mitstreitern gleichzeitig damit, einen Kleinkrieg gegen sein eige­nes monströses Volk zu führen, das sich nun unter dem Banner des Ewigen Reiches als „ERNEUERER“ versteht und alle paar Jahre mit Entropie-Experimenten Sonnen aus anderen Kontinua raubt, um so weiter existieren zu können.

Im Zuge dieser Auseinandersetzungen kommt es zu dem Drama des negierenden Planeten Ceqqolar und zur Begegnung mit der Lichtfestung OREOC (vgl. Bd. 58). Als Timor-Dol dann bald dar­auf im Ovahaan-System den sterbenden Soogrer Goonex vorfin­det, der ihn bittet, nach ANTI-TOTAM zu fliegen, ist er geraume Zeit unentschlossen.

Zunächst reist er zurück nach Zykhor, doch eine Flotte der ER­NEUERER hat seine neue Heimat inzwischen ausgelöscht – und so sucht er sich jetzt tatsächlich ein neues Domizil: den Plane­ten ANTI-TOTAM …

Episode 88: Attacke der Dämonen

(12. September 1987, digitalisiert 2020)

Teil 2 der Lichtmächte-Trilogie

Timor-Dol und seine NEGATIVEN erreichen ANTI-TOTAM. Hier sind die zunehmend wieder menschlicher werdenden Gerlakos im Bilde darüber, dass ein Angriff der Dämonen von TOTAM un­mittelbar bevorsteht, aber über Form und Ausmaße machen sie sich noch keinerlei Vorstellungen. Sie erforschen verstärkt die Unterwelt des Planeten und entdecken dabei überraschender­weise eine Menge technischer Systeme, die ihnen zur Verfü­gung stehen. Indes – ihnen bleibt nicht genug Zeit zur Erfor­schung und zum Anlernen, da der Feind zu rasch das Panier des Handelns ergreift.

Die Dämonen Creckflog, Tennoros, Soarunof und Zsolseg haben schon vor mehr als hundert Jahren das Käfervolk der Oheetirs auf den Pfad des Ewigen Reiches eingeschworen und ihnen weisgemacht, dass das Erfrieren des Universums nur verhindert werden kann, wenn sie sich unter dem Banner TOTAMS und der Dämonen gegen die Diener der „Schatteninkarnation“ Oki Stanwer auf dem Planeten ANTI-TOTAM wenden. So sammeln sich nun Aberhunderte von Kampfschiffen und Hunderttausende von Oheetir-Bodensoldaten, bereit, die Invasion des Kristallplaneten vorzunehmen. Sowohl die Dämonen wie die Oheetirs glauben, dabei leichtes Spiel zu haben.

Doch annähernd zeitgleich mit dem Eintreffen eines Oheetir-Spähschiffs erscheinen auch Timor-Dols Einheiten, und deren Messinstrumente belegen unzweideutig, dass das fremde Schiff in den Diensten des Ewigen Reiches steht – es wird umstandslos vernichtet.

Während sich im Anschluss daran Timor-Dol und seine NEGATI­VEN mit den Gerlakos/Irrealstrahlern anfreunden, beginnt die In­vasion der Käferwesen, und Kampfpanzer und Bodentruppen werden auf ANTI-TOTAM gelandet. Die NEGATIVEN und ihre menschlichen Kampfgefährten verteidigen sich erbittert …

Episode 89: Der Plan der Lichtmächte

(13. September 1987, digitalisiert 2020)

Teil 3 der Lichtmächte-Trilogie

Es heißt, die Sieben Lichtmächte, Oki Stanwers legendäre Auf­traggeber und die Dienstherren der annähernd gottgleichen Baumeister residierten im so genannten „Jenseitsraum“ weit außerhalb der Grenzen des Universums. Aber mag dies stim­men oder nicht – es hält sie nicht davon ab, in der tiefen Ver­gangenheit im Zeituniversum persönlich einzugreifen.

In sieben Sonnen in relativer Nähe zum „Punkt Zero“, wo ANTI-TOTAM materialisierte, füllen sich rätselhafte Materialisierungs­kammern im Innern der Sterne, und umgeben von einer Aura schierer Primärenergie beginnen sich diese Sterne auf einmal mit Überlichtgeschwindigkeit auf ANTI-TOTAM zuzubewegen.

Dort geht derweil das gnadenlose Gemetzel weiter. Es geht auf eine Anregung von Timor-Dol zurück, den Feinden die Oberflä­che zu überlassen und selbst in die Unterwelt des Planeten AN­TI-TOTAM zu flüchten.

Die Dämonen von TOTAM triumphieren schon und glauben sich auf der Siegesstraße … als die sieben Sonnen eintreffen und den gesamten kosmischen Raum um ANTI-TOTAM und seine Sonne „Point Zero“ in ein apokalyptisches Energieinferno ver­wandeln, in dem drei Dämonen sofort vernichtet werden. Außer­dem havarieren alle Oheetir-Schiffseinheiten. Und dann erfüllen die Lichtmächte ihren Plan.

Sie komprimieren mit massivster Energieentfaltung den Kristall­körper des Planeten ANTI-TOTAM und erschaffen so den Leib ei­nes kristallinen Helfers des Lichts, der später durch die Seele von Klivies Kleines belebt werden wird (vgl. dazu Bd. 10 der Serie). In seinem Leib eingesperrt bleiben Timor-Dol und die überlebenden NEGATIVEN sowie das, was von den unter infernalischen Energien zusammengeschmolzenen Gerlakos/Irrealstrahlern bleibt – seltsam verbrannt wirkende, klumpige und unmenschliche Entitäten, die so genannten „Steins“.

Aus der Sonne „Point Zero“ formen die Lichtmächte ein weiteres Gebilde aus Kristall – eine Lichtfestung namens OREOC, die nun sehr, sehr langsamen Zielkurs auf die Galaxis Hun‘arc nehmen soll. So schließt sich eine Zeitschleife der Serie.

So geht Oki Stanwers letzter Stützpunkt im Zeituniversum un­ter, und ein primärenergetischer Aktivierungsschwall schießt von hier ausgehend durch den Kosmos. So machen die Licht­mächte die Manipulation dreier intriganter Baumeister zunichte, die schon Jahrhunderttausende vor der Gegenwart daran arbei­teten, den KONFLIKT 14 entgleisen zu lassen.

Nun aber agieren die entarteten Baumeister in der Realzeit der Cranyaa … und sie denken nicht im Traum daran, Soffrols Spiel mitzuspielen, sondern haben ihre ganz eigenen monströsen Vor­stellungen davon, was mit Hun‘arc zu geschehen hat …

Episode 90: Im Jahr 563.923 vor Cranyaa

(15. September 1987, digitalisiert 2020)

Die nächste Blende ins Zeituniversum, diesmal zu Oki Stanwer hin. Er ist bekanntlich nach dem Transit mit der verkleinerten STELE DER EWIGKEIT durch den Zeittransmitter STÜTZPUNKT VIER über mehr als 25.000 Jahre in die Zukunft des Zeituniver­sums gelangt und dann ins Gebiet der „blauen Galaxien“ ver­schlagen worden, wo das GEHIRN der STELE den Geist aufgab und das Lichtschiff in ein Wrack verwandelte, das niemand wie­der reaktivieren kann (vgl. Bd. 84).

Dank der Schrottis, die er hier ausfindig machen konnte, ist Oki Stanwer nun nicht mehr ganz so hilflos, aber doch sehr in sei­nen Möglichkeiten begrenzt. Nachdem Doppelporter, UCHULON, der Zoomby Yoghrythekl und Oki Stanwer nun auf die stellaren Navigationsdaten der Schrottis zurückgreifen können, finden sie ihr Ziel relativ bald wieder – die Galaxis Srakkonar, wo das Volk der Zoombys vermutlich immer noch gegen den Dämon Craa­thava kämpft und sich der nächste Zeittransmitter befindet: Srakkonar Eins.

Die Galaxis ist über 20 Millionen Lichtjahre entfernt, und die Schrotti-Tender, auf denen Oki Stanwer fliegt, können nur Sprün­ge von 15.000 Lichtjahren ausführen. Was zuvor mit Hilfe der STELE in wenigen Tagen oder Wochen zu überbrücken gewesen wäre, diese gigantischen Abgründe aus Raum, stellen nun fast unüberbrückbare Hindernisse dar.

Auf dem fünften Zwischenhalt auf ihrem Weg, einem unbewohn­ten Planeten, den sie AUFENTHALT FÜNF nennen, konstruieren die Schrottis deshalb Oki Stanwers neues Raumschiff, das aus drei im Dreieck angeordneten Kugeln besteht und mit Verbin­dungsröhren zu einem Dreieck zusammengefügt wird. Mit die­ser Einheit, der SIEG DES LICHTS, wollen sie dann inkognito in Srakkonar agieren.

Während Oki Stanwer mit den 122 geborgenen Lichtrobotern experimentiert und fast eine Katastrophe auslöst, reißt die Ver­bindung zu Scout-Schiffen der Schrottis ab. Sie sind in eine bi­zarre Energieturbulenz geraten, die offenbar aus der Galaxis Srakkonar stammt und vor rund 25.000 Jahren ausgelöst wor­den sein muss.

Bald darauf erkennt Oki Stanwer, dass es sich um eine massive Ionisierungswoge der Matrix handelt, und als er sich in diese Energiewoge einklinkt, kommt es zu einer gespenstischen Be­gegnung mit einem unheimlichen Wesen, das behauptet, es sei „überall da, wo die Matrix auch ist“.

Es ist der PROPHET, der sich als neutraler Beobachter versteht und Oki von dem Untergang von ANTI-TOTAM in Kenntnis setzt. Nun ist der Feldherr der Cranyaa erst recht voller Zorn und ver­folgt sein Ziel, Craathava zu vernichten, mit wütender Verbis­senheit …

Mehr zu Oki Stanwers Abenteuern in der nächsten Folge der Close Up-Beiträge. Dann erfahrt ihr auch, was sich weiter in der Gegenwart in Hun‘arc abspielt, wo der WÄCHTER und TOTAM annähernd parallel wieder aktiv werden.

Es bleibt spannend, Freunde, ihr merkt es. Und zugleich wird die Luft für die Handlungspersonen immer dünner.

Mehr dazu in fünf Wochen. Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 277: Die Krieger von Assur

Posted Juli 15th, 2020 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

es ist immer ein Abenteuer, wenn im Nachlass von Schriftstel­lern Fragmente gefunden werden oder entsprechende Notizide­en für weitere Romane und Geschichten, die dann mangels Le­benszeit nicht mehr ausgeführt werden konnten. Ich denke, es muss nicht verblüffen, dass der Reiz, Fragmente von bekannten Autoren zu vollenden und sich so als Epigone ein kleines biss­chen von dem Glanz des ursprünglichen Verfassers anzueignen, allgemein sehr weit verbreitet ist.

Man könnte denken, dies sei ein Phänomen der Neuzeit, und man wäre imstande, da auf diverse Autoren zu verweisen, die das Zeitliche segneten und ihre hungrige Fangemeinde erschro­cken und darbend zurückließen. Nennen wir einfach ein paar Namen: Robert Ludlum, Stieg Larsson, Tom Clancy … und das sind nur die, die mir spontan einfallen. Alle diese Autoren sind über ihre Epigonen, die alte Fragmente der Verstorbenen aus­führen oder deren Ideen fortsetzen, immer noch in den Buch­handlungen, z. T. in den Bestsellerlisten vertreten.

Üblicherweise muss aber auch konstatiert werden, dass die sol­cherart entstandenen Geschichten eher Verwässerungen des originalen Stoffes darstellen. Dass das nicht zwingend so sein muss, beweisen etwa die Epigonen von Sir Arthur Conan Doyle, die sich seines Detektivs Sherlock Holmes mit viel Erfolg ange­nommen haben.

Auch Robert E. Howard, der 1936 früh durch eigene Hand ver­storbene Fantasy-Autor, hinterließ eine Vielzahl von Fragmen­ten. Es ist den Howard-Fans aus dem Dunstkreis des Ersten Deutschen Fantasy-Clubs (EDFC) zu danken, dass viele dieser Fragmente in deren Fanzine MAGIRA dem deutschen Publikum zugänglich gemacht wurden. Und natürlich hat Howard Epigo­nen, die sich bemüßigt fühlten, Geschichten von ihm zu Ende zu führen. Ramsey Campbell war einer davon, und der vorliegende Band enthält entsprechende fertig gestellte Collaborations.

War er erfolgreicher in meinen kritischen Leseraugen, als es vie­le Krimi-Epigonen der Jetztzeit sind? Schaut euch einfach mal an, wie ich das anno 2007 sah, als ich die folgende Rezension verfasste:

Die Krieger von Assur

(OT: The Children of Asshur and other Stories)

von Robert E. Howard & Ramsey Campbell

Terra Fantasy 93

Pabel-Verlag, Januar 1982

162 Seiten, Taschenbuch

Aus dem Englischen und Amerikanischen von Lore Strassl & Helmut Pesch

Robert E. Howard ist ein Heroe der klassischen Fantasy-Litera­tur, und niemand, der sich ernsthaft für die Genese der Fantasy in der Frühzeit des 20. Jahrhunderts interessiert, kommt an ihm vorbei. Manch einer pflegt zu sagen, wenn Howard (der 1936 durch Suizid aus dem Leben schied) länger gelebt hätte, wären große literarische Würfe von ihm zu erwarten gewesen. Das mag sein, aber dies ist nicht der Zeitpunkt oder Ort, darüber zu schwadronieren.

Howard arbeitete nicht ausschließlich in fiktiven Welten, wie der Kundige weiß. Er schrieb sowohl reine Fantasy wie die Conan– und King-Kull-Stories, doch zugleich verfasste er, inspiriert durch seine starken historischen Neigungen, auch Werke für sol­che exotischen Genres wie die des damals noch recht unbe­kannten historischen Romans, er begeisterte sich für Piratenge­schichten und dergleichen. Aus diesem Teil seines umfangrei­chen Oeuvres stammt das Material, von dem dieser Band zehrt.

Der 93. Band der seit langem eingestellten Terra Fantasy-Reihe (auf ihre Weise heute eine Legende wie Howard selbst, was schon ein wenig kurios anmutet) enthält vier Geschichten und ein Gedicht. Die erste Story – „Die Straße Azraels“ – stammt aus Howards Kreuzzugszeit, deren andere Geschichten in dem TF-Band 37 „Horde aus dem Morgenland“ viele Jahre zuvor publi­ziert worden waren. Die restlichen vier Werke spielen einige Jahrhunderte später und haben den puritanischen Streiter Solo­mon Kane als Protagonisten, der im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert unterwegs ist. Teilweise gibt es hier vage Über­schneidungen mit Howards karibischen Piratengeschichten.

In „Die Straße Azraels“, die etwa im Jahre 1109 christlicher Zeitrechnung spielt – die Datierung geht aus den genannten Zeiträumen der Geschichte selbst hervor – , hat als Protagonist den jungen muslimischen Tschagatai Kosru Malik, der während einer Flucht durch die Wüste unvermittelt mit jenem Frankenrit­ter zusammenstößt, der ihm einst bei der Erstürmung von Jeru­salem (1099) das Leben rettete. Nach dem Moralkodex jener Zeit ist er deshalb in seiner Schuld und schließt sich, wiewohl das schierer Selbstmord scheint, dem Franken Sir Eric Cogan an, der seine jungfräuliche Nichte Ettaire de Brose aus den Hän­den verräterischer Moslems retten möchte. Zwar gelingt dies, aber dafür finden sich die drei auf einmal zwischen den Fronten zweier machtlüsterner Potentaten und deren Heere wieder – und, schlimmer noch, einer der beiden, Muhammad Khan, ist wie verrückt nach dem blonden Mädchen und lässt bei der Ver­folgung jede Vernunft fahren …

Die Burg des Teufels“ ist ein düsteres Gemäuer, in dessen Bann der puritanische, düstere Soldat Christi Solomon Kane ge­rät, als er gerade einen hilflosen Jungen vom Galgen geschnit­ten hat. Zusammen mit seinem zufälligen Weggenossen John Silent besucht er die unheildrohende Burg des Barons von Sta­ler, hinter deren Mauern sich ein wahrhaftig tödliches Geheim­nis verbirgt, das nur mit Blut gelöscht werden kann. Mit viel Blut …

Die Stadt des Mondgottes“ entdeckt Solomon Kane irgend­wann gegen Ende des 16. Jahrhunderts – noch zu Regierungs­zeit der Königin Elizabeth I. – , als er mitten im afrikanischen Dschungel einen Seefahrergefährten entdeckt, der völlig zer­schlissen ausschaut und seltsam „einheimisch“ gewandet ist. Es handelt sich um Jeremy Hawk, und er wird von einer Horde Schwarzer verfolgt … und von anderen Männern, die weit eher semitisch wirken und in einer seltsamen Stadt im Urwald leben, die wie von einem fremden Stern herabgefallen zu sein scheint: eine Inselmetropole namens Basti.

Als Hawk mit Kanes Hilfe nach der Herrschaft dieser Stadt greift, geschehen unheimliche, grausame Dinge, und rasch wird dem Puritaner klar, dass er das Falscheste getan hat, was er nur tun konnte …

Mit den „Kriegern von Assur“ bekommt es Solomon Kane, ebenfalls noch in Afrika, zu tun, als er zu Gast in einem Dorf der Schwarzen ist, das fast komplett niedergemetzelt wird. Er findet sich verletzt unter lauter Leichen wieder und zudem völlig aus­geplündert. Also verfolgt er seine Angreifer und gelangt auf eine Hochebene über der Savanne, wo sich ein wahres Märchenreich ausbreitet – eine Hochkultur, die einstmals aus dem Zweistrom­land hierher flüchtete und nun ein unerbittliches Regiment über die Anrainer ausübt. Und hier wird Kane als Orakel in einem grausamen Machtkampf verwendet …

Zum Gedicht wird hier und jetzt nichts gesagt.

Die Ausflüge Robert Howards in die historische Fantasy, in der es durchaus von Zauberern und übernatürlichen Ereignissen wimmelt, lesen sich, wie das bei Howard oft so ist, flüssig, zügig und angenehm. Langeweile kommt hier nicht auf, denn man steckt übergangslos sofort in der actiongeladenen Handlung. Howard beweist zudem faszinierendes historisches Hintergrund­wissen, was den historisch geschulten Leser beifällig nicken lässt.

Man muss sich freilich auch mit ein paar freundlichen Ungenau­igkeiten anfreunden, es bleibt nichts anderes übrig. Das Titelbild zeigt etwa kämpfende Nordmänner im Schnee … die man im Buch definitiv vergebens sucht. Aber Titelbilder sind immer schon so eine Sache gewesen.

Etwas ärgerlicher ist es dann, Kosru Malik vom „Fluss Oxus“ re­den zu hören. Warum? Weil dies ein definitiv griechischer Name ist und der Fluss im Arabischen natürlich anders heißt. Warum sollte ein Moslem hier einen Fluss mit dem Namen nennen, den seine FEINDE ihm gegeben haben? Es ist evident, dass sich Ho­ward hier an amerikanische Historiker hielt, die ihrerseits die griechisch-byzantinische Bezeichnung des Flusses verwendeten und des Arabischen unkundig waren. Dies zu übernehmen, ist zumindest ungeschickt, fällt aber wohl den wenigsten Lesern je­mals auf.

In gewisser Weise vergnüglich ist es dann schon, im tiefen schwarzen Afrika bei einer Kultur, die niemals zuvor Kontakt mit Europa hatte, „Weizenfelder“ vorzufinden. Da hat der Autor mangels Wissen über afrikanische Landwirtschaft definitiv im­provisiert und sich Anleihen beim ländlichen Amerika geholt, ebenso, wie er die Stadt Basti an Tenochtitlan angelehnt hat, das ist deutlich zu erkennen.

Überhaupt sind die Anleihen an antike Kulturen recht ausge­prägt, doch ist dies einfach ein Zug der Zeit – Edgar Rice Bur­roughs tut es, Henry Rider Haggard tut es ihm gleich, ebenso das Autorenteam mit dem Sammelpseudonym „Kenneth Robe­son“, das die Abenteuer des Bronzemanns Doc Savage be­schreibt. Überall werden in unterentwickelten Weltregionen, die kein amerikanischer Leser so schnell erkunden würde, plötzlich archaische Kulturen entdeckt, die Züge des Zweistromlandes, des alten Israel, der Römer oder keltischer Staaten trugen. Man kann Howard allerdings attestieren, diese Anleihen geschickter als die meisten anderen Autoren gemacht zu haben.

Es bleibt ein zweiter Minuspunkt in dieser Publikation, der aus­gesprochen werden sollte: Alle Geschichten bis auf die zuerst genannte sind Fragmente gewesen, die der britische Schriftstel­ler Ramsey Campbell 1978 vollendet hat. Wiewohl er sich recht­schaffen bemüht hat, Howards Diktion einzufangen, kann man doch bei genauerem Hinsehen nicht bestreiten, dass die Enden der drei Geschichten relativ einfallslos und ziemlich struktur­gleich sind: mehr oder minder ein wildes Hauen und Stechen, aus dem der Protagonist mit mehr oder weniger starken Blessu­ren siegreich hervorgeht.

Meiner Vermutung nach hatte Howard andere Enden im Sinn und spürte instinktiv, dass diese – naheliegenden – Enden alles andere als befriedigend sein würden. Deshalb blieben die Ge­schichten Fragmente. Campbell hat also höchstwahrscheinlich die schlechtest mögliche Lösung realisiert. Ein wahrer Howard-Fan wäre mit den Fragmenten besser bedient gewesen, das ist ziemlich gewiss.

Abgesehen von diesen leichten Eintrübungen der Lektüre ist der Band dennoch dem Interessierten durchaus zu empfehlen, zu­mal dann, wenn man bei Howard auf den Geschmack gekom­men ist. Man bekommt das Buch allerdings nur noch antiqua­risch.

© 2007 by Uwe Lammers

Na, das klingt nicht so wirklich überzeugt, nicht wahr? Aber für einen echten Howard-Fan ist, denke ich, das Buch dennoch ein „Must-Have“, an dem er nicht vorbeikommt.

In der kommenden Woche stürzen wir uns erneut in ein mariti­mes Abenteuer von Clive Cussler, das diesmal eindeutige Sci­ence Fiction-Züge trägt.

Warum das? Nun, um das herauszufinden, solltet ihr in sieben Tagen wieder hierher schauen. Ich meine, das lohnt sich.

Bis bald, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Liebe Freunde des OSM,

die Sommerhitze beeinträchtigt traditionell meine kreative Leis­tung, das weiß ich schon seit sehr langer Zeit, und in meinen Schreibheften, in denen ich händisch das Auf und Ab meines Schreibdranges ausdrücke und archiviere, erkennt man das ver­mutlich recht klar. Würde man daraus eine Art kreativer „Fieber­kurve“ in Form einer Statistik machen, was ich nie getan habe, wäre das sicherlich noch sehr viel einprägsamer und offensicht­licher.

Im letzten Teil dieser Rubrik kam ich vor sieben Wochen bis zum Ende des Monats Juni 2018, und genau dort möchte ich heute auch wieder ansetzen. Ich sagte damals schon, dass die Hitze jenes Sommers, eines der heißesten der jüngeren deutschen Geschichte (was ich wesentlich auf die vom Menschen verur­sachte globale Klimaerwärmung zurückführe, auch wenn es hartnäckige, notorische Zweifler wie etwa den US-Präsidenten gibt), mich in meinem Schaffensdrang deutlich behinderte. Das setzte sich auch im Monat Juli 2018 fort.

Hatte ich im Monat zuvor noch 28 Werke fertig stellen können, so ging das nun auf 26 zurück, und davon entfielen allein 11 auf Rezensionen. Neun weitere stellten Blogartikel dar. Auch die Tat­sache, dass ich insgesamt 20 Beiträge einklammern musste, d. h. zwar begann oder weiter bearbeitete, aber nicht abschloss, ist ein klares Indiz dafür, dass meine Energie unter den äußeren Einflüssen litt.

Ich kümmerte mich um die weitere Abschrift des „CLOGGATHKONFLIKTS“ (CK), digitalisierte und kommentierte Episoden aus den KONFLIKTEN 12 „Oki Stanwer – Bezwinger des Chaos“ (BdC) und 14 „Oki Stanwer – Feldherr der Cranyaa“, außerdem schrieb ich weiter an dem E-Book „BdC 1 – Im Feuerglanz der Grünen Galaxis“ und diversen Glossaren. Auch wurde die Ab­schrift der alten „Annalen“-Geschichte „Ullikummi“ in Angriff genommen.

Wirklich bemerkenswert ist allerdings in diesem Monat nur die Fertigstellung der OSM-Episode „Grünes Todeslicht“ (Band 39 des KONFLIKTS 4 „Oki Stanwer – Der Insel-Regent“). Sie brachte mich in den dortigen Finalzyklus und ließ die Protagonisten um den Baumeister Naam und den Techno-Träumer Torkeron einen ersten Blick auf ihr Reiseziel werfen – den schwarzen Planeten TOTAM.

Während ich an dieser Episode arbeitete, die tatsächlich kosmo­logische Geschichte im OSM schreibt, entdeckte ich das, was ich dann im Blogartikel 294 das „kosmische Eidotter“ genannt habe. Eine äußerst passende Bezeichnung, die mich heutzutage immer noch fasziniert.

Ebenfalls gab es Versuche, am KONFLIKT 2 „Oki Stanwer und das Terrorimperium“ (TI) weiterzuarbeiten, um die seit Jahren anhaltende Schreibblockade in den 40er-Bänden der Serie zu überwinden. Leider noch nicht von Erfolg gekrönt.

Im August 2018 ließ meine Schreibfähigkeit weiter nach, sie litt nach wie vor unter der drückenden Hitze. Nun wurden lediglich 19 Werke fertig, davon 7 Blogartikel und 7 Rezensionen. Wenn ihr anmerken wollt, dass da ja nicht mehr viel Spielraum zur Endsumme bleibt, kann ich da nur beipflichten.

Ergänzen sollte ich noch, dass ich an 15 Werken weiterschrieb, sie aber nicht zum Abschluss brachte. Darunter befand sich wie­der „DER CLOGGATH-KONFLIKT“, weiterhin die TI-Serie und zahlreiche Glossare verschiedener OSM-Serien. Gerade in Hin­sicht auf den CK sollte ich ergänzend anmerken, dass ich es hier für nützlich befand, die Episoden 51 und 52 der Serie „Oki Stan­wer Horror“ (OSH), auf der der CK fußt, vorzeitig zu digitalisie­ren.

Warum tat ich das? Weil die Handlung des CK genau bis zu die­sem Punkt der Serie gediehen war und ich es sinnvoll fand, ein Digitalisat der entsprechenden Episoden da zu haben … nun, wer irgendwann mal die Gelegenheit bekommt, beides mitein­ander zu vergleichen, wird entdecken, dass das entsprechende CK-Kapitel (Kapitel 37) mit den Episodeninhalten quasi keine Deckung mehr besitzt. Das kann natürlich nicht verblüffen.

Warum nicht?

Nun, weil die OSH-Serie sich stilistisch und strukturell zu diesem Zeitpunkt im Jahr 1985 bewegte und der CK stilistisch zumin­dest im Jahre 2010. Und das macht natürlich eine Menge aus.

Ein klein wenig kam ich im Bereich des Archipels und des Erotic Empire in diesem Monat auch noch vom Fleck, aber es ist nicht wirklich erwähnenswert. Sonderlich produktiv würde ich diesen Monat deshalb nicht nennen.

Leider ist zu konstatieren, dass der September, obgleich es jetzt allmählich etwas kühler wurde, keine signifikante Besserung brachte. Das Gesamtfazit beläuft sich hier nur auf 10 beendete Werke, mit weitem Abstand der bisherige Jahrestiefstand. Da von diesen Werken auch noch 2 Blogartikel waren und weitere sechs auf Rezensionen entfielen und natürlich dazu noch die ob­ligatorische BWA-Redaktion zu nennen ist, kam ich wirklich buchstäblich auf gar keinen grünen Zweig.

Ich begann allerdings, drei E-Books zu konzipieren, weil mir end­lich klar geworden war, dass der ursprüngliche Denkansatz, beim KONFLIKT 13 „DER CLOGGATH-KONFLIKT“ wie anfangs gedacht vorzugehen, sich nicht würde realisieren lassen. Der Roman „DER CLOGGATH-KONFLIKT 1: Vorbeben“ ging ein­fach zu schnell aus dem Teig. Ihr wisst ja, das ist mit über 500 Textseiten mein umfangreichstes bislang publiziertes E-Book ge­worden.

Das zweite E-Book, was ich deshalb daraufhin konzipierte, war „DER CLOGGATH-KONFLIKT 2: Monstererwachen“, gleich gefolgt von „DER CLOGGATH-KONFLIKT 3: Knochensaat“, in dem ich die ersten Episoden des KONFLIKTS 13 (OSH) ausar­beiten werde.

Zurzeit bin ich – seit Januar 2020 – dabei, diese Episoden zu di­gitalisieren, und ich raufe mir wirklich ständig die Haare, weil sie zum Teil so schreiend unlogisch sind wie manche klassischen Star Trek-Folgen mit Kirk und Spock.

Nein, da brauchen mich die Trekkies jetzt nicht mordlüstern an­zuschauen, ihr müsst einfach mal euren gesunden Menschen­verstand und die Logik einschalten. Vieles dort ist nur mit sehr, sehr naivem Gemüt zu akzeptieren oder zu „glauben“. Ist ein bisschen wie mit den Büchern der Bibel, die man auch nicht buchstabengetreu für bare Münze nehmen kann (allein der Sint­flutmythos ist abstrus. Woher sollte wohl all das Wasser kom­men, das die Erde bis zur Spitze des Mount Everest über­schwemmt, und dies wochenlang? Das KANN man einfach nicht wörtlich verstehen! Es ist physikalisch unmöglich).

Also, so ähnlich abstrus sind die frühen Episoden des OSM-KON­FLIKTS 13. Da eine Logik hineinzubekommen, wird verdammt harte Arbeit für mich sein, weil ich mich hier von einem Grund­strukturprinzip des frühen OSM lösen muss: von „Magie“. Magie und OSM-Physik schließen sich strukturell aus, ergo muss ich al­les auf die OSM-Physik zurückführen und all das, was damit nicht kompatibel ist, liquidieren. Das wird eine Menge sein.

Gottlob, muss ich sagen, wurde es im Oktober dann wieder er­heblich kühler, und meine Arbeitsfähigkeit kehrte zurück. Das werdet ihr im nächsten Teil dieser Reihe auch merken.

Soviel für heute zum Jahr 2018. In der nächsten Woche kehren wir in KONFLIKT 14 zurück.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Liebe Freunde des OSM,

wie die meisten von euch selbstverständlich wissen, bin ich von Haus aus Histo­riker und lese neben zahlreichen belletristischen Werken, die ich favorisiert im Rezensions-Blog vorstelle, natürlich auch historische Sachbücher. Und mitunter fallen mir da welche in die Hände, die auf bemerkenswerte Weise den eigenen Horizont weiten.

Das vorliegende Buch möchte ich ausdrücklich zu diesen Werken zählen. Erik Durschmied, 1930 in Österreich geboren, aber zwischen 1952 und 1999 in den USA lebend und lehrend, hat sich darin mit Wendepunkten der Weltgeschichte beschäftigt, primär aus nahe liegenden Gründen mit militärischen … mit etwas, das man üblicherweise nicht als wesentlichen Faktor der Weltgeschichte be­trachtet, nämlich etwas, was er als „Hinge-Faktor“ bezeichnete, eine Art Schar­nierfunktion als Wendepunkte des Glücks. Und wie er äußerst lebhaft und beein­druckend zu schildern weiß, können die bisweilen äußerst kuriose Formen an­nehmen.

Welche? Schaut einfach weiter und lasst euch überraschen – ich war es an vielen Stellen dieser bemerkenswerten Lektüre jedenfalls:

Wie Zufall und Dummheit Weltgeschichte schreiben

Der Hinge-Faktor

Von Erik Durschmied

(Sonderausgabe, OT: Hinge Factor)

Komet, o. O., 1998

Aus dem Amerikanischen von Gertraud Broucek und Sabine Bröhl

292 Seiten, geb.

ISBN 3-933366-07-0

Der so genannte „Hinge-Faktor“ ist ein Begriff aus dem Militär-Jargon und war mir vor der Lektüre dieses Buches so auch nicht bekannt. Er bezeichnet einen la­bilen Punkt innerhalb einer militärischen Auseinandersetzung, eine Belastungs­schwelle sozusagen, von der ab das Schlachtenglück umkippen kann und an­fangs positive Schlachtverläufe ins Gegenteil zu verkehren imstande ist. Oftmals hängt nämlich der siegreiche Verlauf von Gefechten durchaus nicht von Mann­stärke oder überlegener Waffenkraft ab. Der Hinge-Faktor hat viel mit Psycholo­gie, mit persönlichen Animositäten, mit Irrationalität, geradezu lebensmüdem Wagemut, mangelnder Voraussicht oder eben auch Wetterkapriolen zu tun. Die Schlacht gewinnt nicht derjenige, der besser dafür gerüstet ist, sondern eher die Seite, die weniger Fehler macht.

Das ist für Militärtaktiker natürlich einigermaßen ernüchternd. Schon der Militärhistoriker John Keegan konstatierte zutreffend, dass mit zunehmender Komplexität der Kämpfe die Übersicht über den Kampfverlauf quasi in dem Moment für die befehlshabenden Offiziere verloren geht, in dem der erste Schuss abgefeuert wird.1 Man kann sich das bei Waterloo oder beispielsweise solchen ausgedehnten Schlachten wie bei Tannenberg im Ersten Weltkrieg gut vorstellen. Aber besonders haarsträubend wird es dann in der modernsten Zeit, wenn die eigentlichen Männer am Drücker Tausende von Kilometern entfernt sitzen und ihre Drohnen, Lenkwaffen und Kampfgeschwader ins Zielgebiet des Konflikts dirigieren.

Der Hinge-Faktor gewinnt also mehr und mehr an Bedeutung, und es ist nicht abzusehen, dass sich das ändert.

Erik Durschmied lotst den Leser in diesem Buch durch gut drei Jahrtausende Konfliktgeschichte. Je nach Faktenlage fallen die Kapitel mal kürzer, mal länger aus. Notwendig sind die frühen darum eher knapp gehalten, etwa „1184 v. Chr., Troja – Ein hölzernes Pferd“ oder auch „25. Oktober 1415, Azincourt“. Gene­rell ist die Struktur der einzelnen Kapitel dergestalt, dass zunächst eine Schilde­rung des Verlaufs gebracht wird, sodann eine kurze Quintessenz, worin der Hin­ge-Faktor des jeweiligen Vorfalles bestand, ergänzt um kontrafaktische Spekula­tionen (was für Phantasten natürlich interessant ist und für Schriftsteller, die nach Ideen suchen, eine schöne Quelle der Inspiration darstellt), um dann noch kurz die Konsequenzen für die Weltgeschichte zu resümieren.

Wir reisen auf diese Weise durch die Jahrhunderte und über die Kontinente. Von Kleinasien des 2. vorchristlichen Jahrtausends zu den Kreuzzügen (1187), von Azincourt in Frankreich zu einem Ort namens Karansebes (1788).2 Wir schreiten über das blutgetränkte Feld von Waterloo, wo eine Handvoll Nägel das Kriegs­glück entscheidet, besuchen Balaklawa (1854), mischen uns in den amerikani­schen Bürgerkrieg bei Antietam (1862) und erfahren hier von den drei Zigarren, die zentral waren (ich stutzte anfangs genauso wie ihr jetzt, vertraut mir!). Von Königgrätz (1866), dem legendären Feldzug zwischen Österreich und Preußen, der die deutsche Reichsgründung vorbereiten half, hatte ich natürlich schon in den Geschichtsbüchern gehört … aber nicht so, wie es hier geschrieben stand.

Auch vom 28. August 1914 und der so genannten Schlacht bei Tannenberg hatte ich schon viel gelesen, naturgemäß, als Historiker, der viel über den Ersten Welt­krieg weiß. Doch auch hier wusste Durschmied Unbekanntes geschickt zu refe­rieren. Vor allen Dingen hätte ich mir nie träumen lassen, dass „ein Schlag ins Gesicht“, und noch dazu Tausende von Kilometern von Ostpreußen entfernt, letztlich solche desaströsen Auswirkungen auf die russische Militärtaktik vor Ort haben könnte.

Inwiefern am 5. November 1914 in Tanga in Afrika „der Stich einer Biene“ schlachtentscheidend war, muss man auch wirklich nachlesen, es ist nachgerade grotesk und blamabel für die britischen Interventionstruppen und die Dummheit des Kommandanten.

Weiter geht die chronologische Reise über Frankreich 1940, dann hinauf auf den kalten Atlantik im Mai 1941 auf der Jagd nach dem monströsen Schlachtschiff BISMARCK (auch diese Geschichte hatte ich schon öfters gelesen, doch auch hier vermochte Durschmied zu überraschen). Ein letztes Kapitel beschäftigt sich dann mit der Spionagegeschichte des Zweiten Weltkriegs und oszilliert zwischen Moskau, Berlin und Tokio.

Ab dem nächsten Kapitel, „31. Januar 1968, Vietnam – Der Tod eines Mannes“ referiert Durschmied dann teilweise aus seinem eigenen Leben, denn er war in Vietnam persönlich dabei. Und das Foto, um das es hier zentral geht, ist selbst mir in erschütternder Erinnerung, wiewohl ich zu dem Zeitpunkt gerade mal knapp anderthalb Jahre alt war.

Ein wenig aus der Rolle fällt der 9. November 1989 mit dem Fall der Berliner Mauer (wo m. E. ein Zitat falsch rückübersetzt worden ist), eben weil es dort ja gerade nicht um einen Schlachtverlauf ging. Das ist hingegen beim „17. Januar 1991 – Der Nullfaktor“ der Fall, der mich frösteln ließ. Besonders der letzte Ab­satz ist es hier wert, bedrückt zitiert zu werden: „Der Hinge-Faktor im Golf­krieg lag in der absoluten technologischen Überlegenheit während der ersten Stunden des Angriffs. Alles, was danach geschah, war kein Krieg mehr, es war nur noch Vernichtung.“

Diese erschütternde Feststellung bestärkt mich leider in meinen über viele Jahre gehegten Annahmen. Auch, dass Norman Schwartzkopf, der Befehlshaber der Streitkräfte, sich anschließend um seinen Sieg betrogen fühlte und in den Ruhe­stand ging, passt sehr dazu, dass am Ende des Golfkriegs die Politiker den Pri­mat der Handlung übernahmen und eben den Feldzug nicht mit der Einnahme von Bagdad und dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein vollendeten. Dies war – politisch – gar nicht der Zweck des Feldzuges gewesen. Stattdessen sollte Saddams Militärmaschinerie zerschlagen werden (was, wie Durschmied nach­drücklich schildert, schnell und glänzend realisiert wurde – mit vermutlich rund 200.000 irakischen Opfern, von den Zivilisten mal ganz zu schweigen). Der Po­tentat selbst blieb an der Macht, und wir wissen ja, dass es erst eines zweiten, durchweg irrationalen Feldzuges eines pathologischen US-Präsidenten Bush jr. bedurfte, um ihn zu entmachten und vor Gericht zu bringen. Frieden hat diese Aktion der Region aber nicht gebracht.

Es ist also ein wenig bedauerlich, dass Durschmieds Buch so alt ist und speziell die Konflikte des frühen 21. Jahrhunderts hierin notwendig nicht enthalten sein können. Ich bin der Überzeugung, der Verfasser wäre heutzutage mehr denn je der Ansicht, dass der „Hinge-Faktor“ an Bedeutung eher noch gewonnen hat. Ich bin zumindest dieser Auffassung, weil moderne Militärstrategen leider auf beklagenswerte Weise dazu neigen, sich auf Hightech-Waffen zu verlassen und dabei den Individualfaktor am Boden sträflich vernachlässigen.

Solche Kontexte wie Familienehre, das Rächen gefallener Geschwister oder El­tern, irrationale Dinge wie das Verletzen von religiösen Geboten oder heiligen Stätten, auch das wären zweifellos Hinge-Faktoren der Gegenwart, die heutzuta­ge stärkere Relevanz haben als in Durschmieds Buch.

Alles in allem aber ist dieses Werk ein Sachbuch, das solide mit Fußnoten kom­mentiert worden ist (manchmal mit überflüssigen, sehr häufig aber mit äußerst nützlichen, die informatorischen Mehrwert bereitstellen), das handlungsdicht ge­schrieben ist und vielfach ungewöhnliche Blickwinkel auf bekannte historische Konfliktherde bietet. Bedauernswert fand ich, dass sich kein Literaturverzeich­nis entdecken lässt – aber dies ist eine preiswerte Nachdruckausgabe, da ist das von vornherein zu erwarten. Sehr erwähnenswert sind auch noch die angefügten Kartenmaterialien im Anhang, die besonders bei den komplexen Schlachtverläu­fen dem Leser helfen, den Überblick zu behalten.

Ich habe selbst als Historiker das Buch mit Gewinn gelesen und kann es als Lek­türe, Informationsquelle und Inspiration für kreative Geister guten Gewissens weiterempfehlen.

© 2016 by Uwe Lammers

Wie ihr sehen könnt – ein Buch, das mich vor rund vier Jahren schwer beeindruckt hat. Inzwischen schätzungsweise längst vergriffen und nur noch antiquarisch zu bekommen. Aber die Suche danach lohnt sich.

Das gilt auch für das Buch, das ich euch kommende Woche vorstellen möchte und das noch ein paar mehr Jahre auf dem Buckel hat. Lasst euch mal überraschen, worum es sich handelt.

Bis dahin, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

1 Vgl. hierzu John Keegan: „Das Antlitz des Krieges“, Frankfurt am Main 1991.

2 Wer diesen Ort nicht kennt und sich fragt, wieso hier „ein Fass Schnaps“ den Ausschlag über das Schlachten­glück gab, sollte sich das nicht entgehen lassen.

Liebe Freunde des OSM,

der Tod ist niemals etwas, was man im Leben leicht wegstecken kann – und der Tod der Eltern gehört mit weitem Abstand zu je­nen Geschehnissen, die uns am meisten in der Folgezeit prä­gen. Das gilt natürlich auch dann, wenn sie uns sehr lange be­gleiten. Im Falle meines Vaters waren es fast 80 Jahre, die er existieren durfte, meine Mutter immerhin rund 75 Jahre. Und ich fasse es als Privileg auf, dass ich mich in den letzten Monaten ihres Daseins verstärkt mit ihr treffen konnte.

Kreativ wirkte sich ihr Ableben im Mai 2015 dann jedoch sehr stark auf mich aus. Zwar mag ein Blick in meine handschriftlich geführten Kreativhefte, in denen ich akkurat seit 1985 festhalte, was ich in welchen Monaten geschrieben habe, scheinbar das Gegenteil beweisen, wenn man – wie wir es heute tun – den Mo­nat Juni 2015 anschauen, wo ich immerhin 39 fertige Werke ver­zeichnet habe. Aber der erste Eindruck trügt durchaus.

Nicht weniger als 15 dieser Beiträge entfallen auf Blogartikel, und ihr wisst, dass sie nicht unbedingt durch sonderliche Länge oder Innovativität auffallen, namentlich nicht die Rezensions-Blogartikel. Ich betrachte Blogartikel generell als eine Möglich­keit, kreative Formulierungs-Fingerübungen zu vollführen, aber wenn ich WIRKLICH kreativ sein will, ziehe ich es vor, neue Ge­schichten, neue Rezensionen oder dergleichen zu verfassen.

Gut, im Monat Juni 2015 gelang es mir auch, das nächste E-Book fertigzustellen. Doch „Reinkarnation und andere phantastische Geschichten“ stellte eine Storysammlung dar, und der innovative Mehrwert darin ist eher begrenzt zu nennen und bestätigt eher das, was ich eingangs sagte. Das gilt auch für meine Aufbereitung der OSM-Story „Der Platz der Steine“ in vier Teilen, die bald darauf in verschiedenen Fanzines ihren Platz finden sollte (so in BWA, EXTERRA und den ANDROMEDA-NACHRICHTEN).

Wenn wir uns auf den Fokus der „Annalen“ einschränken, ist der Monat Juni deutlich weniger ergiebig als auf den ersten Blick. Ich arbeitete etwas weiter an der Story „Besuch in der Hei­mat“, ebenso an „Ungleiche Freunde“. Ansonsten arbeitete ich wesentlich an einigen Archipelwerken weiter, schrieb Episo­den ab und kommentierte sie… und ein wenig versuchte ich auch, an den E-Books „Auf Götterpfaden“ und „Hinter der Raumzeitwand“ vorwärts zu kommen. Es gelang eher mäßig.

Mit nur 24 Werken wurde der Folgemonat Juli noch ein wenig schwächer, darunter wieder 12 Blogartikel, aber immerhin dann auch das E-Book „Auf Götterpfaden“. Es begannen die Arbei­ten an Annalen 5: Jaleenas zweites Leben“, und neben dem Weiterfeilen an den beiden Annalen-Geschichten aus dem Vormonat kümmerte ich mich auch ein wenig um „Beas Freund“, um die Vorarbeiten an den E-Books „Welt der Wun­der“ und „Als Tiyaani noch ein Kind war…“.

Außerdem fand ich es sinnvoll, weiter an „Kämpfer gegen den Tod“ zu arbeiten und entwarf mit „BURTSONS Feuerpro­be“ den Ansatz eines Hintergrundartikels für KONFLIKT 9 „Oki Stanwer – Der Kaiser der Okis“ (DKdO). Gegen Ende des Monats wagte ich mich sogar wieder in die Digitalisierung des CLOG­GATH-KONFLIKTS, kam aber erwartungsgemäß nicht sehr weit, weil der Monat einfach endlich war.

Fazit: Auch eher enttäuschend.

Mit 21 abgeschlossenen Werken verlief die Arbeit im Monat Au­gust 2015 nicht signifikant besser. Sechzehn Blogartikel, aber – erfreulicherweise – auch das E-Book „Hinter der Raumzeit­wand“ sind hier zuvorderst zu nennen.

Reichlich Glossararbeit wäre sowohl für Juli als auch für August zu nennen, aber das tue ich nur am Rande. Stattdessen sei her­vorgehoben, dass ich weiter am „CLOGGATH-KONFLIKT“ schrieb und dabei außerdem an meinem Plan arbeitete, das E-Book „DER CLOGGATH-KONFLIKT 1: Vorbeben“ zu realisie­ren, woraus dann erst Ende 2018 etwas geworden ist. Einiges an Zeit wurde auch in die Fortsetzung der Digitalisierung des KONFLIKTS 1, des Romans „Der ZathurayKonflikt“, inves­tiert. Notwendig kam auch dieses Projekt im Monat August nicht sonderlich von der Stelle, aber das konnte mich nicht wirklich überraschen.

Wenden wir uns zum Schluss in diesem Beitrag noch flink dem Monat September 2015 zu. Mit 29 beendeten Werken sieht es so aus, als sei das Tief in diesem Jahr endgültig überwunden. Das sollte allerdings ein Trugschluss bleiben.

Auch in diesem Monat fällt die Dichte an neu geschriebenen Blogartikeln deutlich auf: 14 entstanden dieses Mal. Hinzu kam allerdings erfreulicherweise das nächste E-Book „Welt der Wunder“, womit der Zhoncor-Zyklus in KONFLIKT 2 „Oki Stan­wer und das Terrorimperium“ (TI) seinem Höhepunkt entgegen­strebte, vollendet werden.

Da ich inzwischen wieder an der TU Braunschweig mit einer ge­ringen Stundenzahl angefangen hatte zu arbeiten, wurde ich ein wenig von meiner Schreiberei abgelenkt, was mir vermutlich gut tat. Um das ein wenig zu kompensieren und die nächsten Monate kreativ vorzubereiten, kümmerte ich mich darum, Kon­densationskerne für die nächsten E-Books zu entwickeln. Darun­ter waren „Das Sternenreich des Windes“, „Gelüftete Schleier“, „Audienz bei Quin“ und „Baumeister-Pläne“. Ihr wisst, wenn ihr der TI-Serie gefolgt seid, dass alle diese Ge­schichten inzwischen längst veröffentlicht sind.

Gab es sonst noch Lichtblicke in diesem Monat? Bezogen auf die „Annalen“ leider nicht. Irgendwie kam ich mir immer noch orientierungslos vor, und das hatte nicht zuletzt damit zu tun, dass sich die Schlussakkorde der notariellen Nachbeben des Ab­lebens unserer Eltern noch nicht gelegt hatten. Das sollte dann erst anno 2016 geschehen.

Doch in diesem Jahr änderte sich für mich sowieso beruflich ei­niges auf längere Sicht, und das würde dann massive Auswir­kungen auf meinen kreativen Schreibprozess haben. Das war in diesen Wochen und Monaten nicht wirklich abzusehen. Meine Beschäftigung für die Universität betrug 15 Monatsstunden, was mir ein kleines Salär jenseits des ALG II eintrug, von dem ich mein Leben zurzeit finanzierte. Well, angenehmes Leben sah echt anders aus. Aber wer mich gut kennt, weiß, dass ich ein recht anspruchsloser Mensch bin, der mit wenig auskommt. Und ebenso, dass ich eine solche Situation seit meinem Studienab­schluss im Sommer des Jahres 2002 schon öfter durchlebt hat­te.

Ich machte mir keine Vorstellungen von der nahen Zukunft. Aber ihr werdet davon hören, in den nächsten Abschnitten die­ser Artikelreihe. Demnächst.

Bis nächste Woche, Freunde, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Liebe Freunde des OSM,

vor fünf Wochen führte ich an dieser Stelle Pia Contis Erstlings­roman „Giulias Geheimnis“ ein, der ausdrücklich als Teil 1 eines Zweiteilers apostrophiert war. Ein erotisch-romantischer Roman mit BDSM-Zutaten aus dem Hause „Plaisir d‘Amour“. Heute möchte ich euch den zweiten Teil dieses Zyklus vorstellen, bei dem ich dann freilich auch deutliche Schwächen in der Hand­lungsführung konstatierte.

Einfaches Lesefutter, würde ich heute mit der Distanz von drei Lesejahren sagen. Und damit das Fazit bestätigen: Dies ist ein Roman zum Zeitvertreib, zur Zerstreuung, wenn man unbedingt Geschichten braucht, bei denen man sein Hirn nicht sehr anzu­strengen braucht. Vielleicht braucht ihr im Sommerurlaub ja sol­che Lektüre?

Schaut es euch einfach mal an:

Elisa – Verlockung der Unschuld

Von Pia Conti

Plaisir d’Amour

366 Seiten, TB (2016)

ISBN 978-3-86495-221-0

Preis: 12,90 Euro

Teil 2 der Serie „Italian Masters“

Da hat er ja ein goldiges Versprechen abgegeben!

Fabrizio Testi, seines Zeichens rigider dominanter Master in Flo­renz, hat das Kriegsbeil mit seinem alten Freund und nachmali­gen Gegner Alessandro Bertani begraben, nachdem er dessen zerrüttete Ehe mit Giulia Bertani gekittet hat.1 Im Zuge dieser Ereignisse hat Fabrizio sich aber von seiner Domina-Kollegin Lady Silvana überreden lassen, auf ihre Nichte aufzupassen, Elisa Bernini.

Da Fabrizio Inhaber eine gut situierten Galerie in Florenz ist, sieht er ein nur geringes Problem darin, Silvanas Nichte als Aus­hilfe einzustellen und so ein Auge auf sie zu haben. Sie soll, dem Vernehmen nach, ein ausgesprochenes Landei sein, erzka­tholisch erzogen und zweifellos sehr prüde. Vermutlich sogar recht schlicht und unattraktiv. Mit anderen Worten: ein Mühl­stein an seinem Hals.

Fabrizio verflucht sich längst dafür, Silvana sein Wort gegeben zu haben.

Auch Fabrizios Kollege in der Galerie, Nevio, ist höchst ungehal­ten darüber. Er ist sein Assistent und sieht, ob nun mit Recht oder nicht, seine Assistentenstelle bedroht. Eine Vorstellung, die freilich ziemlich abwegig ist, weil Elisa doch von Kunst gar nichts versteht.

Ach, Nevio wird sich schon wieder beruhigen, davon ist Fabrizio überzeugt. Das kann alles nicht so schlimm werden …

Es wird viel schlimmer.

Als Elisa eintrifft, erweist sie sich entgegen allen Vorstellungen als ein wunderschöner, goldhaariger Engel, der Fabrizio fas­sungslos macht und sowohl seine dominante Ader wie seine in diesem Fall wirklich sehr lästige Geilheit weckt. Aber eben gera­de weil sie so ein unschuldiger, süßer Engel ist – und Silvanas Nichte! – , deshalb ist sie natürlich absolut sakrosankt für ihn. Silvana wird ihn höchst eigenhändig kastrieren, wenn er Hand an sie legen würde, davon ist Fabrizio fest überzeugt.

Das ist die eine Seite des Problems.

Die andere besteht darin, dass Elisa von Fabrizio und seiner dunkel-maskulinen Ausstrahlung fasziniert wird. Längst schon fantasiert sie von unzüchtigen erotischen Praktiken, von einem gesichtslosen Fremden, der sie ungestüm zu unglaublichen Hö­hepunkten der Lust führt … und auf einmal hat dieser Fremde in ihren Träumen Fabrizios Gesicht!

Langfristig können sie also überhaupt nichts anderes tun, als dem gegenseitigen Drängen nachzugeben … auch wenn sich das völlig falsch anhört und anfühlt. Und als Elisa die Distan­ziertheit Fabrizios nicht mehr aushält, spioniert sie ihm nach und stößt auf zwei wichtige Geheimnisse – von denen sie eins umgehend in Lebensgefahr bringt …

Der zweite Band des (mutmaßlichen) Zweiteilers „Italian Mas­ters“ setzt den Handlungsfaden des ersten Bandes „Giulias Geheimnis“ weiter fort. Man lernt als neugieriger Leser einiges mehr über die Lebensumstände von Lady Silvana, über den im ersten Band eher stiefmütterlich behandelten Fabrizio Testi, und neue Personen erscheinen auf der Bühne des Geschehens. Die Handlung selbst ist lebendig, an vielen Stellen vergnüglich und äußerst kurzweilig, gewürzt mit zahlreichen, wenn auch flüchti­gen Schilderungen von Florenz, die man zweifellos aus Filmre­portagen oder Reiseführern übernehmen kann und für die man kaum selbst vor Ort gewesen sein muss. Gleichwohl ist die warmherzige Leidenschaft der Autorin für die italienische Land­schaft und Kultur deutlich zu fühlen, was die Geschichte schön belebt.

Die Handlung selbst ist doch, bei allem Respekt, eher ein wenig schlicht gestrickt, und die verhaltene Attraktion zwischen Elisa und Fabrizio zieht sich besonders in der ersten Romanhälfte deutlich, so süß sie auch dargestellt ist. In der zweiten Hälfte wird ihre gegenseitige Beziehung dann fast etwas flüchtig ge­schildert. Das hat zur Konsequenz, dass man Fabrizio den Mas­ter so gut wie gar nicht mehr abnimmt, und Elisas „Naivität“ weicht doch deutlich zu rasch einer willfährigen Neugierde. Es ist auch eher so, dass die „Unschuld“ den „Master“ verlockt als umgekehrt, was zu einer kuriosen (und vermutlich intendierten) Verdrehung des Romantitels führt.

Die angedeuteten Konfliktlinien im Roman entwickeln sich auch nicht wirklich, fand ich. Weder kam der innerfamiliäre Konflikt zwischen Elisa und ihrer Tante ernsthaft zum Tragen noch erfüll­te Elisas Freundin Davina die Rolle, die ich ihr in Gedanken zu­gedacht hatte. Ebenso seltsam unentschlossen wirkt Nevios Rol­le, und zum Schluss wurde dann, bei allem kurzzeitigen Stress, doch der wesentliche Problempunkt völlig abgebogen: die Sa­che mit dem „Schwarzen Zirkel“. Da blieb eigentlich alles im Halbgaren (weswegen ich vermute, dass es vielleicht beizeiten noch einen dritten Band geben wird, der bislang aber nicht in Sicht ist).

Für einen fast vierhundertseitigen Roman ist das doch ein wenig dünn. Ohne jetzt bösartig zu sagen, die Handlung sei unange­messen aufgeblasen worden, ist doch zu konstatieren, dass in jedem Clive Cussler-Roman auf weniger Seiten mehr passiert. Die Autorin sollte sich definitiv, was Handlungsspannung an­geht, mal ein paar gescheite Vorbilder suchen. Emotionale Spannung allein ist nicht alles, schon gar nicht, wenn eine kon­sequente Charakterzeichnung nicht aufrechterhalten wird. Und das war hier nicht der Fall.

Fazit: zwar ein gut lesbarer, unterhaltsamer Roman, aber nichts für den anspruchsvollen Leser, der wirklich Tiefgang sucht. Wer allerdings mit Contis Erstling „Giulias Geheimnis“ gut unter­halten wurde, der wird sich hier sicherlich ebenfalls wohlfühlen.

© 2017 by Uwe Lammers

In der kommenden Woche werden wir wieder historisch – und hochinteressant, versprochen, Freunde!

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Vgl. dazu Pia Conti: „Giulias Geheimnis“, 2015. Bzw. Rezensions-Blog 270 vom 27. Mai 2020.

Liebe Freunde des OSM,

auch wenn ihr das jetzt sicherlich alle nicht mehr hören könnt – der Monat März 2020 stand vollständig im Zeichen des SARS-Vi­rus COVID-19, landläufig als „Corona-Virus“ bezeichnet (zugege­ben, von mir auch, ist irgendwie eingängiger). Und selbst wenn ich zurzeit auf Arbeitssuche bin und mithin vergleichsweise viel Zeit habe im Gegensatz zu all meinen Freunden, die berufstätig sind und die durch die Pandemie derzeit massive Schwierigkei­ten im beruflichen Leben haben, ist diese Erkrankungswelle doch nicht spurlos an mir vorüber gegangen.

Nein, ich gebe gleich Entwarnung, es hat mich nicht erwischt, ich bin gesund und hoffe, dies auch dauerhaft zu bleiben (well, Sicherheit gibt es diesbezüglich natürlich nicht). Aber ich bin eben auch Schriftsteller und als solcher jemand, der mit offenen Augen durch die Welt geht. Zum einen habe ich schon einen Blogartikel geschrieben, der sich mit dem Thema befasst – ihr lest ihn hier in drei Wochen – , zum anderen wirkt sich die aktu­elle Ausnahmelage sicherlich auch auf meine Kreativität aus … da das immer mit Zeitverzögerung geschieht, kann ich aktuell noch nicht absehen, welche Formen das annehmen wird. Da bin ich ebenso gespannt wie ihr.

Davon abgesehen habe ich aber diesen Monat eifrig zum Schreiben verwendet und kann mit dem Resultat eigentlich recht zufrieden sein: 33 fertig gestellte Werke im März 2020, da war ich schon mal definitiv sehr viel schwächer unterwegs.

Wermutstropfen für meine E-Book-Leser: Für die E-Books hatte ich leider keine Ruhe. Ich habe dafür aber an einigen anderen Baustellen weitergearbeitet und einiges neu erschließen kön­nen. Wie das konkret aussah? Schauen wir uns das mal gemein­sam an:

Blogartikel 378: Work in Progress, Part 87

(OSM-Wiki)

12Neu 82: Kiquaas Hinterhalt

14Neu 85: Der Kristallriese

(14Neu 89: Der Plan der Lichtmächte)

Blogartikel 380: Close Up – Der OSM im Detail (17)

Anmerkung: Wenn ihr kritisieren mögt, dass ich für die Digitali­sat-Abschriften der alten OSM-Episoden Zeit finde, aber nicht für die Ausarbeitung von E-Books, dann ist gerade diese Artikel­reihe ein guter Punkt, um zu erklären, warum es sich so verhält.

Die Close Up-Reihe ist bis zur Folge 21 noch davon abhängig, dass die Digitalisate der Serie 14Neu vorliegen, also „Oki Stan­wer – Feldherr der Cranyaa“. Und da ich jedes einzelne Mal 5 Episoden in Kurzform rezensiere, ist offenkundig, dass Beitrag 17 schon bis Episode 85 reicht. Um den nächsten Close Up-Bei­trag also zeitig schreiben zu können, der nicht mehr sehr weit entfernt liegt, müssen die 14Neu-Episoden bis inklusive Band 90 fertig vorliegen. Das ist noch nicht der Fall. Bis Close Up 21 habe ich also hier noch einen gewissen Druck, der mich von an­deren Feldern partiell fernhält.

Danach nicht mehr, mögt ihr euch fragen? Nun, nicht wirklich. Denn der KONFLIKT 15 „Oki Stanwer“, der sich in der Close Up-Reihe dann anschließen wird und mutmaßlich Thema der Artikel Nr. 22 bis Nr. 39 sein wird, der ist schon vollständig digitalisiert und erfordert darum nur noch Nachlesezeit, aber keine substan­zielle Erschließungszeit. Spätestens dann werde ich wieder Zeit haben, an meinen E-Book-Projekten weiterzuarbeiten. Aber na­türlich hoffe ich, dass ich das parallel zu den Digitalisaten im April und Mai 2020 schon schaffe. Ihr werdet das bei den nächs­ten „Work in Progress“-Blogs sehen.

13Neu 2: Die knöchernen Killer

13Neu 3A: Der Horror-Garten

(13Neu 4A: Das schleichende Grauen)

(12Neu 83: Die Phantomschiffe)

(12Neu 84: Die Schlacht im Sonnenfeld)

(12Neu 85: Spur in die Hölle)

(12Neu 86: Der Held von Pholyar)

Anmerkung: Dies ist Teil 1 des Sardoon-Vierteilers, bei dem es mich, während ich die Anfang 1991 geschriebenen Zeilen digi­talisiere, immer wieder kalt den Rücken herunterläuft. Wer das E-Book „BdC 1 – Im Feuerglanz der Grünen Galaxis“ gelesen hat, hat ja schon Berührung mit dem hier Ton angebenden Un­geheuer gehabt, aber ich versichere euch, das hier ist noch sehr viel schlimmer als das, was ich damals in BdC 1 schrieb.

Sardoon ist mit weitem Abstand eine der finstersten Gestalten des OSM, und hier ist er auf monströse Weise in Hochform. Ihr werdet das noch erleben, Freunde. Leider dauert es noch eine Weile.

14Neu 86: Soffrols Horrorplan

14Neu 87: Timor-Dols Asyl

(14Neu 88: Attacke der Dämonen)

(14Neu 90: Im Jahr 563.923 vor Cranyaa)

(Glossar der Serie „Oki Stanwer – Feldherr der Cranyaa“)

(Glossar der Serie „Oki Stanwer Horror“)

(13Neu 3: Der Horror-Garten)

(13Neu 5A: Höllengrüße)

(14Neu 91: Ylor-Yas letzte Stunde)

(Glossar der Story „Partisanengruppe Rilon Vleh“)

Anmerkung: Diese Geschichte ist nahezu unbekannt? Well, das stimmt. Sie ist auch schon wirklich sehr alt. Sie gehört zu dem Restbestand der sehr alten „Annalen“-Geschichten und füllt ge­wissermaßen eine Handlungslücke des KONFLIKTS 15 „Oki Stan­wer“.

Ohne den oben genannten Close Up-Artikeln über Gebühr vor­greifen zu wollen … als ich 1987, als mehr als drei Jahre nach Serienabschluss diese Geschichte niederschrieb, war alles, was mit den finsteren Voorks und dem Roten Universum zusammen­hing, noch recht klar in meinem Verstand. Heutzutage waren viele Dinge, die ich dort erzählte, doch ziemlich fremdartig. Aber nach knapp 33 Jahren war es höchste Zeit, die Geschichte zu digitalisieren.

(Glossar der Serie „Oki Stanwer“)

(E-Book-Glossar)

(Glossar der Serie „Oki Stanwer und das Terrorimperium“)

(Partisanengruppe Rilon Vleh – OSM-Story)

(Rhondas Aufstieg – Archipel-Roman)

Blogartikel 386: Seuchenalarm!

Anmerkung: Das ist der oben eingangs erwähnte, von dem Co­rona-Virus inspirierte Blogartikel. Und nein, es geht natürlich nicht nur um Corona, keine Sorge. Ich gehe da mehr der Frage nach, ob ich im OSM, der ja inzwischen 1958 Werke umfasst, auch was zum Thema Epidemien geschrieben habe. Und ja, habe ich natürlich. Mehr in drei Wochen an diesem Ort dazu.

(14Neu 92: TOTAMS Generalangriff)

(12Neu 87: Der Täuscher von Pholyar)

(Glossar der Serie „Oki Stanwer – Bezwinger des Chaos“)

Blogartikel 379: Legendäre Schauplätze 18: RANTALON

Anmerkung: Ja, diesen Beitrag habe ich ziemlich spät geschrie­ben. Das hatte seinen Grund. Er ist ein erster Schritt in den bis­lang noch digital unerschlossenen KONFLIKT 16 „Oki Stanwer – Der Mann aus dem Nichts“, um den ich mich in den Close Up-Beiträgen erst ab Folge 40 kümmern kann, also ist das noch ein paar Jahre in der Zukunft. Da ich die Serie aber mit Abschluss im Sommer 1998 bereits verlassen habe, ist sie mir ebenso fremd geworden wie die anderen alten Episoden vergleichbarer Serien. Auch musste ich mir bei der Abfassung dieses Beitrages überlegen, wie viel ich wohl den Close Up-Beiträgen vorweg­nehmen sollte, und ich habe mich für einen Mittelweg entschie­den.

Was heißt das? Nun, das habt ihr ja in der Zwischenzeit lesen können, und ich hoffe, ihr wart nicht der Ansicht, ich hätte hier nur halbgares Zeug geschwafelt. Viel mehr konnte ich da echt nicht aussagen. Das wird sich bei späteren „Legendäre Schau­plätze“-Beiträgen wieder ändern, versprochen!

(14Neu 93: Srakkonar Eins)

(12Neu 88: Expedition nach Quanier)

Soweit also die heutige Übersicht. Viele weitere Werke entfielen auf Rezensions-Blogs, Horrorwelt-Abschriften und Rezensionen, zu denen ich an dieser Stelle aber nichts weiter sagen werde.

Wann der zweite Horrorwelt-Beitrag kommt, möchtet ihr an die­ser Stelle gern erfahren? Oh, das kann ich aktuell noch nicht sa­gen. Aber da ich die Blogartikel schon bis Nr. 396 durchgeplant habe, muss ich euch auf die frühen 400er-Blogartikel vertrösten.

Soviel für heute in aller Kürze. Macht es gut, bleibt weiter ge­sund und unterlasst alle waghalsigen Ideen in eurer Freizeit, Freunde!

Bis bald, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 274: Todesbefehl (2/E)

Posted Juni 24th, 2020 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

vor zwei Wochen habe ich an dieser Stelle mit „Killermaschine“ den ersten Band dieses faszinierenden Zweiteilers vorgestellt. Es ging darin um die Entwicklung und Emanzipation des KI-ge­lenkten Roboters „Solo“, der die Missionsziele seiner Erbauer hinterfragte und schließlich – nach den Vorstellungen der leiten­den amerikanischen Militärs – „desertierte“ und „unzuverlässig“ wurde.

Was sich in Wahrheit ereignete, war deutlich komplexer und wurde von den Militärführern nicht begriffen. Hier deutet sich m. E. eine Art Fundamentalkonflikt an, den der Autor Mason wäh­rend seiner Vietnamzeit mit den eigenen Vorgesetzten gehabt hat; es scheint darum nicht unplausibel, in „Solo“ eine Form von idealisiertem alter Ego zu sehen, das hier an seiner Statt der Willkür der Militärverwaltung ausgesetzt ist und dagegen oppo­niert.

Aber auch jenseits dieser individualisierten und leider spekulativ bleibenden Vermutung ist der Roman interessant. Am Ende des Romans „Killermaschine“ gilt „Solo“ als vernichtet. Dabei han­delt es sich freilich um ein von der Maschine absichtlich insze­niertes Ende, das zwei Ziele intendiert: Schutz der ihm anbefoh­lenen Indigenen in Nicaragua, denen er sich inzwischen ver­pflichtet fühlt, auf der einen Seite, zum anderen aber auch die Erlangung von Autonomie. „Solo“ denkt da pragmatisch: wer als „tot“ gilt, nach dem wird nicht mehr gefahndet.

Leider ist sein Plan weniger wasserdicht, als er das glaubt. Und damit beginnt dann der Folgeroman:

Todesbefehl1

(OT: Solo)

von Robert Mason

Heyne 8907

320 Seiten, geschrieben 1992, erschienen 1994

Aus dem Englischen von Michael Wingassen

ISBN 3-453-07210-3

Ist es sinnvoll, halb vergessene Science Fiction-Romane zu re­zensieren, die vor mehr als 25 Jahren erschienen sind? Sind sie nicht vollständig veraltet, altbacken und vollständig überholt? Diese Ansicht lässt sich vertreten, und in vielen Fällen ist sie si­cherlich berechtigt. Meines Erachtens trifft das auf dieses Werk nur bedingt zu, ja, die zeitliche Distanz zur Entstehung in Relati­on zum seither erfolgten technologischen Fortschritt macht das Werk dann sogar wieder interessant.

Natürlich ist die dargestellte technologische Entwicklung im Be­reich der Künstlichen Intelligenz für die frühen 90er Jahre eini­germaßen naiv, das ist nicht zu leugnen. Aber es geht dem 1942 geborenen US-amerikanischen Autor Robert Mason, Viet­nam-Veteran und Helikopterpilot (was sich auf vielfältige Weise im Roman abbildet, so dass dieser partiell zu einer Art von Le­bensbewältigungsstrategie geworden ist) auch weniger um eine realistische Form der technologischen Extrapolation, er zielt mehr auf moralische Fragen, die eher die Moralität der Men­schen skeptisch durchleuchten als die von Maschinen. Die vor­malige Kampfmaschine Solo dient Mason dabei als Vehikel jen­seits des tumben „Wir haben Angst vor der Intelligenz von Ma­schinen“ einerseits und der plumpen militärischen Wunsch-Kli­schees von idealen Supersoldaten mechanischen Ursprungs.

Kurz zum Inhalt: Im Romanerstling „Killermaschine“ (OT: Weapon) von 1993 schilderte der Autor die Entwicklung der in­telligenten Kampfmaschine Solo durch den Elektronikkonzern Electron Dynamics des Erfinders Dr. William „Bill“ Thompson. Während Thompson den Roboter noch nicht für einsatzfähig hält, setzt sich das phantasielose Militär darüber hinweg und setzt Solo in Mittelamerika für eine Kampfmission ein, die dum­merweise dem lernenden Verstand Solos jede Menge neuen In­put vermittelt. Das führt dazu, dass die Maschine zunächst sei­ne Direktiven hinterfragt und schließlich desertiert, um vom Mi­litär daraufhin gejagt zu werden. Der Schluss des Romans zeigt offenbar die Vernichtung von Solo, der seine Nemesis, den Agenten Warren, mit sich in den Tod zieht und über dem Meer abstürzt. Nur auf diese Weise meint Solo, könne er seine lieb gewonnenen indigenen Freunde (!) im Dorf Las Cruzas vor Schlimmerem bewahren.

Aber es bleiben Zweifel. Insbesondere Zweifel daran, ob Solo tatsächlich vernichtet worden ist. Das US-Militär, und damit setzt der vorliegende Roman an, lässt Testreihen durchführen, um Genaueres herauszufinden – und die Tests belegen, dass die Kampfmaschine noch am Leben sein muss, wie immer man „Le­ben“ auch definiert.

Solo hat in der Tat seine Vernichtung nur vorgetäuscht und kann sich nun zurück nach Las Cruzas orientieren und kehrt so wieder ins Leben zurück. Er sieht allerdings gleich mehrere Probleme: zum einen lassen seine Batterien stark an Leistung nach. Zum zweiten ist sein Ladegerät beschädigt. Er sieht also voraus, dass er alsbald aus reinem Energiemangel inaktiv werden wird, „ster­ben“. Und mit den Mitteln von Las Cruzas ist es schlechthin un­möglich, daran etwas zu ändern. Das kann er nur in der Hoch­technik-Zivilisation der USA.

Beeinflusst von populären Filmen, die Solo sich über Satelliten­fernsehkanäle ansieht, ist er überzeugt davon, in New York, wo die seltsamsten Leute in den abenteuerlichsten Outfits herum­laufen, am sichersten damit durchzukommen – auch wenn er mit seinem Vollkörperpanzer eher wie „Robocop“ wirkt. Damit beginnt dann der neue Erstkontakt Solos mit der menschlichen Gesellschaft, der allerlei schrullenhafte Züge annimmt.

Allerdings macht sich der Roboter keine Vorstellung davon, wie die Zivilisation auf ihn wirkt. Als er seinen Weg dorthin findet, wird er sehr schnell von dem pulsierenden Leben der Metropole völlig überrumpelt … und er macht noch seltsamere Entdeckun­gen. Da gibt es beispielsweise so etwas wie Bücher. So etwas hat er noch nie in der Hand gehalten, und natürlich machen sie ihn neugierig. Menschen verhalten sich ihm gegenüber höchst eigenartig, etwa ein Ladenbesitzer, der von ihm „Geld“ ver­langt, als er Bücher kaufen möchte … und ihm dann seltsamer­weise zunächst einen Haufen Geld in die Hand drückt und Solo, als er sich dankend wieder zu den Büchern umdreht, kurzerhand mit einer Waffe in den Rücken schießt.

Menschen sind seltsame Wesen, stellt er zunehmend fest, und in New York sind sie womöglich noch eigenartiger als in Las Cruzas, zumal viele sich auf eigenartigste Weise verstellen und anders verhalten, als er es anfangs vermutet. Das menschliche Wesen ist für ihn ein sehr rätselhaftes, komplexes Forschungs­feld. Weitere Begegnungen mit Bewohnern der Metropole fallen noch obskurer aus, und binnen kürzester Zeit ist er in der Groß­stadt ein Gejagter. In dieser Verfassung trifft er auf die schein­bar obdachlose Frau Laura Johnson-Reynolds, die ihm im betrun­kenen Zustand erstaunlich viel über Menschen beibringt und ei­nen Unterschlupf bietet.

Auf der Gegenseite unternehmen die amerikanischen Militärs ih­rerseits Anstrengungen, Solo wieder ausfindig zu machen. Zu­gleich misstrauen sie Solos Erfinder Bill Stewart und lassen ihn ausspähen, am Ende sogar mit einem menschlichen Spion in seiner Firma. Und tatsächlich gelingt es ihnen schlussendlich, Solo in New York aufzustöbern und den Versuch zu machen, ihn auszuschalten – ein Versuch, der katastrophal fehlschlägt, weil sie den Roboter immer noch unterschätzen, der permanent da­zulernt.

So wird entschieden, Solos baugleichen Kollegen Nimrod (be­nannt nach dem mesopotamischen Jäger aus dem Gilgamesch-Epos) als Köder zu verwenden. Auch hier ist Colonel Sawyers überzeugt, dass es sich um eine reine Maschine handelt, und er kontrolliert Nimrod mit Hilfe eines Schmerzschalters und der Drohung eines Exit-Schalters. Dabei wird ihm überhaupt nicht klar, dass er durch sein herablassendes Verhalten zunehmend widersprüchliche Signale an Nimrod aussendet und so seine ei­gene Position unterminiert. Nimrod kommt bald zu der Überzeu­gung, Sawyers sei nur vorgeblich sein Freund und in Wahrheit ein Feind, den es auszuschalten gelte, sobald sich die Gelegen­heit bietet.

Solo hingegen erfährt auf Umwegen von Nimrod – und erliegt dabei einer fast schon menschlich zu nennenden, fatalen Fehl­einschätzung: er hat Mitgefühl mit ihm und möchte seinem me­chanischen „Bruder“ helfen, aus der „Gefangenschaft“ des Mili­tärs zu entkommen.

Diese Melange von Zielvorstellungen führt dann schließlich in die Katastrophe und zum mörderischen Zusammenstoß der bei­den Kampfmaschinen …

Nicht nur das bizarre Intermezzo der Marihuana-Bauern, die es schaffen, mit einer Knarre aus dem Bürgerkrieg Solos Hub­schrauber abzuschießen und ihn in seinen Plänen völlig uner­wartet zu stören, trägt deutliche autobiografische Spuren des Verfassers (Mason hat selbst Marihuana angebaut und ist des­wegen mehrere Jahre im Gefängnis gelandet), auch die Flugsze­nen zeigen dies deutlich.

Faszinierend ist, wie rasch Solo sich mit doch relativ beschei­denen Mitteln umfassende Machtmöglichkeiten eröffnet – er kommuniziert mit Geldautomaten und bringt sie dazu, Geld frei­zugeben; er hört über Satelliten elektronische Wanzen ab und ist so imstande, Pläne der Gegenseite zu erkennen. Er hört den Polizeifunk ab und klinkt sich mittels auditiver Verfahren so in den Funk ein, dass er widersprüchliche Befehle aussendet, die schließlich in den hochdramatischen Szenen gegen Ende des Romans die kommunikative Konfusion vollständig machen. Und das ist nur ein kleiner Teil seiner Fähigkeiten, die er zum Einsatz bringt. Die anderen sind noch deutlich Furcht erregender.

Bei der Zweitlektüre, 25 Jahre nach dem ersten Lesekontakt, lebte ich bereits tief eingebunden in der Internetwelt des 21. Jahrhunderts – etwas, was Mason bei Abfassung seines Romans überhaupt noch nicht sehen konnte. Sein Solo agiert über die Leitungen von Telefongesellschaften und über Spionage- und Kommunikationssatelliten. Wenn man sieht, wie atemberaubend dieser Roboter bereits mit den damals möglichen Mitteln seine Verfolger über Monate hinweg vollständig ausbremst, mag man sich überhaupt nicht vorstellen, zu was ein solcher kyberneti­scher Organismus heute fähig wäre.

Ich nehme inzwischen an, dass Mason, der vor diesem Zweitei­ler nur durch einen autobiografischen Vietnam-Roman („Chi­ckenhawk“, 1983) aufgefallen war und danach nicht mehr als Romanautor in Erscheinung trat, mit diesen Werken wohl einen Kontrapunkt zu den „Terminator“– und „Robocop“-Filmen der frü­hen 80er Jahre setzen wollte. Und in der Tat, beide Roboter re­spektive Cyborgs erscheinen im Vergleich zu Solo als reichliche Waisenknaben, die kaum viel mehr als die brachiale Gewalt ken­nen.

Solo hingegen ist mehr ein Spiegel des menschlichen Verhal­tens, das ihm entgegengebracht wird, ein forschender, manch­mal nachgerade kindhafter Verstand, der unablässig dazulernt und dabei natürlich auch gelegentliche Trugschlüsse trifft. Er entfernt sich so mehr und mehr von seiner ursprünglichen Kampfmaschinenprogrammierung (was indes nicht bedeutet, dass er außerstande ist, sich menschlicher Gegner im Kampf durch Tötung zu entledigen, das stellt er schon unter Beweis), und schließlich entwickelt er sogar eine Möglichkeit, menschli­che Hirnaktivität in Worte zu formen, so dass eine faszinierende Form von maschineller Quasi-Telepathie entsteht.

Von solchen Visionen sind stumpfsinnige Filme und Bücher, die dieses Thema behandeln, bis heute relativ weit entfernt. Gerade die „Terminator“-Filme haben stattdessen ein technophobes Kli­ma geschaffen, das durch solche Verfilmungen wie „I, Robot“ oder jüngst etwa „Ex Machina“ usw. noch verstärkt wurde. Viel­leicht hätte Solo in Japan bessere Chancen gehabt – in den USA scheinen die Bücher nie sonderlich erfolgreich gewesen zu sein. Auch ein 1996 erfolgter Versuch, den ersten Mason-Roman zu verfilmen („Solo“, 1996) wird filmisch als Fehlschlag gewertet und zeigte wohl nur die Eindimensionalität und plumpe Theatra­lik der damaligen Zeit.

Todesbefehl“ ist bis heute ein Roman, der seinesgleichen sucht, insbesondere was die menschlich-maschinelle Empathie angeht und die darin in allen möglichen Passagen sich versteckende Form des Humors. Wer sich von dem Gedankenklischee befreit, es handele sich hier nur um einen Roman, der eine „durchge­drehte Kampfmaschine“ und deren Wiedereinfangen themati­siert und sich stärker auf den menschlichen Sozialaspekt des Werkes konzentriert, wird auch heute noch eine erstaunlich warmherzige Geschichte vorfinden, die ungeachtet ihres Alters nichts an Charme eingebüßt hat. Über die etwas archaische Technologie darin muss man einfach hinwegsehen.

© 2019 by Uwe Lammers

Na, wenn das mal nicht neugierig macht, Freunde, gell? So soll das auch sein. Bedenkt mal, dass das Angebot der Buchhand­lungen nicht das Nonplusultra der phantastischen Romane an sich darstellt, sondern nur die aktuelle Schmalspurauswahl (oft­mals durch zahllose Neuveröffentlichungen von z. T. jahrzehnte­alten Stoffen weiter verwässert – so etwa jüngst durch „2001“, Dan Simmons‘ „Hyperion“-Romane und vieles andere mehr). Der Horizont ist deutlich weiter, wenn man die antiquarischen Romane der zurückliegenden dreißig Jahre mit auf dem Schirm hat, sinnvollerweise sollte man den Scanner noch deutlich wei­ter zurück richten.

So betrachtet muss ich konstatieren: doch, es ist absolut sinn­voll, einen Roman zu empfehlen, der in der Internet-Steinzeit spielt und sich mit einer KI-gesteuerten Maschine befasst, wie sie „Solo“ ist.

In der kommenden Woche werden wir dennoch wieder boden­ständiger, kommen dichter an die Publikationsgegenwart heran und bleiben bei der erotischen Interaktion zwischen Mann und Frau. Auch das ist durchaus nicht unspannend, wie zu zeigen sein wird.

Bleibt neugierig, Freunde.

Bis nächste Woche, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

1 Das Buch wurde von mir nach der Erstlektüre 1994 für das Fanzine NEW WORLDS re­zensiert. Die Rezension erschien damals im Mai 1996.

Blogartikel 381: Zeitreise ins Jahr 1983

Posted Juni 21st, 2020 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

wie ihr seit langem wisst, wenn ihr meinen Werken oder auch nur den Blogartikeln schon eine ganze Weile gefolgt seid, ist der Oki Stanwer Mythos (OSM) ein literarisches Gebilde, das man beim besten Willen nicht als Eintagsfliege betrachten kann. Es handelt sich spätestens seit 1985 um ein äußerst komplexes Handlungsgeflecht, das zahlreiche miteinander vernetzte und aufeinander folgende Universen zu einer Gesamtkomposition verbindet. Und wie das mit allem ist, das eine gewisse histori­sche Dimension erreicht, erzeugt das natürlich Schwierigkeiten.

Die Schwierigkeit, auf die ich heute zu sprechen kommen möch­te, ist die Unübersichtlichkeit. Auf Zehntausenden von Seiten, in Aberdutzenden von Ordnern existieren nahezu unzählige Episo­den (aktuell hat die Gesamtzählung die Ziffer 1944 erreicht), ganz zu schweigen von Fragmenten, Vorversionen, Hintergrund­artikeln, ergänzendem lexikalischen und glossarischem Material. Es gibt Grafiken von mir und von externen Künstlern, Karten, historisches Ergänzungsmaterial und so weiter.

Da kann es also nicht verblüffen, wenn ich manche Dinge aus dem Blick verliere. Das geschieht insbesondere mit Texten der Frühzeit.

Auf der zweiten Seite meiner Gesamtliste, und damit komme ich zum zentralen Thema, finden sich unter den Eintragungen OSM 32 und 33 zwei frühe Episoden des KONFLIKTS 13 „Oki Stanwer Horror“ (OSH) – ihr werdet den diesbezüglichen Stoff beizeiten in meinen E-Books der Serie „DER CLOGGATH-KON­FLIKT“ zu lesen bekommen, allerdings in grundrenovierter Fas­sung. Beide Einträge in der Liste, sie betreffen einmal die Episo­de „Die Knochensaat“, zum anderen „Die knöchernen Kil­ler“, haben eine Fußnote diesen Inhalts: „Manuskript verschol­len“.

Das ist das Schicksal vieler früher OSM-Episoden. Ich neigte da­mals dazu, solche Originalskripte zu verleihen, z. T. an Brief­freunde in Österreich. Und nicht alles kehrte zu mir zurück. In der Frühzeit, wir reden hier über den Anfang des Jahres 1983, befinden uns also locker 37 Jahre in der Vergangenheit, fiel es mir noch vergleichsweise leicht, die Episoden neu zu konzipie­ren und neu zu schreiben. So geschah das auch mit diesen Bän­den.

Die erste der verschollenen Episoden wurde 1984 unter dem Ti­tel „TOTAMS Knochensaat“ wieder geschaffen und erhielt die OSM-Kennziffer 194. Wenig später entstand mit der Nummer 198 auch „Die knöchernen Killer“ neu. An diese Episoden hielt ich mich, als ich 1988 damit begann, den KONFLIKT 13 in Form des BUCHES „DER CLOGGATH-KONFLIKT“ auszuarbei­ten.

Mir war außerdem schon lange bewusst, dass ich die OSH-Serie natürlich dringend digitalisieren musste. Ich schob diese Arbeit jedoch auf, weil ich bekanntlich mit den Serien „Oki Stanwer – Feldherr der Cranyaa“ (FdC, KONFLIKT 14) und „Oki Stanwer – Bezwinger des Chaos“ (BdC, KONFLIKT 12) noch genug zu tun hatte, die derzeit ebenfalls noch digitalisiert werden.

Bei KONFLIKT 14 hatte ich aber schon Band 81 fertig digitalisiert (von insgesamt 105), so dass ein Ende dieser Arbeiten in Sicht war. Ich hoffe zuversichtlich, anno 2020 damit zu Rande zu kom­men. Beschleunigt wird das durch meinen Entschluss, euch mit­tels der Blogartikel-Reihe „Close Up“ vorrangig KONFLIKT 14 zu­gänglich machen zu wollen. Da sind wir, wenn dieser Beitrag er­scheint, auch schon bei Episode 85 angelangt. Das Ende der Fahnenstange ist also bald erreicht.

In dieser Situation befand ich mich Anfang Januar 2020, als ich zu meiner grenzenlosen Verblüffung in einem Ordner älterer Episodenversionen auf zwei OSM-Skripte stieß. Sie trugen die Kennziffern 32 und 33!

Verdammt, dann sind die ja doch gar nicht verschollen!“, ent­fuhr es mir ungläubig und entzückt zugleich. Eine tolle Entde­ckung … prinzipiell.

Wieso prinzipiell? Ist es nicht eine grundsätzlich phantastische Entdeckung, verschollene Geschichten wieder ausfindig zu ma­chen? Ja, doch, selbstverständlich schon. Aber ich begann mich zu fragen, was das für Auswirkungen auf mein Digitalisat des KONFLIKTS 13 haben würde, mit dem ich ja bald beginnen woll­te. Insbesondere der Band „Die knöchernen Killer“ machte mir Sorge. Immerhin gab es den Titel nun zweimal.

Wie so oft erwies sich die Lösung auf den ersten Blick als sim­pel: „Dann mache ich es halt so – die alten Fassungen bekom­men kurzerhand ein ‚A‘ hinter die Ziffer, und danach folgen dann jeweils die regulären Episoden.“

So begann ich.

Und dann stieg ich, derzeit von Listenaktualisierungen und Da­tenverlusten reichlich gebeutelt, gleich in die Aufgabe ein – was umso leichter fiel, als die frühen Fassungen wirklich sehr kurz sind. Sie umfassen selten mehr als 7-8 Textseiten.

Aber schon nach wenigen Sätzen begann ich mir die Haare zu raufen, echt. Nicht nur, dass sich die Storyline der A-Episoden von denen der späteren „kanonischen“ Episoden grundlegend unterschied. Damit hätte ich umgehen können und das erwarte­te ich ja schließlich auch. Ich rechnete sogar mit solchen Dingen wie Primitiv-Charakterisierung (Name, gesellschaftlicher Rang oder Titel = „vollständige Charakterbeschreibung“; was natür­lich nicht der Fall ist).

Auf all das stieß ich hier natürlich auch.

Ich stieß leider auch noch auf andere Dinge bei meiner abenteu­erlichen Reise ins Jahr 1983. So entdeckte ich sehr, sehr, sehr massive „magische“ Spuren in den Episoden, das ging hin bis zur Beschwörung eines Dämons mittels Pentagramm! Das war natürlich vollendeter Nonsens.

Ich stieß auf theatralische Schreie, die ich damals wohl drama­tisch oder toll fand, die aber definitiv sinnlos sind.

Am abenteuerlichsten war aber die Erklärung, die ich – vor Ent­wicklung des Multiversenkonzepts im OSM ab 1985 – hier für die erklärungsbedürftige Tatsache fand, dass Oki Stanwer und seine Freunde offenkundig ein zweites Leben führten, das dem in KONFLIKT 15 „Oki Stanwer“, an dem ich zu dieser Zeit noch schrieb, wenigstens 5.000 Jahre vorgelagert war.

Wie erklärte ich mir das? Durchaus pfiffig: mit Parallelwelten!

Also, ich war auch im Alter von 16 Jahren definitiv nicht auf den Kopf gefallen. Im Lichte des modernen OSM-Konzepts musste dieses frühe Konzept natürlich ebenfalls in den Schredder.

Ebenso wenig, wie ich die chronologische Abfolge der Universen alias KONFLIKTE noch nicht auf dem Schirm hatte, fiel es mir ein, die so genannte „Helfer-Kopplung“ in Szene zu setzen. Ihr werdet darauf in den E-Books des KONFLIKTS 12 „Oki Stanwer – Bezwin­ger des Chaos“ wie auch im „CLOGGATH-KONFLIKT“ stoßen. Ich deute das hier nur mal an. Da ich davon noch keinen blas­sen Schimmer hatte, baute ich hier Cliffhanger, die unter Einbe­ziehung der Helfer-Kopplung schlichtweg nicht funktionieren können. Dies zerschießt die gesamte Handlungslogik.

Gegner zählen konnte ich auch nicht, wie ich entnervt zu regis­trieren hatte, und die Fähigkeiten von Okis Freunden dem Leser näher zu bringen, das klappte noch weniger.

Aus den 8 Seiten der „Knochensaat“-Episode wurden also in der Abschrift und Kommentierung deren 15, und ich war schon bei Fußnote 149 angelangt.

Na, das kann ja heiter werden“, murmelte ich.

Sprach es und schrieb zum Kontrast die Episode „TOTAMS Knochensaat“ ab. Und wiewohl zwischen diesen beiden Versionen nur etwa ein Jahr lag, vielleicht knapp anderthalb, geriet ich beinahe in eine völlig andere Welt: Protagonisten, die vorher aufgetaucht waren, existierten hier nicht. Die Geschichte, die ich schrieb, als ich in der OSH-Serie schon ein paar Dutzend Folgen weiter war, bezog hier natürlich auch Elemente ein, die erst später in der Serie wirksam wurden. Aber dafür beging ich nachgerade groteske Fehler, die aus der Episode regelrecht eine Satire machten.

Nein, nein, nein, das kann doch alles gar nicht wahr sein! Kann denn hier niemand gescheit nachdenken? Autor inbegriffen?“, schimpfte ich auf mich selbst, während ich abschrieb und kom­mentierte (diesmal bekam die Episode schon 22 Seiten Länge, am Ende landete ich auf Fußnote 355!).

Ernsthaft – das ist teilweise solch ein bizarres Blech, davon wollt ihr gar nichts Näheres erfahren. Und solche Versionen schickte ich damals durch die Weltgeschichte an meine (sehr, sehr, sehr generösen oder ebenso arglosen) Brieffreunde. Das grenzte teil­weise echt schon an seelische Grausamkeit, fand ich jetzt bei der Kommentierung.

Aber es sind halt frühe Skript des OSM. Der Vollständigkeit hal­ber gehören sie hier einfach hin. Ich witterte zwar schon ausdrü­ckliche Katastrophen im Gefolge, aber na schön … einfach mal Zähne zusammenbeißen und durch.

Es folgte die 1983er-Version der „knöchernen Killer“. Die kam kommentiert dann auf „nur“ 16 Seiten (die Fußnoten steigerten sich bis Nr. 486!). Aber die haarsträubenden Fehler gingen mun­ter weiter. Hier blamierte ich mich total, indem ich Le Havre munter in „Südfrankreich“ ansiedelte, einem Jesuiten „Hobbys“ als Hauptaufgabe zuwies und ein Mordopfer ohne erklärbaren Grund zu einem höchst informierten Untoten umwidmete. Ganz zu schweigen davon, dass ein namenloser französischer Kom­missar sich sehr von den Yard-Ausweisen der aus den USA (!!!) eingeflogenen Stanwer-Agenten Leonard Telkow und Richard Wi­ner beeindrucken ließ und am Ende sogar noch eine muntere amerikanische Floskel einstreute. Warum sie nicht aus England anreisten? I don‘t know!

Himmel, dachte ich, was ist denn das für ein Schwachsinn? Und dann dieser Burgberg … anfangs als „Schloss“ bezeichnet, bald darauf wird aus dem Gebäude rasch eine „Burg“. Steile Felsen, motivationslos auftauchende Untote … letzten Endes vollende­tes Chaos.

Gott, dachte ich mir, jeder, der diesen Blödsinn zwei Episoden lang erträgt, ist froh, wenn er vom OSM nie wieder was hören muss … ich hatte damals ernsthaft ein sehr, sehr dickes Fell und war verdammt von mir selbst eingenommen. Heute steigt mir die Schamröte ins Gesicht, wenn ich sehe, wie ich von Seite zu Seite (und manchmal von Zeile zu Zeile!) Inhaltsfehler, Logik­fehler und verschiedenste Formen von vollendetem Blödsinn produziert habe.

Zeitreise ins Jahr 1983? Nennen wir es lieber beim richtigen Na­men: es war ein Horrortrip! Auf der einen Seite bin ich natürlich sehr froh, diese frühen Vorfassungen wieder entdeckt zu haben. Aber dass ich euch diese kommentierten Episoden irgendwann mal komplett zugänglich mache, darauf könnt ihr lange warten. Das wird wahrscheinlich nicht passieren.

Was ihr aber stattdessen im dritten E-Book der Serie „DER CLOGGATH-KONFLIKT“ mit dem voraussichtlichen Eigentitel Knochensaat“ zu lesen bekommt, ist das, was ich daraus an Lesbarem destillieren werde.

So können also Abenteuerreisen in meine biografische Vergan­genheit zum Alptraum werden … aber es waren sehr erhellende Tage, muss ich sagen, und sie gehen ja noch weiter. Beizeiten berichte ich davon sicherlich noch mehr im Laufe der nächsten Jahre. Bleibt neugierig, Freunde.

Bis nächste Woche, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 273: Der Schatz des Piraten

Posted Juni 16th, 2020 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

allein der Titel ließ meine Augen schon leuchten, als ich von dem Buch vor ein paar Jahren erfuhr. Piratenschätze … Schatz­insel … vergrabenes Gold … karibische Sonne … Fallensysteme, Schatzkarten … das war, ungelogen, der Stoff, aus dem die Abenteuer sind, und zwar zu einer Zeit, als ich noch nicht ein­mal daran dachte, selbst Geschichten zu schreiben. Etwa so um das Jahr 1975 herum. Es ist also schon ziemlich lange her.

Gleichwohl hat mich das Schatzsucherfieber nie losgelassen. Meine lebenslange Leidenschaft für Archäologie, untergegange­ne Kulturen, verborgene Grabmäler und antike Mysterien lässt sich exakt hierauf zurückführen. Ein wichtiger Wegweiser, den ich auch im Rezensions-Blog schon besprochen habe, war vor langer Zeit „Götter, Gräber und Gelehrte“ von C. W. Ceram – ein Buch, das bis heute nur wenig von seinem Charme eingebüßt hat und das ich für die neunmalklugen Heranwachsenden zur früh­zeitigen und wiederholten Lektüre immer noch empfehlen kann. Am besten flankiert von Museumsbesuchen und zahlreichen an­deren Möglichkeiten, sich medial in untergegangene Kulturen und in die Lebensläufe von Forschern einzuklinken, die derlei Hinterlassenschaften untersuchen und heutzutage auswerten.

Als ich also las, dass der nächste Roman des Schatzsucherehe­paars Sam und Remi Fargo von Clive Cussler & Co. genau von so etwas handeln würde, da fand ich das toll. Ich ließ mir das Buch 2018 schenken und wartete dann ziemlich genau ein Jahr, ehe ich es binnen von nur drei Tagen heißhungrig verschlang.

Na ja … also, wenn ich genau bin, stellte sich eine gewisse Er­nüchterung schon sehr bald bei der Lektüre ein, und ich habe das in der Rezension auch unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Es geht im Grunde nicht WIRKLICH um einen Piraten­schatz, und der Pirat, der eher so nebenbei die Geschichte tan­giert, ist mehr Mittel zum Zweck als Ziel oder gar Zentrum der Geschichte.

Aber worum genau geht es denn dann in diesem Roman? Das herauszufinden, das könnte eure Aufgabe sein, wenn ihr neugie­rig genug geworden seid, um hier nun weiter lesen zu wollen:

Der Schatz des Piraten

(OT: Pirate)

Von Clive Cussler & Robin Burcell

Blanvalet 0510; 2018, 9.99 Euro

448 Seiten, TB

Übersetzt von Wulf Bergner

ISBN 978-3-7341-0510-4

Sam und Remi Fargo, freiberufliche Schatzsucher aus Leiden­schaft und finanziell unabhängig, wollen eigentlich nur eine ru­hige Urlaubswoche verleben, die Sam seiner Frau seit längerem versprochen hat. Sie haben wirklich ein paar stressige Monate hinter sich, und bei einem ihrer letzten Fälle wurde sogar ihr heimisches Nest in La Jolla übel zugerichtet und musste von Grund auf renoviert und neu gegen unbefugte Eindringlinge ge­sichert werden.

Höchste Zeit für einen Erholungsurlaub, eindeutig.

Um für das renovierte Büro ihres Mannes noch eine historische Preziose zu erwerben, fahren sie beide nach San Francisco und finden hier im Antiquariat von Gerald Pickering eine alte Ausga­be von Pyrates and Privateers. Bree Marshall, Pickerings Nichte und im Dienst der Fargos für Geldbeschaffung zuständig, hat ih­nen diesen Tipp gegeben.

Dummerweise rasseln sie mitten in einen Raubüberfall hinein. Sie bekommen zwar das Buch – nach Pickerings Angabe leider nur ein Nachdruck made in China, aber sehr gut gemacht – , doch es gelingt ihnen, den Räuber zu vertreiben. Remi schickt das Buch unverzüglich mit der Hotelpost nach La Jolla … dann soll ihre Erholungswoche beginnen.

Stattdessen beginnt sie am nächsten Tag mit dem Mord an dem Antiquar Pickering. Und während die Fargos noch von der Polizei verhört werden, durchwühlen Unbekannte ihr Hotelzimmer auf der Suche nach etwas, was „Schlüssel“ genannt wird. Auf diese Weise kreuzen sich unabsichtlich die Pfade der Fargos und des Besitzers der Avery Company, Charles Avery. Zugleich ist eine ganze Weile unklar, was eigentlich los ist. Ein chinesischer Nachdruck eines Piratenbuches aus dem 17. Jahrhundert ist doch sicherlich keinen Mord wert, oder etwa doch?

Als die Fargos überrascht daheim entdecken, dass sie das Origi­nal besitzen und zudem hinter einer der Karten ein rätselhafter Umschlag steckt, wird ihnen allmählich klar, dass ihr noch unbe­kannter Gegner offensichtlich auf einer Schatzsuche ist und sie ihm in die Quere kommen. Das wird noch deutlicher, als sie von zahlreichen Fällen erfahren, bei denen in Bibliotheken aus ande­ren alten Ausgaben dieses Buches die Karten gestohlen wurden.

Als auch noch Bree Marshall Ziel einer Entführung wird und ihre Cousine Larayne Pickering-Smith, die Tochter des ermordeten Antiquars, überfallen wird, entschließen sich die Fargos dazu, ihren Erholungsurlaub noch etwas aufzuschieben. Offensichtlich sucht Mr. Avery den direkten Krieg mit den Fargos. Na schön, denken sie sich, den kann er bekommen. Dieser brutalen Dumpfbacke gönnen sie jedenfalls nicht den Schatz, worin auch immer er bestehen mag.

In einer zunehmend dramatischer werdenden Konkurrenzjagd reisen die beiden Teams von Schatzjägern den verstreuten, höchst kümmerlichen Hinweisen nach, die dieses historische Mysterium hinterlassen hat, und die Fargos sind dabei lange Zeit im Nachteil. Denn überall dort, wo sie Fährten finden, ras­seln sie mit Averys Schergen zusammen, zum Teil auf fast tödli­che Weise. So beginnen sie allmählich zu argwöhnen, dass ir­gendwo in ihrem Team ein Leck sein muss, weil der Gegner viel zu schnell und mühelos ihre Schritte nachvollziehen und mit ei­ner ganzen Söldnercrew anrücken kann, die unter der Leitung von Averys Sicherheitschef Colin Fisk steht.

Aber worum, zum Teufel, geht es bei dieser Suche eigentlich, die von den USA zunächst zu einer schlangenverseuchten Insel vor Brasilien, dann nach Jamaika und schließlich nach England führt? Dort erst beginnen die Fargos sehr spät zu begreifen, dass es um einen legendären Schatz geht, der angeblich als für immer verschollen gilt und der seit achthundert Jahren von nie­mandem mehr gesehen worden ist – und bis sie soweit kom­men, pflastern Leichen ihren Weg …

Mit dem achten Roman um das Schatzsucher-Ehepaar Sam und Remi Fargo wird vieles anders, und der Leser wie Rezensent blinzelte doch einige Male überrascht. Wovon er sich weniger überrascht zeigte, war der erneute Wechsel des Coautors. Das ist man von den Fargo-Kooperationsromanen Clive Cusslers lei­der schon gewohnt. Kein Autor scheint hier länger als drei Ro­mane durchzuhalten, so dass vielfach „das Rad neu erfunden wird“, wie es scheint. Statt eine Kontinuität Einzug halten zu las­sen, wie es etwa bei den NUMA-Abenteuern oder den Romanen um Juan Cabrillo und seine „Corporation“ der Fall ist, muss sich jeder Autor wieder an die Figuren gewöhnen, die der Leser doch schon so lange kennt. Das führt zur mantrahaften Wiederholung von Bekanntem und ist ein wenig unschön.

Verblüffender gestaltete sich die Tatsache, dass mit Robin Bur­cell erstmals eine Co-Autorin (!) auftritt, und das machte dann schon neugierig. Würde der Roman so etwas wie eine typisch weibliche Note erhalten? Noch mehr überraschte, dass von dem traditionellen Übersetzer Michael Kubiak abgegangen wurde (möglicherweise war er von der Flut der Cussler-Publikationen überfordert und konnte nicht alle bewältigen). Ebenfalls schade fand ich, dass dieses Fargo-Abenteuer fast 100 Seiten kürzer war als der vergangene Band. So war das Lesevergnügen nach drei Tagen bereits wieder vorbei. Der geringere Umfang war, wie das meist so ist, ein schlechtes Zeichen.

Lesevergnügen dagegen ist ein gutes Stichwort. Denn natürlich ist das ein wesentlicher Punkt für eine Rezension. Das Setting – Fargos, Schatzsuche – ist vertraut. Also fragt man sich dann schon, wie viel Spaß bereitet die Lektüre? Und hat der Verlag wenigstens diesmal halbwegs sinnvoll die Veröffentlichung reali­siert? Letzteres muss leider negativ beschieden werden. War­um?

Nun, ein Blick auf das Cover zeigt ein in tropischem Setting ge­strandetes Schiff des 20. Jahrhunderts, augenscheinlich ein Frachter. Hat mit dem Inhalt rein gar nichts zu tun. Das war also schon mal nichts. Dann der Titel: Geht es um den „Schatz eines Piraten“ oder generell – englischer Titel – um einen „Piraten“? Nicht wirklich. Captain Bridgeman, so der Deckname des Piraten Henry Every (!), nach dessen Hinterlassenschaft gefahndet wird, taucht weder im Prolog des Romans (der im 13. Jahrhun­dert spielt!) auf noch sonst irgendwo im Roman. Letzteres wäre auch ohne Reinkarnation schwer möglich, da das ja alles im 21. Jahrhundert handelt. Man stellt schlussendlich fest, dass der Pi­rat, um den es da angeblich gehen soll und von dem man nur recht wenig erfährt, lediglich ein Bindeglied ist. Das eigentliche Zentrum des Romans liegt vollkommen woanders. Da kann man doch schon, wenn man halbwegs auf „Fluch der Karibik 2“ ein­gestellt ist oder vielleicht auf so etwas wie „Die Schatzinsel“, das Gefühl bekommen, man sei verschaukelt worden. Wer auf so etwas also hofft, sollte sich den Roman lieber nicht kaufen. Da sind lange Mienen zu erwarten.

Was allerdings geboten wird und, meiner Ansicht nach, durch die Knappheit der Darbietung und vielleicht auch die ungewohn­te Übersetzung, leider ein wenig zu kurz kommt, ist eine an­sonsten recht vergnügliche Schnitzeljagd über unterschiedlichs­te Ziele, unterbrochen durch Verfolgungsjagden und Entführun­gen a la Doc Savage. Sie wird auch durchaus launig und mit hu­morvollen Intermezzi in Szene gesetzt, unbestreitbar. Wenn die Autoren den Protagonisten mehr Raum gegeben hätten, sich zu entfalten und Persönlichkeit zu entwickeln, wäre die Geschichte allerdings deutlich lebhafter geworden. Ein komplexes psycholo­gisches Setting und eine ausführliche Charakterzeichnung, wie sie sich etwa in vielen Romanen von James Rollins ausdrücklich zeigt, fehlen hier leider zur Gänze. Wir bekommen viele sche­matische Protagonisten zu sehen, zahlreiche schlicht gezeichne­te Bösewichte, die zwar nicht zu unterschätzen sind, aber doch auch nicht die großen Geistesleuchten sind. Über „böse Scher­gen“ geht deren Charakterisierung in den seltensten Fällen hin­aus, und das ist schlicht ungenügend.

Sehr bedauerlich fand ich in der zweiten Hälfte der Geschichte, dass die Intervention von Averys in Scheidung befindlicher Frau Alexandra nicht besser eingearbeitet wird (so ziemlich das einzi­ge Element, das auf eine weibliche Autorenbeteiligung hin­weist). Das hätte so interessant werden können, etwa auf fol­gende Weise: Bekanntlich liefern sich Colin Fisk und sein Team mit den Fargos einen Wettlauf um die Auffindung des Schatzes. Alexandra, die ihren Mann verlassen will und Zugriff auf seine Konten hat und sie sperren lässt, taucht überraschend bei Fisk auf und beschließt, mit ihm gemeinsame Sache zu machen. Wäre es am Ende des Romans nicht faszinierend gewesen, wenn Avery davon Wind bekommt und daraufhin argwöhnt, dass Alexandra und Fisk gemeinsame Sache gegen ihn ma­chen? Das hätte eine interessante Dramatisierung der Schluss­kapitel ermöglicht. Diese Chance wird vollständig verschenkt wie auch viele andere.

Ja, der Roman liest sich durchweg flüssig, aber ich würde jetzt nicht sagen, er wäre im Vergleich zu den vorherigen Coautoren und deren Werken der große Wurf. Viele der vertrauten Perso­nen fungieren nur als Stichwortgeber am Rand und bekommen kein Eigenleben, und daran kann auch das erstaunliche Perso­nenverzeichnis am Anfang des Romans (5 Seiten!!), das man gar nicht gewohnt ist, nichts ändern. Der Übersetzer hielt das wohl für notwendig, damit die Leser wissen, wer wer ist (ange­sichts der Austauschbarkeit vieler Figuren schätzungsweise sinnvoll). Das hat dann aber auch dazu verführt, die Personen nur flüchtig zu charakterisieren, was ein eindeutiger Verlust für das Buch ist.

Beim nächsten Roman wünsche ich mir dann doch etwas mehr Charaktertiefe und weniger Schematismus. Dieses Werk erhält darum nur ein „Akzeptabel“ als Wertung. Für bessere Wertung müssen sich die beiden dann doch mehr anstrengen.

© 2019 by Uwe Lammers

Ihr merkt, ich war dann nach der Lektüre doch ziemlich ernüch­tert. Üblicherweise nehme ich ja an – und werde darin in der Re­gel bestätigt – , dass ein neuer Coautor sich erst mal mit einem besonders beeindruckenden Einstieg etablieren möchte. Das Gefühl hatte ich hier leider nicht.

Im Vergleich dazu komme ich in der kommenden Woche auf ei­nen Roman zu sprechen, der rund 25 Jahre älter ist als dieser, deutlich kürzer und dennoch mehr Gehalt aufweist. Alter, merkt man daran, ist nicht immer gleich „veraltet“, und Menge nicht automatisch gleich mehr Gehalt.

Worum es genau geht? Das erfahrt ihr in einer Woche genau hier.

Bis dann, Freunde, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.