Blogartikel 462: Legendäre Schauplätze 26/E: Zentralwelt

Posted Juni 12th, 2022 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

alles hat einmal ein Ende, lautet eine alte Menschheitsweisheit, und das trifft natürlich auch auf diese Artikelserie zu. Ich habe diese Artikelreihe von A-Z durchsystematisiert, weil es mir ein­fach am sinnvollsten erschien. Und seit ich mit Blogartikel 203 den ersten Teil davon mit A wie „Arc“ am 22. Januar 2017 ver­öffentlichte, habe ich euch durch verschiedene Universen und Galaxien des Oki Stanwer Mythos geführt bis zu diesem letzten Haltepunkt … vorerst, möchte ich sagen. Denn natürlich gibt es mehr als 26 „legendäre Schauplätze“, und manches Mal hätte ich die einzelnen Buchstabengruppen auch alternativ belegen können.

Es bleibt also noch offen, ob und wann es eine zweite Runde dieser Artikelserie geben wird. Alternativ dazu schweben mir auch „Legendäre Völker des OSM“ oder „Wichtige Protagonisten des OSM“ vor … ich habe noch nicht entschieden, welchem die­ser Themenfelder ich mich das nächste Mal widme.

Für heute schauen wir uns unter dem Abschnitt Z wie „Zentral­welt“ eine wirklich alte und in vielen Universen wichtige Welt des Oki Stanwer Mythos an. Vermutlich wird dieser Eintrag auch recht lang, weil es bei der inzwischen fortgeschrittenen Digitali­sierung der analogen Skripte der Serien zahlreiche Passagen gibt, auf die ich rekurrieren kann … natürlich muss ich da eine Auswahl treffen, dies soll ja kein 20seitiger Beitrag werden.

Also, die Zentralwelt … wann fing das eigentlich an? Was genau ist sie, wer lebt dort, und worin besteht ihre „legendäre“ Bedeu­tung? Hier möchte ich realchronologisch vorgehen. Ihr wisst von diversen anderen Einträgen in meinem Blog, dass die OSM-Chronologie davon zum Teil gründlich abweicht, und das wird auch gleich wieder deutlich werden. Stellen wir einfach mal ein paar Fragen und geben darauf Antworten.

Frage 1: Wann kümmerte ich mich erstmals um die Zentralwelt?

Antwort: Das war in KONFLIKT 15, also der ältesten OSM-Serie „Oki Stanwer“, an der ich bis Januar 1984 schrieb. Daraus ist zu ersehen, dass die Zentralwelt schon ziemlich genau 40 Jahre durch meine Gedanken spukt. Es ist gut möglich – das kann ich aber nicht mehr verifizieren – , dass sie auch in den „Gedanken­spielen“ mit meinem Bruder schon eine Rolle spielte. Gehen wir erst mal von KONFLIKT 15 aus.

Die Zentralwelt ist hier ein Planet in der Galaxis Milchstraße, sorgsam abgeschottet von der Außenwelt, gewissermaßen das Herz eines heimlichen, uralten Reiches, das seit Jahrtausenden verborgen ist. Das Reich der Kleinis oder der so genannten „Hel­fer“.

Damit kommen wir gleich zur Frage 2: Wer bewohnt die Zentral­welt?

Antwort: Das eben erwähnte humanoide Volk der Kleinis. Im KONFLIKT 15 berufen sich die Herrscher der Zentralwelt (die den Titel „Klivies“ tragen!) darauf, dass sie vor vielen tausend Jah­ren Ratgeberfunktion im okischen Imperium ausübten. Ihr da­maliger Regent Klivies Kleines galt als Oki Stanwers engster Freund und Verbündeter. Doch das okische Imperium ging un­ter, und zum Selbstschutz zogen sich die Kleinis von ihren Kolo­nialwelten zurück auf die Zentralwelt, die im Innern eines dich­ten Sternhaufens liegt.

Im KONFLIKT 15 wird die Zentralwelt schließlich durch ein Entro­pie-Experiment der Roboterspezies der All-Hüter entvölkert und stürzt in eine instabile Raumzone, um abschließend zu einer so genannten Parasitwelt zu mutieren.

Für KONFLIKT 15 ist dies das Ende der Zentralwelt. Aber ihr erin­nert euch, dass der OSM ja mit KONFLIKT 1 begann und formal bis KONFLIKT 33 gehen soll. Und in KONFLIKT 15 war die Zentral­welt definitiv ein Matrixfehler. Es hatte sie also schon einmal gegeben.

Frage 3: Wann war das genau? Wann fing die OSM-chronologi­sche Linie der Zentralwelt an?

Antwort: Vor zehn Jahren hätte ich da wohl nur mutmaßen kön­nen, inzwischen bin ich darüber sehr viel besser im Bilde. Die erste Zentralwelt, ebenfalls bewohnt von den Kleinis, existierte im noch nicht fertigen KONFLIKT 3 des OSM. Damals lag sie al­lerdings in der Galaxis Arc und sollte Keimzelle eines Friedens­reiches werden, regiert von Oki Stanwer und Klivies Kleines (ja, die Geschichte wiederholt sich, das wird noch deutlicher wer­den).

Zum grässlichen Entsetzen des Volks der Baumeister, die als Schirmherren die Kleinis und ihr aufstrebendes Sternenreich protegierten, tauchten verheerende MINEURE der totgeglaubten Troohns aus KONFLIKT 2 auf und zermalmten die Kleini-Zivilisati­on gnadenlos. Die verzweifelte Abwehr etwa des ZYNEEGHARS 11, der die Zentralwelt beschützen sollte, erwies sich als nutz­los. Die Zentralwelt ging in einem infernalen Feuersturm unter.

Beim nächsten Universum (KONFLIKT 4: „Oki Stanwer – Der In­sel-Regent“) waren die Baumeister entschlossen, kategorisch vorzubeugen und solch einem Desaster von vornherein Einhalt zu gebieten. Sie errichteten in der Galaxis Mysorstos ein neues Sternenreich, in dem das humanoide Volk der Technos die lei­tende Kultur darstellen sollte. Das Sternenreich erhielt den Na­men INSEL und sollte sich im Laufe von Jahrtausenden bis an die Grenzen von Mysorstos ausdehnen, friedlich weitere Ster­nenkulturen eingemeinden und von Baumeister-Hightech und ein komplexes Netz von Milliarden Transmitterportalen vernetzt werden.

Wer beschreibt das Entsetzen der Baumeister, als die Techno-Raumfahrer unvermittelt während ihrer Expansion auf ein weite­res humanoides Raumfahrervolk trafen? Raumfahrer aus dem Volk der Kleinis, die es gar nicht mehr geben durfte! Matrixfeh­ler!

Schlimmer noch: Ihre Heimatwelt hieß nicht nur Zentralwelt, sondern es WAR die Zentralwelt, eben jene, die in der Galaxis Arc rund fünf Milliarden Jahre zuvor untergegangen war!

Auch die Zentralwelt erwies sich als Matrixfehler, bevölkert von Milliarden Kleinis. Allesamt Wesen, die nicht mehr existieren durften!

Frage 4: Wie reagierten die Baumeister darauf?

Antwort: Es gab verschiedene Fraktionen unter ihnen – niemand sollte sich die Spezies der Baumeister als eine monolithische Volksgruppe vorstellen. Einige votierten für die Radikallösung, weil sie Angst hatten und sich den Ursprung der Matrixfehler nicht erklären konnten. Ihr einziger – unbegründeter – Gedan­kenansatz lautete: TOTAM muss verantwortlich sein! TOTAM ist verantwortlich für den Untergang der ersten Zentralwelt, also kann der Matrixfehler derselben nur eine unbegreifliche, grässli­che Falle sein. Auslöschung sei die einzige opportune Lösung!

Aber das war eher die Meinung einer kleinen Radikalfraktion. Die moderaten Baumeister prüften dagegen diese seltsame Pa­radox-Zivilisation und kamen zu dem Schluss, dass sie eine gute ergänzende Keimzelle für die INSEL darstellen könnte. Und sie gaben ihr eine zweite Chance.

Der ZYNEEGHAR 38 wurde über der Zentralwelt II positioniert, eine umfassende Kontrolle durch die Baumeister initiiert, und binnen der nächsten zweieinhalb Jahrtausende, in denen Oki Stanwer Regent der INSEL war und Klivies Kleines sein Kore­gent, wies absolut nichts darauf hin, dass die Zentralwelt eine Falle TOTAMS sein könnte.

Ja, als TOTAMS Angriff schließlich erfolgte, wurde die Zentral­welt auf dieselbe furchtbare Weise Opfer der Attacke wie alle anderen INSEL-Welten. Sie ging ein weiteres Mal unter.

Frage 5: War dies das Ende vom Lied?

Antwort: Nein, natürlich nicht (natürlich kann ich heute mit dem umfassenden Wissen des späten OSM sagen … die bedauerns­werten Baumeister wurden von dem, was weiter geschah, bis­weilen in paralytischen Schrecken gestürzt). Die kommenden KONFLIKTE 5, 6, 7 und 8 sind zurzeit noch düster und nicht reali­siert, ich bin also außerstande zu sagen, ob die Zentralwelt dort irgendwo existierte, halte es aber durchaus für möglich.1

In KONFLIKT 9 „Oki Stanwer – Der Kaiser der Okis“ gelangt Oki Stanwer mit dem klaren Auftrag in die Galaxis Milchstraße, um hier die galaktischen Zivilisationen – wie weiland in der INSEL – zu einem Bollwerk gegen TOTAMS zu erwartende Attacke zu­sammenzuschmieden.

Er findet dabei ein Volk von humanoiden Raumfahrern vor, zer­splittert in zahlreiche kleine Teilfraktionen … und ihr Hauptpla­net nennt sich: Zentralwelt. Der Name des Volkes: Kleinis!

Ihm ist schon bewusst, dass es sich wieder einmal um Matrix­fehler handelt … aber es ist ihm zunehmend gleichgültig. Denn auch die Allis, die hier als Raumfahrtzivilisation ansässig sind oder die Tassaier, die es hier ebenfalls gibt, stellen ganz ein­wandfrei Matrixfehler-Völker dar. Da er noch nie sonderlich von der „TOTAM ist an allem schuld“-These überzeugt war, stützt er sich in der Folge sowohl auf den (Matrixfehler-)ZYNEEGHAR 11, der künftig als „Okiplanet“ firmiert als auch auf die drei Matrix­fehler-Völker und natürlich auf die Zentralwelt.

Als ich mit meinem Bruder Ende der 70er Jahre in den „Gedan­kenspielen“ das okische Imperium diskutierte, war das Volk der „Helfer“ auf jeden Fall schon präsent. Ob mit der Zentralwelt, kann ich nicht mit Sicherheit behaupten, aber wie oben ange­deutet, es ist durchaus möglich.

Auch in diesem finalen KONFLIKT gegen TOTAMS Truppen ging die Zentralwelt mitsamt seiner Bevölkerung unter.

Frage 6: Wie ging es dann weiter?

Antwort: Die KONFLIKTE 10 und 11 sind noch nicht geschrieben und entsprechend dunkel. KONFLIKT 10 handelte aber wohl ebenfalls in der Milchstraße. Der KONFLIKT 12 „Oki Stanwer – Bezwinger des Chaos“ fand in einem anderen Bereich des Uni­versums statt, wo die Galaxien Bytharg, Koopen und Arc die we­sentlichen Rollen spielten. Die Kleinis und die Zentralwelt waren nicht zu sehen. KONFLIKT 13 „Oki Stanwer Horror“ war ein pla­netarer KONFLIKT, der auf die Erde in den Jahre 2113 bis 2124 beschränkt blieb. Hier agierte zwar Klivies Kleines, aber sonst niemand aus seinem Volk.

Auch der KONFLIKT 14 „Oki Stanwer – Feldherr der Cranyaa“ handelte in einer ganz anderen Region des Kosmos, humanoide Völker waren hier sowieso rar, die Zentralwelt wurde nicht the­matisiert.

Im oben genannten KONFLIKT 15 war sie dann wieder präsent … und ging, wie erwähnt, zum mindestens vierten Mal unter.

Die KONFLIKTE 16 „Oki Stanwer – Der Mann aus dem Nichts“ und 17 „Drohung aus dem All“ spielten zwar beide in der Milch­straße, aber nichts deutete darauf hin, dass die Zentralwelt oder die Kleinis irgendeine Rolle spielten.

Da KONFLIKT 18 „Kampf gegen TOTAMS Dämonen und Scher­gen“ als auf die Erde begrenzter planetarer KONFLIKT gewisser­maßen die Fortsetzung von KONFLIKT 13 war, galt bezüglich der Zentralwelt-Frage hier dasselbe wie für den KONFLIKT 13.

Das änderte sich in KONFLIKT 19 „Oki Stanwer – Der Missionar“ wieder gründlich.

Frage 7: Inwiefern kam das so? Was passierte?

Antwort: Nun, um es kurz zu machen – in dieser von den Bau­meistern „spezialstrukturierten“ Galaxis Milchstraße gab es ei­nen Raumquadranten, der ein Kleini-Sternenreich enthielt mit­samt, natürlich, der Zentralwelt.

Da die Serie noch in Arbeit ist, kann ich zurzeit noch nicht sa­gen, welche Rolle Volk und Planet hier spielen werden. Nur so­viel ist schon sicher: Klivies Kleines ist mal wieder als Regent auf der Flucht und inzwischen auf der schwarzen Kristallwelt TOTAM gelandet. Die Dinge entwickeln sich hier denkbar un­schön.

Frage 8: Gibt es noch weitere „Auftritte“ der Zentralwelt?

Antwort: Ich dekliniere mal die folgenden KONFLIKTE durch, so­weit ich sie schon überschauen kann. Der folgende KONFLIKT 20 „Oki und Cbalon – Das Ewigkeitsteam“ ist wieder in einem völlig anderen kosmischen Sektor angesiedelt. Es gibt zwar das huma­noide Volk der Technos, aber von Kleinis oder der Zentralwelt ist nichts zu sehen.

KONFLIKT 21 „Oki Stanwer – Fürst von Leucienne“ ist recht ähn­lich. Leucienne ist weit entfernt, das einzige wirklich humanoide Volk sind hier die durchgeistigten Sinarer. Weit und breit keine Zentralwelt.

KONFLIKT 22 „Oki Stanwer – Der Schattenfürst“ … hier wäre es denkbar, dass irgendwo in der Galaxis Daarcor unter all dem Matrixfehlern, die sich tummeln (unter anderem ZYNEEGHAR 11, also der Okiplanet!), auch die Zentralwelt befindet. Aber die Serie ist noch in Arbeit, und ich habe weder die Kleinis noch ihre Hauptwelt bislang gesichtet.

KONFLIKT 23 „Oki Stanwer – Der Dämonenjäger“, als auf einer Multiweltenversion von Terra angesiedelt, ist die ausgebaute Fortsetzung von KONFLIKT 18. Keine Zentralwelt zu sehen.

KONFLIKT 24 „Oki Stanwer – Der Neutralkrieger“ … das ist ein schwieriges, unüberschaubares Universum, der erste Netzuni­versum-KONFLIKT. Es ist äußerst wahrscheinlich, dass die Zen­tralwelt als Matrixfehler hier irgendwo besteht, aber in mehr als 50 Episoden habe ich sie noch nicht zu Gesicht bekommen. Wenn, dann kann sie also vermutlich nur eine untergeordnete Rolle spielen.

Die KONFLIKTE 25, 26 und 27 sind bislang sämtlich unrealisiert, mutmaßlich alles Netzuniversen-Kriege. Für sie gilt mithin, was ich zu KONFLIKT 24 sagte. Aber das ist alles noch im Nebel der Zukunft verschleiert, ich habe dazu keine Bilder im Blick.

Der äußerste Rand des OSM ist KONFLIKT 28 „Oki Stanwer – Der Siegeljäger“, die nominelle Fortsetzung von KONFLIKT 23 … eine sehr eigenartige Umgebung, aber auch hier habe ich in rund 50 Episoden keine Zentralwelt weit und breit gesichtet. Das muss nichts bedeuten, es gibt reichlich Welten in TOTAMS Vorhof, da­hin bin ich noch nicht intensiv vorgestoßen. Aber mir will schei­nen, dass eher die Technos hier wieder das Sagen haben wer­den.

Frage 9: Und wie geht es weiter?

Antwort: Das ist in der Tat eine interessante Frage … ich bin mir hier noch nicht sicher. Eine andere Frage, die noch gar nicht ge­stellt wurde, kann ich allerdings schon beantworten.

Frage 10: Welche Frage wäre das?

Antwort: Die Frage danach, wie das alles überhaupt erst mög­lich ist! Wie kann es sein, dass die Zentralwelt wenigstens fünf Mal in verschiedenen Universen, außerdem noch in wenigstens 3 verschiedenen Galaxien wieder und wieder auftaucht?

Mir war das jahrzehntelang (!) selbst ein Mysterium. Heutzutage bin ich, wie angedeutet, durchaus schlauer. Ob dieser Begrün­dungsansatz für euch jetzt schon Sinn macht, kann ich nicht be­urteilen. Das Mysterium der Zentralwelt wird jedenfalls so trans­parent: Die Zentralwelt ist ein informatorischer Grundpfeiler der transtemporal-retrograden Stabilisierungsstrategie der TUURIN­GER.

Ich sehe lange Gesichter bei euch? Vermutlich ja.

Um das genauer auszuführen, bräuchte ich wahrscheinlich ei­nen weiteren Artikel, aber ich fühle deutlich, dass es dafür ein­wandfrei noch zu früh ist. Es ist weitaus intelligenter, das Myste­rium der Zentralwelt und ihrer ständigen unheimlichen Wieder­kehr für den Moment auf sich beruhen zu lassen.

TOTAM ist jedenfalls hierfür nicht verantwortlich, mein Wort dar­auf! Alles Weitere erfahrt ihr, wenn es soweit ist.

Damit möchte ich für heute Schluss machen und mich entschul­digen, dass ich nun doch keine Zitate brachte … das lebhafte Frage- und Antwortspiel schien mir hinreichend zu sein, euch zumindest einen kleinen Einblick in das Mysterium zu bieten, das sich mit dem Namen der Zentralwelt der Kleinis verbindet. Strukturell ist es eine idyllische, erdähnliche Welt mit hoch tech­nisierten Städten und einer beeindruckenden Infrastruktur und bewohnt von absolut friedfertigen, sehr begabten Wesen, die uns sehr ähnlich sehen, aber uns technologisch um Jahrhunder­te voraus sind.

Ihr werdet sie treffen, mein Wort darauf!2

Soviel also für heute.

Macht es gut und bis bald, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Nachkorrektur: Das trifft natürlich auf KONFLIKT 7 „Oki Stanwer – Held der Hohlwelt“ nicht zu. Aber hier gibt es nur die Hohlwelt Hyoronghilaar, keine Zentralwelt.

2 Beziehungsweise … eigentlich wart ihr ja sogar schon mal dort, wenn ihr das E-Book „Jaleenas zweites Leben“, 2016, gelesen habt. Habt ihr noch nicht und seid weiterhin neugierig? Nun, das E-Book ist noch bei Amazon im EPUB-Format erhältlich, also tut euch keinen Zwang an und stillt eure Neugierde …

Liebe Freunde des OSM,

wer sich für Archäologie und besonders für Ägyptologie interes­siert, für den stellt das Tal der Könige natürlich kein Geheimnis dar, sondern ist ein Ort, den man mindestens lesend und in Bildbänden längst erschlossen haben sollte. Ebenso ging es mir natürlich, der ich von Kindesbeinen an mit der alljährlich aktua­lisierten Impression der Ägypten-Ausstellung im Hildesheimer Roemer-Pelizaeus-Museum konfrontiert wurde und in dessen pri­vater Bibliothek sich unzählige Werke zur Pharaonenkultur be­finden.

Und doch hat mich das vorliegende Buch äußerst positiv über­rascht. Denn wer glaubt, es gäbe wohl kaum mehr etwas Neues zum Tal der Könige zu berichten (auch die moderne National Geographic-Dokumentationsreihe Tal der Könige tut sich da, zu­gegeben, etwas schwer, wiewohl sie einfach toll ist und unter „Tal der Könige“ offenbar das gesamte Niltal versteht), der wur­de 1995 eines Besseren belehrt, auf spektakuläre Weise.

Was als unscheinbares kleines und fast vollkommen verschütte­tes Grab am Eingang des Tales jahrhundertelang klassifiziert und zeitweise sogar verschollen war, barg eine spektakuläre Entdeckung, die wirklich ihresgleichen nicht hat. Und zwar we­der im Tal der Könige noch sonst irgendwo in den bislang ar­chäologisch erschlossenen Grabstätten im einstigen Reich der Pharaonen.

Das Grab der Ramsessöhne, wie es genannt wird – ein unterirdi­sches Labyrinth, in dem noch immer gegraben wird, seit mehr als 25 Jahren … ein Ende dieses gigantischen Ausgrabungspro­jekts ist nicht in Sicht. Ständig werden neue Gänge freigelegt, neue Kammern ausgegraben … es ist zwar etwas still im Inter­net um die neueren Forschungen zum Grab mit der Kennziffer KV 5 geworden, aber das heißt nicht, dass Stillstand einträte oder nichts mehr zu berichten wäre.

Das, was ich am Ende der Rezension geschrieben habe, gilt heute nach wie vor: der Neugierige kann immer noch beständig auf Neuigkeiten der Ausgrabung von KV 5 hoffen.

Und im nachfolgenden Buch berichtet der Ägyptologe Kent Weeks auf mitreißende Art und Weise, wie das alles begann. Folgt mir in ein beeindruckendes Forschungsabenteuer, das im­mer noch andauert:

Ramses II – Das Totenhaus der Söhne

Die sensationelle Ausgrabung im Tal der Könige

(OT: The Lost Tomb)

von Kent R. Weeks

Droemer-Verlag & GEO

372 Seiten, geb., 1999

Übersetzt von Michael Schmidt

ISBN: 3-426-26968-6

Das thebanische Tal der Könige (Kings Valley, KV) auf dem West­ufer des Nil gehört zu den am intensivsten durchwühlten Land­schaften der Erde. In kaum einer Weltgegend von archäologi­schem Interesse haben Wissenschaftler seit etwas mehr als zwei Jahrhunderten (und Grabräuber seit einigen Jahrtausen­den) so ausdauernd einen Stein nach dem anderen umgedreht und einen Hügel nach dem nächsten umgraben als hier.

Der Lohn dieser Ausgräberei war die Entdeckung von 61 Königs­gräbern oder den Ansätzen dazu, allesamt geplündert und mehr oder weniger derangiert. Einzig ein verbissener Brite hatte noch den Ehrgeiz, dem äußeren Schein nicht zu trauen – Howard Car­ter. Er fand schließlich das 62. Grab, das einzige, das niemals ausgeraubt worden war, und er wurde auf diese Weise ein Held der Archäologie. Das 1922 ans Tageslicht kommende Vermächt­nis des Kindpharaos Tutanchamun ist bis heute der mit Abstand legendärste Schatz, den das Tal der Könige preisgab.

Bis heute? Nun, sagen wir, bis zum Jahre 1995.

Obgleich die Gräber seit rund 200 Jahren so gut erforscht und dokumentiert worden waren, stellte der junge amerikanische Ägyptologe Kent Weeks in den 70er Jahren fest, dass es keiner­lei Karte der Nekropolen auf dem westlichen Nilufer gab. Und er konstatierte zutreffend, man könne nur das vor Plünderung, Zerfall und Zerstörung bewahren, was man kenne.

Die Konsequenz war die Schaffung des überwiegend privat fi­nanzierten „Theban Mapping Project“, das sich die Erstellung ei­ner solchen möglichst genauen Karte aller Grab- und Tempelan­lagen rings um Luxor und Theben auf die Fahnen geschrieben hatte. Nach einer Weile allgemeiner Recherchen schien es zweckmäßig zu sein, dort Detailarbeit zu leisten, wo schon viel gemacht worden war – im Tal der Könige.

Im Laufe von Jahrzehnten und Jahrhunderten waren nämlich Gräber und Eingänge zu Stollen, die frühere Reisende noch er­wähnt hatten, schlicht und ergreifend „verschwunden“, unter den Halden des Aushubs anderer Archäologen begraben wor­den. Auf alten Karten konnte man vage erraten, wo manche ge­legen haben mussten. Und am meisten bedroht schien unstrittig KV 5.

Da die Tourismusbehörde die Straße ins Tal verbreitern wollte und KV 5 irgendwo direkt am Taleingang liegen sollte, war es zwingend erforderlich, dieses unscheinbar wirkende Grab wie­derzufinden und zu kartieren, bevor es für immer unter einer Teerdecke verschwand. Es gab ein Problem dabei: der letzte Rei­sende, der dieses Grab betreten hatte, war ein Brite namens James Burton gewesen – im Jahre 1825. Seither hatte niemand dieses Grab mehr gesehen.

Die Suche nach KV 5 begann im Jahre 1989. Weeks war von Burtons Beschreibungen des Grabes besonders irritiert – danach bestand KV 5 aus zwei relativ kleinen Kammern und direkt da­hinter aus einer Säulenhalle mit 16 Pfeilern, von der noch weite­re Räume in alle Richtungen abzweigten. Doch der Brite konnte im frühen 19. Jahrhundert nicht weiter vordringen – das Grab war bis auf etwa 50 Zentimeter unter die Decke mit Schutt ge­füllt gewesen. Kent Weeks kannte sich inzwischen mit gut Grab­anlagen aus, und keine, die ihm bekannt war, wies eine Struktur wie diese auf. Die meisten bestanden im Wesentlichen aus ei­nem langgestreckten, mehrfach gegliederten Korridor. Dieses hier schien also mindestens strukturell etwas sehr Seltsames zu sein.

Als das Grab endlich zum Vorschein kam, erwies es sich als noch zugeschütteter als einst. Und schon das teilweise Freile­gen des Eingangs offenbarte eine Königskartusche – nämlich die von Pharao Ramses II. Nun war das Grab dieses Herrschers aber schon gefunden worden – es handelte sich dabei um KV 7, schräg gegenüber von KV 5. Was also hatte das zu bedeuten?

Die Spekulation tauchte erstmals auf, es könne sich um das Grab von einem von Ramses´ zahlreichen Söhnen handeln (der Legende zufolge soll er in seiner mehr als sechzig Jahre währen­den Amtszeit wenigstens 50 legitime Söhne und mehr als zwan­zig Töchter gezeugt haben). Die Gräber von einigen anderen waren schon früher entdeckt worden.

All diese Überlegungen traten in den Hintergrund, als Weeks und seine Arbeiter die Pfeilerhalle erreichten. Es stellte sich nämlich heraus, dass sie auf beunruhigende Weise instabil ge­worden war. Die ständigen Erschütterungen durch die Touristen­busse hatten die Pfeiler zersplittert, und alles, was diesen Raum vor dem Einstürzen bewahrte, war die teilweise betonharte Schuttmasse, die bis zur Decke reichte.

Weeks blieb aus Geldmangel keine andere Wahl, als flache Gru­ben in den Schutt zu graben, um zu den Türen an den Seiten­wänden zu gelangen. Am interessantesten schien Raum 7 zu sein, der direkt am anderen Ende der Pfeilerhalle lag.

Nur war es kein Raum.

Als die Archäologin Catharine als erste durch den engen Spalt in den dahinter gelegenen Hohlraum gelangte, wo nicht ganz so viel Schutt lag, machte sie eine höchst erstaunliche Entde­ckung: dies war kein Raum, sondern ein langer Korridor, entlang dessen Seiten 18 Kammern angeordnet waren. Und am Ende stand eine stark beschädigte Osiris-Statue.

Doch sobald Weeks und seine Kollegen die Statue erreichten, erkannten sie den nächsten Fehler: die beiden Räume links und rechts der Statue waren ebenfalls keine Räume, sondern weite­re Gänge, an deren Seiten ebenfalls Kammern lagen. Statt auf ein schlichtes Grab gestoßen zu sein, hatten sie ein veritables, immer größer werdendes unterirdisches Labyrinth entdeckt!

Insgesamt kamen sie, völlig fassungslos, auf 61 Räume, mut­maßlich auf noch weitaus mehr. In Anbetracht der Tatsache, dass die Grabanlage absolut einzigartig war und die meisten Gräber im Tal der Könige allenfalls aus sechs bis acht Räumen bestanden (die Höchstzahl waren dreißig Kammern), hatten Weeks und seine Kollegen schlagartig und völlig unerwartet das größte jemals entdeckte Pharaonengrab gefunden. Und dies al­les war erst der Anfang …

Kent Weeks, der 1995 aufgrund dieser Entdeckung schlagartig weltberühmt wurde und inzwischen eines Großteils seiner Fi­nanzsorgen ledig ist, eben weil er sich so intensiv um diese eine rätselhafte Grabanlage kümmern kann, hat darin inzwischen über 150 Räume gefunden, es werden noch weitere erwartet, inklusive einer oder mehrerer Grabkammern. Millionen von Fragmenten verschiedenster Natur, zahllose Tierknochen von Weiheopfern sowie die Reste von mindestens vier Mumien sind bislang entdeckt worden, ein Ende ist nicht abzusehen.

Der Archäologe, der in diesem Buch seine Biografie mit der pha­raonischen Geschichte auf höchst spannende und unterhalts­ame Weise kreuzt, geht davon aus, dass bislang nach rund 10 Jahren Arbeit (bis 1999) etwa sieben Prozent der Grabanlage freigelegt sind. Die meisten Räume sind infolgedessen noch weitgehend mit Schutt gefüllt und bergen zahllose Geheimnis­se, eventuell weitere Treppen und Krypten. Den Arbeitsfort­schritt kann man übrigens auch im Internet verfolgen unter www.kv5.com.

KV 5, das so unprosaische Grab, das mit einem zugeschütteten Loch im Boden begonnen hat, ist ohne Frage der spektakulärste und rätselhafteste Fund im Tal der Könige seit Howard Carters Entdeckung 1922. Vielleicht noch um vieles geheimnisvoller. Und Kent Weeks, der nach eigenen Angaben schon als Achtjäh­riger brennend davon träumte, Ägyptologe zu werden – und den Rezensenten damit auf eine sehnsüchtige Reise in die eigene Vergangenheit mitnahm! – , versteht es brillant, dem Leser die harte, nervenaufreibende und zeitintensive Kleinarbeit des Ar­chäologen schlüssig nahezubringen und begreiflich zu machen, warum ein Team von Archäologen sich zehn Jahre lang in einer einzigen Grabanlage aufhalten kann und immerzu neue Entde­ckungen zu machen imstande ist.

Die Struktur des Buches selbst erleidet freilich zum Schluss hin eine gewisse spürbare „Dehnung“. Weeks entfernt sich hier et­was von dem Grab und den dort gemachten Entdeckungen und verirrt sich zum Teil seitenweise in die Biografie von Ramses II., seinen Vorfahren, den Verbindungen zur biblischen Mythologie (etwa bezüglich der biblischen Plagen und des Auszugs aus Ägypten, die von Ägyptologen nicht nachgewiesen werden kön­nen, ganz entgegen dem Klappentext – aber das sei nur am Rande erwähnt), so dass der Leser zu spüren beginnt, wie schwer es ihm fiel, die letzten paar Dutzend Seiten adäquat zu füllen. Sie sind nicht langweilig, aber der inhaltliche Bruch ist einwandfrei erkennbar.

Der Großteil des Buches ist jedoch der überaus packenden Ge­schichte des Grabes KV 5 und seiner rätselhaften Inhalte gewid­met. Meines Erachtens steht dieses Sachbuch einem Thriller nicht sehr nach – wenigstens dann nicht, wenn man sich bren­nend für die Ägyptologie interessiert und gerne etwas mehr le­sen möchte als den 1999 im GEO erschienenen Auszug zu Ram­ses II. und dieser Entdeckungsgeschichte.

Am Ende fragt man sich nägelkauend, wann und wie es wohl weitergehen mag, und man bedauert jeden Tag, den die Enthül­lungen auf sich warten lassen. Das ist die Qualität eines guten Buches.

© 2004 by Uwe Lammers

Ich kann jedem, der sich für das Thema interessiert, den Kauf des spannenden Buches nur wärmstens ans Herz legen. Ich habe es in drei Tagen verschlungen, was für ein Sachbuch wirk­lich recht spektakulär ist.

Das Buch der kommenden Woche benötigte dann deutlich mehr Zeit … es war aber auch wirklich gewöhnungsbedürftiger, schrä­ger Stoff. Ein Fisch, der Parallelweltreisen ermöglicht, eine alter­native Version von Australien … also wirklich … strange!

Wer mehr wissen möchte, schaue kommende Woche wieder rein.

Bis dann, Freunde, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Blogartikel 461: Close Up: Der OSM im Detail – Teil 33

Posted Juni 5th, 2022 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

nach dem letzten heftigen Ritt durch Oki Stanwers Abenteuer, die unter anderem von dem System Mira Ceti nach New Port Royal, von dort zur überraschenderweise nicht zerstörten Erde und zum Duell mit dem Mischwesen Carni Mor/Dämon Mor führ­ten und wieder zurück nach Korsop, wird in der Serie umgeblen­det zu drei weiteren Handlungssträngen:

Episode 56: Der Verräter-Dämon

(1983, digitalisiert 2004)

Handlungsblende zum Dämon Zomar von TOTAM: Im System des Planeten Garos hat Oki Stanwer mit Zomar einen eigenwilli­gen, von Dritten kritisch beäugten Beistandspakt getroffen. Dies deshalb, weil Zomar sich nach eigenen Angaben von TOTAM los­sagen möchte und dessen Exponenten durch Raubzüge schwächt, um eine eigene Machtbasis zu erschaffen.

Sein nächstes Ziel ist der Planet Torom – ein Planet, der zwi­schen zwei Sonnen driftet und deshalb eine Gluthölle ist. Hier testet der Dämon Garas ein neues Dienervolk, die Clu‘un‘raa, als Zomar auftaucht. Zomar hat auf dem Planeten Garos 2000 Tonnen TOTAM-Kristall erbeutet, was er nun sucht, ist unklar.

Als der Kontakt mit Garas zustande kommt, wird der dort amtie­rende Dämon von Zomar unvermittelt mit dem Vorwurf konfron­tiert, ein Verräter zu sein und sich rechtfertigen zu müssen! Da­bei weiß Garas doch genau, dass es sich umgekehrt verhält … dummerweise erfahren auch die Clu‘un‘raa von diesem Ge­spräch.

Episode 57: Gluthölle Torom

(1983, digitalisiert 2004)

Fortsetzung des Zomar-Handlungsstranges: Zomar hat nur eine Fake-Kopie des BUCHES bei sich, des so genannten „Dämonen­gesetzes“, mit dessen Hilfe abtrünnige Dämonen der Rangord­nung degradiert werden können, aber das weiß Garas nicht … und es ist auch gleich darauf egal, da Krell, der Anführer der molluskenartigen Clu‘un‘raa ihn als Verräter einstuft und die Zu­sammenarbeit mit ihm aufkündigt – was exakt das ist, was Zo­mar erreichen will.

Der amtierende Anführer der Dämonen, Weldron (Rang 4), ist inzwischen auf Torom eingetroffen, um Garas Beistand zu geben – da taucht wie aus dem Nichts die riesenhafte Silhouette des verschollenen Dämons Morosk auf, der auf Beteigeuze IV von der entropischen Raumzone aufgesogen wurde. Er scheint nur ein kraftloses Phantom zu sein … aber bei ihm ist das BUCH, das nun sehr real ist.

Zum allgemeinen Unverständnis schlägt sich das BUCH auf Zo­mars Seite und löscht Weldron und Garas aus, die sich keines Fehlers bewusst sind. Das allgemeine Chaos führt zum Unter­gang von Torom und zur Vernichtung der meisten Schiffe Zo­mars … aber er kann nun auf die desertierten Clu‘un‘raa als Bündnisvolk setzen und vor allen Dingen auf das BUCH, das nun real in seiner Hand ist.

Er bricht auf zu seiner Geheimbasis Z-Planet, um von hier aus den Kampf gegen die etablierte Hierarchie TOTAMS weiterzufüh­ren.

Episode 58: Rätsel der Zentralwelt

(1983, digitalisiert 2004)

Blende zur Zentralwelt: Klivies Kleines und Germos, der Leiter der „Seelen-Armee“ (Bd. 40) durchschreiten die dimensionale Verfaltung, die die beiden instabilen Raumzonen von Beteigeu­ze IV und der Zentralwelt miteinander verbindet. Kleines hat sich entschieden, nicht Oki Stanwer und Thor Gordenbeyl zu be­gleiten (Bd. 47), sondern sich um die Zentralwelt zu kümmern, von der er ja als Herrscher vor langer Zeit durch die EKK ent­führt wurde.

Oki Stanwer könnte ihm zwar sagen, dass die Zentralwelt eine Wüstenei geworden ist, ein einziges Leichenhaus (Bd. 37), aber soweit ist es nicht gekommen. Und die Zentralwelt hat sich oh­nehin gründlich verändert – während des Transits werden Klei­nes und die Seelen-Armee voneinander getrennt, und Kleines erscheint in einem unerwartet idyllischen Tal wieder, das abso­lut bewohnbar erscheint. Doch der Ort, in den er gelangt, ist be­völkert von Tausenden von lebenden Skeletten!

Und ein weiteres rätselhaftes Wesen erscheint – ein uralter To­tenkopf, der sich das „Orakel von Hellside“ nennt und sich hier als neutraler Schicksalslenker betätigt …1

Episode 59: Der Herrscher und sein Sklave

(1983, digitalisiert 2004)

Handlungsschwenk zum Dämon Morosk und dem Helfer des Lichts, Pater Joseph Ghastor: Sie beginnen ungeplant eine ge­meinsame Odyssee, als sie noch auf dem terranischen Planeten Beteigeuze IV sind (Bd. 40 der Serie). Als das BUCH sich vom Planeten in die entropische Raumzone zu entfernen beginnt, eilt Morosk ihm hinterher. Zur gleichen Zeit erlebt der Jesuit Ghas­tor, dass sein Körper gläsern und auch gen Himmel gerissen wird.

Zu einer widernatürlichen Fusion gezwungen, wobei Ghastors „Glasleib“ als Gefängnis für die schwarze Essenz des Dämons fungiert, wird das Mischwesen durch das BUCH – das all das of­fenbar planmäßig vorhergesehen hat – ins Rote Universum ver­bannt.

Dies ist das Reich der schattenhaften Voorks, die vor fast 2000 Jahren das terranische Reich in Trümmer zerfallen ließen. Sie sind hier immer noch in diesem mehrheitlich entropischen Uni­versum an der Macht, regiert vom Dämon Voron.

Hier strandet auch Ghastor/Morosk, und sie treffen auf einen „Geisteraustreiber“ namens Siom, dem es gelingt, die beiden Lebensformen zu trennen und Morosk die Manifestation eines Schwarzen Mannes zu ermöglichen – allerdings mit dem Zweck, ihn durch Genickbruch umbringen zu wollen, da Siom die Dämo­nen hasst.

Doch dieser Genickbruch kann Morosks Existenz nicht auslö­schen … stattdessen wird Siom ungläubig Zeuge, wie dessen Essenz in Ghastors Glasleib zurücksickert und sich beide erneut auflösen. Die Odyssee geht weiter …

Episode 60: Treffpunkt Tankstation

(1983, digitalisiert 2004)

Blende zurück zu Oki Stanwer: Nachdem die Carni Mor auf der Erde Vergangenheit ist und Mor verschwunden, die Zartans das Solsystem vor der Vernichtung zu bewahren suchen und Oki durch die Planetenauktion (Bd. 55) den Raumsektor in seinem alter Ego Eon Seggar käuflich erworben hat, orientiert er sich zum Sternhaufen M3 … denn die FRATERNITÉ ist quasi zerstört worden, und er nahezu ohne Oki-Gefolgsleute. Er braucht also dringend Unterstützung von der dortigen Tankstation 781.

Doch als er dort erscheint, wird er Zeuge einer beispiellosen Ka­tastrophe – ein entropisches Phänomen führt bei einer Gruppe von inzwischen eingetroffenen Oki-Kreuzern zu Fehlfunktionen, einer von ihnen kollidiert mit der Tankstation und vernichtet sie und die Oki-Schock-Waffe, die dringend im Raumsektor Sol ge­braucht würde, um den Hyperraumriss zu verschließen.

Es wird noch schlimmer: Der Kommandant der eingetroffenen Okis, Kommandant Climaar, anerkennt Oki nicht als Okikaiser! Sein Mentalwellenmuster entspreche nicht den Anforderungen, erklärt er … Oki führt das darauf zurück, dass vielleicht der Kampf gegen den Dämon Gormus auf Garos dieses verändert haben könnte.

Letztlich erklärt sich Climaar bereit, ihn zumindest als Partner zu akzeptieren – aber er selbst will den Oberbefehl über das Oki-Kontingent, die „Spezial-Garde“, führen. Und sein intendier­tes Unternehmen realisieren: den Sturm auf die Medowelt OKISTAN.

Da das Oki Stanwers eigenen Plänen durchaus entgegenkommt – denn vielleicht finden sich die Pläne der Oki-Schock-Waffe auch dort, mindestens aber das Leuchtfeuer, das die verstreu­ten Oki-Flotten aus dem Halo zusammenrufen soll – , erklärt er sich mit diesen Bedingungen einverstanden.

Ihm ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst, dass Climaar grundlegend kybernetisch gestört ist und er sich in absolute Le­bensgefahr begibt …!

Ihr seht – es bleibt spannend und überraschend in dieser ältes­ten OSM-Serie. Und das ist noch lange nicht alles. Demnächst mehr zu den dramatischen Geschehnissen rund um OKISTAN und die Spezial-Garde.

Bis bald, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Dabei fiel mir schon anno 2004 auf, als ich die Serie digitalisierte, dass diese Figur wi­dersprüchlich ist. Sie vereint Elemente eines Totenkopfs, der scheinbar ein Helfer des Lichts ist, mit denen des Totenkopf-Propheten, der aus der nicht mehr existenten Serie „Die Abenteuer der Galax“ stammte und heute im OSM grundlegend andere Funktio­nen einnimmt. Die Serienüberarbeitung gelangte bislang noch nicht an diese Episo­den, darum sind die obigen Bemerkungen über das Orakel mit Vorsicht zu genießen. Man darf nie vergessen, dass ich im Sommer 1983 die späteren Strukturen des OSM noch nicht allzu genau ausgearbeitet hatte.

Rezensions-Blog 354: Hardwired – verführt (1)

Posted Juni 1st, 2022 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

erotische Romane und Internet-Start Ups … ein No-Go? Technik und sinnliche Frauen passen nicht zueinander, sondern man verbindet Ersteres im Zusammenhang mit Computertechnik doch eher mit nachlässig gekleideten, sozial unbeholfenen Nerd-Typen? Nun, wer so schematisch tickt, muss bei diesem Zyklus durchaus umdenken.

Mit Erica Hathaway erschafft die Autorin Meredith Wild eine jung-dynamische Unternehmerpersönlichkeit, deren Defizite auf ganz anderen Sektoren liegen, und zugleich eine Protagonistin, die wie ein unter schäumendem Meerwasser verborgenes Riff gefährliche, faszinierende Untiefen und Geheimnisse birgt. Der erste Anschein trügt offenbar sowohl bei ihr als auch bei der männlichen Bezugsperson, dem superreichen Blake Landon.

Ein Buch, das ich in gerade mal zwei Tagen regelrecht ver­schlang, lässt schon einiges erwarten … aber da es Teil 1 eines fünfteiligen Zyklus ist, solltet ihr, wenn ihr damit beginnt, unbe­dingt jede Menge offene Fragen gewärtigen. Ich finde aber, das ist das Leseabenteuer durchaus wert.

Was euch genau erwartet? Schaut euch mal an, was ich anno 2018 dazu geschrieben habe:

Hardwired – verführt

(OT: Hardwired)

Von Meredith Wild

Lyx (keine Verlagsnummer!), 2016

352 Seiten, TB

ISBN 978-3-7363-0124-5

Aus dem Amerikanischen von Freya Gehrke

Die 21 Jahre junge Erica Hathaway hat gerade ihren Abschluss an der Universität in Boston in der Tasche und große Pläne für die Zukunft. Sie ist davon überzeugt, dass ihr das Leben ja nicht immer die Loser-Karte zeigen kann, auch wenn ihr gesam­tes bisheriges Leben wenig glamourös verlaufen ist. Ein kurzer Blick zurück zeigt das deutlich.

Den leiblichen Vater hat sie nie kennen gelernt, da sich ihre Mutter Patricia von ihm trennte, als sie noch mit Erica schwan­ger war. Mit dem Stiefvater verbindet sie ein eher distanziertes Verhältnis, seit das einzige Bindeglied, eben die Mutter, zwölf Jahre zuvor an Krebs verstarb. Seither ist Ericas engste Verbin­dungsperson die beste Freundin ihrer Mutter Marie Martelly. Jah­re später geriet Ericas sexuelle Initiation zu einem alptraumhaf­ten Desaster, über das sie am liebsten den Mantel des Schwei­gens deckt. Verschiedene Erlebnisse mit verschiedenen Män­nern schlossen sich an, aber sie ist grundsätzlich nicht der Bin­dungstyp, sondern bemüht sich seither, auf eigenen Füßen zu stehen.

Das meint sie auch gut geschafft zu haben – bereits während des Studiums hat sie mit ihren Freunden Sid (vermutlich der Kurzname für Sidney, einem nerdigen Computerprogrammierer, der eher nachaktiv ist) und Alli, die für Marketing verantwortlich zeichnet, das Internet-Startup Clozpin aufgebaut. Es handelt sich dabei um ein modebasiertes Social Media-Tool, das sie nun karrierebewusst und zielstrebig zu einer eigenen Firma ausbau­en will. Dafür braucht sie natürlich jetzt, wo sie ihren Abschluss in der Tasche hat, Finanzierungskapital.

Sie fühlt sich tough und karriereorientiert. Außerdem hat sie ei­nen Termin bei der Firma Angelcom Venture Group, die vielleicht die erforderlichen zwei Millionen Dollar bereitstellen kann. Es wird auch höchste Zeit, denn Alli ist – notwendig, es muss ja nach der Uni irgendwie weitergehen – dabei, sich zu bewerben. Die beiden wollen zwar beste Freundinnen bleiben, aber viel­leicht wird tatsächlich eine ihrer Bewerbungen positiv beantwor­tet, dann ist sie möglicherweise in New York … und das liegt ja nicht gerade um die Ecke. Und familiären Rückhalt besitzt Erica bekanntlich nicht.

Auch aus anderem Grund drängt die Zeit. Das Studentenwohn­heim, in dem Erica, Alli und Sid leben, wird sie alsbald an die Luft setzen. Höchste Zeit zum Handeln, eindeutig. Eine neue Wohnung muss her, möglichst bezahlbar (rar in Boston), und später vielleicht noch Geschäftsräume. Also hat der Abschluss mit Angelcom höchste Priorität.

Maxwell Pope von Angelcom„Nennen Sie mich doch einfach Max“ – scheint an ihrem Projekt sehr interessiert. Der einzige in der Runde, der ihr indes eine sofortige Absage erteilt, ist der elektrisierende, junge und superreiche Blake Landon. Zu Ericas Verwirrung ist er aber auch derjenige, der sie emotional völlig aus der Balance bringt und sexuell unerträglich anzieht. Und, noch verwirrender, er ist es auch, der ihr eine Einladung für eine Unternehmerkonferenz in Las Vegas besorgt, wo sie ihr Startup vor erlesenem Publikum vorstellen kann. Hier treffen Erica und Alli nicht nur ihn wieder, sondern auch seinen nicht minder cha­rismatischen Bruder Heath, in den sich Alli prompt total ver­schießt.

Und obwohl Erica mit Blake in Vegas eine leidenschaftliche Lie­besnacht verbringt, entschließt sie sich dazu, dass „was in Ve­gas passiert, in Vegas bleibt“. Sie kehrt ihm den Rücken und strebt weiterhin den Deal mit Angelcom an.

Blake bleibt indes erstaunlich hartnäckig.

Auf einmal ist er überall.

Und er hat offensichtlich zum einen eine Lösung für ihre drän­genden Probleme (etwa, indem er ihr eine Maklerin empfiehlt, die rein zufällig seine Schwester Fiona ist), zum anderen scheint er aber alles daran zu setzen, ihren in Arbeit befindlichen Ver­trag mit Angelcom zu torpedieren. Dass das andere Gründe hat, als sie anfangs annimmt, kristallisiert sich erst mit Verzögerung heraus. Und dann findet Erica Landons Begründung einfach lä­cherlich … nun, sie weiß einfach noch nicht genug.

Landon Blake ist ohnehin eine rätselhafte Person. Laut dem In­ternet hat er eine sinistre Vergangenheit als Hacker der Hacker­gruppe M89. Und er macht keinen Hehl daraus, dass er Erica will. Genauer gesagt: er will, dass sie ihm gehört und nieman­dem sonst. Und dabei entwickelt er seltsame Attitüden, weil er ein absoluter Kontrollfreak ist. Wütend beginnt er etwa damit, alle Männer wegzubeißen, die ihm dabei im Weg stehen könn­ten: Max, Sid, sogar einen Verleger aus New York, der Erica recht ungeniert an die Wäsche will. Zugleich gibt es einige Din­ge, die Erica definitiv besser kann – kochen etwa. Zu niedlich ist die Szene, wie sie gemeinsam einkaufen und sie konstatieren muss: „Im Supermarkt war Blake völlig hilflos.“ Was habe ich gelacht! Da ist der Roman dann einfach süß.

Beunruhigend stellt Erica derweil fest, dass Blake in ihr stürmi­sche Emotionen weckt wie noch kein Mann zuvor. Aber sie will doch ihre Firma aufbauen, auf eigenen Füßen stehen … für so etwas wie die Liebe ist da jetzt wirklich kein Platz. Warum nur wird sie dann in Blakes Nähe immer wieder schwach?

Gleichzeitig versucht der Millionär, aus der Frau an seiner Seite schlau zu werden, die so viele Geheimnisse vor ihm hat. Und dann tauchen die Schatten der Vergangenheit auf und reißen alte Wunden in Erica Hathaway auf. Das geschieht leider ausge­rechnet in dem Moment, in dem sie gehofft hat, alles würde sich zum Guten wenden …

Der fünfteilige Hard-Zyklus von Meredith Wild war schon seit 2017 von mir neugierig beäugt worden, aber da ich die Autorin nicht kannte und jeder Band 12,99 Euro kostete, zögerte ich ge­raume Zeit, mich hieran zu versuchen. Als ich dann im Septem­ber 2018 alle fünf Bände antiquarisch beisammen hatte, be­gann das Lesen … und der erste von ihnen war binnen zwei Ta­gen ausgelesen.

Ihr wisst, was das bedeutet: hohes Lesetempo bedeutet ebenso hohe Lesbarkeit. Erica ist eine durchweg sympathische Person, und auch Landon Blake weiß zu gefallen. Ein wenig bedauerlich ist zwar, dass viele Personen fast durchweg nur mit Vornamen genannt werden, was eine gewisse Flüchtigkeit induziert, aber dies ist ja auch erst der Auftaktband der Serie, und es steht zu hoffen, dass sich das noch bessert.

Man sollte ein wenig internet-affin sein, wenn man das Buch liest, der Titel „Hardwired“ kommt nicht von ungefähr, da es eben recht viel um Nerdkram geht. Allerdings auf eine etwas wi­dersprüchliche Weise. Erica ist, wiewohl sie ein modebasiertes Social Media-Tool betreibt, selbst modisch eher „taub“ und stän­dig auf Ratschläge ihrer Freundin Alli (möglicherweise die Kurz­form von Allison) angewiesen. Sowohl ihre Internetfähigkeiten wie die des designierten vormaligen Hackers Landon Blake blei­ben doch recht unspezifisch an der Oberfläche … möglicherwei­se, um potenzielle Leser nicht zu verschrecken.

Schön fand ich die Pfade, die schon gelegt werden, um die zu­künftigen Ereignisse vorzubereiten. Landon Blake sorgt dafür, dass Erica jede Menge Turbulenzen im privaten wie im geschäft­lichen Umfeld anrichtet (na ja, im Grunde genommen ist er ur­sächlich dafür verantwortlich, und es ist noch nicht klar, inwie­weit diese Turbulenzen berechtigt sind). Zahlreiche Personen sind am Ende des Romans auf die beiden sehr schlecht zu spre­chen, und auch die beiden Pfade in Ericas Vergangenheit sind voller Fallstricke und Stolperfallen.

Gewiss, gerade in Bezug auf Ericas Vergangenheit kommt es doch zu seltsam vielen Zufällen, die ein wenig inszeniert wirken (etwa die Sache mit dem Foto aus der Vergangenheit ihrer Mut­ter, das wie das Kaninchen aus dem Hut gezaubert wird), auch zieht sich die Sache mit Angelcom so sehr, dass man sich fragt, ob daraus überhaupt noch etwas wird … aber ich schätze, diese Dinge werden sich in den Folgebänden aufhellen, besonders auch diese Angelegenheit mit dem Hackerangriff auf Ericas Site.

Ich bin jedenfalls neugierig darauf, zu erfahren, wie die Ge­schichte weitergeht und was da noch alles zutage treten wird. Aktuell sehen wir nur die Spitze des Eisberges (beider Eisberge, wenn wir Ericas und Blakes Leben als solche betrachten), und es wird spannend werden, hier in die Tiefe abzutauchen und die verborgenen Teile zu inspizieren. Demnächst in der Folge-Re­zension.

Dieses Buch ist jedenfalls durchweg ein empfehlenswerter und lesenswerter Anfang des Zyklus. Hoffen wir, dass das Niveau gehalten werden kann oder sich sogar noch steigert …

© 2018 by Uwe Lammers

Außerordentlich positives Fazit? Ja. Mal schauen, wie die weite­ren vier Bände bewertet wurden, die ich im Abstand von weni­gen Wochen ab jetzt hier vorstellen werde.

In der kommenden Woche kommen wir zu einer umwerfenden, wirklich spektakulären Entdeckung jüngster Vergangenheit im Tal der Könige, als dort nach anfänglicher Verblüffung das mit weitem Abstand größte Grabmal der Pharaonen gefunden wur­de: Das Totenhaus von Ramses‘ Söhnen. Das solltet ihr euch echt nicht entgehen lassen!

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Liebe Freunde des OSM,

und wieder ist von neuem ein ganzer Monat dahingeflossen … ich bin echt immer wieder am Staunen, wo die ganze Zeit bleibt. Für diesen Monat gilt das ganz besonders, will mir schei­nen.

Warum? Nun … formal hatte ich jede Menge freie Zeit zur Verfü­gung, schließlich endete mein Vertrag mit der Universität Ende August, und dann lagen theoretisch vier Wochen freie Zeit vor mir … formal jedenfalls. In realiter sah das aus verschiedensten Gründen anders aus. Zum einen taktete das wöchentliche Coa­ching natürlich den Monatsablauf anders als üblich. Zum zwei­ten steckte ich ja mitten in der Jobrecherche und den Bewer­bungsaktivitäten, hinzu kamen diverse Arzttermine, ein wenig bürokratisches Chaos mit dem Finanzamt und der Agentur für Arbeit, was sich aber alles klären ließ.

Als viel schwieriger erwies bzw. erweist sich dagegen etwas, womit ich nicht gerechnet hatte … ein akuter Fall von Telefon-Paralyse, wie ich das genannt habe. Ein verrücktes Phänomen, das ich immer noch nicht recht durchschaue, aber sehr mani­fest und real ist. Das sieht so aus, dass ich regelmäßig, wenn das Telefon klingelt, geradewegs versteinere und unfähig bin, das Gespräch anzunehmen.

Das hat für einige unschöne Verstimmungen gesorgt, wie ich dann via Mail später mitbekam … aber man mag es mir glau­ben, ich leide darunter ebenso wie die Gegenseite. Von solch ei­nem Fall habe ich bislang einmal vor vielen Jahren im engsten Freundeskreis gehört und konnte es nur schwer damals nach­vollziehen. Dieses Phänomen nun am eigenen Leib zu spüren, ist ebenso unheimlich, wie es meinen Blick auf die damaligen Erfahrungen verändert.

Gottlob gab es auf der anderen Seite die Sphäre des kreativen Schreibens, die für mich so notwendig ist wie Sonnenlicht für wachsende Pflanzen. Und da tat sich in diesem Monat erfreuli­cherweise eine ganze Menge. Summa summarum entstanden nicht weniger als 31 fertige Werke, was prinzipiell auf ein Werk pro Tag hinausläuft. Davon entfallen jedoch, schränke ich gleich mal ein, nicht weniger als 17 (!) auf Blogartikel sowie 3 auf Sto­ryglossare. Doch auch der Rest war durchaus bemerkenswert.

Im Detail sah das dann kreative Gesamtresultat des Monats September 2021 folgendermaßen aus:

Blogartikel 456: Work in Progress, Part 105

(Glossar der Serie „Oki Stanwer – Bezwinger des Chaos“)

(Glossar der Serie „Oki Stanwer – Der Siegeljäger“)

Blogartikel 441: Fehlerlese – Neckische Überraschungen im OSM

(DSj 51: Krise in der Südsee)

Blogartikel 449: Der Name ist Programm – Ein Kosmos na­mens Horrorwelt 6/E

Anmerkung: Eigentlich wollte ich diesen Blogartikel nur kurz skizzieren, da ich mit dem Digitalisat der „Horrorwelt“-Serie in­zwischen fertig geworden war … aber ich war überraschend so im Flow, dass der Artikel tatsächlich in einem Guss fertig ge­stellt wurde. Und das sollte sich, ihr werdet das noch weiter un­ten merken, auch auf die Arbeit an der Serie auswirken.

(OSM-Begriffsliste)

Anmerkung: Kreative Baustellen gibt es bei mir wirklich viele, das ist keine Neuigkeit. Auch diese Liste gehört natürlich dazu, die wie beispielsweise die OSM-Wiki auf meiner Homepage suk­zessive immer weiter ergänzt wird … wenn ich mich daran erin­nere. Hier war ich nun allerdings schon lange nicht mehr, und als ich entdeckte, dass es einige Glossare gibt, die seit langem schon auf der To-Do-Liste verharren, führte meine Stippvisite in der Begriffsliste unvermeidlich dazu, dass diese Glossare in meinen Fokus gerieten. Das wird nachher noch deutlicher zu er­kennen sein.

(Glossar der Serie „Oki Stanwer Horror“)

(Quisiins letzter Fall – OSM-Roman)

Anmerkung: Der Monat September wurde auch mit dem Vorsatz begonnen, eine Reihe von alten Werken abzuschließen. Dies hier ist Nummer 1 davon … und wie ihr an der immer noch exis­tenten Klammer erkennen könnt, hat der Vorsatz noch nicht so richtig gewirkt, nicht in diesem Fall. Warum war das so? Siehe weiter unten.

(Mutproben – OSM-Story)

Anmerkung: Das war dann Werk Nummer 2, an dem ich drin­gend weiterarbeiten wollte. Hat auch nur teilweise funktioniert.

(OSM-Wiki)

(Das Geheimnis von Church Island – OSM-Roman)

Anmerkung: Und hier haben wir Werk Nummer 3, auf das meine obigen Worte zutreffen. Hier konnte die Planung solide vorange­trieben werden, aber zum Fertigstellen hat es (noch) nicht ge­reicht. Es bleibt spannend.

(9ANeu 5 – Energiewirbel)

Anmerkung: Ja, die Episoden dieser kurzlebigen Serie sind kurz und demzufolge eigentlich rasch zu digitalisieren. Das stimmt durchaus. Aber trotzdem trat eine gewisse Stockung gegenüber einer anderen Serie ein, die mich hier bremste. Diese Episode steht für Oktober auf der Agenda der Fertigstellung. Und mehr davon.

(Lexikon der Serie „Oki Stanwer – Der Siegeljäger“)

(9ANeu 6 – Das Ur-Volk)

9ANeu 4 – Der Verräter auf Station 0

Glossar der Story „Das Mysterium“

Anmerkung: Das war dann die erste Baustelle, die ich tatsäch­lich von meiner To-Do-Liste streichen konnte. Ich weiß nachträg­lich selbst nicht, warum ich Jahre nach Digitalisierung der Ge­schichte das Glossar immer noch nicht abgeschlossen habe … vermutlich ein Zeichen dafür, wie sehr ich durch meine Arbeit abgelenkt war. Inzwischen ist dieses Glossar auch ins OSM-Hauptglossar übertragen worden … und dabei wurde deutlich, dass es noch mehr Glossare gab, die ich zwar längst fertig ge­schrieben, aber dorthin nicht übertragen hatte.

Also ein neuer Punkt auf meiner September-Agenda …!

Blogartikel 446: Aus den Annalen der Ewigkeit – alt und neu (XLIII)

Blogartikel 454: Aus den Annalen der Ewigkeit – alt und neu (XLIV)

Glossar der Story „Das Mysterium II“

Anmerkung: Im Zuge der Aktualisierung der Inhaltsverzeichnis­se der 10 Aktenordner „Aus den Annalen der Ewigkeit“ stellte ich fest, dass die über 40 Seiten lange Ausdruckfassung der kommentierten Story „Das Mysterium“ immer noch auf einem Stapel begonnener Arbeiten neben meinem Schreibtisch ver­harrte … das konnte so natürlich nicht bleiben. Also übertrug ich die Erläuterungen aus dem „Mysterium-Glossar“ hierhin und ergänzte die Inhsternengalte zu den zusätzlichen Glossarbegriffen aus dem Kommentierungsteil. Und so konnte auch die zweite Bau­stelle von der To-Do-Liste gestrichen werden.

Das tat gut, Leute!

Blogartikel 445: Close Up: Der OSM im Detail (30)

Blogartikel 448: „Was ist eigentlich der OSM?“, Teil 79

Blogartikel 450: Close Up: Der OSM im Detail (31)

(OSM-Hauptglossar)

Glossar der Story „Die Sternengeborene“

Anmerkung: „Diese Story ist jetzt auch schon ein paar Jahre fer­tig und bislang noch nicht veröffentlicht … aber habe ich da­mals nicht auch das Glossar gleich gemacht?“, murmelte ich auf der Suche nach einer Erklärung dafür, warum ich das Glos­sar dazu nicht entdecken konnte.

Die Antwort frustrierte mich: Nein, die Story war in Rekordzeit fertig geworden, aber die Anfertigung eines Glossars hatte ich glatt verpennt. Verdammt noch mal!

Also ans Werk, Glossar geschrieben, ausgedruckt und wie schon die beiden „Mysterium“-Glossare ins OSM-Hauptglossar über­führt. Gut so. Baustelle 3 erledigt!

(Im Bann der schönen Fremden – OSM-Story)

Anmerkung: Witzig ging es weiter – die obige Story handelt von einer OSM-Sternenfee in KONFLIKT 12, also der Serie „Oki Stan­wer – Bezwinger des Chaos“. Aber da gab es doch noch ein wei­teres Fragment, zupfte die Erinnerung an meiner Seele … ich schaute nach und entdeckte diese hier … eine weitere Story über eine Sternenfee im KONFLIKT 12! Flugs arbeitete ich an dieser darum auch noch etwas weiter. Machte Spaß, aber leider versiegte die Inspiration. Dafür blühte etwas anderes unerwar­tet auf.

Horrorwelt 176: Mira und der Verdammte

Anmerkung: Wie erinnerlich habe ich kürzlich diese Serie bis zum Schlusspunkt des Schreibhorizontes (Band 172) vorange­trieben und kam dann recht unvermittelt dazu, die Episoden 173 und 174 neu zu schreiben. Diese waren Teil 1 und 2 einer Trilogie, die in dem Jubiläumsband 175 gipfeln sollte … und der schrieb sich dann deutlich langsamer als erwartet. Dafür flos­sen die Worte für die Nr. 176, wo ich die Story der Waldhexe Mira und eines Geister sehenden Werwolfs verfolgte, unvermit­telt schnell.

Wow, dachte ich, das muss ich ausnutzen … und ehe ich mich versah, war die Episode fertig geschrieben. Und mein Geist bro­delte geradezu vor neuen Einfällen. Also blieb ich, abgesehen von einer kurzen Stippvisite im Archipel, bei der Sache.

(Sarittas Hilflosigkeit – Archipel-Story)

Horrorwelt 175: HOOGHYL

Anmerkung: Tja, es mag verblüffen, dass ich nun auch die „Hor­rorwelt“-Episoden mit in diese Aufstellung mit hineinnehme, bislang geschah das ja nicht. Aber vielleicht ist das ganz gut für die Vorbereitung eines weiteren Teils der „Horrorwelt“-Blogarti­kel irgendwann in der Zukunft, wenn ihr ein wenig vorab dar­über informiert seid, was hier so geschieht.

Well, selbstverständlich kann es sein, dass ihr sagt: Nee, „Hor­rorwelt“ interessiert uns nicht, wir wollen nur die Arbeitsfort­schritte des OSM sehen … aber das scheint mir ein wenig kurz­sichtig. Ich glaube, es wird in Zukunft inhaltliche Rückwirkungen von hier auf den OSM geben. In diesem Jubiläumsband ist das noch nicht so deutlich zu erkennen, aber in der Trilogie der Epi­soden 176-178 durchaus. Ich komme dazu noch weiter unten.

Dieser Band bescherte mir jedenfalls einige faszinierende Aha-Momente bezüglich der menschlichen neuen Feenkönigin Firo­na-Fisch. Ich lernte ihre verstorbene Mutter kennen und erfuhr vom Langzeitplan der Feenkönigin Zhyani … und alles, was ich in den späten 90er Jahren nur angedeutet hatte, begann auf einmal zu keimen und interessante Verzweigungen zu entwi­ckeln.

Blogartikel 453: „Was ist eigentlich der OSM?“, Teil 80

(Glossar des Romans „Eine scharf geschliffene Waffe“)

Anmerkung: Auch das ist eine lange liegen gelassene Baustelle, die längst fertig sein sollte. Immerhin ist der dazu gehörige Ro­man bereits 4 Jahre abgeschlossen! Hier muss ich noch weiter­machen, ich war – wie oben erwähnt – durchaus abgelenkt.

(9ANeu 7: Galaxis in Ketten)

(13Neu 12A: Saurier-Angriff)

Horrorwelt 177: Von Wölfen verfolgt

Anmerkung: Nachdem sich der Band 176 der Serie schon rasant geschrieben hatte (2 Tage!), ging das mit diesem hier ähnlich schnell, sogar noch geschwinder vonstatten. Diese 12seitige Episode schrieb ich tatsächlich an einem Tag herunter.

Dem „verdammten“ Werwolf Jonesh und Mira gelingt tatsächlich die Flucht aus dem Heerlager der Werwölfe, dank eines Sturms, den die Geister heraufbeschwören. Und einer dieser Geister, der sich dann auf den Weg macht, um Hilfe für die beiden in ei­ner Bärenhöhle Eingeschlossenen zu holen, ist niemand ande­res als Fironas verstorbene Mutter … ja, Crossover zu Band 175, ganz genau. Und am Ende des Bandes kommt es dann zur Be­gegnung zwischen Mira, Jonesh und Tanja/TOOWATAER und ih­rer Amazonengruppe (vgl. dazu Blogartikel 449!).

Mit Band 178 ist bereits begonnen worden, und die Bilder flirren vor meinem kreativen Verstand … dass der Band im Oktober fertig gestellt wird, ist wohl unvermeidlich, und es ist einfach ein tolles Gefühl! Von der Serie werdet ihr in den nächsten Mo­naten definitiv noch mehr hören, insbesondere hinsichtlich des komplizierten Themenfeldes der lebenden Toten einerseits und der Geister andererseits. Und dann gibt es ja auch noch die Menschen und die dank der „Feendämmerung“ erwachenden Fabelwesen.

Ich mag lesend von Fantasy weit weg sein, aber das hier macht geradezu verteufelt viel Vergnügen, Freunde!

(13Neu 13: Der Luft-Teufel)

Anmerkung: Ich hänge mit den Abschriften in den Episoden 12 und 12A, die beide so voller Tippfehler stecken, dass mir graue Haare sprießen … aber ehe ich, da die Seitenzahlen wie die Fußnotenziffern durchgängig hochzählen sollen, diese Episode 13 und auch die 13A, die ebenfalls textlich schon fertig ist, ab­schließen und anschließen kann, müssen diese Bände natürlich fertig digitalisiert und kommentiert werden.

Das heißt aber nicht, fiel mir gegen Ende September auf, dass ich nicht mit den reinen Textabschriften weitermachen kann. Das geht natürlich. Und so entstand diese lange, 1985 nach­träglich geschriebene Episode als Digitalisat. Und die folgenden ebenso … auch davon werden euch im Oktober und den Folge­monaten einige weitere erwarten.

(13Neu 14: Kleines, der Höllenbote)

(13Neu 14A: Kleines, der Höllenbote)

Damit war dann der Monat vorüber … ein sehr arbeitsreicher, von Abwechslungen und kleinen Überraschungen nur so wim­melnder Monat, der mich einige Projekte erfolgreich abschlie­ßen und neue Ideen auf Feldern aufblühen ließ, mit denen ich nicht gerechnet hatte.

Ich muss sagen, ich bin verdammt auf den Monat Oktober und seine literarische Ausbeute gespannt und hoffe, euch geht das ähnlich. In einem Monat sind wir alle schlauer.

Bis bald, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 353: Hier spricht Guantánamo

Posted Mai 25th, 2022 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

ich denke, wer die Nachrichten der zurückliegenden zwanzig Jahre aufmerksam verfolgt hat und namentlich diejenigen der letzten Monate, der wird um ein paar ungenießbare Tatsachen nicht herumkommen, die in politischen Fehlentscheidungen vor gut 20 Jahren wurzeln.

Am 11. September 2001 ereignete sich der folgenschwerste ter­roristische Anschlag auf amerikanischem Boden, ausgeführt von einer Gruppe nominell muslimischer Fanatiker, die allesamt bei der Ausführung ihres Planes den Tod fanden. Um diese Tat zu vergelten, erklärte der damalige Präsident George W. Bush jr. den „Krieg gegen den Terrorismus“ (schon semantisch absurd, da man nur Krieg gegen Personen oder Nationen führen kann, aber nicht gegen Begriffe wie „Terrorismus“). In der Folge diente dieses Vorgehen der Legitimation, zwei Regierungen zu stürzen und zwei Staaten mit Krieg zu überziehen, den Irak (der mit den Anschlägen nichts zu tun hatte) und Afghanistan, in dem der vermeintliche Drahtzieher Osama bin Laden, als Gast der Tali­ban-Regierung weilte.

Während im Irak die Regierung Saddam Husseins gestürzt wer­den konnte und im Anschluss daran ein Bürgerkrieg ausbrach (soviel zu George Bushs realitätsverkennender Bemerkung „Mis­sion accomplished!“, die er nach Saddams Sturz vollmundig machte), wurde auch das Taliban-Regime in Kabul gestürzt und eine neue Regierung ins Amt gehievt.

Die Jagd nach „Terroristen“ aber ging weiter, und sie erschuf ei­nen bizarren rechtsfreien Raum auf Kuba – das Strafgefange­nenlager Guantánamo. Nach meiner Kenntnis existiert es nach wie vor, und immer noch werden dort „Terroristen“ festgehalten, die von amerikanischen Kommandos in Afghanistan eingesam­melt worden sind.

Der leider schon verstorbene Journalist Roger Willemsen – ich durfte ihn 2014 noch auf der Leipziger Buchmesse persönlich erleben; eine beeindruckende Persönlichkeit, die wie gedruckt und äußerst scharfsinnig zu reden verstand – hat sich anno 2006 die Mühe gemacht, den ideologischen Mantel aus Halb­wahrheiten und Lügen zu durchbrechen, der um dieses Gefan­genenlager und seine Insassen gewoben wurde.

Er hat einige wenige der Insassen exemplarisch befragt und da­bei Dinge und Lebensgeschichten zutage gefördert, die sicher­lich nicht stellvertretend für alle Inhaftierten stehen können. Aber sie zeigen zumindest in beunruhigender Häufung auf, dass viele Personen offenkundig völkerrechtswidrig dorthin unter Vor­gabe falscher Anschuldigungen verschleppt wurden. Oder ein­fach, weil sie zum verkehrten Zeitpunkt am falschen Ort waren, die falsche Sprache sprachen, den verkehrten Glauben besaßen oder „wie Taliban aussahen“ (was immer das konkret auch hei­ßen soll, da „Taliban“ übersetzt nur „Koranschüler“ heißt; so be­trachtet könnte man formal jeden Muslim verhaften, aber das käme ja niemandem ernstlich in den Sinn!).

Herausgekommen ist ein nicht zuletzt wegen des Vorwortes, in dem er auf die Medienresonanz auf dieses Buch mit eingeht, ziemlich beklemmendes Werk, das den aufmerksamen Leser für die Tücken und auch für gewisse beunruhigende Selbstgleich­schaltungstendenzen in der heimischen Medienlandschaft sensi­bilisieren könnte. Es ist in dem Sinn geschrieben, ideologisch zu enge Denkraster aufzubrechen, Einzelfallprüfungen durchzufüh­ren und sich einfachen Lösungen zu verweigern.

Traurigerweise muss man auch 15 Jahre nach Erscheinen des Buches konstatieren: Das Lager gibt es immer noch. Die Taliban-Bewegung ist nach 20 Jahren amerikanisch-westlicher Besat­zung in Afghanistan wieder an die Macht gekommen, und der dortigen Bevölkerung geht es höchstwahrscheinlich nicht besser als vor 2001. Auf beklemmende Weise wird so nicht nur der Fehlschlag der westlichen Intervention offengelegt, sondern auch, dass in jederlei Beziehung der „Krieg gegen den Terrorismus“ eher dazu geführt hat, dass die Welt unsicherer denn je wurde. Ich bin der Ansicht, dass das heutige Rezensionsbuch ungeach­tet seines Alters immer noch ein sehr lesenswertes Mahnzei­chen der jüngsten Zeitgeschichte ist. Und die Geschichte über das Straflager Guantánamo und seine unglückseligen Inhaftier­ten, die selbst nach der Freilassung für ihr Leben gezeichnet sind, ist bedauerlicherweise noch lange nicht am Ende.

Wer neugierig ist, lese bitte weiter:

Hier spricht Guantánamo

Interviews mit Ex-Häftlingen

von Roger Willemsen

Fischer-Taschenbuch 17458

256 Seiten, 8.95 Euro

Oktober 2006

ISBN 3-596-17458-9

Es gibt Menschen, die meinen, wir wissen bereits alles über das berüchtigte Strafgefangenenlager Guantánamo auf Kuba, wo die Streitkräfte der Vereinigten Staaten von Amerika seit dem Beginn ihres „Krieges gegen den Terrorismus“1 Personen inhaftieren, die sie der Mittäterschaft an den mörderischen Anschlägen auf das World Trade Center am 11. September 2001 bezichtigen, bei dem mehr als dreitausend Amerikaner ums Leben kamen.2 Auch viele Journalisten zählen dazu, die sich dadurch bei der Besprechung des vorliegenden Buches auf eine nachgerade abenteuerliche Gratwanderung begaben. Der Verfasser Roger Willemsen, Schriftsteller, Journalist und Fernseh-Moderator, der Tausende von Interviews geführt hat, berichtet davon in dem Vorwort.

Die renommierte FAZ meinte, das Buch komme zu spät, wobei sie stets an der USA-Doktrin von den inhaftierten „gesetzlosen Kämpfern“ festgehalten hatte, die die Häftlinge in Guantánamo mehrheitlich eher nicht sind; die christliche Zeitschrift „Chris­mon“ fand die genannten Details der Folter in den Lagern offen­sichtlich nicht drastisch genug; der „Zürcher Anzeiger“ befürch­tete, das Buch könne „fundamentalistischen Islamisten“ ein Fo­rum bieten; der „Welt“ fehlten (ernsthaft!) „spektakuläre Miss­handlungsgeschichten“, für den dortigen Rezensenten bot sich ein Bild der „Langeweile“ und des „normalen Gefängnisstumpf­sinns“3; die „Frankfurter Rundschau“ sah sich gar genötigt, eine Gegendarstellung in sechs Punkten abzudrucken.

Allen diesen Kritikern, um nur ein paar zu nennen, die erwähnt worden sind, ist offenkundig gemeinsam eine seltsame, unge­nießbare Melange aus Abstumpfung, williger Selbstgleichschal­tung mit amerikanischer Propaganda und völlig unreflektiertem Hineinfühlen in die Lage der Inhaftierten, die selbst nach ihrer Freilassung (!) durch die US-Militärs weiterhin unter der „Schuld­vermutung“ des Terrorismus stehen. Lyrischer, aber nicht schö­ner ausgedrückt: der finstere Schatten der Jahre in Guantána­mo-Haft hängt bis an ihr Lebensende über diesen Unglückli­chen, die zumeist nur das Pech hatten, am falschen Ort zur fal­schen Zeit zu sein.

Roger Willemsen hat in diesem Buch fünf ehemalige Häftlinge, die bereit waren, ihm Rede und Antwort zu stehen, interviewen können, und eines der Interviews ist unfasslicher als das nächs­te. Da kann keine Rede von „Langeweile“ sein, und wenn auch nur ein Rezensent sich die Mühe gemacht hätte, sich in die Lage der Interviewpartner zu versetzen, hätte er schnell das Grauen gespürt, das durch ihre scheinbar unspektakulären Worte hin­durchschimmert …

Khalid Mahmoud al-Asmar beispielsweise, ein gebürtiger Pa­lästinenser, war Mitarbeiter einer Hilfsorganisation in Afghani­stan, der Witwen, Waisen und Armen half und einen kleinen Ge­würzhandel aufbaute, um seine Familie zu ernähren. Er hatte während seines Aufenthalts in Afghanistan 1987 eine dortige Waise geheiratet. Als die Amerikaner Afghanistan im Nachgang zum 11. September 2001 zu bombardieren begannen, rieten ihm seine Geschäftsfreunde, er solle nach Pakistan gehen, weil er als Araber – wiewohl kein Taliban – Gefahr laufe, verfolgt zu werden. Khalid konnte das nicht glauben, aber zum Wohl seiner Familie ließ er sich überzeugen.

Auf der pakistanischen Seite der Grenze wurde er indes von pa­kistanischen Sicherheitskräften verhaftet, unter falschen An­schuldigungen gefangengehalten und schließlich an amerikani­sche „Headhunter“ verkauft, die ihn auf dem Umweg über an­dere Lager in Pakistan und Afghanistan schließlich nach Guantánamo brachten. Hier wurde er mehrere Jahre lang inhaf­tiert, immer wieder verhört, gefoltert und schließlich ohne Ge­richtsverfahren freigelassen – unter der Auflage, nie etwas ge­gen die USA zu tun, nicht den Taliban oder der Al-Qaida beizu­treten oder über das Lager zu erzählen.

Völkerrecht ist etwas anderes.

Eine Entschädigung für die Jahre der Haft und die erlittenen ge­sundheitlichen Schäden hat er nie erhalten, und er ist skeptisch, überhaupt jemals etwas zu bekommen. Er erklärte Roger Wil­lemsen: „Die USA haben ein Gesetz verabschiedet, wonach sie für solche Taten nicht strafrechtlich belangt werden können. Die USA haben die ganze Affäre als politische und nicht strafrechtli­che Angelegenheit abgetan. Sogar das Rote Kreuz und unsere Anwälte haben mir das alles bestätigt …“

Hussein Abdulkader Youssef Mustafa gehört ebenfalls zu den Palästinensern. Er war zum Zeitpunkt der Verhaftung Religi­onslehrer, ist aber heute arbeitslos und außerstande, seinen Be­ruf auszuüben, da ihm die jordanische Regierung keine Sozial­versicherungsnummer zugesteht, die dafür erforderlich ist.

Vor dem Jahre 2001 hielt er sich als von der UNO registrierter und anerkannter Flüchtling in Pakistan auf. Er war dort seit 1985 Lehrer an den Schulen afghanischer Flüchtlinge, die vor der rus­sischen Besatzung geflohen waren, und er brachte ihnen die Re­geln des Korans bei wie auch die arabische Sprache in Wort und Schrift.

Ich habe im Unterricht auch die Werte der Gewaltlosigkeit und Toleranz vermittelt“, erklärt er dem Interviewer.

Als er direkt nach dem 11. September 2001 von den pakistani­schen Behörden unter fadenscheinigen Argumenten verhaftet wurde, ging er noch davon aus, dies sei irgendwie ein Irrtum. Auch die Polizisten erklärten ihm nach einer Weile, dies sei ein Irrtum, er sei unschuldig, und sie würden ihn umgehend zurück­bringen … stattdessen lieferten sie ihn gegen Entgelt den Ame­rikanern aus, die in ihm „einen Araber“ sahen, einen Lands­mann von Osama bin Laden, und ihn menschenunwürdig be­handelten und schließlich unter erniedrigenden Umständen nach Guantánamo verschleppten.

Hier sollte Hussein gezwungen werden, Dinge zu gestehen, die er nicht getan hatte, Verbindungen zu Al-Qaida zu besitzen, was definitiv nicht der Fall war, bzw. ein Taliban zu sein, der er nicht war. Am 7. August 2004, nach über zwei Jahren unbegründeter Lagerhaft, verließ er physisch unverletzt, aber psychisch schwer angeschlagen, das Lager. Seine Vorstellungen von Gerechtigkeit sind seither aus verständlichen Gründen schwer beschädigt.

Wörtlich erklärte er: „Die Aussage, dass ich unschuldig sei und freigelassen werden würde, nutzte mir wenig. Es ist genau so, wie wenn jemand in ein Haus einbricht, alles stiehlt und das Haus zerstört und sich danach entschuldigt. Was haben die Be­wohner des Hauses von seiner Entschuldigung?“

Timur Ischmuradow ist dreißig Jahre alt, gebürtiger Tatare und ausgebildeter Ingenieur sowie russischer Staatsbürger. Er be­fand sich auf der Suche nach einem Wohnsitz in einer muslimi­schen Kultur, als er in Afghanistan zwischen die Fronten der Nordallianz und der Taliban geriet. Sein Lebenslauf stellt einen anschaulichen Fall der verwirrenden Verläufe von Biografien vie­ler Inhaftierter dar, die keineswegs nur „afghanische Taliban“ oder „feindliche Kämpfer“ sind.

Er kam aus Sibirien, wo er in der Erdölindustrie gearbeitet hatte. Im Jahre 1998 begann er dann, sich dem islamischen Glauben zuzuwenden, eine Moschee zu besuchen und fand nach und nach den Gedanken, in einer großen Gemeinschaft von Gläubi­gen aufzuwachsen, sehr reizvoll.

Er ging nach Tadschikistan, das zu dem Zeitpunkt zweigeteilt war, in einen von der Regierung kontrollierten und einen von der islamischen Opposition kontrollierten Teil. Doch das islami­sche Tadschikistan war erschreckend arm und, nach Auskunft der dort Lebenden, auch noch kein „richtiger“ islamischer Staat. Wenn er so etwas suche, solle er sich nach Afghanistan bege­ben. Was er dann auch tat. Allerdings sprach er nur sehr wenig Arabisch und gar kein Afghanisch, und da ihm natürlich bekannt war, dass Russland jahrelang einen blutigen Krieg gegen die af­ghanischen Mudschaheddin geführt hatte, fürchtete er, als der Kampf zwischen den Taliban und den Amerikanern begann, er werde irgendwann als „Russe“ entlarvt und dann von Einheimi­schen umgebracht.

Die wahre Gefahr erwuchs ihm jedoch aus den Amerikanern. Er konnte sich geschickt durch seine usbekische Heimatsprache durchlavieren und fand Zuflucht bei der Nordallianz. Doch nach einigen Monaten, Anfang 2002, wurde er, der eigentlich geplant hatte, Lehrer an einer Schule zu werden, aus einer Moschee heraus entführt, zunächst ins Durchgangslager Bagram, dann nach Kandahar gebracht und schließlich nach Guantánamo.

Als der völlig nervlich zerrüttete Ischmuradow schließlich nach Unterzeichnung der „üblichen Papiere“ (siehe oben) freigelas­sen wurde, lieferten ihn die Amerikaner als „feindlichen Kämp­fer“ (wiewohl man ihn für unschuldig erklärt hatte), in Hand- und Fußfesseln an die russischen Behörden aus, die ihn darauf­hin „vorsorglich“ auch mehrere Monate inhaftierten, ohne Erklä­rungen. Der junge Ingenieur wird nun von den russischen Si­cherheitsorganen bei jedem Terroranschlag „prophylaktisch“ er­neut in Haft genommen und verhört, auch wenn er mit diesen Dingen gar nichts zu tun hat. Er steht auf der Liste der „Terroris­ten“ …

Ravil Gumarow, ein 43jähriger Tatare und ehemaliger Unter­nehmer, wäre auf seiner Suche nach einem Ort, wo er seinen muslimischen Glauben besser praktizieren konnte, fast gestor­ben. Hätte er seinen eigenen, fatalistischen Humor nicht, würde er seine schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen und die entwürdigenden und traumatisierenden Erlebnisse, die hinter ihm liegen, gewiss nicht überstanden haben.

Nach den Terroranschlägen in Moskau im August und Septem­ber 1999 (mutmaßlich von tschetschenischen Attentätern be­gangen, was aber bis heute nicht geklärt ist), bei denen mehr als zweihundert Menschen ums Leben kamen, entstand in Russ­land eine verstärkte antimuslimische Stimmung. Er ging, um etwa weiteren Wohnungsdurchsuchungen und anderen Schika­nen zu entgehen, zunächst nach Tadschikistan und von dort aus, weil man hier keine Geschäfte machen konnte, mit Glau­bensgefährten weiter in Richtung Afghanistan. Sie wurden aller­dings von Bewaffneten aufgehalten, die der Islamistischen Be­wegung Usbekistans (IDU) angehörten, die eigentlich keine Gegner für sie darstellten.

Die IDU-Kämpfer waren es, die Gumarow und seine Gefährten nach Afghanistan brachten, in die Nähe der Stadt Kunduz. Doch statt Geschäfte machen zu können, wurde er von usbekischen Afghanen gefangen genommen und beschuldigt, ein russischer Spion des KGB oder FSB zu sein. Sieben Monate lang war er nun in afghanischer Haft, für seine Familie galt er als verschollen. Schließlich setzten ihn die Usbeken wieder auf freien Fuß, gaben ihm Unterkunft in einer Garage (!), gestatteten ihm die freie Re­ligionsausübung, doch war er eingeschränkt in seiner Bewe­gungsfreiheit.

Die sagten: ‚Bleib bei uns, mit uns hast du es einfacher, du kennst die Sprache nicht, und du kennst die hiesigen Bräuche nicht.‘“ Was also sollte er tun? Er blieb natürlich.

Als sich die Terroranschläge vom 11. September 2001 ereigne­ten, war er also als vergleichsweise freier, aber nur geduldeter russischer Muslim in Kunduz. Auf die Frage Roger Willemsens, wie er von den Ereignissen von „9/11“ erfahren habe, antwortet Gumarow alarmierend offen: „Auch über Radio, und als das be­kannt wurde, haben alle darüber geschrien. Ich hatte ja kein großes Interesse an der Weltpolitik.4

In der Folge gerät der Tatare in die Gewalt des usbekischen Ge­nerals Dostum, der mit den Amerikanern zusammenarbeitete und „Taliban“ jagte. Über sechshundert von ihnen wurden in der Festung Mazar-e-Sharif zusammengepfercht, die meisten von ihnen waren indes keine Taliban, sondern Binnenflüchtlinge wie Gumarow, der all das selbst erlebt hatte. Er berichtete Roger Willemsen schreckliche Details über das von Dostum angerich­teten Massaker in der Festung, das nach seinen Worten wohl dazu dienen sollte, das eigene Versagen zu verschleiern – die Tatsache, dass er „die Falschen“ eingefangen hatte und auslie­fern wollte. Gumarow trug hier Schusswunden in beiden Beinen davon.

Kurze Zeit später wurde er als einer der wenigen Überlebenden ans amerikanische Militär übergeben, das ihn ungeachtet seiner Verletzungen fesselte und misshandelte und schließlich über Bagram nach Guantánamo ausflog, weil es ihn für einen „Tali­ban“ hielt. Allein sein dauerhaft labiler Gesundheitszustand ver­hinderte, dass man ihn ähnlichen Schikanen aussetzte wie seine gesunden und jüngeren Gefährten.

Was ihm während seiner Verhaftungszeit am meisten auffiel, war Folgendes: „Besonders schlecht wurden die Araber behan­delt, weil Osama bin Laden Araber ist. Aber es ist ja nicht ein­mal bewiesen, dass er für die Anschläge verantwortlich ist. Das konnte jedenfalls bisher nicht nachgewiesen werden.“

Und so kam er zu dem Schluss, dass viele amerikanische Bewa­cher und Befehlshaber schlicht „verzweifelt bemüht“ gewesen seien, aus ihnen „irgendetwas“ herauszuholen, um es als Er­folg zu präsentieren (bei den meisten Inhaftierten hätten sie – wie etwa bei ihm – schon nach wenigen Wochen gewusst, dass sie unschuldig seien).

Denn, wie er richtig feststellt: was für einen Eindruck macht es auf die Bevölkerung, wenn alle Gefangenen nach Jahren freige­lassen werden und man keinen einzigen Schuldigen vorweisen kann …?

Abdulsalam Saif ist wohl der einzige Prominente unter den Be­fragten. Er war Afghane, Ökonom von Beruf, Pressesprecher der Taliban-Regierung, später Afghanistans Botschafter in Pakistan. Bei ihm handelte es sich um den einzigen Taliban, der für dieses Buch befragt werden konnte. Er vermittelte keinen fanatischen Eindruck, sondern beharrte darauf, vielmehr ein Opfer amerika­nischer Aggression und zudem völkerrechtswidrig durch die pa­kistanischen Behörden ausgeliefert worden zu sein.

Ihm war, als die Anschläge des 11. September bekannt wurden, sofort klar, dass dies Auswirkungen auf Afghanistan haben wür­de – weil die amerikanischen Behörden sich schon seit mehre­ren Jahren bemühten, Osama bin Ladens, der als Gast der af­ghanischen Regierung im Land weilte, habhaft zu werden. Saif betrachtete folgerichtig die Aggression der Amerikaner als will­kommenen Vorwand, sich das zu nehmen, was sie auf diploma­tischem Weg nicht bekommen konnten.5

Wie wir heute wissen, ist dieses Ziel verfehlt worden – um den Preis zweier Bürgerkriege und Zehntausender unschuldiger To­desopfer, deren Zahl von Tag zu Tag weiter steigt. Niemand weiß bis jetzt, ob Osama bin Laden für die Terroranschläge ur­sächlich verantwortlich war oder wo er sich heute aufhält.6

Unter dem Vorwand, ihn in Sicherheit zu bringen, lieferten die pakistanischen Behörden Saif an die amerikanischen Militärs aus, die ihn, ohne jeden plausiblen Grund anzugeben, über ihre Militärstützpunkte und Lager in Afghanistan nach Kuba depor­tierten. Hier bestand nach Saifs Worten, die die vorherigen Be­richte in vielen Punkten bestätigen, ihre einzige Beschäftigungs­möglichkeit darin, im Koran zu lesen und ansonsten fast den ge­samten Tag in ihren Gitterkäfigen in Containern zu hocken, 48 Mann in einer Baracke, ohne jedwede Privatsphäre. Die Zustän­de führten letztlich bei vielen zu nervlichen Zusammenbrüchen, Hungerstreiks, Selbstmordversuchen und Selbstverstümmelun­gen.

Das vermutlich Schlimmste, von dem Saif zum Schluss berich­tet, sind die dauernden Spätschäden: „Alles, was ich wusste, habe ich vergessen. Ich bin nicht sicher, ob ich das, worauf ich mich einmal verstand, wieder praktizieren könnte oder nicht. Ich konnte zum Beispiel am Computer arbeiten. Jetzt kann ich nicht mal tippen … Alles habe ich aus dem Gedächtnis verloren, muss alles wieder neu lernen. Alles ist so.

In diesen vier Jahren [im Lager Guantánamo, UL] habe ich we­der ein Buch gesehen noch einen Stift in der Hand gehabt, noch mich fortgebildet, noch etwas gehört oder gelesen. Von allem war ich abgeschnitten, mein Kopf und mein Gedächtnis funktio­nieren schlecht, weil ich während dieser Zeit keine Beschäfti­gung hatte außer dem Nachdenken. Natürlich, wenn jemand den ganzen Tag und das ganze Jahr über sein ganzes Leben nachdenkt, wird er verrückt …“

Dies ist etwas, das sich offenkundig vollkommen dem Begreifen durch die Rezensenten entzogen hat. Niemand konnte sich in diese Lage auch nur annähernd hineinversetzen. In einer fast schon tragikomischen Anmerkung zum Schluss meint Saif, ei­nen Kommentar seiner amerikanischen Bewacher wiederge­bend: „Ja, die Amerikaner fragten mich auch: ‚Wie kommt es, dass du nicht verrückt wirst? Wenn wir hier nur einen Monat verbringen würden, würden wir verrückt werden.‘ Das haben sie wirklich gesagt.“

Über Guantánamo ist alles gesagt. Tatsächlich? Nach diesem Buch gewinnt man leider einen gänzlich anderen Eindruck …

Über Guantánamo ist alles gesagt. Bis auf das, was die Häftlin­ge zu sagen hätten“, wiederholt Roger Willemsen absichtlich mehrmals.

Fürwahr.

Und deshalb lohnt es sich, dieses Buch zu lesen. Um zu begrei­fen, auf welch verheerenden, steil bergab führenden Pfad der nachlassenden Moral sich die amerikanische Regierung und da­mit leider auch weite Teile der dortigen (indoktrinierten) Gesell­schaft begeben haben. Es ist ein Pfad in die gesellschaftliche Selbstzerstörung der amerikanischen Demokratie.

Es wird ein böses Erwachen für die amerikanische Nation ge­ben, steht zu fürchten. Und zwar, nachdem sie einen Sumpf aus Blut durchquert hat, den sie selbst mit dem Lebenssaft unschul­diger Opfer gefüllt und mit Lügen erhitzt hat.

Die eigentlichen Terroristen, muss man wohl konstatieren, sit­zen im Weißen Haus, und sie opfern ihre eigene Nation aus selbstsüchtigen Interessen. Wirtschaftliche Interessen, Befriedi­gung persönlicher rassistischer Wahnvorstellungen, religiöser Dünkel, was auch immer. Was kann man von einem Präsidenten schon erwarten, der seine Regierung auf Lügen baut, sich ins Regierungsamt schleicht, sogar zweimal hintereinander?

Doch wie Lügen nur Lügen gebären, so kann man einmal ge­machte Fehler nicht dadurch wieder abwaschen, dass man die Opfer dieser Fehler zu Foltergeständnissen zwingt oder alle Op­fer mundtot zu machen sucht.

Das Lager Guantánamo ist ein Fehler der Menschlichkeit, und man kann Roger Willemsen nur beipflichten in seinem Fazit: Das Lager gehört aufgelöst, die Insassen freigelassen oder wenigs­tens vor ein faires, unvoreingenommenes Gericht gestellt, die unschuldigen Opfer müssen entschädigt und die Verantwortli­chen dieser Folter, Misshandlungen und widerrechtlichen Inhaf­tierung ohne Beachtung der Menschenrechte, diese Verantwort­lichen gehören vor Gericht und bestraft.

Und wenn es Präsidenten sind.

Unrecht bleibt Unrecht.

© 2007 by Uwe Lammers

Es erübrigt sich die Feststellung, dass Bush natürlich nie vor Ge­richt gestellt wurde wegen der Lügen oder der völkerrechtswid­rigen Behandlung von Unschuldigen in Guantánamo. Bis heute tun sich amerikanische Abgeordnete ja schwer damit, Präsiden­ten für ihre Vergehen zur Rechenschaft zu ziehen – man denke nur an das jüngste Beispiel des Präsidenten Trump.

Im nächsten Rezensions-Blog wird es weniger wortreich und mehr seichter. Da stelle ich mit Meredith Wild eine weitere Ro­manautorin aus dem Erotik-Segment vor.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

(BS, 4. September 2021)

1 Folgt man dem Journalisten Michael Moore, so ist diese Bezeichnung in sich hanebü­chener Unfug. Er sagt sinngemäß und zutreffend, Krieg könne man nur gegen Natio­nen führen. „Terrorismus“ ist aber keine Nation. Solche diffusen Konflikte haben die in­härente Neigung dazu, permanent zu werden und den Keim des unabweislichen Schei­terns in sich zu tragen. Was wir seit Frühjahr 2002 weltweit erleben, bestätigt diese Sicht der Dinge leider. Genaueres nachlesen kann man in Michael Moores Buch „Volle Deckung, Mr. Bush“, Piper 4250, München 2003.

2 Von Oliver Stone werden diese zivilen Opfer in seinem Gedenkfilm „World Trade Center“ als „Gefallene“ bezeichnet, also mit einem militärischen Terminus in die ame­rikanischen Streitkräfte eingemeindet, ob sie nun puertoricanischer Hausmeister oder eine arglose Stenotypistin in einem der Büros gewesen sein mögen. Manche finden das beeindruckend, andere – dazu zähle ich – eher abgeschmackt.

3 Nach der Lektüre fragt sich der Leser, wie viele Gefängnisse solcher Natur der zitierte Rezensent wohl persönlich kennengelernt hat. Keines, ist anzunehmen!

4 Fettgezeichnete Hervorhebungen UL. Diese Worte zeigen dramatisch deutlich, wie ich finde, wie wesentlich es ist, sich durchaus für das zu interessieren, was in der Welt vorgeht. Man weiß nie, ob es nicht irgendwelche Rückwirkungen auf das eigene Leben haben kann – und zwar eventuell durchaus desaströse.

5 Vgl. insbesondere im Buch die Seiten 205-208, wo Saif dazu präzise Stellung bezieht.

6 Nachtrag von 2021: Das ist inzwischen natürlich veraltet. Osama bin Laden wurde ausfindig gemacht und durch amerikanische Antiterrorspezialisten gezielt getötet. So­weit ich weiß, ist aber die ursächliche Verantwortung Osama bin Ladens für die An­schläge des 11. September 2001 immer noch unbestätigt. Aber es ist natürlich be­quem, Hintermänner zu suchen, da sämtliche ausführenden Attentäter bei den An­schlägen umkamen und zu selbigen keine Auskunft mehr geben können.

Liebe Freunde des OSM,

es ist ein komisches Gefühl, mit dieser Artikelreihe der Gegen­wart so nahe zu kommen – in den vergangenen Jahren verstand ich sie mehrheitlich, und fraglos zu Recht, als historische Abris­se, die eine gewisse Distanz zur Realzeit besaßen. Es ist darum abzusehen, dass ich diese Artikelreihe etwas pausieren lassen werde, nachdem ich die Folge 84 erreicht habe, mit der das Jahr 2021 vollständig abgehandelt ist. Vom momentanen Standpunkt ist das sicherlich nachvollziehbar: Wir schreiben den 3. Oktober 2021, wo ich diese Zeilen verfasse, mithin ist der letzte Be­schreibungszeitraum noch Zukunftsmusik.

Nun denn, nehmen wir uns zunächst das erste Quartal des zwei­ten Corona-Jahres 2021 vor. So werden das sicherlich künftige Historiker nennen. Wir sollten uns hier keine Illusionen machen: die globale Corona-Pandemie ist eine historische Zäsur, und sie wirkt sich notwendig in allen Lebensbereichen aus. Ob auch nachhaltig, etwa durch flächendeckende und regelmäßige Ver­wendung der Atemmasken, wie das in Asien schon seit langem – dort allerdings mehr wohl wegen der akuten Luftverschmut­zung in den Ballungszentren – üblich ist, das steht noch dahin. Das müssen wir abwarten.

Ich startete jedenfalls ins Jahr 2021 mit einem Monat, der mich am Ende auf 28 abgeschlossene Werke zurückblicken ließ. Davon entfielen allerdings 7 auf Blogartikel, acht weitere ent­stammen der Serie „Erotische Abenteuer“ (EA).

Interessanterweise entstand gleich zu Jahresbeginn mit „Am Großen Strom“ eine neue Episode aus dem KONFLIKT 7, also der Serie „Oki Stanwer – Held der Hohlwelt“, leider hielt der Elan nicht lange an. Ich dokterte zwar auch an der in diesem KONFLIKT angesiedelten Story „Bewusstwerdung“ etwas her­um, doch mehr nahm mich die Arbeit an der Abschrift und Kom­mentierung des KONFLIKTS 12 „Oki Stanwer – Bezwinger des Chaos“ gefangen, wo ich ja jüngst Band 100 überschritten hat­te. Ebenfalls gingen die Digitalisierungsarbeiten an KONFLIKT 13 „Oki Stanwer Horror“ voran. Am Monatsende versuchte ich kurz, in den KONFLIKT 4 „Oki Stanwer – Der Insel-Regent“ einzutau­chen, aber effektlos.

Im Monat Februar, wo mich die Brotarbeit schon wieder vollkom­men vereinnahmt hatte, Hunderte von Mails auf mich einstürm­ten bzw. geschrieben werden wollten, schwand die Energie dann schon merklich. In absoluten Zahlen war das so nicht er­kennbar: Auch hier standen am Monatsende 28 beendete Wer­ke, doch änderte sich diesmal der Fokus merklich.

Neun Blogartikel wurden flankiert von 8 Episoden der Serie „Erotische Abenteuer“ (die ja nur jeweils 5 Seiten umfassen) sowie 8 der Serie „Horrorwelt“, die damit Band 150 der Serie überschritt. Auch bei EA stand ich gerade am Beginn des Bandes 25 der Serie.

Da bleibt dann nicht mehr viel übrig, meint ihr? Wahr gespro­chen. Zwar versuchte ich, ein wenig bei KONFLIKT 12 und 13 auf einen grünen Zweig zu kommen, ebenfalls flammte kurz ein En­gagement für den Erotic Empire-Roman „Die Kolonie Saigon II“ auf, aber damit hatte es sich dann leider auch schon.

Zufriedenstellend ist, finde ich, etwas anderes.

Auch der Monat März, mit dessen Betrachtung ich die heutigen Ausführungen schließen möchte, sah auf den ersten Blick äu­ßerst konstruktiv und kreativ aus: 32 beendete Werke, das ist doch beeindruckend … wie gesagt, auf den ersten Blick.

Auf den zweiten finden wir hier 5 Blogartikel, 5 EA-Episoden und 10 (!) Horrorwelt-Folgen, womit ich bis zur legendären „Feen­dämmerung“ kam (Band 160). Ergänzend las ich auch wieder mehr, und fünf Rezensionen füllten das Kreativitätsbudget die­ses Monats fast zur Gänze auf.

Ich versuchte, ein wenig mühsam im Archipel wieder Fuß zu fas­sen (in den Werken „Auf und nieder“, „Rhondas Aufstieg“, „Wendy und die Räuber“, „Die Rollenspielerin“ und „Freundschaftsbande“) sowie in Erotic Empire-Fragmenten („Schnelle Zähmung“ und „Unter falscher Flagge“). Aber das waren halbherzige Versuche, die nicht sehr weit führten.

Deutlich mehr als bisher wurde klar, dass meine Energie zwar für die kommentierten Abschriften mehrheitlich sehr kurzer Ge­schichten – zu denen auch noch ein paar in den angeführten Monaten kamen, die ich hier nicht erwähnte – reichte, aber ei­genständig vorhandene Geschichten weiterzudenken und abzu­schließen, dafür reichte die Kraft nicht.

Kurz und gut: Ende März war ich rechtschaffen urlaubsreif. Ein paar Tage Urlaub gegen Mitte März – also vor Semesterbeginn – erwiesen sich nicht als ausreichend. Es gab definitiv die Not­wendigkeit, bald mal etwas mehr und zusammenhängend zu re­laxen. Für den Moment mochte ich mir noch selbst ein wenig die Situation schönreden, aber mein Unterbewusstsein hatte schon die Vorwarnstufe signalisiert … mehr dazu dann im nächsten Teil dieser Artikelreihe.

Bis bald, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 352: Im Strom der Zeit (2/E)

Posted Mai 17th, 2022 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

manchmal gibt es paradoxe Fortsetzungen von etwas, das ur­sprünglich gar nicht auf Fortsetzung angelegt war, ja das sogar seine eigenen Fortsetzungsgrundlagen absichtlich zerstörte, um für immer ein Unikat zu sein. So erging es dem Geschichtenver­lauf in Jack Finneys großartigem Roman „Von Zeit zu Zeit“ (bzw. in der alten und titelmäßig eigentlich schöneren Fassung „Das andere Ufer der Zeit“). Wer sich an die Inhaltsangabe im Rezensions-Blog 349 vor drei Wochen erinnert, wird, wenn er von diesem vorliegenden Werk nicht schon Kenntnis hatte, ähn­lich überrascht sein wie ich damals, als ich es vor rund 15 Jah­ren entdeckte und – notwendig – kaufen und umgehend ver­schlingen musste.

Wir hatten alle gedacht, Simon Morley hätte alle Brücken in die Zeit, aus der er kam, abgebrochen und sei im Ende des 19. Jahr­hunderts glücklich geworden. Und zugleich sicher, jedweder In­tervention durch das „Projekt Vergangenheit“ ausgeschaltet zu haben.

Doch die Zeit ist ein tückisches Gebilde, ein Strom, der sich ge­legentlich in Seitenäste verströmt, wenn der Hauptpfad jählings verschlossen ist (das dürfte den US-Amerikanern, die am Missis­sippi wohnen, sehr vertraut sein, der Strom hat seinen Verlauf in den letzten Jahrhunderten zahlreiche Male gründlich geän­dert, und gleich ihm ist der Zeitstrom, wie Finney ihn hier dar­stellt, ein ziemlich unberechenbares Biest).

Faktum des vorliegenden Romans ist so genanntes „temporales Treibgut“, man könnte auch von Strandgut aus Wahrscheinlich­keitswelten sprechen. Das erzeugt dann für den ahnungslosen Simon Morley ein Abenteuer, das ihn in die Lage versetzen könnte, ein zentrales Ereignis des 20. Jahrhunderts zu verän­dern – mit ungeheuerlichen Konsequenzen.

Aber schaut euch das besser mal selbst an:

Im Strom der Zeit

(OT: From Time To Time)

von Jack Finney

Bastei 14165, November 1998

360 Seiten, damals 12.90 DM

Die Zeit ist eine wunderliche Sache – substanzlos, doch für je­des Lebewesen unseres Planeten eine unabdingbare, unaus­weichliche Naturgesetzlichkeit. Dinge wachsen, Dinge altern, Dinge sterben. Nichts ist dagegen zu tun.

Was aber, wenn doch?

Einst gelang es den Verantwortlichen im „Projekt Vergangen­heit“, Dr. Danziger und dem Soldaten Rube Prien, den begab­ten Zeichner Simon Morley dazu zu bewegen, an dem Projekt teilzunehmen, dessen Ziel es sein sollte, eine These von Albert Einstein zu überprüfen. Einstein ging davon aus, dass die Zeit nicht ein für alle Mal vergangen sei, wenn das Blatt im Tageska­lender umgeblättert sei, sondern dass der vergangene Tag nur „hinter die Schleife des Flusses Zeit“ zurückgeblieben wäre. Wenn man Mittel und Wege fände, die Flusskehre zu überschrei­ten, würde man im Gestern landen und daran teilnehmen kön­nen.

Simon Morley war einer der wenigen Teilnehmer am Projekt, denen das gelang. Sein Besuch im New York der 1880er Jahre führte zum Aufschluss über ein Verbrechen der Vergangenheit … und dort lernte er die Frau kennen, die er lieb­te, seine Julia. Als er aufgefordert wurde, eine dezidiert politi­sche Veränderung der Vergangenheit vorzunehmen, kehrte er in die Vergangenheit zurück und vernichtete die Grundlagen des „Projekts Vergangenheit“, indem er Dr. Danzigers Geburt verhin­derte.

Damit endete der Roman „Von Zeit zu Zeit“.1

Nach 25 Jahren kehrt Jack Finney zu seinem „Helden“ Simon Morley zurück und schildert seine weiteren Abenteuer. Und der fassungslos schauende Leser stolpert über bekannte Namen: Rube Prien. Dr. Danziger.

Das ist doch unmöglich, denkt er. Das kann nicht sein. Und wird gruselnd eines Besseren belehrt:

Die Zeit ist ein unheimliches Gebilde, weitaus gespenstischer, als es sich Einstein vorstellen konnte. Sie produziert offensicht­lich so etwas wie temporales Treibgut, und die Entdecker die­ses Treibguts, diese Anomalien, sind durch diese Funde äußerst verstört: da gibt es Ausgaben von Zeitungen jenseits der Liqui­dation des Zeitungsverlages, weit jenseits davon. Da gibt es Wahlkampfbuttons von John F. Kennedys zweiter Amtszeit. Und ein alter Zeitzeuge erinnert sich äußerst lebhaft, wie er Zeuge vom Einlaufen der TITANIC im New Yorker Hafen war – auch wenn die Umwelt nichts davon weiß und das Gegenteil in den Geschichtsbüchern steht.

Und ein Soldat namens Rube Prien hat vage, wirre Träume von einem „Projekt“, erinnert sich an einen Mann, dessen Nachna­me mit D beginnt. Und schließlich findet Rube Prien das Back­steingebäude in New York, in dem das „Projekt“ beheimatet war, forscht unermüdlich nach weiteren Anomalien und findet schließlich einige weitere Mitarbeiter. Aber nicht Dr. Danziger. Er kennt zwar seinen Namen, aber er hat nie existiert.

Nicht in dieser Zeitlinie.

Doch als erst einmal Simon Morley als Verantwortlicher der Zeit­veränderung ausfindig gemacht worden ist, reist ein anderer, der durch diese Veränderung alles verloren hat, zurück – quasi in das Ende des vorigen Romans – und verhindert Simons Mani­pulation. Wer jetzt denkt, alles kehrte ins alte Gleis zurück, der hat keine Ahnung. Denn nun entwickeln sich die Dinge völlig un­erwartet.

Mit der Veränderung schwinden auch Erinnerungen dahin, und dennoch lebt Simon Morley unverdrossen im New York des Jah­res 1886 weiter, inzwischen mit Julia verheiratet und Vater des kleinen William Simon Morley. Als er dann schließlich einfach testhalber in die Gegenwart zurückkehrt, trifft er auf Dr. Danzi­ger und Rube Prien, die Erben eines ruinierten „Projekts“.

Aber die Anomalien sind noch immer da, rätselhafter denn je. Und wenngleich Simon nicht die geringste Neigung dazu ver­spürt, noch einmal für das geschasste „Projekt“ tätig zu werden, kann ihn doch Rube Prien überreden, ein einziges Mal noch tätig zu werden – indem er das New York des Jahres 1912 aufsucht und eine für die Zukunft der Welt wichtige Person identifiziert.

Der arglose Simon hat noch keine Ahnung, was für eine bösarti­ge Überraschung noch auf ihn warten wird, und erst recht hat er keine Ahnung davon, dass er verfolgt wird …

Mit dem zweiten und diesmal wohl abschließenden Roman um den Künstler Simon Morley, in dem man als Leser unschwer das alter Ego des Autors erkennt, der in das New York des 19. und frühen 20. Jahrhunderts verliebt ist, kehrt Jack Finney in jene Gefilde zurück, die er einst mit seinem Erstling so genial und beeindruckend beschrieb. Wieder einmal wandert der Leser durch das New York der Vergangenheit, in dem Hochhäuser Ge­bäude meint, die allerhöchstens acht bis zehn Stockwerke ha­ben, in denen es noch von Kutschen wimmelt, von Cabarets und Varietés und in der Künstler sich auf manchmal erbärmlichste Weise den Lebensunterhalt verdienen.

Unbestreitbar ist das eine faszinierende, schillernde, von Leben nur so sprühende Welt. Aber man hat als Leser eben stets die gespenstischen Schatten der Anomalien im Hinterkopf, die das Dasein überschatten, man hat den PLAN im Kopf, den Rube Prien mit Simon Morley im Sinn hat – den Plan, den Ersten Welt­krieg ungeschehen zu machen, indem er im Jahre 1912 die Wei­chen anders stellt.

Leider muss gesagt werden, dass Finney in diesem Roman er­kennbar an den Fotografien und Bildern hängt, die er in das Buch integriert. Die Handlung ringsherum wirkt eher gezwun­gen, an manchen Stellen auch über Dutzende von Seiten so fern des Handlungs-Hauptstranges, dass das Gefühl aufkommt, er wolle um jeden Preis das Buch noch etwas strecken. Das tut der Atmosphäre und dem Buch selbst bedauernswert Gewalt an. Und der Schluss gerät dann hastig, brüsk und wirkt dadurch höchst unrealistisch.

Sagen wir es dem fiebernden Leser lieber zuvor: Simon Morley verhindert den Ersten Weltkrieg nicht, obwohl er sich einige Mühe gibt, es zu tun. Er hat ja auch einen guten Grund dafür … aber eben dieser Grund ist es am Ende, der die ganze Geschich­te und insbesondere den Schluss völlig unrealistisch ausklingen lässt. Es mag gemutmaßt werden, dass er ein wenig Angst vor der eigenen Courage bekam.

Warum?

Nun, wer die Größe der Veränderungen auch nur erahnen kann – und wer könnte das besser als ein Neuzeithistoriker wie ich? – , den schwindelt vor der Fremdartigkeit jener schemenhaft durch das Buch durchschimmernden Parallelwelt. Es geht nicht nur um eine im New Yorker Hafen einlaufende TITANIC, so schön der Gedanke auch wäre. Es geht um MILLIONEN junger Men­schen, die weitergelebt hätten; es geht um Staaten, die nicht in sich zusammengebrochen wären; es geht um Staaten, die gar nicht erst entstanden wären. Wir reden von Kolonien, von Kai­serreichen, von Republiken. Wir sprechen über Israel, die Türkei, den Libanon, über afrikanische Gebiete, über Grenzziehungen in Europa, Minderheitenkonflikte, den Versailler Vertrag und die Grundlagen des Zweiten Weltkriegs.

Wen da noch nicht schwindelt, der hat keinen historischen Sach­verstand.

Was wäre, wenn? Die geniale, den Puls beschleunigende kontra­faktische Frage schwingt in diesem ganzen Roman durch wie in einer genial komponierten Oper der Hauptton. Und am Ende be­gradigt Finney diese ganze Oper mit wenigen Sätzen, trägt sie zu Grabe. Und da soll der Leser nicht enttäuscht sein? Das kann man nicht ernstlich erwarten.

Was schließlich jene geheimnisvollen temporalen Anomalien an­geht … im Oki Stanwer Mythos (OSM) könnte ich sie mit Hil­fe des Modells der Matrixfehler recht gut erklären. So aber ist Finney eher ratlos, wie er ihnen Gerechtigkeit widerfahren las­sen könnte … und beschließt, sie am Schluss einfach zu ignorie­ren. Auch hieraus könnte man ganze Romane machen, ganze Serien gestalten. So viel Potenzial, einfach aus Angst um die entscheidende Handlung verschenkt, aus Zaghaftigkeit fortge­worfen.

Nein, Mr. Finney – „Von Zeit zu Zeit“ war ein großartiger Ro­man mit einer wunderbaren Stimmung und einer durchdachten, stimmigen Handlung. Dieser Nachfolger indes ist genau das, was viele Sequels in Film, Fernsehen und Buch immer gewesen sind: Ein müder Aufguss, der noch dazu nicht einmal sehr gut durchdacht worden ist. Es wäre schöner gewesen, Simon Morley da zu lassen, wo er war und ihn nicht zu exhumieren. Oder aber die Anfangsidee konsequent umzusetzen. Aber dazu waren Sie ja zu ängstlich …

© 2006 by Uwe Lammers

Ja, ich glaube, man merkt mir die Enttäuschung auch nach über 15 Jahren, die seit der Lektüre verstrichen sind, immer noch an. Ich liebe Kontrafaktik, aber diese Vollbremsung war doch sehr stimmungstötend, das kann ich nicht mehr anders nennen. Jen­seits eine gelungenen Manipulation hätte natürlich ein unkalku­lierbares Abenteuer begonnen, soviel steht fest. Aber ob wir dazu den Historiker Alexander Demandt konsultieren und sein intelligentes Buch „Ungeschehene Geschichte“ oder die neue Marvel-Animationsserie „What If…?“, der Reiz solcher Ge­schichten ist nach wie vor ungebrochen, und es gibt mutige Leute, die den Faden bereitwillig weiter spinnen als Mr. Finney.

Nun, das Buch ist geschrieben, der Autor hat seine Entschei­dung getroffen, und sie fiel nicht im Sinne der Geschichtsverän­derung aus – das muss man leider respektieren, auch wenn es nicht schmeckt.

Nächste Woche kommt wieder mal das Kontrastprogramm – ein politisches Buch, das auch schon vor geraumer Zeit erschien und dessen Verfasser inzwischen leider verstorben ist. Das The­ma des Buches ist leider nur noch zu aktuell, immer noch, auf beschämende Weise.

Details dazu? Nein, noch nicht jetzt. Aber wir reisen nach Kuba, soviel sei angedeutet. Mehr dann in der nächsten Woche.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

1 Vgl. Rezension: Jack Finney „Von Zeit zu Zeit“ bzw. den Rezensions-Blog 349.

Blogartikel 458: Die Jinminqui-Katastrophe (Teil 2/E)

Posted Mai 14th, 2022 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

wer den Blogartikel der vergangenen Woche noch nicht konsul­tiert hat, sollte das besser mal zügig nachholen. Es gibt eine Menge zu erzählen heute, und ich steige gleich in medias res ein mit nur kurzer Einleitung.

Wir befinden uns in der INSEL, im Baumeister-Imperium des KONFLIKTS 4 des OSM, also in der Serie „Oki Stanwer – Der In­sel-Regent“ (IR), wo seit zweieinhalbtausend Jahren der Angriff der Macht TOTAM erwartet wird. Und als im Ghinsslay-Randsys­tem der INSEL ein offenkundiger Biowaffenangriff eine insektoi­de Kultur, die Jinminqui, auszurotten trachtet, sehen die Bau­meister den „Alarmfall TOTAM“ gekommen.

Sie irren sich – aber das macht die Lage nicht besser.

Auf dem Planeten Ghinsslay-II sind zugleich Mitglieder einer For­schungsgruppe der Technos unter Professor Dr. Jashquandaar isoliert. Das System ist durch mondgroße Kampfsterne der Bau­meister, so genannte ZYNEEGHARE, und Hunderte von roboti­schen Krisenreaktionskräften der INSEL abgeriegelt. Man sollte also annehmen, dass die Lage unter Kontrolle ist.

Ist sie nicht im Mindesten.

Denn die entsandten ZYNEEGHARE und Robotschiffe sind der Baumeister-Kontrolle entglitten und beginnen nun, statt zu iso­lieren oder den Jinminqui zu helfen, vielmehr damit, ein verbor­genes Baumeister-Portal auf dem Planeten freizulegen und dann enorme Mengen an Kriegsmaterial durchzuschleusen.

Die gestrandeten Forscher nehmen an, dieses Baumeister-Portal führe zu einer INSEL-Welt, da die dortigen Planeten durch analo­ge Portale miteinander verbunden sind, und sie flüchten eben­falls nach vorn … nur um am bizarren Ziel, einer unheimlichen düster erleuchteten Hohlwelt namens Uuridan, die definitiv NICHT in der INSEL liegt, paralysiert zu werden.

Auf Ghinsslay-II, wo zwischenzeitlich Zehntausende von Jinmin­qui an dem so genannten „Nivellierungsvirus“ gestorben sind, der in Uuridan entwickelt wurde (!), setzt derweil die „Metamor­phose Stufe Zwei“ ein.1

Vor sehr langer Zeit wirkte im EXIL Uuridan der Baumeister Asin, kristallisiert sich schließlich heraus. Und er war traumati­siert von den Ereignissen insbesondere in KONFLIKT 2, die ich in der Serie „Oki Stanwer und das Terrorimperium“ (TI) thematisie­re. Seitdem versuchte er, eine ideale Schutzmaßnahme zu er­sinnen, um Völker vor TOTAMS vernichtendem Angriff vollstän­dig zu schützen. Grundsätzlich, da würde ihm jeder zustimmen, wäre das ein lobenswerter Plan. Er hat nur letzten Endes in der Ausführung ein paar katastrophale Denkfehler, und die Konse­quenz besteht in der Jinminqui-Katastrophe.

Während die Forscher im EXIL und die Verantwortlichen der IN­SEL noch ziemlich ratlos sind und zwischen Entsetzen und Ver­wirrung schwanken, werden bestimmte Details für den Leser der Episoden immer klarer.

Punkt 1: Der Baumeister Asin ist lange tot. Er hat, tief depressiv, vor langer Zeit Selbstmord begangen. Allerdings hat er für sein Dienervolk, die Huum, eine strikte Anweisung hinterlassen.

Punkt 2: Diese Anweisung betrifft etwas, das er „Projekt 700.000“ genannt hat und das den Huum, als sie die zeitgesi­cherten Dateien endlich öffnen können, einen neuen Lebenssinn gibt.2 Sie sollen nichts Geringeres als diesen gigantischen Schutzschild gegen TOTAM realisieren. Ganze Spezies gegen TOTAMS Angriffe immunisieren und so deren Leben retten.

Punkt 3: Da die Huum aber ein Volk von intelligenten Pilzen (!) sind, die grundsätzlich nicht akustisch kommunizieren, sondern über ihre Pilzhyphen, geht der Projektplan von einer völlig ver­kehrten Ansicht aus.

Und so kommt es, dass die Phase 1 des Rettungsprojekts, als die als Kometen getarnten Eisfähren mit dem Nivellierungsvirus auf Ghinsslay-II einschlagen, die betroffenen Jinminqui nicht ret­ten, sondern umbringen.

In der zweiten Phase werden dann, und so erklärt sich die monströse Beobachtung der „Zombiearmee“ aus der vergange­nen Woche, die die Forscher so traumatisierte, die Pilzhyphen in den toten Jinminqui aktiviert und gewissermaßen ferngesteuert.

Was ins Innere von Uuridan zurückkehrt, ist darum nicht eine le­bendige, „gerettete“ Planetenbevölkerung, sondern eine Lei­chenstreitmacht, die zudem ein hochtoxisches Virus verbreitet.

Das wirklich Bestürzende, was mir erst während des Schreibens der letzten aktuellen Bände im November 2021 aufging, ist dies: Wir haben es hier mit einer bizarren Form von tödlichem kulturellem Missverständnis zu tun.

Denn als die Monsterarmee in Uuridan ausgerüstet und bewaff­net wird, um von dort aus – so der Plan – weitere INSEL-Welten zu erreichen und so diese zu „retten“ (was in der Quintessenz Massenmord bedeutete!), erkennen die Huum, die ja als Pilzwe­sen weder optische noch akustische Sinne besitzen, die untote Armee nicht als grundlegend gescheitert, sondern sie halten al­les für vollendet gelungen.

Verrückt?

Nur von unserem Standpunkt aus, nicht von ihrem: Denn sie kommunizieren ja mit den Pilzhyphen in den toten Jinminqui. Und die Pilzhyphen sind lebendig, folgerichtig, so der gedankli­che Kurzschluss, müssen es die Geretteten auch sein. Das „Pro­jekt 700.000“ ist also ein voller Erfolg!

In Wahrheit ist dies das Tor zum vollendeten Genozid.

Zum Glück für die INSEL-Bevölkerung hat aber die Attacke der automatischen Routinen des Drift-EXILS Uuridan, das inzwi­schen den Randbereich des Ghinsslay-Systems erreicht hat, un­abhängig von der Katastrophe auf dem Jinminqui-Planeten noch etwas Fatales ausgelöst, das ich hier nur kurz anreißen möchte und das eigentlich einen eigenen Artikel verdient hätte, weil es im Detail so wahnsinnig wie komplex ist.

Wer verschiedene Geschichten aus dem Oki Stanwer Mythos schon gelesen hat, namentlich diejenigen, die in der INSEL spie­len oder in der Galaxis Twennar, also meine TI-E-Books, der hat vermutlich schon Bekanntschaft mit den SENSOREN der Bau­meister gemacht.

Das sind energetische, wurmartige Maschinen mit hoch stehen­der Eigenintelligenz, die aus Formenergie bestehen und als qua­si unzerstörbar gelten. Sie können sowohl unermüdliche akribi­sche Arbeiter sein wie auch gnadenlose Vernichtungsmaschi­nen. Üblicherweise werden sie von den ZYNEEGHAREN der Bau­meister designt, von den dortigen SENSORKERNEN in den Ein­satz geschickt und zu Arbeitskolonnen eingeteilt.

Als der ZYNEEGHAR 19.904 ins Ghinsslay-System abgeordnet wird, um hier die Blockade des Systems vorzunehmen, führt das EXIL Uuridan einen Datenangriff mit einem Subversionsvirus durch, der dazu führt, dass die ZYNEEGHARE und damit auch all ihre SENSOREN an Bord, dem Kommando der Zentralintelligenz von Uuridan unterstellt werden.

Tja … aber bei dem Prozess geht etwas grotesk schief. Und ein SENSOR, SENSOR 556, entwickelt ein neurotisches Eigenleben. Auf einmal sieht er die Welt vollständig anders als zuvor, näm­lich als Sklavenhalter-System, das sein „Volk“, die anderen SEN­SOREN, knechtet und unterdrückt … und so macht er sich dar­an, eine Revolution zu starten und die unterwanderten ZYNEEGHARE rigide zu sabotieren. Sein Ziel: Befreiung aller SENSOREN!

Dummerweise entdeckt er schließlich, während seine „Revoluti­onsgarden“ sich im System immer stärker ausbreiten, was dann zu einem regelrechten ZYNEEGHAR-Krieg führt3, dass das Ghinsslay-System nur ein ganz kleines Licht im Kosmos ist. Und dass es ein viel größeres Sklavenhaltersystem in der Galaxis Mysorstos gibt, das dringend der Befreiung bedarf: die INSEL Oki Stanwers und der Baumeister!

Notwendig muss das auch befreit werden, nicht wahr? Koste es, was es wolle!

Und damit wird das Ghinsslay-System dann zu einem dramati­schen Krisenherd der Galaxis, und es müssen nach allen Kräften BEIDE Bedrohungen hier isoliert werden, um nicht das Leben von Milliarden intelligenter Wesen zu gefährden.

Ein Job für den Co-Regenten der INSEL, Oki Stanwers ältesten Freund Klivies Kleines. Mit nur geringen Hintergrundkenntnissen steuert er seine Yacht TRASCOOR mitten ins Inferno …

Was das schlussendlich ergibt? Ah, das könnte ich natürlich jetzt verraten, zumal es schon in Umrissen skizziert (aber noch nicht geschrieben) ist. Aber das möchte ich aus zwei Gründen nicht tun – zum einen will ich es erst schreiben. Und zum zweiten – ihr wollt das doch schließlich auch noch irgendwann lesen, nicht wahr? Und dann soll ich jetzt schon so spoilern? Naa, das könnt ihr nicht wirklich erwarten, Freunde!

Es muss reichen, dass eine Entschärfung der Krise dann doch, so unmöglich die Aufgabe klingen mag, tatsächlich gelingt. Aber wie und was auf dem Weg dorthin alles noch geschieht, wer bedauerlicherweise auf der Strecke bleibt und wessen Hoffnun­gen zerstört werden … das sei hier noch nicht vorweg genom­men.

Soweit mein Ausflug in den KONFLIKT 4 für dieses Mal. In der kommenden Woche erreiche ich im Rahmen der Artikelreihe „Was ist eigentlich der OSM?“ den Frühling des Jahres 2021.

Bis dann also, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

1 Vgl. dazu beizeiten IR-Bd. 16: „Metamorphose Stufe Zwei“, 2011.

2 Vgl. dazu beizeiten IR-Bd. 24: „Projekt 700.000“, 2014.

3 Vgl. dazu beizeiten IR-Bd. 25: „ZYNEEGHAR-Krieg“, 2020.

Rezensions-Blog 351: Entdecker der vergessenen Stadt

Posted Mai 10th, 2022 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

wie ich schon in der vergangenen Woche sagte, ist die Aufberei­tung historischer Stoffe für jugendliche Leser, zumal dann, wenn sie massiv visuell unterstützt werden soll, immer eine schwieri­ge Gratwanderung. Manches Mal ging das auch schon in Wer­ken, die ich las, gründlich daneben.

Diesmal war ich im Jahre 2011, als ich das heute vorzustellende Buch entdeckte (!) und geradewegs verschlang, äußerst positiv überrascht, wie ihr sehen werdet. Falls es dieses Buch also noch irgendwo antiquarisch gibt und ihr darauf neugierig geworden sein solltet, was ich sehr gut verstehen könnte, dann greift un­bedingt zu.

Ich weiß, manchmal ist es von ausgesprochenem Nachteil, wenn ich so alte Werke rezensiere, die dann möglicherweise kaum mehr greifbar sind … aber der unbestreitbare Vorteil einer gut sortierten eigenen Bibliothek besteht halt darin, auch auf solche Bücher zurückgreifen zu können. Und bei meinem Rezen­sionsfundus verhält es sich natürlich sehr ähnlich. Die Aberhun­derte von Rezensionen, die ich in den zurückliegenden gut 30 realen Schreibjahren verfasst habe, sind erst zu einem kleinen Teil in den Rezensions-Blog eingeflossen. Und es entstehen ja ständig weitere, wenn ich auf interessante Lektüre stoße und sie lesend vereinnahme.

Nach dieser kurzen Vorrede möchte ich euch aber nicht länger von dem Abenteuer abhalten, das mich damals in das Reich der alten Maya auf höchst farbenprächtige und unterhaltsame Wei­se führte.

Vorhang auf für:

Entdecker der vergessenen Stadt

(OT: Fast Forward – Lost Cities)

von Nicholas Harris (Text)

& Peter Dennis (Illustrationen)

Aus dem Englischen von Salah Naoura

Meyers Lexikonverlag

Mannheim 2003

28 Seiten

ISBN 3-411-07232-6

Ich denke, wenn man Kinder für die menschliche Geschichte be­geistern möchte, geht wirklich nichts über eine zünftige, faszi­nierende Zeitreise mit zahlreichen Überraschungen. Sie muss in eine Zeit und Weltgegend gehen, die nicht unbedingt alltäglich ist und um die Ecke liegt, das ist wohl die erste Voraussetzung, die Texte in einem solchen Buch müssen zudem leicht verständ­lich sein und die Illustrationen am besten auch noch gespickt mit Details, die die Neugierde der Kinder aufs Entdecken gene­rell anstacheln und sie länger auf den Seiten verharren lassen.

Ein solches Buch, das ich als Kind gern gelesen hätte – damals gab es so was aber offenkundig noch nicht, schon gar nicht so neckisch didaktisch aufbereitet und kostengünstig erhältlich – , das liegt hier vor, und es liest sich wirklich äußerst zügig. Mein Vergnügen dauerte höchstens eine Stunde … aber natürlich, ich bin ja auch ein gestandener Leser im mittleren Alter. Kinder in der Altersstufe von 9-12, für die das Werk vermutlich geschaf­fen wurde, haben bekanntlich ein ganz anderes Lesetempo und setzen andere Prioritäten, lassen sich leichter ablenken und so weiter. Sie werden darum entsprechend mehr von dem Buch haben.

Diesmal unternehmen wir, wenn wir das vorliegende Werk auf­schlagen, eine sehr kurzweilige Zeitreise in das Reich der alten Maya und verfolgen auf den 28 Seiten, die zudem ein kurzes Begriffsglossar und ein Stichwortregister beinhalten, in 12 Etap­pen den Aufstieg, Untergang und die Wiederentdeckung einer „vergessenen Stadt“. Im Grunde genommen bezieht sich der englische wie der deutsche Titel darum also nur auf die letzten vier Kapitel, was aber nicht bedeutet, dass der Anfang uninter­essant wäre, ganz im Gegenteil.

Auf farbenprächtigen Doppelseiten sieht man, von einer Blende abgesehen, aus der Vogelperspektive breite Panoramen vor sei­nen Augen ausgebreitet. Beginnend im Jahre 1000 vor Christus – hier noch als Dorf bestehend – entwickelt sich die namenlose Metropole der Maya zu einer großen Stadt mit hohen Tempelpy­ramiden, vor denen und auf denen sich das Alltagsleben aus­breitet. Wir sehen Bauarbeiter, Steinmetze und Maler bei der Ar­beit (plus zahlreiche Arbeitsunfälle und häusliche Katastrophen, die wirklich für diverses Gekicher sorgen), es wird gekocht, ge­webt, Körbe geflochten, Markt gehalten, Tiere eingefangen und vieles mehr. Auf den Bildern, die bisweilen fünfzig oder noch mehr akkurat gezeichnete Personen darbieten, gibt es wirklich eine Menge zu entdecken.

Die Blende des Jahres 910 nach Christus, die in die Nieder­gangszeit der Maya-Kultur fällt, erinnerte mich beunruhigend an die Forschungen der Archäologen in der Maya-Stadt Aguateca, die zur Zeit ihrer Besiedelung in der Spätphase sehr ähnlich ausgesehen haben muss.1 Die Zeichnungen sind insgesamt ex­zellent ausgeführt, und auf der Rückseite der Daumenleiste, wo die Jahreszahlen aufgetragen sind, finden wir weitere Informationen zur Kultur der Maya, die man beim ersten Mal fast über-sieht. Genaues Hinsehen lohnt sich als in jedem Falle.

Gewiss, mit manchen Argumentationen bin ich nicht recht ein­verstanden, beispielsweise mit der Behauptung, niemand wisse genau, warum die Mayakultur zugrunde ging (S. 21). Es gibt heutzutage ein paar sehr plausible Modelle, die gut erklären können, warum die Mayazivilisation in Etappen unterging. Krieg ist zweifellos ein wesentlicher Faktor, aber den größeren Anteil hatten Naturkatastrophen einer völlig ausgepowerten Natur, in der die Bewohner der Region unpassende Hanglagen besiedel­ten und zu viel Waldland zerstörten, was das Mikroklima der Re­gion dramatisch verschlechterte, Erosion, Missernten, Hungers­nöte und Seuchen auslöste. Das ist inzwischen recht gut er­forscht.2

Gleichermaßen ist die Aussage wohl überholt, dass bis heute nur ein Teil der Schriftzeichen der Maya entziffert werden konn­te (S. 20). Hier sollte auf die Forschungsresultate des Wissen­schaftlers Michael D. Coe verwiesen werden.3

Sonst hingegen habe ich gegen das vorliegende Werk keine signifikanten Einwände. Mit Dr. Elizabeth Graham vom Archäolo­gischen Institut des University College in London stand unüber­sehbar fachlicher Rat den Arbeiten am Buch zur Seite, und das merkt man dem Text und den Illustrationen auch an – von den obigen Einwänden mal abgesehen.

Gleichfalls ist für die Kompletterstellung des Buches in Singapur und Malaysia zu konstatieren, dass man keine offensichtlichen Schreibfehler entdecken kann, wie es früher bei „ausgelager­ten“ Produktionen häufig vorkam. Möglicherweise wurden Texte und Bilder als Datei nach Fernost transferiert und dann wirklich nur noch gedruckt. In jedem Fall ist so ein sehr ansehnliches Buch entstanden, das als Einstieg in die Geschichte der Maya­kultur für Kinder des genannten Alters uneingeschränkt empfoh­len werden kann.

© 2011 by Uwe Lammers

Ja, das ist doch mal ein deutlicher Unterschied in der Bewertung eines Rezensionsbuches, wenn man es an der Vorstellung der letzten Woche misst. Und man sollte dabei ausdrücklich berück­sichtigen, dass ich vor gut 10 Jahren ja noch näher an meinem historischen Studium war, zahlreiche historisch-biografiege­schichtliche Artikel verfasst und veröffentlicht hatte und gene­rell mehr im historischen Forschungsfeld verankert war, als das aktuell der Fall ist.

Auch im Roman der kommenden Woche – das ist dann die Fort­setzung von Rezensions-Blog 349 – bleiben wir im Feld der zeit­historischen Forschung, diesmal aber im Rahmen einer Zeitrei­se, die ich extrem spannend fand. Am Schluss gibt es einen her­ben Wermutstropfen, aber dazu sage ich dann nächste Woche Genaueres.

Für den Moment freut euch einfach auf die nächste Buchvorstel­lung.

Bis bald, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

1 Vgl. dazu den Artikel zur Maya-Stadt Aguateca im NATIONAL GEOGRAPHIC DEUTSCH­LAND 5/2003.

2 Vgl. dazu Jared Diamond: „Kollaps. Warum Gesellschaften überleben oder unterge­hen“, Frankfurt am Main 2005.

3 Vgl. Michael D. Coe: „Das Geheimnis der Maya-Schrift. Ein Code wird entschlüsselt“, Reinbek bei Hamburg 1995.