Liebe Freunde des OSM,

Hand aufs Herz – Sherlock Holmes sucht nach einem verscholle­nen Sahnetortenrezept … das ist im ersten Moment eher ein Fall für einen schlechten Scherz denn ein ernstzunehmender Vor­schlag für eine Romanlektüre, das sehe ich ein. Aber wie ich anno 2009 in meiner launigen Rezension ausführte, trügt der erste Anschein grundlegend.

Das vorliegende Abenteuer des berühmten Detektivs aus der Londoner Baker Street ist nur vordergründig grotesk-klamaukig, wenn man sich ernsthaft darauf einlässt, entwickelt die sorgfäl­tig recherchierte Geschichte einen bezwingenden Sog und zieht den Leser in die Zeit des Kaiserreichs Österreich am Vorabend des Ersten Weltkriegs. Und das ist eine Lektüre, die sich durch­aus lohnt, wie ihr entdecken werdet.

Denn ja, die Sachertortengeschichte ist titelgebend, klar. Und doch handelt es sich dabei nicht um den Kern des eigentlichen Problems. In gewisser Weise nähern wir uns auf eine quasi-ma­thematische Weise von Randparametern dem Zentrum der Kon­fliktsituation, und als sie dann eskaliert, kann man mit dem Le­sen definitiv nicht mehr aufhören.

Neugierig geworden? Schön. Dann schaut mal ein wenig näher, worum es heute gehen soll:

Sherlock Holmes und das Geheimnis der Sachertorte

Von Gerhard Tötschinger

Ullstein 22503, 1988

288 Seiten, TB

ISBN 3-548-22503-9

Sherlock Holmes und Wien, was fällt einem geneigten Kenner dazu ein? Nicht allzu viel. Natürlich gab es da einmal den „Fall Sigmund Freud“, den ein Doyle-Epigone in späteren Jahren nie­derschrieb1, aber ansonsten kann man sich nur wenig denken, was den berühmten Meisterdetektiv nach Wien führen würde. Arthur Conan Doyle neigte ja gern dazu, wann immer fremde Länder und Herrscherhäuser in Fälle involviert waren, Phanta­sienamen zu Hilfe zu nehmen (ein wirkungsvolles Mittel, wie man zugestehen muss). In anderen Fällen, und dies ist noch heute ein beliebtes Stilmittel von Epigonen, lässt man Namen von Ländern oder Herrscherhäusern gern ganz weg und über­lässt es dem Leser, anhand von Details zu „entschlüsseln“, wo eine Geschichte wohl spielen mag.

Der Schriftsteller Gerhard Tötschinger, von der Herkunft selbst Österreicher und intimer Kenner des Wiens der k. u. k. Monar­chie, beschloss, dies zu ändern und insbesondere den „weißen Fleck“ Österreichs in den Holmes-Geschichten auszufüllen. Und wie! Im Gegensatz zu zahlreichen epigonalen Werken gibt es hier keine Einleitung durch Dr. John Watson aus späteren Jahren, auch keine feinsinnigen Auslassungen einer späteren „Fundge­schichte“ des Manuskripts (Details erfährt man im Nachwort, das man aber tunlichst NICHT vorher lesen sollte, um sich die Spannung an der Geschichte zu erhalten).

Die Handlung selbst fängt fast als Burleske an:

Wir sehen einen überaus mürrischen Sherlock Holmes und sei­nen Kompagnon Watson auf der Zugfahrt nach Wien im Frühling des Jahres 1913. Sicher, wir entsinnen uns als gute Kenner des Holmes-Kanons natürlich, dass Holmes zu dieser Zeit längst in Sussex lebt und sich der Bienenzucht widmet (auch die spielt in diesem Roman eine wesentliche Rolle, aber ich gehe hier nicht in die Einzelheiten). Watson betreibt schon seine eigene Praxis, und die Lebenswege der alten Freunde haben sich, was die Lö­sung von Kriminalfällen angeht, eigentlich schon seit geraumer Zeit getrennt. Insoweit bleibt Tötschinger dem Kanon verhaftet, den er gut kennt.

Dennoch finden wir sie auf dem Weg nach Wien, und Watson versucht in einem fast närrischen Sprachkursus befangen, um Holmes´ „schauderhaftem Deutsch“ auf die Sprünge zu helfen. Auch der Grund, warum sie nach Wien gerufen worden sind, hört sich anfangs wirklich grotesk an: ein Anwalt namens Felix Rappaport weiß nicht ein noch aus und möchte, um die Kata­strophe nicht vollkommen zu machen, die Hilfe des berühmtes­ten Detektivs der Welt in Anspruch nehmen – aus seinem eige­nen Safe ist ein Buch abhanden gekommen, das ihm von der le­gendären Anna Sacher (die in diesem Buch auch persönlich auftritt) in Aufbewahrung gegeben worden ist. In diesem Buch steht das Rezept für die weltberühmte Sachertorte, und es be­steht nun die Gefahr des Plagiats.

Grotesk? Ich sagte ja, anfangs hat man das Gefühl, einer Burles­ke beizuwohnen. Auch Sherlock Holmes lässt sich eher widerwil­lig auf diesen Fall ein und möchte am liebsten rasch wieder nach England heimkehren. Aber das ändert sich schnell.

Rasch stellt sich nämlich heraus, dass Rappaport und seine schöne, intelligente Sekretärin ungarischer Abstammung, Irene Vogel, von jeder Verdächtigung freizusprechen sind. Aber wie findet man dann heraus, wer es gewesen sein kann? Nur je­mand, der Safeschlüssel besitzt, kann zu diesem Zeitpunkt der­artige Safes öffnen.2 Komplizierter wird die Sache durch das Schweigegelübde gegenüber Frau Sacher, das Rappaport Hol­mes und Watson auferlegt.

Der Detektiv nimmt dennoch an, dass er den Fall im Handum­drehen klären und dann zu seinen Bienen zurückkehren kann … aber auch darin irrt er sich gründlich. Im Gewirr der Vielvölker­metropole Wien werden die beiden Engländer in den Sog von In­trigen hineingesogen, die irgendwie mit dem Sacher-Rezept zu tun haben müssen. Es geht hinauf in Militärkreise, es gibt Tote, Watson wird beinahe ermordet, ein rätselhafter Balkan-Nationa­list, ein serbischer Geheimbund und eine nicht minder verwir­rende Bibliothek und ein Globus mit einem fiktiven, darauf ein­gezeichneten Reich, spielen eine Rolle.

Doch ehe sich die Spuren völlig klären, vergeht viel Zeit. Und worum es tatsächlich geht (die Sachertorte führt gewisserma­ßen auf „süße“ Abwege und in einen weiteren Kriminalfall, der eng mit der internationalen Politik verflochten ist), das alles fin­den die beiden Freunde buchstäblich in letzter Sekunde heraus – im Juni 1914. Aber inwiefern hier ein britischer Marineingeni­eur, der Erste Weltkrieg und noch ganz andere Dinge eine Rolle spielen, muss man selbst herausfinden. Und dann sind da auch noch diese schrecklichen Schüsse …

Tötschingers Roman liest sich am Anfang sehr beschaulich, fast behaglich und entspannt, ein bisschen kurios, so dass man als Leser ständig ein Schmunzeln auf dem Gesicht trägt. Holmes´ Versuche, Wienerisch wiederzugeben, Watsons Bewunderung der österreichischen Lebensart, die vielen kleinen Details, mit denen der Autor das kaiserliche Österreich am Vorabend des Ersten Weltkriegs wieder zum Leben erweckt, komplett mit Le­benskultur, Bräuchen, dem Vielvölker-Lokalkolorit und all seinen Details, das macht deutlich, dass Tötschinger jemand ist, der diese Zeit liebt, ihr vielleicht gar ein bisschen wehmütig hinter­her trauert. Er transportiert all diese Emotionen in Dr. John Wat­son, was Watsons Person ein wenig verzerrt.

Dann gibt es, fast ist man versucht zu sagen: typische, Fehler in der Art und Weise, wie Holmes´ deduktive Arbeitsweise be­schrieben wird. Tötschinger durchschaut sie nicht recht, will mir scheinen, und sie kommt darum ein wenig unbeholfen daher. Holmes erzählt hier zu viel von seinen Plänen und Recherchen.3 Auch sind der Name und die Person der Irene Vogel ganz ein­wandfrei stark beeinflusst von Irene Adler, der einzigen Geg­nerin, die Sherlock Holmes jemals beeindruckte.4 Ansonsten je­doch, insbesondere was den Lokalkolorit Österreich-Ungarns an­geht, kann man vor der Leistung des sehr belesenen Autors (er fügt sogar eine Literaturliste an!) nur den Hut ziehen. Vermut­lich sind alle Angaben bis hin zu den Zugfahrtzeiten, die Watson angibt, recherchierbar. Zu schade, dass das Titelbild von Silvia Mieres den Eindruck, es handele sich um eine Satire, verstärkt. Mit dem Regenschirm in der einen und der Lupe in der anderen wirkt Sherlock Holmes hier wie eine Karikatur. Dennoch sollte man sich von dem ersten Eindruck, auch dem ersten Leseein­druck nicht abschrecken lassen. Schon nach wenigen Kapiteln steckt man so tief in der Geschichte, dass man gar nicht mehr aufhören möchte zu lesen. Das Vergnügen ist zwar nur noch an­tiquarisch nachzuvollziehen, aber man sollte es sich gönnen, wenn man den berühmten Detektiv in Aktion erleben will.

© 2009 by Uwe Lammers

Zugegeben, am Ende des Buches steht dem Leser ein veritabler Schock bevor, über den ich aus gutem Grund nichts ausgesagt habe. Aber ich finde auch heute noch, nach 14 Jahren, dass das Werk unbestreitbar seine Meriten hat.

Das gilt auch für das launige Büchlein, das ich in der kommen­den Woche vorstellen möchte. Wie das obige ist auch dieses in gewisser Weise ein Angriff auf das Zwerchfell des Lesers, und aus gutem Grund.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

1 Vgl. Nicholas Meyer: „Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud“, Bergisch-Glad­bach 1995.

2 Vgl. Michael Crichton: „Der große Eisenbahnraub“, München 1976. Der Roman, der den Eisenbahnraub im Jahre 1855 nacherzählt, sagt viel über die Probleme aus, Safes zur damaligen Zeit knacken zu wollen. Das gilt auch noch für das Jahr 1913.

3 Es gibt hier klare Parallelen zu den Mitchelson/Utechin-Romanen. Vgl. Austin Mitchel­son & Nicholas Utechin: „Die Höllenvögel von Heaven’s Portal“ und „Die Erdbebenma­schine“, beide Hamburg 1977.

4 Vgl. Arthur Conan Doyle: „Ein Skandal in Böhmen“, zuerst abgedruckt im Strand Magazine im Juli 1891, siehe dazu Mike Ashley (Hg.): „Sherlock Holmes und der Fluch von Addle­ton“, Bergisch-Gladbach 2003, Anhang, S. 738.

Blogartikel 523: Das Autoren-Nachlassarchiv-Projekt, Teil 4

Posted August 13th, 2023 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

Leben ist das, was im Dasein unkalkulierbar ist – man macht so seine Pläne, und die Zeitläufte zerschießen sie … mir geht das zurzeit so mit dem titelgebenden Autoren-Nachlassarchiv-Pro­jekt, das vor lauter anderer Inanspruchnahme durch terminlich dringendere Angelegenheiten etwas in die zweite Reihe zurück­gestuft werden musste. Dazu sollte ich vielleicht, weil das mei­ne Gesamtsituation transparenter macht, etwas mehr sa­gen, ehe ich im Anschluss in die enge zeitliche Chronologie, wie das Projekt im vergangenen Jahr begonnen hat, zurückkehre.

Ich bin jetzt schon eine ganze Weile ohne Erwerbsarbeit und auf steter Arbeitssuche, beziehe Bürgergeld und recherchiere Stel­lenausschreibungen, auf die ich mich bewerbe. Während dieser Aktivität zeichnet sich inzwischen zwar in naher Zukunft die Auf­nahme einer Teilzeitbeschäftigung ab, aber gegenwärtig ist das noch nicht spruchreif. Derweil haben sich gewisse zeitaufwändi­ge Turbulenzen mit dem hiesigen Finanzamt und der Leistungs­abteilung des Jobcenters ergeben, die mich doch ziemlich stark ablenken und meine ökonomische Zukunft in beunruhigend düs­tere Wolken hüllen.

Ich hoffe natürlich das Beste und habe entsprechend intensiven Kontakt mit den Ansprechpartnern, aber diese unerwartete Ab­lenkung wirkt sich doch ziemlich nachteilig auf meiner andau­ernden Recherchen und die Kontakte im Rahmen des o. g. Pro­jekts aus. Wer also schon mit mir als Autor in Kontakt steht und sich (mit Recht) wundert, warum hier manchmal wochenlang keine Antwort auf Schreiben erfolgt, findet darin den zentralen Grund. Ich arbeite daran, die aufgelaufene Projektkorrespon­denz zu beantworten und den Berg etwas zu verkleinern … aber es kann noch dauern, da muss ich an dieser Stelle um Verständ­nis und Geduld bitten.

Interessanterweise hörte ich kürzlich, dass ich vielleicht doch eine im vergangenen Beitrag (Blogartikel 514, Juni 2023) ge­machte Aussage relativieren und einen dort schon – vielleicht vorschnell – ad acta gelegten Kontakt wieder reaktivieren sollte. Das habe ich mir vorgemerkt, das gehört zu den sehr vielen Dingen, die noch in gedanklicher Planung sind.

Ebenso habe ich mir aufgrund einer Anregung, die ich kürzlich auf dem reaktivierten Phantastik-Stammtisch des Fördervereins Phantastika Raum & Zeit e.V. erhielt, vorgenommen, auch nähe­re Tuchfühlung mit der Bürgerstiftung Braunschweig und der AG Literatur aufzunehmen … wie ihr spürt, gibt es keinen Mangel an interessanten und vielleicht viel versprechenden Kontakten. Aber wie ich schon verschiedentlich im Rahmen dieser Erörte­rungen sagte: Das ist ein langwieriger Prozess, bei dem man keine schnellen oder gar sofortigen positiven Ergebnisse erwar­ten darf. Wichtig scheint mir aber zu sein, dass der alleinige Pro­jektgedanke weiter gestreut wird, damit er – gleich einem regen Wasserstrom, das den härtesten Fels zerschmirgelt – langfristig Wirkung erzielt.

Soviel zur Vorrede für heute. Ich nehme jetzt den Faden wieder auf im April 2022. Ich war dort bis zum 22. April 2022 gekom­men.

25. April 2022: Im Internet stieß ich auf die so genannte „Erlan­ger Liste“, in der Archivnachlässe verzeichnet sind. Bedauerli­cherweise hat es den Anschein, als wenn diese Liste seit 2006 nicht mehr aktualisiert wird, was wahlweise für ein schon vor­zeitig beendetes und womöglich befristetes Projekt spricht oder dafür, dass die entsprechenden Sachbearbeiter nicht mehr dar­an tätig sind, ggf., weil sie verstorben sind.

Die Kontrolle zeigte aber auch, dass die „Erlanger Liste“ gemäß meinem Projektzuschnitt wenig ergiebig ist. Also recherchierte ich weiter, diesmal mehr mit regionalem Zuschnitt. Das Univer­sitätsarchiv Braunschweig, in dem ich einmal als Student mitge­arbeitet habe – kaum zu glauben, dass das schon 25 Jahre zu­rückliegt! Es stimmt aber tatsächlich – , erwies sich ebenfalls als strukturell ungeeignet. Ferner surfte ich an diesem Tag auf die Webseite des Braunschweigischen Geschichtsvereins, mailte an den Verband deutscher Archivarinnen und Archivare (VdA), in dem ich Mitglied bin … und von dort kam umgehend erfreuli­cherweise gleich an diesem Tag Antwort.

Nein, hieß es von dort, eine Liste von Nachlassarchiven sei bei ihnen nicht vorhanden. Angeblich, so die Auskunft, gebe es al­lerdings „kaum Literaturarchive als eigenständige Einrichtun­gen“, sondern die Nachlässe seien üblicherweise in Kommunal- oder Landesarchiven verstreut.

Wer sich an meine anfänglichen Befürchtungen erinnert, dem werden diese Worte irgendwie bekannt vorkommen. Es sieht also ganz so aus, konstatierte ich an diesem Tag, dass meine Befürchtung, es gebe noch keine Institutionen mit dem Zu­schnitt eines Autoren-Nachlassarchivs, Realität ist. In der Weite­rung bedeutet das natürlich zweierlei – dass entweder die Auto­rennachlässe (im Idealfall) in der Verwandtschaft der Verstorbe­nen verbleiben (und damit für die Forschung und Auswertung unsichtbar werden) oder dass sie (Worst Case) als steter Verlust zu verbuchen sind.

In beiden Fällen, finde ich, ist dies Grund, das Projekt forciert voranzubringen, um sowohl hier wie dort für Abhilfe zu sorgen.

Dieser umtriebige 25. April 2022 hatte noch mehr zu sagen: Ich recherchierte die Website des Kulturamtes Braunschweig und surfte auf die Autorenwebsite des Braunschweiger Schriftstel­lers, mit dem ich über die Grünen-Abgeordnete jüngst Kontakt erhalten hatte und mit dem ich mich nächstens treffen wollte.

26. April 2022: An diesem Tag konzentrierte ich mich auf das Stadtarchiv Braunschweig und entdeckte – wenig überraschend – , dass hier primär Büchernachlässe aufgenommen werden. Außerdem sprach ich mit meinem Arbeitsberater über die Pro­jektfortschritte und schickte eine Mail an den Selfpublisher-Ver­band … darauf werde ich später noch in weiteren Beiträgen zu­rückkommen. Auch hier musste ich mich auf eine seeehr lange Leitung einstellen und schließlich 2023 (!) etwas rigoroser vor­gehen. Wie gesagt, ich komme darauf noch wieder zu sprechen, merkt es euch einfach mal vor. Die erste „Antwort“ auf diese Kontaktaufnahme entsprach jedenfalls durchaus nicht dem, was ich erwartet hatte – man trug mich in einen Newsletter des Ver­bandes ein, den ich seither bekomme.

Schön an diesem Tag war hingegen eine sehr ausführliche Ant­wort von Roger Murmann vom SFCD, der sehr positiv auf den Projektgedanken reagierte und mich mit ergänzenden Fragen des projekterfahrenen Vorstandsmitglieds Jörg Ritter konfron­tierte. Das erforderte dann etwas Bedenkzeit für eine ebenso fundierte Antwort. Aber es stand hier schon unleugbar fest: Der SFCD ist auf der Seite des Projekts und kann zu seinen Unter­stützern gerechnet werden.

27. April 2022: An diesem Tag traf ich mich mit dem Braun­schweiger Autor in einem Café im Herzen Braunschweigs und erläuterte ihm nach dem ersten Austausch biografischer Infor­mationen und eigener Schriften (wobei es sich bei seinen um solide gemachte Bücher handelte, während meine Werke sich dagegen doch eher bescheiden ausnahmen) meinen Denkan­satz des Projekts.

Auch hier brauchte ich wenig Überzeugungsarbeit zu leisten – ihm war die Notwendigkeit, eine solche Institution zu schaffen, in welcher konkreten Weise auch immer, sofort einsichtig. Er brachte – wenig überraschend – auch die Frage auf „Wie finan­ziert man so etwas?“ Sein Gedanke war der einer Crowdfun­ding-Kampagne. In der Tat hatte ich damit auch schon geliebäu­gelt. Dennoch blieb ich hier zurückhaltend. Mein Argument: Man braucht eine etwas konkretere Vision als das, was bisher vom Projekt zu sehen ist. Die potenziellen Förderer müssen ja wis­sen, worin sie investieren, und dafür ist das Projekt noch nicht klar genug umrissen.

Mein zweiter einschränkender Gedanke war der, dass sich Crowdfunding sicherlich gut für eine erste Anschubfinanzierung eignen würde, aber vermutlich eher nicht für eine längerfristige monetäre Stabilisierung des Projekts – worauf ich aber primär aus bin. Das bedeutet also durchaus nicht, dass die Crowdfun­ding-Option vom Tisch ist, aber der Zeitpunkt dafür und die Art und Weise, was konkret dann gefördert werden soll, will gut überlegt sein.

Der Autor meinte, er wolle mal versuchen, seine organisatori­schen Kontakte in den Raum Hannover zu aktivieren, in dem er gut vernetzt sei. Schon hier kam der Gedanke auf, dass das Pro­jekt zweifellos juristischen Beistand gebrauchen könne. Das hat­te auch Jörg Ritter schon angemerkt, und ich sollte das später noch nachdrücklicher zu spüren bekommen … auch das Thema wird uns in dieser Artikelreihe noch länger beschäftigen, es ist zurzeit – Anfang August 2023 – noch nicht wirklich zufrieden- stellend geklärt.

Wieder daheim erwartete mich dann eine ausführliche Mail vom Phantastik Autoren-Netzwerk (PAN). Stefan Cernohuby äußerte sich auch extrem positiv zum Projektgedanken, gab aber zu­gleich zu, ebenso wie der SFCD oder der VdA das Thema Auto­rennachlässe bislang „nicht auf dem Schirm“ gehabt zu haben. Meine Vorstellung, dass das Thema generell ein massiver blin­der Fleck war, verdichtete sich immer mehr.

Stefan erklärte, er werde das Thema auf einem Wochenendtref­fen von PAN ansprechen, erst danach könne er Näheres dazu sagen. Er regte aber schon mal an, ob man das Thema für eine wissenschaftliche Grundlagenarbeit nehmen könnte. Dieser Ge­danke war mir bis dato nicht gekommen. Darüber musste ich gründlicher nachsinnen. Da war es gut, dass er eine ausführli­che Antwort erst für die Zeit nach dem Wochenendtreffen in Aussicht stellte. Das gab mir etwas Bedenkzeit.

Und dann trudelte an diesem Tag auch noch eine Mail von Nils Hirseland von der Perry Rhodan-Fanzentrale (PRFZ) herein … auf den ersten Blick hatte das mit dem Projekt nichts zu tun, denn hier ging es um die Organisation eines Perry Rhodan-Cons in Braunschweig.

Aber – genau genommen hatte es dann doch einen Bezug. Nicht nur, weil ich als Vorstandsmitglied im Förderverein Phantastika Raum & Zeit e.V. Teil der Co-Organisatorenschiene des Cons sein würde. Es sollte auch – Usus bei solchen Veranstaltungen – ein Conbuch dazu geben.

Und ich überlegte mir: Nun, ich könnte dann ja einen Artikel schreiben bezüglich des Autoren-Nachlassarchiv-Projekts. Auf diese Weise würde ich wieder einmal Reichweitensteigerung realisieren können. Das war an diesem Tag also der Plan … was dann letztlich daraus werden sollte, das ist ein weiteres Thema, dem ihr im Verlauf der Artikelserie noch begegnen werdet. Und ich denke, ihr werdet genauso vom unerwarteten Verlauf über­rascht sein wie ich es damals war.

Es zeichnet sich also immer weiter ab, dass dieser ganze Pro­zess der Verfolgung des Gründungsplans des Autoren-Nach­lassarchiv-Projekts eine ziemliche Abenteuerreise darstellen würde. Und manche Aspekte und Denkanstöße, die ich dabei er­hielt, waren durchweg unerwartet und faszinierend. Ich schwei­ge mal ganz davon, dass ich höchst interessante Persönlichkei­ten kennen lernte und Institutionen, von denen noch nie gehört hatte.

Ihr merkt, es bleibt definitiv spannend. In vier Wochen, im Blog­artikel 527, werde ich diese Spuren weiter verfolgen. Nächste Woche an dieser Stelle folgen wir Oki Stanwer im KONFLIKT 16, der zunehmend immer dramatischer wird.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 416: London Road: Geheime Leidenschaft

Posted August 9th, 2023 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

welcome back in den „Edinburgh Love Stories“ von Samantha Young. Vor vier Wochen begann ich mit der Berichterstattung dieses Romanzyklus, der zwar prinzipiell in sich abgeschlossene Romane beinhaltet, aber aufgrund des überlappenden Personal­settings doch besser in der vom Verlag und mir vorgegebenen Reihenfolge gelesen werden sollte.

Ursprünglich, gebe ich freimütig zu, habe ich den Roman unter dem Einfluss der Vorstellung gelesen, es handele sich im Kern um ein erotisches Werk. Das ist nicht vollkommen falsch, wird aber den darin verborgenen sozialen Aspekten gesellschaftli­cher Natur überhaupt nicht gerecht. Während erotische Romane sich zumeist tunnelblickartig auf „das Eine“ in diversen Variatio­nen verengen, geschieht hier etwas vollkommen anderes.

Hier lernen wir komplexe, reale Menschen mit sehr bodenständi­gen Nöten und inneren Zerrissenheiten kennen und die biswei­len höchst problematischen emotionalen Zwickmühlen, in die sie geraten. Das ist hier besonders bei der weiblichen Hauptper­son Johanna Walker der Fall, die sich in eine gesellschaftliche Ausnahmesituation hineingesteuert hat und nun von ihren Hor­monen völlig in die Gegenrichtung gelenkt wird.

Wie das genau ausschaut? Seht es euch mal näher an:

London Road: Geheime Leidenschaft

(OT: Down London Road)

von Samantha Young

Ullstein 28598

512 Seiten, TB

Juni 2013, 9.99 Euro

Aus dem Englischen von Sibylle Uplegger

ISBN 978-3-548-28598-6

Johanna Walker lässt sich von den Menschen, die sie kennen, üblicherweise nur Jo nennen, und mit diesem Kurznamen trat die hoch gewachsene Blondine auch im ersten Band der „Edinburgh Love Stories“ von Samantha Young bereits als Ne­benperson in Erscheinung. Dort versuchte sie schamlos, den rei­chen Jungunternehmer Braden Carmichael anzugraben, der schließlich aber das Herz ihrer Kollegin Jocelyn Butler, genannt Joss, schließlich nach hartem Kampf eroberte. Während Jo und Joss als Kolleginnen in der Bar „Club 39“ hinter der Theke zu­sammenarbeiten, macht Jo in der Regel aus ihrem Leben ein großes Geheimnis. Sie hat verdammt gute Gründe dafür.

Was sie nach außen zeigt, ist eine reichlich unsympathische Fas­sade – die einer jungen, unablässig flirtenden Frau, die ständig auf der Suche nach einem reichen Mann ist, der ihr Leben finan­ziert. In diesem Fall hat sie sich Malcolm Hendry geangelt, der ganz ihrem „Beuteschema“ zu entsprechen scheint. Aber wäh­rend sie mit ihm schläft, hat sie zugleich Geheimnisse vor ihm.

Zwar weiß er, dass es Jos Mutter schlecht geht, weswegen sie sich um sie kümmern muss. Und er weiß auch von Cole, Johan­nas jüngerem und noch minderjährigen Bruder. Aber Malcolm hat sie nie getroffen. Und das gilt auch für die lange Reihe von Männern, mit denen die 24jährige Johanna bislang zusammen war. Die längste Beziehung dauerte drei Jahre … aber es gibt einfach Dinge, von denen sie überzeugt ist, dass sie sich nie­mals ändern. Und selbst ihre beste Freundin Joss hat lange ge­braucht, bis sie ein paar Details herausfand.

Als Johanna nun mit Malcolm eine Kunstausstellung der Künstle­rin Becca besucht, kommt es gleich auf zweifache Weise zu ei­ner dramatischen Entwicklung, die sich nach und nach immer weiter aufschaukelt: Becca ist Malcolms Ex. Das an sich wäre nicht so schwierig … aber da ist Beccas neuer Freund Cameron McCabe – das exakte Gegenteil eines Mannes, der Jo irgendwie anziehen könnte. Er wirkt mit seinen Tattoos und dem ruppigen Gebaren eher wie ein nicht ganz erwachsen gewordener Halb­starker, und Jo redet sich sofort ein, sie sei doch überhaupt nicht an ihm interessiert, umso weniger, als sich bald erweist, dass er quasi mittelloser Grafikdesigner und auf Jobsuche ist. Abgesehen davon ist Jo doch fest mit Malcolm liiert, nicht wahr? Und es gibt keinerlei Grund, sich anderweitig umzuschauen, si­cherlich nicht bei einem Underdog gleich ihr …

Aber warum herrscht quasi augenblicklich eine unfassbar prickelnde Spannung zwischen Cam und ihr? Das verunsichert Jo zutiefst. Und das wird noch schlimmer, als sie ihm mehr aus Goodwill heraus einen Barkeeper-Job im „Club 39“ an ihrer Seite beschafft, damit er ein Einkommen hat. Dass Cameron und Mal­colm befreundet sind, macht die Lage nicht einfacher … und diese prickelnde Anziehungskraft will und will einfach nicht auf­hören.

Dass Cameron sie als „geldgeiles und untreues Luder“ einstuft, das nur auf Pump leben will, verletzt sie, aber auf der anderen Seite: das ist doch genau das Image, das Johanna nach außen aufgebaut hat, die stählerne Wehr, die jeden auf Abstand hält und besonders von ihrem Zuhause fernhält. Von ihrer kleinen Fluchtwelt, die sie sich mit ihrem Bruder Cole und ihrer abge­wrackten Mutter aufgebaut hat.

Denn sie kann niemandem erzählen, dass ihre Mutter hoff­nungslos dem Alkohol verfallen ist und zwischen moderatem Gleichmut und beleidigender Schroffheit ständig wechselt. Und dass Johanna den 14jährigen Cole in ihrer Obhut zurücklassen muss, um das Geld zum Lebensunterhalt aufzutreiben, ahnt auch so niemand.

Doch schließlich beginnt Cameron zu erkennen, dass sie deut­lich komplexer ist, als es seine Vorurteile gestatten … und als­bald möchte er sie näher kennen lernen. Bloß, wie soll das ge­hen? Er ist in einer Beziehung mit Becca, und sie braucht die Beziehung zu Malcolm dringend, um neben ihren zwei (!) Jobs halbwegs über die Runden zu kommen.

Als sie sich näher kennen lernen, loten sie beide die Abgründe hinter ihren sorgsam verborgenen Biografien aus und nähern sich unvermeidlich immer mehr an. Doch schließlich holen die grässlichen Schatten der Vergangenheit Johanna Walker und ebenso Cameron McCabe ein und drohen, alles zu zerstören, was sie sich aufgebaut haben. Die Zukunft scheint jählings ganz unmöglich zu werden …

Ich mag es, wenn ein Romanzyklus nicht von Band zu Band kür­zer wird, sondern von Band 1 zu Band 2 noch mal deutlich an Umfang zulegt. Dass ich dieses Mal 4 Tage für die Lektüre brauchte, besagt nicht, dass der Band sich schlechter lesen lie­ße – ich war lediglich abgelenkt. Es handelte sich wieder einmal um ein ausgesprochenes Lesevergnügen, aus dem ich nur un­gern wieder auftauchen wollte.

Zwar ist es immer noch gewöhnungsbedürftig, dass die Romane nach Straßen in Edinburgh einigermaßen phantasielos benannt sind (die meiste Zeit dieses Romans spielt etwa überhaupt nicht in der London Road, und um die Straße selbst geht es sowieso nicht), auch passte diesmal der Untertitel „Geheime Leiden­schaft“ wieder mal nur bedingt … aber wer darüber hinweg­sieht, bekommt eine beeindruckende Studie zu lesen, die von problematischen Kindheitsverhältnissen, häuslicher Gewalt und Drogenabhängigkeit sowie psychischer Deformation kündet und was sie aus Menschen machen kann. Danach konnte ich Alkohol noch weniger leiden als ohnehin schon.

Es ist definitiv schon was dran an der sinngemäßen Aussage von Keira Knightley in „Fluch der Karibik 1“, dass Alkohol auch aus den respektabelsten Menschen prinzipienlose Schur­ken mache. Das ist im vorliegenden Fall noch sehr zahm gespro­chen.

Ja, Johanna bekommt die Kurve – es ist immerhin ein ausdrückli­cher Liebesroman, nicht wahr? Aber der Weg dorthin ist biswei­len recht steinig und anstrengend, gesäumt von zahlreichen Trä­nen, Streitigkeiten und auch physischen Verletzungen. Doch auch von diesem zweiten Roman ihres Zyklus, in dem witziger­weise die Hauptpersonen des Vorromans als wichtige Nebenper­sonen in Erscheinung treten, war ich nachhaltig beeindruckt.

Ach ja, und ehe ich das vergesse: die Protagonisten des dritten Romans „Jamaica Lane“ (hier ständig „Jamaica Street“ falsch geschrieben!), Olivia und Nate, geben sich auch schon zu erken­nen. Der sozialbiografische Kosmos in Edinburgh dehnt sich also weiter aus. Ich bin gespannt, was als nächstes folgen wird. Wer den ersten Roman der Reihe verschlungen hat, wird von dem hier auf keinen Fall enttäuscht werden können.

© 2019 by Uwe Lammers

Nächste Woche kommen wir mal wieder in die beliebte Schiene der Sherlock Holmes-Abenteuer. Doch diesmal ist es erneut ein Epigone, der ihn und Dr. Watson nach Österreich entführt.

Nähere Einzelheiten werden nächste Woche verraten.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Liebe Freunde des OSM,

vor neun Wochen stellte ich euch im Rahmen dieser Beitragsrei­he „Langzeitprojekte“ ein weiteres Werk aus dem tropischen Ar­chipel vor. Dieses Mal landen wir gewissermaßen am entgegen­gesetzten Spektrumrand, nämlich beim Oki Stanwer Mythos, und idyllisch geht es hier ganz und gar nicht zu. Wem der Titel schon unbehagliche Assoziationen einflößt, der sollte vielleicht nicht weiter lesen, denn es wird noch deutlich unangenehmer … auf der einen Seite.

Auf der anderen Seite erfahrt ihr hier aber auch etwas über die geheimnisvollen GRALSJÄGER, jene nur teilweise biologischen Wesenheiten von jenseits des RANDES, die über Milliarden von Jahren zurückgeschickt werden, um Wissen zu bergen oder noch weit problematischere Missionen zu erfüllen.

Es ist nicht völlig klar, in welchem Universum des OSM diese Geschichte spielt, die ich am 20. September 2003 begonnen habe zu schreiben. Im Laufe der zurückliegenden zwanzig Real­jahre habe ich eine recht genaue Vorstellung davon gewonnen, was ich hier eigentlich niederschreiben soll, aber allzu weit ge­diehen bin ich damit, offen gestanden, noch nicht. Deshalb hat das Fragment auch gerade mal 25 Textseiten.

Schauen wir uns am besten mal die technischen Rahmendaten an, ehe ich in die Handlungsdetails gehe:

Wir befinden uns auf einer Welt namens Alcaarion im Jahre 9065 lokaler Zeitrechnung. Es handelt sich um einen Planeten mit eher mäßiger technologischer Entwicklung, wo schon eine Kut­sche als neumodische Erfindung beargwöhnt wird und eine feu­dalistische Gesellschaft etabliert ist. Sehr stark tabuisiert sind solche Dinge wie Obduktionen, die nach Vorstellung der hiesi­gen Inquisition an die Heiligkeit des Leibes rühren. Was die hart gesottenen kaiserlichen Offiziere dennoch nicht davon abbringt, bei Verbrechen zu derartigen Methoden zu greifen.

Aber dann passiert unglücklicherweise Folgendes:

Junshiir hatte so etwas niemals für möglich gehalten, und dabei dachte er doch als langjähriger Noss-Hüter inzwischen, alle Parasiten zu kennen, die es gab. Aber offensichtlich hielt die Natur immer noch Überraschungen für ihn parat.

In diesem Fall eher unangenehme.

Als sich die rasselnde Horde der Noss über die Weidehügel auf den Hüter zube­wegte und ihn nervös umringte, um eindringlich darauf aufmerksam zu machen, dass es etwas gab, das ihnen Unbehagen bereitete, da konnte der alte Noss-Hü­ter nicht wissen, dass er noch exakt dreieinhalb Minuten zu leben hatte.

Durch das dunkle Borstenfell der Riesenwürmer glitzerten undeutliche, aber unübersehbare rötliche Punkte, zweifellos ein Parasitenbefall. Und sie schienen den Tieren durchweg Schmerzen zuzufügen.

Der greise Junshiir verfluchte die Tatsache, dass er so schlecht sehen konnte. Und dass es schon so spät am Tage war. Bei Tageslicht war es natürlich recht leicht, die peinigenden Parasiten aus dem Borstenfell herauszuklauben, aber bei den Lichtverhältnissen jetzt in der hereinbrechenden Dämmerung fürchtete er, seine Tiere zu verletzen, wenn er durch ihr Fell krallte. Es war nicht anzunehmen, dass sie das verstehen würden. Noss waren genügsame, nicht sonderlich kluge Wesen. Deshalb ließen sie sich ja auch so bereitwillig hüten und waren letztlich brav zu nennendes Schlachtvieh.

Junshiir wünschte sich, der junge Vaashed wäre jetzt hier gewesen, aber er hatte sich schon vor einer guten Stunde verabschiedet, um sein Mädchen aufzu­suchen. Und das hatte natürlich Vorrang, das musste man einfach verstehen. Mädchen waren so wankelmütig darin, wenn sie ihre Gunst verschenkten, um ihre Herzen musste man sich wieder und immer wieder bemühen. Vaashed war jung, und Junshiir konnte den Jungen gut verstehen. Schmiede das Eisen, solange es heiß ist, pflegte auch sein Vater einst zu sagen.

Dennoch … also, dennoch wäre es wirklich schön gewesen, Vaashed jetzt bei sich zu haben. Seine Augen waren unglaublich scharf, so wie Junshiirs eigene in der Jugend geblickt hatten. Ach, lange war das her, so lange …

„Ho, schön ruhig, hoohoo … ist ja schon gut, Wunsh, ist ja schon in Ordnung“, beschwichtigte er das heftig knarrende Leittier, das offensichtlich ernste Qualen litt und sich wild an seinen vier stämmigen Beinen rieb. „Nicht so eifrig. Komm hier ins Licht, da kann ich besser sehen, was dich plagt … na komm schon.“

Der Hirte aus dem Volk der Alwesser betrat die staubige Lichtung mit ihrem Kreis aus Feuersteinen im Zentrum, wo das muntere kleine Feuer knisterte, das ihn nächtens auf der windgepeitschten Hochgebirgsheide wärmte. Doch diesmal kam er nicht mehr dazu, sich darüber zu freuen, dass ihm wärmer wurde.

Die Laute seiner Noss gingen in ein qualvolles Knarzen über, manche von ih­nen krampften sich zusammen, als litten sie regelrecht unter epileptischen Anfäl­len, andere sprangen ganz unnatürlich und gleichsam zwanghaft in die Lüfte, als versuchten sie auf diese Weise, ihre Peiniger abzuschütteln.

Und auf ihren Rücken glühte etwas!

„Beim Heiligen Stanwer …“, entfuhr es Junshiir ungläubig. So etwas hatte er noch niemals gesehen.

Acht der Noss drehten sich auf gespenstische Weise synchron zu ihm. Die glü­henden Flecken in ihrem Borstenfell strahlten heller, und der schreckliche Ge­stank nach versengten Schuppenpanzern und schwelenden Haaren hing in der Luft. Die Tiere gaben gequälte Töne von sich.

Junshiir stand stocksteif da und bekam kein Wort mehr heraus. Was er hier er­lebte, das war einfach … nun … vollkommen ausgeschlossen. Das war … also, das war … ihm blieben die Worte im Halse stecken.

Er sah, wie sich etwas auf den Rücken seiner treuen Gefährten bildete, die sich völlig untypisch für Noss-Würmer benahmen. Etwas, das sich vergrößerte, an­schwoll und dann sogar so etwas wie Augen annahm …

Junshiir wollte gerade aufschreien, doch in dem Moment traf ihn buchstäblich der Blitz.

Und dann war er tot.

Alcaarion hat, vorsichtig gesprochen, ein Problem. Es ist erstens nicht von dieser Welt, zweitens ist es letzten Endes eine globale Katastrophe … und drittens hat die Person, die hier nun in Er­scheinung tritt und sich einmischt, schon die Zukunft gesehen und ist nun bemüht, daran etwas fundamental zu ändern.

Und das ist nicht so simpel, wie es auf den ersten Blick scheint, denn der Späher aus der Zukunft, der sich als Forensiker aus­gibt und prompt mit den Behörden aneinander gerät, ist alles andere als normal, und leben in dem Sinne, wie die Bewohner von Alcaarion sich das üblicherweise vorstellen, das tut er ei­gentlich auch nicht. Ganz zu schweigen von seinen eigenwilli­gen Fähigkeiten, die er gern verbirgt.

Aber ein paar Schritte gingen wir dann doch gemeinsam – bis zum Eingang des vierstöckigen Fachwerkbaues am Postplatz nämlich, der die Gastwirtschaft barg. Zweifellos ein altehrwürdiger Familienbetrieb.

Eher beiläufig nahmen meine Fotorezeptoren in winzigen Augenblicken alle De­tails des zweihundertvier Jahre alten Holzfrieses auf, analysierten dabei die Blatt­goldüberzüge und glichen die spektrale Zusammensetzung des Blattgoldes ganz automatisch mit allen bekannten Goldvorkommen des Planeten ab, um dann ge­schwind zu dem Schluss zu kommen, dass der Erbauer des Hauses und der Deko­rateur sehr wohlhabend gewesen sein mussten: es wurde nämlich ausschließlich Gold aus den seit fast hundertzehn Planetarjahre aufgegebenen Minen der Ve­stran-Inselgruppe verwendet, die mehr als tausend Reisekilometer entfernt war. Vielleicht war der Erbauer ja Söldner in der Westarmee gewesen, die vor 198 Jah­ren auf die Vestran-Inseln eingefallen war und sie geplündert hatte …

Unwichtige Information.

All diese komplexen Datenscans dauerten nur Sekundenbruchteile. Eine Ewig­keit für meine Erfassungssysteme.

Leider war die Einschätzung meines Analysezentrums in Kern völlig korrekt.

Ich wandte meine Aufmerksamkeit von den Ornamenten ab und wieder der Si­tuation zu. Das war in jederlei Hinsicht konstruktiver. Diese Welt bot unendlich viele Ablenkungsmöglichkeiten. Und, das fand ich sehr viel bestürzender, fast al­les davon war vergessen. Manchmal musste ich meine Emotions-Kontrollstellen auf höhere Stufe schalten, um nicht zu unsachlich und schroff auf die Umgebung zu reagieren.

Das wäre zu gefährlich gewesen, nicht nur für mich.

Indes blieb ich mir stets der Tatsache bewusst, dass diese Welt unendlich reich an Detailwissen war, das, wenn die Spur erhalten blieb, alsbald für immer ver­nichtet sein würde. Ich war hier, um wenigstens Schadensbegrenzung zu betrei­ben. Und wo es halt möglich war, sammelten meine Sensoren Informationen und speicherten sie für später.

Dabei behielt ich die Mission immer im Blick.

Es ging ja auch um diese arglosen Planetenbewohner, die allesamt in tödlicher Gefahr schwebten und davon keinen blassen Schimmer besaßen. Sie waren schlichte Gemüter, ein wenig wie Kinder, so kam es mir mitunter vor. Das galt selbst für ihre Regierungsoberhäupter. Selbstverständlich sprach ich davon auch zu niemandem. Man hätte es mir wenigstens als Arroganz ausgelegt oder mich zum Duell gefordert … beides konnte ich mir nicht leisten.

Und aus solchen Gründen hatten die politisch Verantwortlichen so überhaupt keine Vorstellung davon, in was für zutiefst paradiesischen Verhältnissen sie in ih­rer arglosen Ahnungslosigkeit existierten. Wie gut es ihnen – bei all ihrer Armut und all den Entbehrungen, die sie für existenziell hielten – doch letztlich ging.

Ich wusste es und durfte nichts sagen.

Manchmal empfand ich das als sehr belastend.

„Sicherlich ist es eine hinreißende Dame, die Ihr nicht warten lassen mögt, ver­ehrter Freund“, mutmaßte die attraktive Allifrau mit einem warmen, verständnis­vollen Zischen in der Stimme, ganz im Pheromonrausch und völlig auf Sex einge­stellt. Ihre geschlitzten, schwefelgelben Augen mit den funkelnden goldenen Ein­sprengseln musterten mich unverhohlen neugierig-taxierend.

Ich fühlte deutlich ihre brennende Neugierde, denn über das Geschlechtsleben von Schlichtern war wenig bekannt. Wer uns kannte, hätte gewusst, warum. Aber niemand kannte uns, und wir sorgten dafür, dass das auch so blieb. Es war zum Besten für die gesamte planetare Bevölkerung.

Und entschied in diesem Moment, das Klima brüsk etwas abzukühlen, um die notwendige Trennung von meinen Reisegefährten herbeizuführen. Die Reise war im Endeffekt Vergnügen und Müßiggang gewesen, jetzt begann bald der Ernst der Arbeit.

„Ich bedaure, Eure Hoffnung enttäuschen zu müssen“, sagte ich bedächtig und wählte die Worte gemächlich und gezielt, „aber um genau zu sein … ich bin leider verabredet mit dem Lordkriminalinspektor Karnash von den Kaiserlichen. Ich bin Spurensucher von Beruf, und die, um die ich mich zu kümmern habe, sind schon eine Weile kalt.“

Das verschlug ihnen beinahe den Appetit.

Wie gesagt … der Tod und alles, was mit ihm zusammenhängt, ist hier stark rituell tabuisiert, und wer gegen diese Gebote ver­stößt, gerät sehr leicht in Gefahr.

Indem sich der Besucher als Schlichter Ghusch ausgibt und mit dem Lordkriminalinspektor eine übel zugerichtete Leiche unter­sucht, muss er mit seinen sehr speziellen Fähigkeiten schnell beunruhigt entdecken, dass er augenscheinlich zu spät gekom­men ist: Der Feind ist bereits irgendwo im Hochland des Plane­ten gelandet und hat mit seinen unklaren Plänen begonnen.

Die Parasiten, um die es sich handelt, sind zeitreisende Mikro­maschinen aus der fernen Zukunft, so genannte Kybernoiden … und die grausigen Bilder, die „Ghusch“ von Alcaarion in zukünf­tigen Archiven gesehen hat, zeigten eine schwarzmetallische, brodelnde Kruste, die den gesamten Planeten bedeckte … eher eine Art von maschinell-vulkanischer Globalmetastase, die alles Leben ausgelöscht hatte. Das scheint die unausweichliche Zu­kunft zu sein, und niemand in den Archiven hatte eine Ahnung, wie es dazu gekommen war.

Er ist hier, um das nach Möglichkeit zu verhindern. Aber er wird entdecken müssen, dass sein Briefing notwendig unvollständig war. Und eine Distanz von mehreren Milliarden Handlungsjahren zu diesem Ort hat eine Informationsverwässerung mit sich ge­bracht, mit der er nicht rechnen konnte.

Womit er aber erst recht nicht rechnet, ist das, was geschieht, als er sich dann tatsächlich auf den Weg zur Gefahr macht – die ach so rückständigen reptiloiden Allis, die so sehr in die Primiti­vität zurückgefallen sind, dass die höchste Bewaffnung in schar­fen Rapieren und Schießpulverwaffen besteht, erweisen sich als … ja, wie sagt man das am besten? Als störrisch. Uneinsichtig. Sie werden von seltsamen, archaischen Vorstellungen und ziem­lich schlichten Instinkten gelenkt, und für „Ghusch“ sind sie alle schon seit einer Ewigkeit tot und vergessen.

Dummerweise sind sie hier höchst lebendig, höchst irrational und unglaublich stur. Und weil das so ist, beginnt seine Mission immer schneller zu entgleisen …

Ach, ich sage euch, ich wünschte wirklich, ich wäre in den zu­rückliegenden zwanzig Jahren schon weiter vorangekommen mit dem Schreiben dieses Langzeitprojekts. Dummerweise weiß ich immer noch zu wenig über die an vielen Stellen des OSM auftauchenden Kybernoiden und wie ihr Zusammenhang mit dem Baumeister-EXIL HANKSTEYN und den AUTARCHEN sich ge­staltet. Das verzögert die Realisierung dieser Geschichte mas­siv, in der ich schon ein paar faszinierende Szenenblenden ent­deckt habe.

Aber die Grundidee an sich ist zu spannend, um sie aufzugeben, und so feile ich also auch in Zukunft zunehmend intensiver an dieser Geschichte weiter. Ich werde euch da weiter auf dem Laufenden halten.

In der kommenden Woche führe ich euch wieder in die Gegen­wart zurück zum Plan der Realisierung eines Autoren-Nach­lassarchivs, Teil 4.

Immer schön neugierig bleiben, Freunde!

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 415: Feuermönche

Posted August 2nd, 2023 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

schon vor vier Wochen machten wir im ersten Roman von James Rollins zur so genannten „Sigma Force“ Bekanntschaft mit dem Geheimbund der „Gilde“. Painter Crowe und seine Gefährten konnten damals im Wüstensand des Nahen Ostens eine Kata­strophe größten Ausmaßes verhindern. Aber nun ist die Sigma Force sensibilisiert dafür, dass da draußen eine Organisation lauert, die darauf aus ist, Massenvernichtungswaffen in die Hand zu bekommen. Und den Amerikanern ist klar, dass die „Gilde“ durchaus noch nicht aufgesteckt hat.

Diesmal verirrt sich – scheinbar – die Auseinandersetzung zwi­schen der Sigma Force und der „Gilde“ in die Bereiche der Welt­religionen, und bedauerlicherweise, ich sagte das damals schon in meiner Rezension, springen Verfasser und Verbrecher mit his­torischen und religiösen Stätten äußerst rauh um, um es mal sehr freundlich zu formulieren.

Dessen ungeachtet erwartet den Leser eine atemberaubende Tour de Force, die eine Mischung zwischen Schatzsuche, Agen­tenthriller und Fantasy beinhaltet. Es geht um Biowaffen, uralte Verschwörungen, Geheimbünde, kryptische Botschaften, antike Schätze und Legenden …

Vorhang auf für das zweite Sigma Force-Abenteuer:

Feuermönche

(OT: Map of Bones)

Von James Rollins

Blanvalet 36738

Juni 2007, 8,95 Euro

544 Seiten, TB

Übersetzt von Norbert Stöbe

ISBN 978-3-442-36738-2

Eine kleine Warnung vorweg: Wer sich als glaubensstarker Mensch versteht und die Symbole und Werke des Christentums sehr wertschätzt, wird auf vielen Seiten dieses Buches Grund haben, Tränen zu vergießen – denn James Rollins walzt biswei­len mit der Brachialwucht einer Dampframme durch Kathedra­len und andere Schauplätze des christlichen Glaubens, und es gibt jede Menge Blut und Zerstörung. Ich musste an manchen Stellen des Buches auch ziemlich nach Atem ringen. Ihr werdet das im Detail erleben, wenn ihr weiterlest.

Worum geht es dieses Mal bei Rollins? Wir haben hier das zwei­te Abenteuer der „Sigma Force“ vor uns, also der wissenschaftli­chen Spezialeinheit der DARPA, ihrerseits eine wissenschaftliche Abteilung des amerikanischen Geheimdienstes. An einer Stelle sagt Rollins ziemlich klar aus, was die Sigma-Mitarbeiter eigent­lich sind: „Sie sind Killer-Wissenschaftler“. Das ist ein wenig krass ausgedrückt, formal aber nicht falsch. Das Ziel der Sigma Force ist es nach wie vor, gefährliche Technologien dingfest zu machen und sie entweder zu requirieren oder unschädlich zu machen, so dass sie keine Gefahr mehr für die Vereinigten Staa­ten darstellen können.

Im ersten Band der Serie ging es um eine uralte Antimaterie­form, die schlussendlich im Sultanat Oman während eines Jahr­hundert-Sandsturms entschärft werden konnte. Damals kam auch eine Doppelagentin der Sigma Force ums Leben, Cassan­dra Sanchez, die nebenbei für die geheimnisvolle Terrororgani­sation der „Gilde“ gearbeitet hatte. Im Zuge dieser Entwicklung kam es auch zu einem Führungswechsel in der Sigma Force, und Commander Painter Crowe stieg zu deren Leiter auf.1

Nun ist das bei Organisationen immer so ein Problem – sobald ein Hauptagent zum Leiter aufsteigt, fällt er aus dem aktiven Dienst quasi heraus. Man kennt das Phänomen von Clive Cuss­ler, der schließlich seinen Haupthelden Dirk Pitt zum Leiter der NUMA machte, was seine Einsatzfähigkeit im Außendienst doch ziemlich einschränkt. James Rollins hatte also nun das Problem, eine neue Hauptperson zu finden und sie dem Leser schmack­haft zu machen. Er fand den Wissenschaftsagenten Grayson Pierce, einem Ex-Soldaten, der ein generelles Problem mit Hier­archie und Gehorsam hat, aber erstklassige Arbeit leistet, wenn­gleich er eine ziemlich haarsträubende Neigung zum unkalku­lierbaren Risiko aufweist.2

Pierce hat auch gleich im ersten Kapitel dieses Romans seinen Auftritt, in „Das Große Schlamassel“ – hier soll er den verbote­nen Verkauf von Anthrax-Sporen vereiteln, indem er als Käufer auftritt … dummerweise ist es eine Falle der „Gilde“. Und die asiatische Attentäterin, die ihn in Fort Detrick erwartet, kaltblü­tig mit Namen anspricht und fast seinen Tod verursacht und eine Stadt beinahe mit Biowaffen verseucht, entkommt dem Zu­griff. Und ohne dass man ihren Namen am Anfang weiß, begreift man schon, warum sie versucht, die Sigma Force durch desas­tröses Versagen bloßzustellen: Cassandra Sanchez bezeichnet sie als ihre Schwester und will sie rächen. In diesem Fall stell­vertretend an Grayson Pierce und Sigma insgesamt.

Aber, wie gesagt, das klappt nicht. Die geheimnisvolle Frau ent­kommt.

Während das geschieht, kommt es in Köln im Dom während ei­ner Mitternachtsmesse zu einem mörderischen Massaker. Be­waffnete, maskierte Mönche dringen ein, Dutzende von Men­schen gehen buchstäblich in Flammen auf, diejenigen, die davon nicht betroffen sind, werden erschossen. Allerdings gibt es durch einen dummen Zufall einen Überlebenden. Außerdem werden die Gebeine der Heiligen Drei Könige aus ihrem Schrein geraubt. Der Goldschrein selbst bleibt jedoch zurück.

Der Vatikan selbst kontaktiert daraufhin die Sigma Force. Und zugleich wird der Vatikan-Bedienstete Vigor Verona eingeschal­tet, zudem der Archivar des Geheimarchivs des Vatikans und Veronas Nichte Rachel Verona, die als Polizistin in Rom arbeitet und hier für die Antikenabteilung tätig ist. Dass hinter all dem deutlich mehr steckt, als man anfangs glaubt, erweist sich, als innerhalb des Vatikans ein Brandanschlag verübt wird, dem Vi­gor fast zum Opfer fällt. Zeitgleich wird seine Nichte bei einem Attentat fast getötet.

Als sie schließlich in Köln eintreffen und mit Grayson Pierce, Monk Kokkalis und Kathryn Bryant die Spuren im Dom untersu­chen, stellen sie rasch fest, dass die Opfer offensichtlich durch eine Waffe getötet wurden, die durch Einnahme der Hostien beim Abendmahl wirkte. Molekulare Untersuchungen machen hier ein weißes Pulver ausfindig, das, einmal erhitzt, zu flüssi­gem Gold wird. Ein Stoff, der Vigor Verona nicht völlig unbe­kannt ist – er führt angeblich zurück in die Frühzeit des Glau­bens, außerdem zu Freimaurern, Tempelrittern und dem Tempel Salomons sowie der Bundeslade. Physikalisch handelt es sich um mono-molekulares Gold, so genanntes m-Gold (ein Zustand, den es tatsächlich gibt).

Und die Killer kommen zurück und versuchen unter der Leitung des brutalen Sadisten Raoul, auch diesmal alle Spuren auszulö­schen, die in Köln zurückgeblieben sind. Unter anderem liquidie­ren sie den Überlebenden und legen eine Reihe von Brandbom­ben im Dom (ich sagte ja – man kann das Heulen kriegen bei manchen Stellen des Romans; und das mir, der ich den Kölner Dom so liebe!!!).

Grayson Pierce und seine Mitstreiter geben aber nicht auf. Müh­sam erkämpfen sie sich den Weg durch das scheinbar undurch­dringliche Mysterium und machen unglaubliche Entdeckungen. Eine davon finden sie in Mailand, wo weitere Reliquien der Heili­gen Drei Könige zu finden sind … aber dies sind keine Knochen, sondern sie bestehen komplett aus mono-molekularem Gold. Ir­gendjemand im Mittelalter oder noch früherer Zeit hat offen­sichtlich diese Knochen aus dem unglaublich seltenen Stoff nachgebildet, und die Attentäter, die dem sinistren christlichen Drachenorden entstammen (den Orden gibt es wirklich, die mordlüsterne Version, die Rollins hier schildert, ist seine Erfin­dung) als Schlüssel oder Schatzkarte dient, um ein Geheimnis von Magiern aus der frühchristlichen Zeit auf die Spur zu kom­men.

Auf einmal sind Pierce und seine Mitstreiter auf einer Schatzsu­che, deren Rätsel von Mal zu Mal schwieriger, komplexer und tödlicher werden. Es geht bald um Magnetismus, Himmelsrich­tungen, den Leuchtturm von Pharos, die Sieben Weltwunder, das Grab Alexanders des Großen und die Frühzeit des Papst­tums. Und leider, leider, stellt Pierce rasch fest, unterstützt eine heimtückische Frau namens Seichan die Anstrengungen des Or­dens – exakt jene Frau, die Pierce in Fort Detrick so ausgetrickst hat. Sie erweist sich als eine höchst unsichere Kantonistin, die mal dem Orden hilft, dann wieder kaltblütig mit der Sigma Force Kontakt aufnimmt und Pierce das Leben rettet.

Schnell begreifen Painter Crowe und Pierce, dass die „Gilde“ und der Drachenorden nur auf prinzipieller Basis zusammenar­beiten, gewissermaßen ein Zweckbündnis geschlossen haben, während sie in Wahrheit Rivalen sind. Die „Gilde“ versucht, die Geheimnisse des Ordens zu durchdringen und hält gleichzeitig die Sigma Force auf Distanz … und lockt letztere dann wieder an, wenn Pierce den Kontakt zum Gegner verliert.

Auf diese Weise entsteht den ganzen Roman hindurch ein kom­plizierter Tanz von Abhängigkeiten, Vertrauensverrat, abgestuf­ten Informationsfreigaben, Desinformationen und unerwarteten Winkelzügen, die bis zum letzten Moment für dramatische Span­nung sorgen. Dabei scheut der Autor auch nicht vor in meinen Augen desaströsen Entwicklungen zurück. Ob es dabei um das Grab Alexanders des Großen geht (das selbst ein Clive Cussler mit mehr Respekt behandelte3, als es hier geschieht) oder ob es die Bibliothek von Alexandria und die Schätze des Templeror­dens sind, die hier an einem sehr interessanten Ort gefunden werden.

Bis ganz zuletzt, zum dramatischen Showdown, in dem sich der „Imperator“ des Ordens zu erkennen gibt und die Mysterien der alten „Magi“ sich in voller tödlicher Stärke zeigen, fiebert man als Leser unvermeidlich mit …

Mit diesem zweiten Roman der Sigma Force-Reihe von James Rollins liegt ein Buch vor, das zum einen von einem anderen Übersetzer übertragen wurde (soweit ich das erkennen konnte, hat er nur einen Fehler übersehen, nämlich indem er die Ar­chäologin Honor Frost unvermittelt zu einem Mann geschlecht­lich umdefinierte), das ungeachtet seines sehr viel geringeren Umfangs als der Erstling und des deutlich eingeschränkteren Settings – indem er nämlich im christlichen Themenkreis im weitesten Sinn verweilt und nicht signifikant darüber hinausgeht – sehr zu gefallen versteht.

Er führt neues Personal sowohl auf Seiten der Sigma Force ein als auch in anderer Beziehung, etwa seitens des Vatikans oder der italienischen Polizei. Sehr rasch leidet man mit den Protago­nisten, die alle so ihr Kreuz zu tragen haben. Pierce etwa mit seinem an Alzheimer erkrankten Vater, seine Kollegin Kat, die den Tod eines Kollegen noch nicht recht verarbeitet hat, und schließlich Rachel Verona, die ahnungslos Teil eines monströsen dynastischen Plans werden soll. Und dann ist da schließlich noch die rätselhafte, charismatische und undurchschaubare Seichan … und natürlich die „Gilde“.

Ich dachte mir schon am Ende des ersten Sigma Force-Romans, dass das noch nicht alles gewesen sein konnte, und ich lag rich­tig. Auch in diesem Roman wird deutlich, dass man mit der „Gil­de“ nach wie vor rechnen muss. Und nun haben die dort Verant­wortlichen definitiv guten Grund, sich auf die Sigma Force ein­zuschießen. Man darf da also weiterhin gespannt sein.

Ausgezeichnet gefallen haben mir nach wie vor die fundierten historischen Darstellungen. Pater Verona ist ganz offenkundig das alter Ego des Verfassers, denn er ist es durch seine umfas­sende Kenntnis, der die Geschichte an wesentlichen Stellen vor­antreibt und unglaublich viel zur Historie zu berichten versteht. Ob es sich um die Geometrie der Kirchen handelt, die Ikonogra­fie früher Christen, die Geschichte des Judentums, die Sieben Weltwunder, die Geschichte des Templerordens (inklusive der Story von der Entstehung von „Freitag dem Dreizehnten“!), an sehr vielen Stellen rekurrierte er auf mein eigenes Wissen und war darum verantwortlich für zahlreiche Aha-Effekte in diesem Buch.

Ebenso gefiel mir der Tauchgang in der Bucht von Alexandria – weil ich kurz zuvor ein Buch von Franck Goddio (der im Roman mitsamt seinen Forschungen Erwähnung findet!) gelesen hatte und auf diese Weise den Tauchgang sehr plastisch nachvollzie­hen konnte. Was da freilich etwa im Petersdom angestellt wird, das war dann durchweg erschütternd. Und ich schweige mal von dieser Bibliotheksgeschichte, die mich ein wenig an „India­na Jones und der letzte Kreuzzug“ erinnerte.

Alles in allem ist dies jedoch ein Buch, das mich mit der neuen Riege an Protagonisten absolut versöhnte und neugierig machte auf weitere Abenteuer der Sigma Force und ihrer Crew. Nicht zu­letzt, weil ich natürlich wissen will, wie die Sache mit der „Gil­de“ noch weitergeht. Da ist bekanntlich das letzte Wort noch nicht gesprochen. Es ist ein rasantes Leseabenteuer, gut geeig­net für schlaflose Nächte – und es bleibt auch weiterhin span­nend.

© 2019 by Uwe Lammers

In der kommenden Woche kehren wir in die Straßen und Haus­halte Edinburghs zurück und schauen uns die romantischen Ver­irrungen von Samantha Youngs Protagonisten und Protagonistin­nen an.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

1 Vgl. dazu den Rezensions-Blog 411 vom 5. Juli 2023.

2 Im weiteren Verlauf der Sigma Force-Romane wird sich übrigens zeigen, dass Painter Crowe keineswegs vorhat, sich in die Kommandoebene zurückzuziehen und Außenein­sätze sein zu lassen.

3 Man vgl. dazu Clive Cussler: „Das Alexandria-Komplott“, 1989. Oder meinen Rezensions-Blog 23 vom 2. September 2015.

Liebe Freunde des OSM,

ehrlich – ich war etwas am ungläubigen Staunen, als mir heute aufging, was für einen Blogartikel ich hier diesmal in der Mache habe, um es salopp zu formulieren. Haltet mal einen Moment inne und sinniert mit mir.

120 Teile der „Work in Progress“-Reihe, die nur einmal im Monat erscheint, bedeutet in der Quintessenz, dass ich jetzt schon 120 Monate, d.h. 10 Jahre (!) dabei bin, euch mit diesen Blogbeiträ­gen über meine aktuellen kreativen Prozesse zu informieren. Wow, echt. Zehn Jahre. Das nenne ich mal eine reife Leistung, und ohne unbescheiden sein zu wollen, behaupte ich mal, dass das eine ganze Menge Konzentration und Disziplin erfordert, so einen langen Atem zu haben.

Nun, wie ich schon verschiedentlich erwähnt habe, bin ich von Haus aus Historiker. In langen Zeiträumen zu denken und in recht voluminösen Dimensionen, das bin ich auch vor den Blog­artikelreihen schon seit Jahrzehnten gewohnt gewesen. Schaut euch nur mal den Oki Stanwer Mythos an, der inzwischen Band 2141 erreicht hat und nach meinen Vermutungen Ende 2023 wohl Band 2200 tangieren dürfte. Auch das ist nicht eben et­was, was man mal einfach so aus dem Ärmel schüttelt.

Gleichwohl … 120 Artikel der „Work in Progress“-Reihe, und es ist kein Ende abzusehen … das ist schon eine reife Leistung! Danke auch an euch, dass ihr mich so durch euer fortwährendes Interesse dazu animiert, hier immerzu am Ball zu bleiben.

Schauen wir uns heute mal an, wie sich der Monat November 2022 entwickelt hat. Ich würde sagen, mit 22 abgeschlossenen Werken landet er im guten oberen Feld der kreativen Möglich­keiten eines Monats. Da gibt es fraglos eine Menge Luft nach oben, aber in Anbetracht der ganzen Turbulenzen, die mir hier zu schaffen machten, kann ich recht zufrieden sein (ich deute nur mal an: traditioneller Geburtstagsmarathon, Existenzgrün­dungscoaching, beginnende Weihnachtszeit, Krise im Verein KreativRegion e.V. … und noch so ein paar Kleinigkeiten wie den nach wie vor lärmigen Straßenbau in meiner Straße, der von 8 Uhr morgens bis 16 Uhr nachmittags meine Konzentration doch ordentlich stresst).

Wie sah das nun im Detail aus? Nun, folgendermaßen:

Blogartikel 516: Work in Progress, Part 119

(Lexikon der Serie „Oki Stanwer Horror“)

(Glossar der Serie „Oki Stanwer Horror“)

(OSM-Wiki)

13Neu 43: „Das ist Ihr Sarg, Mr. Stanwer!“

13Neu 44: Das Schädeldorf

13Neu 45: Desaster in Garos

(HdH 11: Schiffbruch auf dem Südmeer)

Anmerkung: Das war der kurze Versuch, innerhalb des OSM ge­wissermaßen einen Spurwechsel herbeizuführen … aber die oben erwähnten Einschränkungen, namentlich der Baulärm tagsüber, brachten mich davon schnell wieder ab. Es war ein­fach leichter, mich auf die reinen Digitalisierungsabschriften zu konzentrieren … zumal ich mit dem Garos-Desaster an der Schwelle zum Inferno von Whitmore nun wirklich eine megadra­matische Stelle des CLOGGATH-KONFLIKTS erreicht hatte. Das fand ich schon 1985, als ich diese Episoden erstmals verfasste. Die Details mögen heutzutage etwas hölzern und angestaubt sein, aber die Story an sich vermag mich heute nach wie vor zu packen.

(13Neu 47: Stein des Todes)

(13Neu 46: Das Säurebad)

13Neu 41: Das Anti-Stanwer-Team

13Neu 42: Verräter an der Menschheit

(Spurensuche in Babylon – OSM-Novelle)

Anmerkung: Sehr wahrscheinlich gab es zwei Gründe, warum ich – wenn auch mit insgesamt wenig Erfolg – an dieser Novelle weiterzuarbeiten versuchte. Zum einen startete gerade die vierte Staffel der National Geographic-Dokumentationsserie „Tal der Könige“, die unvermeidlich meine Ägyptenleidenschaft wie­der befeuerte.

Zum zweiten lese ich natürlich immer noch recht viele Hefte der Zeitschriftenreihe ANTIKE WELT, und auch da ist Ägypten mit dem Pharaonenreich ein häufiges Thema.

Schlussendlich lag es also nahe, die obige Novelle weiterzu­schreiben. Schließlich spielt der Teil, der schon fertig ist, weitge­hend in einem alternativen Ägypten des Jahres 2034 … beizei­ten erzähle ich euch mehr davon, versprochen.

16Neu 31: DEATH-ZHONYA

(16Neu 33: Die Macht im Zentrum)

(Lexikon der Serie „Oki Stanwer – Der Mann aus dem Nichts“)

(Glossar der Serie „Oki Stanwer – Der Mann aus dem Nichts“)

Blogartikel 513: Langzeitprojekte 4 – Raubgut

Anmerkung: Das war dann das nächste Langzeitprojekt, eine ausgiebige Erläuterung der Archipel-Novelle „Raubgut“, die mir wirklich Vergnügen bereitete und eine willkommene Abwechs­lung darstellte. Ich wollte lange schon etwas hierzu erzählen, und inzwischen wisst ihr ja seit 8 Wochen, was dabei herausge­kommen ist.

(16Neu 36: Operation Kegelwelt II)

Anmerkung: Auch auf der zweiten Serienbaustelle, KONFLIKT 16 „Oki Stanwer – Der Mann aus dem Nichts“ geriet ich mit dieser Episode in den faszinierenden Sog heftig anziehender Hand­lungsumsetzung. Nachdem ich in den ersten 7 Jahren der Arbeit an dieser Serie gerade mal bis hierher gelangt war, schrieben sich ab 1991 für eine Weile die Episoden geradewegs von selbst.

Erst das Auffinden von zwei neuen Helfern des Lichts in der Serie, TOTAMS direkte Intervention, die Konfrontation mit den legendären CROMOS, den sturen Beauftragte der Sieben Licht­mächte, die Kegelwelten-Geschichte und die galaktische Eini­gung, die ein konzentriertes Vorgehen gegen die Drohung des „Galaxienbezwingers“ möglich machen sollte … da passierte in diesem Jahr erstaunlich viel.

Möglicherweise war das ein Abglanz meines zu der Zeit auch privat recht turbulenten und an Neuigkeiten reichen Lebens. Da war die FOS Wirtschaft, dann das Wolfsburg-Kolleg, meine Freundin Maria trat in mein Leben, ich half, die Literaturwerk­statt Gifhorn mit zu gründen … dass ich dann auch im OSM zu neuen Ufern aufbrach – etwa in den KONFLIKT 19 „Oki Stanwer – Der Missionar“ ab dem 1. Januar 1991, das gehört irgendwie alles zusammen.

Durch die Abschriften und Kommentierungen der Episoden aus KONFLIKT 16 wird diese Zeit in meinem Geist wieder auf schöne Weise reaktiviert.

16Neu 32: Duell auf Artefakton

Blogartikel 526: Aus den Annalen der Ewigkeit – alt und neu (LIV)

(16Neu 34: Die Warnung)

(16Neu 35: Die violetten Lichter)

(16Neu 37: Unheimliche Wächter)

(Aktion TOTAMS Ende – OSM-Roman)

(13Neu 48: Das Grauen aus der Wand)

Anmerkung: Und hiermit beginnt das, was landläufig bei mir seit 37 realen Jahren unter dem Label „Inferno von Whitmore“ bekannt ist. Ein Kampf, der fundamental das ganze Gefüge des KONFLIKTS 13 „Oki Stanwer Horror“ erschüttert und noch einmal weiter dramatisiert … als wäre der CLOGGATH-KONFLIKT bis dahin nicht schon dramatisch genug.

(Gabriela – Erotic Empire-Story)

(13Neu 49: Das Ghoul-Grab)

(13Neu 50: Dreimal Kleines)

Blogartikel 498: Marionetten des Schicksals?

Anmerkung: Das war dann, wie ihr seit Monaten inzwischen wisst, eine Momenteingebung aus diesem Monat, kurz vor Toresschluss, könnte man sagen (geschrieben am 29. November 2022). Passte irgendwie gut zum Ende des Schreibzeitraums.

Damit wäre ich dann auch schon wieder am Ende meines heuti­gen Berichts angelangt. In der nächsten Woche werfen wir ei­nen weiteren Blick in ein Langzeitprojekt … und da dieser Be­richt dann erst Ende Juli 2023 erscheinen wird, während wir heute ja gerade mal den 1. Dezember 2022 schreiben, könn­te es sehr gut sein, dass dann der Berichtsstand etwas veraltet ist. Denn es juckt mich sehr in den Fingern, also den CK, gerade dieses Lang­zeitprojekt fortzuschreiben.

Mal sehen, ob das tatsächlich passiert. Ich halte euch auf dem Laufenden.

Bis bald dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 414: Insel der Katzen – Hydra

Posted Juli 26th, 2023 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

manchmal macht man süße und aufschlussreiche Entdeckungen abseits der ausgetretenen Wege, ganz gleich, ob es dabei Rei­sewege oder Lesewege der bisherigen Interessen betrifft. Um einen solchen Fall handelt es sich bei dem heute vorzustellen­den Buch, bei dem mir die Einordnung in gängige Kategorien ein wenig schwer fällt.

Am ehesten ist das Buch der Fotografin Gabriela Staebler wohl als Reisebuch zu verstehen, denn es geht schließlich um ein Reiseziel, das vorgestellt wird. Und nein, wir landen hier nicht in der Marvel-Parallelwelt, wenn der Name Hydra im Titel auf­taucht. Der Begriff ist bekanntlich von der Comicbranche geka­pert und in gewisser Weise pervertiert worden, während er recht eigentlich griechisch-mythologischen Ursprungs ist. Und genau dorthin entführt uns dann auch dieses Buch: in die Welt der griechischen Kykladeninseln.

Ich kannte, wie in der Rezension geschrieben wird, die Insel Hy­dra noch nicht, aber ich lernte sie durch diese Publikation lie­ben, insbesondere ihre vierbeinigen Bewohner. Gleichwohl hat die Fotografin nicht ein reines Wohlfühlbuch einer idyllischen In­sel-Gegenwelt geschaffen, sondern beweist auf einer anderen Ebene durchaus ihren kritischen Gegenwartsverstand. Sie be­weist damit, dass es möglich ist, ein Buch mit vielschichtigen Facetten und wachem Problembewusstsein zu erschaffen, und nicht zuletzt diese realistische Vielseitigkeit hat mir das Werk sehr nahe gebracht.

Werfen wir am besten mal gemeinsam einen Blick auf die klei­ne, abgeschiedene Kykladeninsel Hydra, die noch jenseits des Touristik-Mainstreams liegt:

Insel der Katzen – Hydra

Von Gabriela Staebler

Edition Reuss

242 Seiten, geb.

ISBN 978-3-943105-34-6

Ein idyllischer Weg führt an der Küste entlang zum Hafen. Auf halber Strecke sehe ich sie zum ersten Mal – die Katzen von Hy­dra. Vierzehn Samtpfoten haben sich im Schatten eines Baumes versammelt. Sind das Streunerkatzen?

Ich lasse mich auf einem Felsbrocken nieder und beobachte die Katzenkolonie. Es sind hübsche Tiere mit allen möglichen Fell­farben und gemusterten Haarkleidern. Sie werden sich wohl nicht streicheln lassen, denke ich. Weit gefehlt – schon bald streichen kleine Felltiger um meine Beine herum und fangen an, vernehmlich zu schnurren. Und sie reagieren dankbar auf meine Streicheleinheiten, antworten mit leisem Miauen auf meine Worte. Ich verspreche, wiederzukommen und Futter mitzubrin­gen…“

So fängt die Liebesgeschichte der deutschen Fotografin Gabrie­la Staebler mit den Katzen der Kykladeninsel Hydra an, die ich bis zur Entdeckung dieses Buches selbst auch nicht kannte. Letzteres kann natürlich nicht verblüffen – ich bin einfach kein weit gereister Globetrotter und erschließe mir Reiseziele prinzi­piell indirekt durch Dokumentationen und Bücher. Aber ich habe durchaus ein Faible für die Mittelmeerinseln und den mediterra­nen Raum im Allgemeinen. Und ich mag Katzen.

Als ich also in einem Prospekt das Buch entdeckte, auf dem zehn (!) erwartungsvolle Katzen im Hafen von Hydra vor einem Fischkutter posieren, da war mir irgendwie klar: Verdammt, das Buch musst du unbedingt haben. Wenn es auch nur halb so gut ist, wie das Cover verspricht, wird das ein unglaubliches Lese­vergnügen.

Um es kurz zu machen: Die Erwartung wurde weit übertroffen. Katzen bekommt der Freund der schnurrenden Haustiger wirk­lich zuhauf zu sehen, in allen möglichen Situationen und an den unglaublichsten Locations. Ob es auf der alten Burgfestung ist, wo sie sich auf Kanonenläufen sonnen. Ob es unter schattigen Gebüschen ist, ob sie streunend als „Gang“ über die Straßen flanieren, als würden sie ihnen gehören … es ist wirklich herzer­wärmend, den Katzen von Hydra zu folgen und ihren Lebens­raum auf den zahllosen Farbfotos kennen zu lernen.

Naturgemäß reichen die Katzen allein aber kaum aus, um ein ganzes Buch zu füllen. So finden sich also dementsprechend auch, verteilt auf 10 Kapitel, zahlreiche Informationen über Land und Leute und die Geschichte der Insel Hydra durch die vergangenen Jahrhunderte. Der Bürgermeister George E. Kou- koudakis von Hydra steuert ein informatorisches Geleitwort bei, und am Ende des Buches wird die Arbeit des Vereins HydraArk geschildert, um bei allem Respekt gegenüber der idyllischen Landschaft von Hydra und den sanftmütigen Katzen auch durch­aus problematische Aspekte anzusprechen.

Gerade letzteres fand ich dann ausgesprochen vernünftig. Denn Hydra litt lange unter etwas, was wir als Spezies Mensch im glo­balen Maßstab sehr gut kennen. Aber wir Menschen sind im Ge­gensatz zu den Hydra-Katzen nicht so gut darin, dieses Problem zu managen. Es heißt ganz simpel: Überbevölkerung und deren Folgekomplikationen.

Die Katzenliebe der Insulaner ist herzerwärmend und rührend, eindeutig. Aber sie ist, wie Gabriela Staebler auch fotografisch festhält, nicht ausschließlich positiv. Wir befinden uns hier nicht im rosa Märchenland, was der Aufruf von HydraArk am Ende des Buches auch deutlich macht. Die hungrigen Mäuler der zahllosen Katzen von Hydra zu stopfen, ist nicht allein die Lö­sung. Es wird mit Recht berichtet, dass sich durch die starke Vermehrung in der Katzenpopulation auch Krankheiten auszu­breiten begannen, die z. B. zu Erblindungen und Schlimmerem führten.

HydraArk wurde mit dem Ziel gegründet, die Katzenpopulation einerseits durch gezielte Sterilisation in dem ungehemmten Wachstum zu begrenzen und zum anderen kranke Katzen ziel­strebig aus der Bevölkerung herauszuziehen, um sie zu heilen. Zwar ist die Arbeit von HydraArk ein wenig mit dem Kampf ge­gen ein vielköpfiges Ungeheuer zu vergleichen, weil diese Sisy­phos-Arbeit eben nie wirklich aufhört. Aber sie wird zumindest getan. Und ein Teil der Erlöse dieses Buches fließt auch in die Kasse von HydraArk, was ich sehr ehrenwert finde.

Das Buch erfüllt auf diese Weise mehrere Zwecke. Zum einen ist es Ausdruck der warmherzigen Katzenliebe der Fotografin, zum zweiten fördert es, wie eben erwähnt, die Arbeit von Hy­draArk und kommt so langfristig den Katzen selbst zugute, und drittens sind die wunderschönen Landschaftsfotografien gera­dezu eine Einladung, Hydra als Tourist selbst zu besuchen. Man sollte allerdings wahlweise gut zu Fuß sein oder zumindest kei­ne Abneigung gegen Maultiere haben, denn das sind bis heute die einzigen Verkehrsmöglichkeiten auf Hydra.

Doch wer sich davon nicht schrecken lässt, dem ist ein Besuch auf der Katzeninsel Hydra sehr ans Herz zu legen. Und vielleicht geht es ihm dann genauso wie Gabriela Staebler, die einst eher zufällig auf einem Segeltörn die Insel ansteuerte und schon im Vorwort sagt: „Nach meiner ersten Begegnung mit den Katzen war klar, dass Katzenfutter jetzt Vorrang hatte vor Orangen und Kartoffeln. So hatten wir kiloweise Katzenfutter in unseren Rucksäcken – genug, um die Katzenkolonie wenigstens einmal satt zu bekommen. Es war, als ob sie mein Versprechen ver­standen hätten, als wir uns dem schattigen Baum wieder näher­ten. Mit erhobenen Schwänzen und laut miauend kamen sie auf uns zu!

Ich verteilte das Futter so, dass es keine Konflikte gab. Die Tiere waren sehr hungrig und schlangen ihr Futter hastig herunter. Nur eine Katze beteiligte sich nicht am großen Fressen – sie wollte lieber ausgiebig gestreichelt werden …“

In diesem Sinne: willkommen auf Hydra!

Ein tolles Buch – definitive Leseempfehlung!

© 2019 by Uwe Lammers

Ihr merkt schon deutlich, dass ich vor vier Jahren sehr gefangen genommen wurde von der Lektüre dieses Buches, und das ge­schah meiner Ansicht nach auch vollkommen zu Recht. Es war eine sehr willkommene Abwechslung von Krimis, SF- und eroti­schen Romanen, die ich sonst so las, auch von historischen Ab­handlungen. Es kam mir vor wie Wellness-Urlaub, den ich in die­sem Buch machte … eine schöne Erfahrung, die ich jedem Leser gönne.

In der kommenden Woche kehren wir in den Romankosmos von James Rollins zurück und betrachten ein weiteres Abenteuer der Sigma Force.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Blogartikel 520: Close Up: Der OSM im Detail – Teil 45

Posted Juli 23rd, 2023 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

die dramatischen Abenteuer Oki Stanwers und seiner Gefährten gehen auch in diesem Fünferblock des Close Ups weiter. Wir er­innern uns: Oki Stanwer wendete kürzlich mit Müh und Not und einem letztlich fatalen Bluff die militärische Besetzung des EL­DORADO-Systems ab, was Tausende von SRU-Raumsoldaten das Leben kostete, weil die rätselhaften Lontreks einschritten – die All-Hüter, Matrixfehler und damit Wesen, die es eigentlich längst nicht mehr geben durfte.

Um zu verhindern, dass sie die gesamte Sternenreichsunion nun auslöschten, wozu sie durchaus fähig gewesen wären, folg­te Oki ihnen in den Wega-Sektor und wurde hier mit einem ge­heimnisvollen Fremden konfrontiert, der sich als Befehlshaber der All-Hüter ausgab. Ein jäh aufbrechendes entropisches Phä­nomen, der so genannte „Weltraum-Vulkan“, beendete sowohl die Intervention der All-Hüter, verletzte aber auch Oki Stanwer und den Emissär (Klivies Kleines) schwer. Der amtierende Ma­trixkoordinator konnte gerade noch Okis Schiff, die ARCTUR, auf Heimatkurs nach ELDORADO schicken und so sein Leben retten.

Parallel dazu ist Ekkon, der Ritter vom Goldkristall, unterwegs im Reich der Artaner, um zu verhindern, dass das Realität wird, was drohend am galaktischen Horizont gewittert: ein mörderi­scher kosmischer Waffengang zwischen den Insektoiden und der Sternenreichsunion.

Hier trifft er zu seiner Verstörung auf die fanatische Bruder­schaft vom Schwarzen Ei, die Terrahass auf ihre Fahnen ge­schrieben zu haben scheinen … aber dann erweist sich der ge­heimnisvolle Shiiroc, der Anführer der Bruderschaft, als ein ky­bernetisches Wesen – ein Okiroboter! Die Okis, ein von den Baumeistern einst im KONFLIKT 9 geschaffenes Robotervolk, dürfte es aber eigentlich auch nicht mehr geben. Und als Ekkon durch einen Transmitter geführt wird, lernt er den eigentlichen Drahtzieher kennen …

Episode 26: Stern der Toten

(1991, digitalisiert 2022)

Fortführung und Abschluss der Ekkon-Handlungsebene: Jenseits des Transmitters erreichen Ekkon und die beiden Okis, die ihn begleiten und die im Reich der Artaner auf Slyakoor die Geschicke der fanatischen Bruderschaft leiten, den Ort, wo das alles begonnen hat.

Zu seinem ungläubigen Staunen und gleichzeitigen Grausen be­findet sich Ekkon nun auf dem so genannten „Stern der Toten“ … und der originäre Name dieses künstlichen Planeten ist ihm aus alten historischen Aufzeichnungen vertraut: Es handelt sich um den Okiplaneten, im KONFLIKT 9 das Zentrum des okischen Imperiums. Und bald konferiert er mit der kybernetischen Zen­tralintelligenz der Welt, mit BURTSON.

Matrixfehler, das ist Ekkon gleichzeitig bewusst, sind rätselhafte Mysterien des Universums, und im Zweifelsfall mörderisch. Die Lontreks alias All-Hüter haben das bewiesen, das könnte ihm Klivies Kleines sagen. Und auch das, was die „Bruderschaftler“, die von den Okis gelenkt werden, im artanischen Reich anrich­ten, scheint sehr in dieselbe Richtung zu zielen. Ekkon vergisst natürlich auch nicht, dass die Baumeister in ihrer Paranoia Ma­trixfehler allesamt für Schöpfungen TOTAMS halten. Und für­wahr: Wenn die Okis die Artaner gegen die SRU-Terraner aufsta­cheln, sieht es nicht ganz so aus, als verhielte es sich ganz so?

Nein, es ist völlig anders, erklärt BURTSON ihm gelassen einen Plan, an dessen Umsetzung er schon seit Jahrzehnten arbeitet. Seine Okis haben in Maske sowohl die SRU- als auch die Arta­ner-Hierarchie unterwandert, und was er plant, ist nichts Gerin­geres als einen beiderseitigen Putsch … mit einem ungeheuerli­chen Ergebnis …

Episode 27: Der schwarze Sektor1

(1991, digitalisiert 2022)

Blende zu Klivies Kleines und den All-Hütern: Direkt nach dem Desaster im Wega-Sektor (Bde. 21/22) haben sich die roboti­schen All-Hüter zurückgezogen auf die Werftwelt. Klivies Kleines ist durch die entropische Strahlung des „Weltraum-Vulkans“ schwer verletzt und verbringt Wochen in Regenerationsröhren, bis er wieder halbwegs auf dem Damm ist.

Die Terraner und Artaner, die auf der Werftwelt gefangen und auf seine Fürsprache angewiesen sind, macht dieses lange Ver­schwinden von Kleines unruhig, verständlicherweise. Machen doch die All-Hüter deutlich, dass ihnen Leben absolut nichts be­deuten.

Als Kleines wieder auftaucht, immer noch reichlich angeschla­gen, setzt er den ursprünglichen Plan um, den er schon verkün­det hat (Bd. 15): Im Reich der All-Hüter gibt es eine große Regi­on, in der der Kontakt zu allen dort liegenden Welten des Impe­riums ausgefallen ist. Dabei handelt es sich um den so genann­ten „schwarzen Sektor“. Nun stellt Kleines ein gemischtes Kom­mando aus All-Hütern, Artanern und Terranern zusammen, um den Sektor genauer zu untersuchen.

Ein erstes Orientierungsmanöver in ein bekanntes System of­fenbart, dass hier wirklich Katastrophen passiert sein müssen – viele Planeten sind vollkommen verwüstet. Und dann werden sie auch noch angegriffen! Als Kleines zögert, radikal zuzuschla­gen, übernehmen die All-Hüter und löschen kategorisch alle An­greifer mit Kernzündungswaffen aus.

Daran merken die entführten Raumfahrer beunruhigt, dass Klei­nes‘ Einfluss augenscheinlich nicht allzu weit reicht und ihr ei­genes Leben bei irgendwelchen Widersprüchen immer noch in akuter Gefahr ist.

Und dann geraten sie bei der nächsten Transition direkt in eine kosmische Staubwolke, die es hier auch nicht geben sollte: Ist das ein weiterer Matrixfehler? Oder verbirgt sich hier, wie Klei­nes fürchtet, tatsächlich der Dämonenplanet TOTAM …?

Episode 28: Die Entführung

(1991, digitalisiert 2022)

Blende zum Planeten ELDORADO: Etwa zeitgleich mit der Re­konvaleszenzphase von Klivies Kleines kehrt das eldoradanische Schiff ARCTUR ins ELDORADO-System zurück. Von allen an Bord Befindlichen leben allerdings nur noch zwei – Oki Stanwer und sein Freund und Helfer des Lichts Thor Gordenbeyl. Das Log­buch erweist sich als gelöscht … so erfährt niemand, dass es der LEUCHTENDE war, der die ARCTUR auf Heimatkurs schickte.

Die beiden Überlebenden werden im Krankenhaus von Exos-City behandelt, wo Oki alsbald Besuch von seiner zynolerischen Ge­liebten Miriam erhält, die ihn durch ihre fürsorglichen Zuwen­dungen rasch wieder kokett ins Leben zurückruft. Beide ahnen nicht, dass sich längst neues Unheil ankündigt, weit entfernt.

In der Zentrumsrepublik Otanien, Tausende von Lichtjahren ent­fernt, ruft das Regierungsgremium, die „Plattform der Vier“, den Adeligen Tarlan von Jareen zu sich und beauftragt ihn, mit ei­nem Einsatzkommando nach ELDORADO aufzubrechen. Nach den vom Planeten Hellside übermittelten Worten ist es essenzi­ell, Oki Stanwer nach Otanien zu bringen.

Tarlan versteht den Sinn dieser Aktion nicht, aber er führt sie mit perfekter Akkuratesse durch. Noch aus dem Krankenhaus wird Oki Stanwer heraus entführt, und weil Miriam gerade bei ihm ist, ist sie das zweite Entführungsopfer.

Zwar spüren Thor Gordenbeyl und Harg Segor als Helfer des Lichts umgehend, dass Oki Gefahr droht – die Helfer-Kopplung spricht sofort an – , doch kommen sie zu spät, um einzuschrei­ten. Und das otanische Schiff transistiert, ohne dass man es verfolgen kann.

Wieder einmal ist Oki Stanwer spurlos verschwunden …

Episode 29: Sprung in die Feuerhölle

(1991, digitalisiert 2022)

Fortsetzung von Band 28: Oki Stanwer, seine Geliebte Miriam und Tarlan von Jareen mitsamt ihrem otanischen Entführungs­kommando erreichen die Zentrumsrepublik Otanien, wo Oki mit dem Ordensführer Yesco von Arlaain zusammentrifft. Er erklärt ihm unter Zuhilfenahme einer Phantomzeichnung, dass ein We­sen, das als „Sternen-Orakel“ oder Orakel von Hellside bezeich­net wird, gesagt hat, nur er, Oki Stanwer, könne es aus dem „Jahrmillionen-Kerker“ befreien, der sich auf der Höllenwelt Hell­side befindet.

Oki erkennt das dargestellte Wesen jählings wieder: Es handelt sich um den vormaligen Matrixkoordinator des KONFLIKTS 15, den WÄCHTER! Und selbst um den Preis, dass er sich Miriams Zuneigung verscherzt, erklärt er sich bereit, mit Tarlan von Ja­reen und einem kleinen Raumfahrzeug nach Hellside abzustei­gen.

Ihm und auch allen anderen ist dabei nicht klar, dass er sich in eine Todesfalle begibt, doch wird Oki Stanwer das rasch deutli­cher – während sie sich dem Standort der Kristallpyramide nä­hern, erwachen nämlich in den Felswänden der umliegenden Berge uralte Abwehranlagen zum Leben, die niemand orten konnte. Und sie unternehmen den brutalen Versuch, mittels Pri­märenergiebeschuss das Raumfahrzeug abzuschießen!

Oki Stanwers jäh erwachende paramentale Fähigkeiten bringen Tarlan und ihn selbst mit dem Fahrzeug kurzzeitig in Sicherheit, wodurch sich ein minimaler Zeitsprung um ein paar Tage in die Zukunft ereignet … und als sie dann die Pyramide ansteuern und den WÄCHTER befreien wollen, gehen von neuem die Waf­fensysteme auf sie los.

Mit Müh und Not gelingt die Rettungsaktion. Hinter ihnen löscht eine gewaltige Selbstzerstörungsanlage alles aus und verwüstet weite Teile der Planetenoberfläche.

Zurück bleibt das unerklärlich scheinende Rätsel – wieso wollten Waffensysteme, die augenscheinlich von den Baumeistern ge­schaffen wurden, Oki Stanwers Tod? Wieso wurde der WÄCHTER hier eingekerkert und jeder Befreiungsversuch vereitelt? Was weiß dieses vierarmige Riesenwesen, das vielleicht entschei­dend für den Verlauf des KONFLIKTES sein könnte …?

Episode 30: Auf den Spuren der Zyw-Grynoth

(1991, digitalisiert 2022)

Fortsetzung von Oki Stanwers Otanien-Abenteuern: Nach der er­folgreichen Flucht von Hellside offenbart sich der gerettete WÄCHTER als vierter Helfer des Lichts. Durch die Zeitfraktur ha­ben sie inzwischen allerdings schon 11 Tage verloren. Man schreibt den 17. Juni des Jahres 3896 – ohne dass das hier je­mand ahnt, ist das ein kosmisches Zäsurdatum. Die Zynolerin Miriam ist zwischenzeitlich wieder nach ELDORADO abgereist und hat die Beziehung zu Oki beendet.

Der WÄCHTER hat einige Rätsel auf Lager, als er endlich ge­sprächsbereit ist. Nicht nur, dass er erzählt, es gebe in diesem KONFLIKT „mehrere Fraktionen von Baumeistern“, und nicht alle gingen mit den Zielen der Lichtmächte konform. Er hat auch In­formationen über die Kegelwelten … und erläutert, dass vor Mil­lionen von Jahren die wurmgestaltigen Zyw-Grynoth, die Wäch­ter über die Kegelwelten waren. Doch damals gab es augen­scheinlich eine Art Putschversuch, dem die Schmelzenden – die jetzt im Mond Zwei von Hellside leben – und er selbst, der WÄCHTER, zum Opfer fielen. Von den angeblich rund tausend Kegelwelten funktionieren nun nur noch zwei: Artefakton (die Pi­ratenwelt, auf der Oki Stanwer Anfang der Serie auf Thor Gor­denbeyl traf) und ein Planet namens Rhytekon-5. Beide liegen im Reich der Zyw-Grynoth am Galaxisrand.

Der WÄCHTER weist auch auf die Bedrohungslage durch TOTAM und den Galaxienbezwinger hin. Letzterer wird in Bälde die Milchstraße überfallen und residiert in der Galaxis Kirrongar, 63 Millionen Lichtjahre weit entfernt … also empfiehlt der WÄCH­TER den Otaniern, unbedingt mit den Freihandelswelten wie EL­DORADO, Mountain Grace und Loki Kontakt aufzunehmen, um eine Abwehrallianz zu bilden.

Während all das auf Otanien geschieht, passiert an diesem 17. Juni noch etwas anderes: Im artanischen Reich ereignet sich der Putsch der Bruderschaft vom Schwarzen Ei. Dann machen sich Tausende von artanischen Schlachtschiffen auf den Weg zum Herz der Sternenreichsunion.

Die Beobachter auf ELDORADO, denen dieser Aufmarsch nicht verborgen bleibt, fürchten verständlicherweise, dass nun das Ende der Erde unmittelbar bevorsteht … aber zeitgleich findet auch im Wolfsnest, dem militärischen Herzen der SRU, ein Putsch durch die maskierten Oki-Roboter statt … und dann er­klärt die Artaner-Streitmacht einen dauerhaften Frieden, dem ein Notkomitee der SRU-Führung, dominiert von Okis, ebenfalls zustimmt.

Mit einem Schlag scheint ein Märchen Wahrheit geworden zu sein: Langfristiger, dauerhafter Frieden zwischen den beiden größten und stärksten Sternenreichen der Galaxis! Thor Gorden­beyl, Harg Segor und der Rest der Eldoradaner wähnt sich wirk­lich in einem Traum!

Die Lichtmachtbediensteten, der LEUCHTENDE und Ekkon, ver­folgen die Geschehnisse aus der Dimensionszentrale natürlich ebenfalls. Der Matrixkoordinator, der bis zum Schluss skeptisch war bezüglich Ekkons Worten, muss nun zugeben, dass er offen­sichtlich kleingeistig war. Doch ganz zum Schluss gibt Ekkon noch etwas zu bedenken, was für die Leser völlig kryptisch ist: LEUCHTENDER, ist das Problem der Plus-Okis eigentlich jemals geklärt worden?“

Das lässt den vierarmigen Riesen erschauern. Das Plus-Oki-Pro­blem ist eine Komplikation aus dem KONFLIKT 9, das mit der neurotischen Seele des Okiplaneten zu tun hat und damals das okische Imperium in seinen Grundfesten bedrohte.

Wenn die Okis da sind, sind üblicherweise auch die Plus-Okis nicht weit … und das Problem ist eines, das BURTSON nicht se­hen kann. Insofern: Ja, sie haben Frieden zwischen den Artanern und den SRU-Terranern, und alles scheint harmonisch zu sein. Aber das kann leider auch sehr schnell in einen Alptraum um­schlagen.

Oki Stanwer und eine otanische Delegation macht sich derweil auf die Suche nach den Kegelwelten, während Oki per Funkspruch nach ELDORADO dazu auffordert, ein Verteidigungsbündnis der Freihandelswelten gegen den „Galaxienbezwinger“ zu schmieden.

Er ahnt nicht, dass er sich mit der Reise ins Zyw-Grynoth-Territo­rium in Lebensgefahr begibt …

Mehr zu dieser Reise und allem, was sich daraus ergibt, erzähle ich in der nächsten Folge der Close Up-Artikel. In der kommen­den Woche steht erst mal die Generalschau meiner kreativen Aktivitäten für den Monat November 2022 auf dem Programm.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Obacht! Ihr werdet in diesem und den nächsten beiden Blogartikeln dieser Reihe fest­stellen, dass es hier zwei Zeitströme gibt, das fängt in diesem Band an. Anfangs fol­gen wir Zeitstrom 1, mit Band 39 wird in Zeitstrom 2 gewechselt. Dies nur als Vorwar­nung, um Verwirrung abzumildern.

Rezensions-Blog 413: Skirmish

Posted Juli 19th, 2023 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

ja, das ist wieder mal der Fall eines sehr alten Buches und zu­gleich ebenfalls einer ziemlich angegrauten Rezension aus dem Jahre 2001 … mit der bekannten Konsequenz, dass ich damals nicht alle bibliografischen Daten erfasst habe (Originaltitel, ISBN und Erscheinungsjahr etwa). Das tut dem Gesamteindruck aber, will ich hoffen, keinen signifikanten Abbruch. Ich würde mal schätzen, dass das Goldmann-Taschenbuch, da ich es schon als Jugendlicher im Büchereiregal stehen sah, etwa um das Jahr 1977 erschienen sein muss, die Stories selbst stammen schät­zungsweise aus den 60er Jahren.

Es ist also kein Wunder, wenn sich mir bei der Lektüre der Ein­druck aufdrängte, manche der verwendeten Topoi seien altbe­kannt … das galt vielleicht nicht für die Zeit, als Bob Shaw sie geschrieben hat, aber seither ist viel Wasser den Bach hinabge­flossen.

Aber Alter der Storysammlung hin, Alter der Geschichten selbst her: Das Fazit ist immer noch interessant, wie ich finde. Denn die einzelnen Facetten der Phantastik, die der Autor darbietet, haben schon einigen Reiz, auch nach so langer Zeit. Das ist ein bisschen wie bei Robert Howard oder Ray Bradbury, deren Wer­ke auch nur sehr begrenzt altern bzw. auch nach Jahrzehnten noch einigen stilistischen Charme ausstrahlen.

Seht ihr das genauso in diesem Fall? Riskiert mal einen Blick:

Skirmish

von Bob Shaw

Goldmann 23261

192 Seiten, TB

Deutsch von Tony Westermayr

Es ist schon faszinierend, wenn man ein Buch ausgelesen hat, das zehn Jahre lang in den eigenen Bücherregalen geschmach­tet hat – und wenn man zugleich dann die Impression spürt, die auf den ersten Zeitpunkt des Kennenlernens dieses Buches ver­weist. Im Fall der Storysammlung SKIRMISH von Bob Shaw weiß ich das noch sehr genau: Ich fand das Buch erstmals in der Hauptstelle der Stadtbücherei Wolfsburg, als ich noch ein klei­ner Junge war, das muss etwa im Jahre 1978 oder 1980 gewe­sen sein. Damals, als man mir – sehr zu meiner Verärgerung! – sagte, ich sei noch „zu jung“ für die Hauptstelle und solle mich doch an die Kinderbücherei wenden, die im selben Gebäude wäre. Meine Worte, dort hätte ich schon alles gelesen, was von Interesse war (was zumindest thematisch stimmte!), wurden nicht geglaubt.

An Bob Shaws Buch bin ich freilich, wenn auch etwas vom Cover fasziniert, eher vorbeigegangen, als ich dann schließlich in die SF-Ecke vorstoßen durfte. Vielleicht hätte ich es damals lesen sollen. Heute bin ich etwas zu kritisch für dieses Werk, so sehr ich Shaw auch schätze.

In Skirmish, der Titelgeschichte (was in etwa „Scharmützel“ be­deutet und deshalb naheliegenderweise nicht übersetzt auf dem Cover landete – so ein Buch würde sich mit DEM Titel ge­wiss nicht verkaufen), wird ein verkrüppelter alter Mann na­mens Gregg im Wilden Westen Zeuge, wie aus dem Nichts in der Wüste eine hochschwangere Frau in einem silbernen Anzug auftaucht und kann sie gerade noch vor zwei Reitern retten, die in der Frau eine Mexikanerin (!) sehen und sich mit ihr vergnü­gen wollen, bevor sie ihr den Garaus machen.

Es ist nur zu dumm, dass die beiden Reiter Josh Portfields Ranchtruppe angehören, die Greggs Arme bereits einmal gebro­chen haben. So hat Gregg mehrere Probleme: eine schwangere Frau, die unbedingt auf SEINER Farm ihr Kind bekommen möch­te, außerdem die Leute von Portfield, die ihm ans Leder wollen. Und dann stellt sich heraus, dass die fremdartige Frau auch noch verfolgt wird …

Schneemenschen im Himalaya dürfte meinen Freund Michael Baumgartner frustrieren. Denn die Lösung, die diese Geschichte für das Yeti-Problem bietet, ist doch gar zu bizarr. Und zudem muss man, um den Ursprung der Yetis zu finden, etliche Licht­jahre von der Erde fortfliegen in ein fremdes Sternensystem und durch einen Glasfaser-Nachbau des Mount Everest. Wie das zu­sammenpasst, sei hier nicht verraten …

Ein vollwertiges Clubmitglied zu werden, ist nicht einfach. Es reicht keineswegs, alle 43 Tage seine 864.000 Dollar zu zahlen. Aber das merkt Philip Connor, auf der Jagd nach seiner durch Erbschaft neureichen Freundin – und auf der Jagd nach einem unbeschreiblich perfekten Feuerzeug! – zu spät. Denn die per­fekten Waren, die offenbar nur von dem Eigentümer benutzt werden können, kommen buchstäblich von den Sternen …

Die stillen Partner wären gut miteinander ausgekommen. Wenn es nur beide Seiten rechtzeitig gewusst hätten. Leider argwöhnt der entführte Purvey zu schnell, dass das, was ihm sein un­menschlicher Gesprächspartner erzählt, nicht so ganz stimmen kann, und bringt ihn daraufhin um. Das hätte er besser nicht getan …

Das Lächeln der Gioconda ist weltberühmt. Leonardo da Vinci malte die Mona Lisa vor Jahrhunderten, und noch heute ist ihr Lächeln unentschlüsselbar. Phil Dexter, Psi-Detektiv von Beruf, hat mit Kunst nicht viel am Hut. Das ändert sich dramatisch, als seine neue Klientin Carole Colvin ihn darum bittet, mit seinen Gaben die Echtheit eines Gemäldes nachzuprüfen, das sie von ihrem Vater geerbt hat.

Es ist die Mona Lisa.

Oder zumindest fast. Zweifelsohne hat sie da Vinci gemalt, das spürt der Psi-Detektiv eindeutig mit seinen Fähigkeiten. Doch sie scheint die Hände anders zu halten … existieren mehrere Versionen davon? Gibt es vielleicht noch mehr davon? Der allei­nige Gedanke daran ist atemberaubend. Auf der Suche nach dem Ursprung des Gemäldes geraten die beiden schließlich nach Italien in eine Höhle, wo sie sowohl den Herkunftsort des Gemäldes finden als auch den Grund für das rätselhafte Lächeln der Mona Lisa. Aber dann …

Die Horrorgeschichte in 81 Bildern ist wider Erwarten völlig un­bebildert. Sie folgt dem Ablauf nach alten Comic-Horrorge­schichten aus der Frühzeit der Horrorstory zu Beginn dieses Jahrhunderts. Ein etwas zurückgebliebener und introvertierter Junge wird eines Abends Zeuge, wie ein gespenstisches Etwas aus dem Fluss nahe der Stadt steigt. Bald darauf verschwindet ein Passant. Wenig später eine zweite Person.

Und dann wird das Ungeheuer – was auch immer es sein mag – auf ihn aufmerksam, und mit panischer Angst versucht er, den Behörden einen Tipp zu geben, wohin die Verschwundenen ge­gangen sind. Allerdings versteht er bis zuletzt nicht, weshalb die Opfer das langsame Fremdwesen nicht GESEHEN haben, das sie tötete …

Sonnenhund gegen Ikarus ist ein Ausflug in die Mythologie, frei­lich mit einem Großraumflugzeug, das eine besondere Art von Nuklearwaffe in ein Krisengebiet bringen soll. Dabei begegnet ihnen ein Vogel … oder vielleicht doch etwas anderes …?

Tödlicher Reigen hätte besser unter seinem Originaltitel Waltz of the Bodysnatchers gestanden. Auf dem Planeten Oregonia herrscht die katholische Kirche. Ehebruch und Selbstmord sind ebenso verboten wie Scheidungen und Mord. Das ist eine schwierige Lage für einen Mann wie Mike Lorimer, der eine in­tensive uneheliche Beziehung zu einer jungen, aufregenden Frau hat. Im Gegensatz zu ihm ist Fay Willen nämlich mit dem alternden Gerard verheiratet, der sie mental liebt, aber eben nicht physisch.

Um den perfekten Mord zu begehen, braucht Lorimer einen Selbstmörder. Das klingt etwas seltsam, wird aber verständli­cher durch die Handlungslogik: Wenn ein Selbstmörder Gerard Willen tötet, wird bei der persönlichen Bestrafung dessen Geist in den Körper des Toten übertragen und umgekehrt. Der eigent­lich Ermordete lebt also weiter, allerdings in einem anderen Kör­per. DANN aber ist – nach kirchlichem Recht – der Bund der Ehe aufgelöst, und Fay Willen wäre frei für Lorimer.

Alles ganz einfach? Es sieht sogar perfekt aus, als mit Raymond Settle ein Selbstmörder zu Lorimer kommt. Aber das perfekte Verbrechen sieht dann etwas anders aus, als es den Anschein hat …

Jagd auf den Feuermann ist eine der Geschichten, die durch den Anfang wirklich besticht. Warum? Weil die Neugierde sofort wach ist. Man schaue:

Der tote Polizist schwebte in einer Höhe von etwa dreitausend Metern auf die Kontrollzone Birmingham ein. Es war eine Win­ternacht, und die Frosttemperaturen, die in dieser Höhe herrschten, hatten seine Gliedmaßen erstarren lassen und sei­nen ganzen Körper mit schwarzem Eis überzogen. Blut, das durch zerschmetterte Panzerung geflossen war, hatte sich an­nähernd in Form eines Krebses verfestigt, dessen Scheren sei­nen Brustkorb umfassten …“

Selbst als der Leser den Grund dieses Schwebens begreift, bleibt dieses Bild beherrschend im Verstand stehen.

Die Gesellschaft der Zukunft hat mit Hilfe individueller Flugan­züge den Flugverkehr weitgehend aufgelöst. Das bringt natür­lich eine Reihe Probleme mit sich, unter anderem dreidimensio­nale Flugregeln für fliegenden Individualverkehr, mit Positions­lichtern, Flugkorridoren usw. Nun gibt es allerdings eine Vielzahl von Leuten, die sich daran nicht halten, die ihre Lichter aus­schalten, selbstmörderisch durch die Fluglevels rasen und den Verkehr gefährden. Dafür gibt es Flugpolizisten.

Und es gibt jemanden, der Flugpolizisten jagt und sie mit einer Lanze tötet, als sei er bei einem mittelalterlichen Reitturnier. Dieser Verbrecher ist der Feuermann, und Flugpolizei-Sergeant Robert Hasson möchte ihn dringend zur Strecke bringen. Diese Jagd entwickelt sich allerdings zu einer tödlichen Angelegenheit …

Die Vielzahl von Geschichten in dieser Storysammlung gibt ei­nen guten Einblick in Bob Shaws Vielseitigkeit, die von gruseli­gen Stories bis zu echten Hard-Science-Stories reichen. Ein we­nig bedauerlich fand ich nur, dass viele dieser Ideen für einen Vielleser der Phantastik nicht wirklich neu sind, und dass Shaw ein wenig zu stark die Neigung zu einem mehr oder weniger un­eingeschränkten Happy End hat. Die Gesellschaften der Zu­kunft, die er entwirft und von denen er in ausgesprochen flüssi­gem, lesbaren Stil erzählt – ein Lob an dieser Stelle an den Übersetzer Tony Westermayr – , sind in gewisser Weise nicht kri­tisch genug, sondern bleiben irgendwie beliebig. Shaw drückt sich gerne vor genauen geographischen oder zeitlichen Zuord­nungen, was sich auf die Geschichten nachteilig auswirkt.

Als Leser von fünfzehn Jahren hätte ich das womöglich gar nicht bemerkt. Heute jedoch, wo ich Wert darauf lege, das Umfeld besser kennenzulernen als nur durch ein paar skizzierte Pinsel­striche, und wo ich kritischer gegenüber gesellschaftlichen Visionen bin, erscheinen mir manche von Shaws Geschichten fast munter beiläufig und schlicht.

Lesbar sind sie, das ist unbestreitbar. Sehr unterhaltend und mitunter lustig (besonders die Himalaya-Geschichte und die Gioconda), andere haben eine Prise schwarzen Humors (die Bil­dergeschichte etwa und die Bodysnatchers). Aber sehr tiefge­hend ist das alles nicht, der richtige BISS fehlt sozusagen. Viel­leicht hat die Übersetzung etwas entschärft, das kann man nie ausschließen. Vielleicht WAR Shaw damals aber auch so zahm. Weitere Werke werden das zeigen. Es liegt noch einiges von ihm seit Jahren bei mir „auf Halde“ und wird nun wohl verstärkt im nächsten Jahr gelesen werden …

© 2001 by Uwe Lammers

Ich würde schon sagen, dass man davon sprechen kann, dass hier eine ziemlich bunte Mischung aus phantastischen Ge­schichten vorliegt, die einen genaueren Blick selbst nach so vie­len Jahrzehnten durchaus rechtfertigen.

In der nächsten Woche wende ich mich einem sehr viel jünge­ren Buch zu, das wieder einem vollkommen anderen Genre ent­stammt. Am ehesten lässt es sich vielleicht der Reiseliteratur zuordnen. Es ist auch eindeutig von Vorteil, wenn man – wie ich – Katzenliebhaber ist. Wir besuchen eine idyllische Mittelmeerin­sel.

Mehr sei hier noch nicht verraten. Wer mehr wissen will, schaut in einer Woche hier wieder herein.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Blogartikel 519: Leserausch und Musikzauber

Posted Juli 16th, 2023 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

die Monate März und April 2023 sind schöne Oasen des un­glaublichen Vergnügens … ich bin momentan noch ein wenig benommen von all diesen köstlichen Dingen, dass es mir schwer fällt, konkrete Worte zu formulieren. Und das, obwohl mir der Titel des heutigen Eintrags sofort klar vor Augen stand und ich exakt wusste, was ich schreiben wollte.

Klingt widersprüchlich? Ich weiß. Aber so bin ich einfach. Am besten ist es wohl, ich kehre zu den Basics zurück, damit ihr erst die Situation vor dem März 2023 versteht und dann, was sich verändert hat. Das, was noch kommen wird, ist sowieso noch nicht gescheit in Worte zu fassen.

Auf meiner AuthorCentral-Seite schrieb ich vor Jahren schon, dass Autoren üblicherweise auch Bücher lesen und gern über die positiven Leseerfahrungen schreiben. Ihr wisst das, wenn ihr meinen Blogartikeln schon eine Weile gefolgt seid, spätestens seit dem Jahr 2015, als ich meinen Rezensions-Blog begann, der inzwischen auch schon deutlich über 400 Ausgaben erreicht hat. Und es gibt noch SOOO viele Werke, die ich schon gelesen und rezensiert habe, die aber erst so nach und nach sukzessive in den Blog überführt werden.

Ganz recht, Veränderung 1 hat genau mit Büchern zu tun, ich gehe unten in die Details.

Bücherschmökern und Rezensionen dazu verfassen, das ist für mich also völlig normal. Aber ich habe natürlich auch mal ge­schrieben, dass es Zeiten zum Lesen und Zeiten zum Schreiben gibt. Ich erlebe zurzeit das faszinierende Phänomen, dass beide Sphären sich tagtäglich überschneiden, und das ist, kurz ge­sagt: der Hammer!

Da muss ich selbst lachen bei der Formulierung, aber sie trifft tatsächlich den Kern.

Gerade im Schreibprozess ist es für mich höchst stimulierend, wenn ich Musik höre. Da gibt es meine schöne alte Anlage, die inzwischen schon gut ihre 30 Jahre auf dem Buckel hat (es sind vermutlich inzwischen eher 35, würde ich vermuten), und wenn die Musik endlos strömt, strömen automatisch auch meine Ge­danken, sodass das Schreiben dann eine Art von Reflex wird, meine Bilder fließen, Welten aufblühen, Charaktere sich entwickeln und jedwedes Verstreichen von Zeit absolut jede Bedeu­tung verliert.

Ihr, die ihr ebenfalls schreibt, kennt diesen Zustand sicherlich unter dem Begriff des Flows. Und in der Tat, ganz genauso fühlt es sich an.

So war das jedenfalls bei mir, und damit kommen wir zur Stufe 2 dieses kleinen Essays, bis etwa Anfang des Jahres 2022. Denn dann gab meine Anlage den Geist auf … der zentrale Schalter war so verkantet, dass er sich beim besten Willen nicht mehr bewegen ließ.

Folge: Kein Radioempfang mehr (von meinen morgendlichen 2 Stunden Deutschlandradio abgesehen, die ich allerdings über meinen kleinen Radiowecker hörte). Die umfangreiche CD-Sammlung: Unzugänglich. Musikalische Untermalung verküm­merte nun zu einem kläglichen morgendlichen Rinnsal.

Aber ich war ja nicht vollkommen eindimensional. Während ich mich nach und nach schlau machte, wo ich vielleicht eine neue Anlage herbekommen könnte und wie viel mich das wohl kosten würde, nutzte ich eine bislang nicht in Anspruch genommene Funktion meines Laptops und schaute mich unter dem Pro­grammpunkt „Multimedia“ um.

Da gab es nicht nur die Möglichkeit, DVDs abzuspielen, sondern auch CDs. Und noch ein wenig später fand ich die Möglichkeit, CDs zu kopieren und auf der Laptop-Festplatte zu speichern … und von dort wieder abzuspielen.

Okay, dachte ich, das ist schon mal eine kleine Verbesserung. Nun kann ich wenigstens Musik hören – ausgewählte – , wäh­rend ich Mails und Blogartikel schreibe.

War das genug?

Nein, natürlich nicht. Und warum nicht? Kann ich sofort erklä­ren: Es war ein wenig wie mit dem Vergleich von Mails und Brie­fen. Wie manche von euch wissen, schreibe ich leidenschaftlich gern ausführliche Briefe, die werden dann auch leicht mal 10 Seiten lang oder umfassen noch mehr Seiten. Mails dagegen betrachte ich also eine Art von Magerform der Kommunikation. So ein bisschen wie Mineralwasser mit Sprudel (was ich bevor­zuge) und solches ohne Sprudel … das schmeckt meiner Mei­nung nach fad und abgestanden und ist nur dann zu ertragen, wenn man partout gar nichts anderes Trinkbares im Haus hat.

Will heißen: Mails sind die Schrumpfversion von Briefen.

Und Laptop-Musik war die Schrumpfversion einer voll funktions­fähigen Anlage. Das hatte einmal mit dem Tonvolumen zu tun, dann aber mehr noch mit der damit einhergehenden Tatsache, dass ich nur Musik hören konnte, wenn ich am Laptop schrieb.

Nun schreibe ich die meisten meiner Texte aber an meinem sta­tionären Computer, und es ist rein vom Platzbedarf nicht mög­lich, beide Rechner parallel arbeiten zu lassen. Also bedeutete das auch weiterhin, dass die Laptop-Speichermusik ein Notbe­helf war und immer dann wirkungslos wurde, wenn ich am an­deren Rechner Geschichten schreiben wollte.

Das wirkte sich schon auf meinen Schreibelan deutlich aus, das ist nicht zu leugnen.

Also kümmerte ich mich stattdessen dann mehrheitlich um das andere Thema, das ich oben andeutete: Ums Lesen! Und damit lande ich dann in der Gegenwart.

Im März 2023 habe ich ungewöhnlich viel gelesen. Neben Zeit­schriften und Fanzines handelte es sich primär um einen roman­tischen Romanzyklus, dem ich anfangs etwas reserviert gegen­überstand: Geneva Lees „Royal“-Zyklus um ein fiktives briti­sches Adelshaus und die romantischen (und zum Teil hocheroti­schen) Verstrickungen der Königssöhne. Offiziell waren es 7 Bände, aber ich hatte schon längst herausgefunden, dass es da­nach noch eine weitere Trilogie gab, die kurzerhand eingemein­det worden war. Das bedeutete also, es waren insgesamt 10 Bände, und jeder hatte über 300 Seiten Umfang … nachdem die ersten beiden Bände meiner Auffassung nach so la la geschrie­ben waren, wurde der Zyklus mit den Bänden 3 und 4 deutlich interessanter … und ehe ich mich versah, hatte ich im Monat März kurzerhand die Bände 3-10 verschlungen und entspre­chend rezensiert.

Meine Anlage war immer noch defekt, leider. Und da meine Fi­nanzmittel immer schmaler wurden, schien auch ein Neukauf in weite Ferne zu rücken.

Erfreulicherweise hatte ich im Dezember einen netten Men­schen kennen gelernt, der in einem Repair-Café in Braun­schweig arbeitete … und er meinte, er könne sich die Anlage ja mal anschauen.

Dann mailten wir monatelang hin und her, und es kam und kam zu keinem Treffen. Bis zum 3. April 2023. Und ohne Witz: Der Tag änderte ALLES! Dazu gleich mehr.

In der Zwischenzeit hatte ich mich entschlossen, ein paar Roma­ne nachzukaufen, um einen weiteren Zyklus zu vervollständi­gen, dessen Bände ich antiquarisch schon seit 2019 hier bei mir angesammelt hatte. Ich stellte nämlich in diesen Wochen Ende März 2023 ein wenig frustriert fest, dass die Autorin Layla Ha­gen nun schon den DRITTEN romantisch-erotischen Romanzy­klus begonnen hatte, und ich hatte noch nicht einen einzigen Band davon gelesen.

Das kann echt so nicht bleiben“, entschied ich. Von „Diamonds for Love“ hatte ich die ersten 8 (von 10) Bänden vorliegen. Da die letzten beiden nun schon auf dem Weg zu mir waren, dachte ich mir: Fang doch einfach mal an zu schmökern und schau, ob dir die Autorin zusagt.

Guter Plan.

Sehr guter Plan!!

Es mag genügen, wenn ich sage, dass ich den ersten Band mit seinen 320 Seiten Umfang binnen von zwei Tagen quasi inha­lierte. Der zweite Band ging in derselben Zeitspanne den glei­chen Weg, und aktuell bin ich ziemlich kurz vor dem Ende von Band 3 und habe Band 4 schon bereit gelegt.

Lesemarathon kann weitergehen. Man kann es auch Leserausch nennen, wie ich das oben getan habe. Die Bücher lenken mich so beispielsweise von Filmen ab, dass ich darauf wirklich so gar keinen Bock habe. Nee, denke ich mir dann lächelnd, lieber noch ein paar Kapitel über die Kinder der Bennett-Dynastie le­sen und schauen, was die so treiben.

Und ich kichere viel dabei und lache bisweilen schallend – viel bessere Unterhaltung als Geneva Lee (sorry, Mädel, das ist mei­ne private Meinung. Du magst zwar via Klappentext Layla Ha­gen in den Himmel loben, aber verschwiegen wird, dass deine Romane nicht mal näherungsweise so witzig, lebendig und fröh­lich sind wie ihre).

Tja, und während ich so im Leserausch war, kam dann der Ter­min mit meinem Repair-Café-Bekannten zustande, und dann stand er vor meiner Wohnungstür mit schwerem Werkzeugkof­fer … und während wir Tee tranken und Waffeleier knusperten, uns über sein Leben und meins unterhielten, reparierte er auf wunderbare Weise meine Anlage.

Gott, ich war selig, als der Knopf endlich wieder funktionierte und die Lautsprecher nach rund anderthalb Jahren Musik wie­dergaben!

Als er dann schließlich wieder aufbrach, wobei wir wegen des Autoren-Nachlassarchiv-Projekts definitiv in Verbindung bleiben werden (er ist beruflich ITler und findet das Projekt als Heraus­forderung für Speichertechniken reizvoll und will sich da einbrin­gen!), nutzte ich die wieder funktionierende Technik und hörte mich durch ein paar CDs.

Und durch noch ein paar CDs.

Und parallel dazu warf ich meinen stationären Rechner an und schrieb und schrieb und schrieb.

In gelegentlichen Pausen begab ich mich, von Musik umströmt, in die Küche, kochte Tee, wusch ab oder las an Layla Hagen Band 3 weiter.

Und auf dieser steten Welle der Kreativität reite ich aktuell. Es lässt sich, wie ich eingangs sagte, kaum gescheit in Worte fas­sen, wie ich mich zurzeit fühle. Es ist grandios und unglaublich inspirierend. Ich habe heute sogar, weil ich eine bemerkenswer­te Lösung für ein sehr altes Problem fand (das im KONFLIKT 13 zu finden ist, also aus dem Jahr 1985 stammt!), am Reinskript des BUCHES „DER CLOGGATH-KONFLIKT“ weitergeschrieben, was ich seit geraumer Zeit nicht mehr machte.

Ich denke, das ist alles erst der Anfang.

Musik beflügelt mich in erstaunlicher Weise, und da ich nun un­abhängig bin von der Schmalspur-Laptop-Musik-Lösung (furcht­bares Wort, aber mir fiel auf die Schnelle kein passenderes ein), ist anzunehmen, dass in naher Zukunft noch ein paar auf Eis ge­legte Dinge wieder deutlich an Fahrt gewinnen werden.

Zwei „Nachdrucke“ bei XinXii habe ich als E-Books schon hoch­geladen, es werden definitiv alsbald noch weitere folgen. Und dann gehe ich fraglos auch weitere neue E-Book-Projekte wieder an und kümmere mich um jene Werke, die schon seit langer Zeit auf Vollendung warten.

Leute, es bleibt total spannend, und ich bin wirklich superhap­py, dass die Welt sich hier wieder vernünftig im Takt der Musik dreht und mich motiviert.

Bleibt neugierig! Bis bald, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

(BS, 4. April 2023)