Rezensions-Blog 390: Das Ziegenproblem

Posted Februar 8th, 2023 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

dieses Buch fängt schon urkomisch an, und ich kann euch aus Leseerfahrung versichern: Das geht genau so weiter, und je mehr der Kopf raucht, desto witziger wird es. Lasst mich einfach mal kurz den Anfang von Kapitel 1 zitieren, und ihr merkt sofort, was ich meine:

Ins Sommerloch gefallen …“

Das ist vielleicht ein Gefühl, in Hunderten von Briefen als Spin­ner oder Dummkopf beschimpft zu werden! Dabei hatte alles so harmlos angefangen …“

So beginnt Gero von Randow, damals Wissenschafts- und Tech­nikredakteur bei DIE ZEIT, bekennender Skeptiker und messer­scharfer Denker, beschert uns in dem heute vorzustellenden Buch eine abenteuerliche Reise durch die Wissenschaftsland­schaft des Jahres 1991 und die erstaunliche Medienresonanz auf ein Phänomen, das Gero von Randow eigentlich mit einer klei­nen Randnotiz lostrat und das einfach abenteuerlich ausuferte.

Es ging um eine Spielshow, Ziegen und Wahrscheinlichkeiten. Und was herauskam, war, sehr vorsichtig formuliert … mindes­tens abenteuerlich. Aber indem von Randow diese Geschichte nicht auf sich beruhen ließ, sondern sie dann tatsächlich zu ei­nem ganzen Buch ausbaute, dehnte sich das Thema sehr viel weiter aus und geriet in gewisser Weise zu einem faszinieren­den Lehrstück über die Grenzen des menschlichen Verstandes, wenn er sich in das Reich der Wahrscheinlichkeiten verirrt.

Glaubt ihr nicht? Na, dann lest mal weiter. Lesevergnügen und Erkenntnisgewinn sind gewiss:

Das Ziegenproblem

Denken in Wahrscheinlichkeiten

Gero von Randow

rororo-Science-Sachbuch 9337

176 Seiten, TB, Juli 1992

ISBN 3-499-19337-X

Selten machte Denken mehr Spaß als mit diesem Buch, so mein subjektiver Eindruck nach dem Beenden der Lektüre am gestri­gen Tag. Dabei ist es nicht mal ein leichtes Buch, und es wim­melt geradezu von wilden Formeln und viel Mathematik.

Abgeschreckt? Nicht doch. Schauen wir uns die Sache mal ge­nau an.

Die Geschichte beginnt im Jahre 1991 mit einem Auftritt von Marilyn vos Savant, einer amerikanischen Journalistin und an­geblich der Person mit dem höchsten IQ der Welt. In der Zeit­schrift Skeptical Inquirer gab es eine Kolumne mit dem Titel „Fragen Sie Marilyn“, und ein Leser hatte jene scheinbar unver­fängliche Aufgabe gestellt:

Sie nehmen an einer Spielshow im Fernsehen teil, bei der Sie eine von drei verschlossenen Türen auswählen sollen. Hinter ei­ner Tür wartet der Preis, ein Auto, hinter den beiden anderen stehen Ziegen. Sie zeigen auf eine Tür, sagen wir, Nummer 1. Sie bleibt vorerst geschlossen. Der Moderator weiß, hinter wel­cher Tür sich das Auto befindet; mit den Worten „Ich zeige Ih­nen mal was“ öffnet er eine andere Tür, zum Beispiel Nummer 3, und eine meckernde Ziege schaut ins Publikum. Er fragt: „Bleiben Sie bei Nummer eins, oder wählen Sie Nummer zwei?“

Zwei Türen, hinter einer steckt der Gewinn. Ganz simpel, nicht wahr? Also bleibt es sich gleich, welche jetzt gewählt wird, oder?

Falsch, sagt die IQ-Weltmeisterin, Nummer zwei hat bessere Chancen.

Da war es: das Ziegenproblem.

Das hätte nun ein amerikanischer „Sturm im Wasserglas“ blei­ben können, wenn es nicht Gero von Randow gegeben hätte. Der bekennende Skeptiker und ZEIT-Redakteur las die Kolumne, und das Ziegenproblem ließ ihn nicht mehr in Frieden. Was tat er? Einen kleinen Artikel für DIE ZEIT schreiben. Und zwar einen Artikel, in dem er vos Savant Recht gab. Was dann geschah, muss man zitieren:

Am nächsten Tag fuhr ich in Urlaub.

Und so begrüßten mich die Leser-Zuschriften, als ich zurück­kam: Der verehrte Herr von Randow sei ‚wohl ins Sommerloch gestolpert‘, ‚jeder normal begabte Zwölftklässler‘ könne schließlich begreifen, dass Frau Savants Rat ‚typische Laienfeh­ler‘ enthalte, ‚haarsträubender Unsinn“, ‚Quatsch‘ und ‚Non­sens‘, ‚absurd‘ und ‚abstrus‘ sei. Es sei ‚traurig, dass die ZEIT so etwas überhaupt aufgreift‘. Die ganze Angelegenheit sei ‚pein­lich‘, urteilte ein Mathematiker (sic!). Bestenfalls ein ‚April­scherz im Juli‘, schrieb ein Leser mitleidig, eher ein ‚Ärgernis‘, meinte ein anderer.

Die alles dies zu Papier brachten, waren zum großen Teil Akade­miker, einige mit einschlägiger Ausbildung in Statistik: Prof. Dr.-Ing., Dr. sc. math., Dr. med., Dr. jur. usw. usf. Sie schrieben auf Institutsbriefbögen, legten seitenlange Beweise bei, es kam so­gar Post aus den Niederlanden, aus Italien, Togo. Zustimmende Briefe blieben rar …“

Was nun? Hatte sich Gero von Randow geirrt? Hatte sich Frau Savant geirrt? So viele Leute konnten sich doch wohl nicht täu­schen. Betrug die Chance in der geschilderten Ziegenshow nicht vielleicht doch fifty-fifty? Vos Savant und Gero von Randow be­haupteten unisono: nein, die Chance beim Wechseln betrüge 2/3.

Gero von Randow rechnete nach. Er blieb bei seiner Position.

DIE ZEIT verfuhr anders: „Die Leserbrief-Redaktion wählte drei Briefe aus, die mich kritisierten, und ließ sie unter der Über­schrift ‚Verquere Logik‘ drucken. Das mochte ich nicht auf mir sitzen lassen und schrieb einen zweiten Artikel. Wieder nahm ich für Frau Savant Partei – und entfachte den zweiten Sturm. Mittlerweile hatte der SPIEGEL die Geschichte aufgegriffen, gab ebenfalls Frau Savant recht und bescherte sich die entsprechen­de Leserpost.“

Die Lage eskalierte, wie von Randow aus der Erinnerung schil­dert:

Das Ziegenproblem hielt offenbar viele Menschen in Atem. Fe­ten platzten, und Ehepaare stritten sich. Professoren setzten ihre Assistenten an das Ziegenproblem, Mathe-Lehrer verwirr­ten ihre Schüler, Zeitungsredakteure erklärten sich gegenseitig für begriffsstutzig.“

In den USA war noch mehr los. Die NEW YORK TIMES berichtete am 21. Juli 1991 von den Auswirkungen: „Die Antwort, wonach die Mitspielerin die Tür wechseln solle, wurde in den Sitzungssä­len der CIA und den Baracken der Golfkrieg-Piloten debattiert. Sie wurde von Mathematikern am Massachusetts Institute of Technology und von Programmierern am Los Alamos National Laboratory in New Mexico untersucht und in über tausend Schulklassen des Landes analysiert.“

Überwiegender Tenor war jedoch nach wie vor Skepsis, Hohn und Spott, der auch reichlich über Marilyn vos Savant ausgegos­sen wurde. Von Randow zitiert einige der Äußerungen: „‚Unsere mathematische Fakultät hat herzlich über Sie gelacht’, hänselte eine Professorin. ‚Es gibt schon genug mathematische Unwis­senheit in diesem Land’, beschwerte sich ein Akademiker bei der Zeitschrift PARADE, ‚wir brauchen nicht den höchsten IQ der Welt, um diese Unwissenheit zu vertiefen. Schämen Sie sich!’ Ein weiterer Leser vermerkte höhnisch: ‚Vielleicht haben Frauen eine andere Sicht mathematischer Probleme als Männer.’“

So, und nun der Clou der ganzen Geschichte: Alle diese gelehr­ten Leute haben sich getäuscht. Marilyn vos Savant und Gero von Randow haben Recht, und von Randow beweist in diesem hochspannenden Buch, warum und weshalb.

Dabei wäre es natürlich wirklich trivial, wenn es „nur“ um das Ziegenproblem ginge. Das Ziegenproblem ist jedoch ein perfek­ter Fokus, gleichsam ein Brennglas, in dem sich der Geist bün­deln kann, um zu tieferliegenden Ebenen des Verständnisses vorzustoßen. Indem der Leser Gero von Randows Argumentatio­nen nachvollzieht, kann er langsam vom Trivialen zu den wirkli­chen Essentials des menschlichen Denkens vorstoßen. Er er­fährt sehr viel über die Geschichte der Mathematik, über die Wahrscheinlichkeitsrechnung und die Probleme, die sich damit über die Jahrtausende verbanden.

Außerdem, und das ist mitunter sehr vergnüglich, kommen ihm solche Dinge wie Hokuspokus, Außerirdische und Heuschnupfen vor die Augen, er hört eine Menge über Münzwürfe, Urnen mit farbigen Kugeln, russisches Roulette, abstürzende Luftschiffe, Futurologen, technische Sicherheitspannen (wie etwa Schiffskol­lisionen), er hört vom sehr vergnüglichen Geburtstagsparadox (wobei sich übrigens fast alle vertun, der Rezensent selbst auch). Ferner tauchen Tauchziegen auf, Prüfungsgremien und Pistolenschützen.

Und dann geht es in den menschlichen Geist. Es wird dem Leser eine Lektion in Fragen des Irrtums und falschen Schließens zu­gemutet, was gelegentlich einen unangenehmen Beigeschmack hinterlässt. Wir erfahren von Tanzstunden, Ehestreitigkeiten, von der Drake-Formel zur Ermittlung der Wahrscheinlichkeit in­telligenten Lebens im Universum. Es geht weiterhin um Schoko­kekse, Machos und Vorurteile, Müslistatistik und Babys, um schöne Frauen, Fußballtrainer und Jetpiloten, um Lottochancen …

Man sieht, für jeden ist was dabei. Man muss nur die Bereit­schaft besitzen, Gero von Randow auf jenen Pfad des Denkens zu folgen, der dem ersten Anschein nach der krummere von beiden zu sein scheint. Und wer dies tut, der wird mit einer ge­wissen Bestürzung im Laufe der Lektüre begreifen, dass nicht Frau Savants und Gero von Randows Logik und Sicht der Welt schief ist, mithin der Weg nicht krumm, sondern vielmehr, dass das, was wir als menschliche Alltagslogik tagtäglich anwenden, so viele Lücken und falsche Schlüsse birgt, dass dieser Weg recht eigentlich als der falsche bezeichnet werden muss.

Der Leser erkennt schließlich eine Menge darüber, wie er selbst in Wahrscheinlichkeiten denkt bzw. wie viele Probleme sich ihm unbewusst in den Weg stellen und wie sehr der Geist eigentlich „faul“ ist und zu schnellen, scheinbar „richtigen“ Lösungen ten­diert. Man sieht, wie schnell und gut man selbst manipulierbar ist und sich – meist unbewusst – selbst manipuliert, ganz unab­hängig von der eigenen Intelligenz, dem Schulabschluss oder der eigenen beruflichen Profession. Das ist dann doch sehr er­hellend, mitunter auch ernüchternd.

Mathematik ist ein schwieriges Fach für die meisten Schüler, auch für mich, und Logik ist eine knifflige Sache. Doch wenn sie so unterhaltsam dargebracht wird wie bei Gero von Randow in diesem wirklich sehr klugen und informativen Buch, dann zeugt es nicht gerade von Klugheit, wenn man sich dieses Vergnügen entgehen lässt. Wie lautet doch noch einmal der Klappentext, mit dem der Autor die potenziellen Leser ködert?

Zugegeben, Formeln sind die Geheimwaffe einer internationa­len Verschwörung gegen Ihr Selbstbewusstsein. Am besten tun Sie so, als würde Ihnen das nichts ausmachen. Das verwirrt den Gegner.

Wenn Sie die Formeln überspringen, entgehen Ihnen die we­sentlichen Aussagen dieses Buches nicht. Worauf Sie dann al­lerdings verzichten müssen, ist das befriedigende Gefühl, ein Problem formal gelöst zu haben. Dieses Glücksgefühl wird er­zeugt, indem chemische Substanzen im Hirn ausgeschüttet werden; insofern ist dieses Erlebnis mit einem Orgasmus ver­gleichbar. Überlegen Sie sich das mit den Formeln also noch einmal.“

Grinsen ist erlaubt. Und dann sollte man das Buch lesen, stau­nen, oft kichern und begreifen. Denn schließlich ist die ganze Welt eine Ziegenshow … wie, das habt ihr noch nicht gewusst?

Na, dann wird es aber höchste Zeit für die Lektüre!

© 2004 by Uwe Lammers

Ja, das war schon ein wildes Abenteuer, vielleicht etwas unerwartet für euch. Und in der nächsten Woche kommen wir dann zu Abenteuern einer ganz anderen Art, die auch völlig ohne mathematische Formeln auskommen, versprochen!

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Liebe Freunde des OSM,

vor 8 Wochen hielten wir uns zuletzt in dieser Rubrik auf, und ich folgte der Spur der Annalen-Werke bis Ende des Jahres 2018. Heute ist das erste Quartal 2019 an der Reihe. Schauen wir uns da zunächst mal an, wie sich das quantitativ entwickelte, nach­dem ich den Ansturm der Weihnachtspost überstanden hatte.

31, 32, 45 lauten die ziemlich unglaublichen Zahlen der been­deten Werke für diese Monate. Aber ihr wisst natürlich, dass das immer etwas trügerisch ist. Wenn man da solche Dinge wie kommentierte Episodendigitalisate, Fanzineredaktionen, Rezen­sions-Blogs, Rezensionen und anderes „Kleinkram“ herausrech­net, ist üblicherweise das, was übrig bleibt, ein wenig ernüch­ternd. Verhielt es sich diesmal ebenso? Sehen wir uns das mal im Detail an.

Ein wesentlicher Grund, warum ich bis Ende März auf so hohe Fertigstellungszahlen kam, lag in einem Plan, den ich halbherzig schon eine ganze Weile vor mir hergeschoben hatte und nun im Januar 2019 endlich umsetzte. Und nein, leider hatte er mit dem OSM nichts zu tun. Es handelte sich um die Digitalisierung der Serie „Horrorwelt“, an der ich zwischen 1983 und 1998 ge­schrieben hatte, ehe der Archipel buchstäblich alle Energie ab­sog. Am 3. Januar fing ich mit diesem Seriendigitalisat an (im­merhin über 150 Episoden!), und bis Ende März kam ich bis Band 14.

Was die Annalen anging, so arbeitete ich hier ebenfalls im Janu­ar weiter am E-Book „BdC 1 – Im Feuerglanz der Grünen Galaxis“, das, wie ihr längst wisst, schon seit geraumer Zeit bei Amazon als fertiges Werk zu lesen ist.

Mit „Begehbar“ skizzierte ich am 21. Januar 2019 eine weitere OSM-Story, die im KONFLIKT 22 „Oki Stanwer – Der Schatten­fürst“ angesiedelt ist … aber das ist wirklich aktuell nur eine Skizze. Es hat was zu tun mit dem versunkenen Reich von Ves­koy, aber das würde hier und jetzt zu weit führen … und da die Skizze gerade mal 2 Seiten umfasst, ist es sicher verfrüht, dazu mehr zu sagen.

Ebenfalls im Januar skizzierte ich schon das E-Book „BdC 2 – Gestrandet in Bytharg“ … und ja, das ist nach wie vor eine Baustelle, leider.

Dann erfolgte eine Weiterarbeit an dem Digitalisat des Romans „Der Zathuray-Konflikt“, aber sonst kann ich für den Monat Januar jenseits der „ausgeschlossenen“ Werke (Blogartikel, kom­mentierte OSM-Episoden usw.) leider nichts weiter vermelden.

Im Februar verbrachte ich viel Zeit mit lesen und rezensieren von Büchern, ich schrieb Geschichten ab und formatierte bei­spielsweise die Archipel-Story „Wie die Beziehungsgeister ihren Glauben verloren“ für das Fanzine PARADISE.

Aber es gab auch schöne Aha-Momente. So konnte ich am 9. Fe­bruar das Digitalisat des Romans „Der Zathuray-Konflikt“ von 1991 abschließen … das ist insofern sehr wichtig, als es sich dabei um den nur einen Band umfassenden KONFLIKT 1 des OSM handelt. Stilistisch ist er leider ziemlich verstaubt, weil eben gut 30 Jahre alt … aber sobald er erst mal gründlich über­arbeitet ist, wird er, so denke ich, ein paar interessante Aha-Mo­mente für euch Leser bieten. Dass er dann alsbald als E-Book erscheinen wird, wenn ich die Überarbeitung vollendet habe, kann als sicher gelten.

Tjaaa … habe ich mit der Überarbeitung schon begonnen? Äh, nein, leider noch nicht. Aber das ist ein Plan fürs Jahr 2023, so steht es auf meiner Agenda.

Der zweite Aha-Effekt ereignete sich am 21. Februar, als ich das E-Book „BdC 1 – Im Feuerglanz der Grünen Galaxis“ fertig­stellte und es dann bald darauf auch veröffentlichen konnte.

Und da ich so im Schreibflow war, ging ich es im Monat März an, hier konsequent weiterzuplanen. Dabei half mir sehr, dass ich ja das Digitalisat des KONFLIKTS 12 „Oki Stanwer – Bezwinger des Chaos“ (BdC) schon ziemlich weit vorangetrieben hatte (bis Ende März sollte ich Band 56 erreichen und abschließen). Ich konzipierte also die E-Books „BdC 2 – Gestrandet in Bytharg“, „BdC 3 – Unter Feinden“ und „BdC 4 – Der Son­nengarten von Bytharg“ … muss aber auch gestehen, dass es dann erst einmal dabei blieb.

Ebenfalls im März wurde der Faden der „Story“ „Das Geheim­nis von Church Island“ wieder aufgenommen und fortgeführt. Außerdem reiste ich in KONFLIKT 4 „Oki Stanwer – Der Insel-Re­gent“ und schrieb an der Story „Rilaans Geschichte“ weiter, die recht eigentlich inzwischen eine Novelle ist.

Für die 3. Perry Rhodan-Tage Osnabrück entstand außerdem ein programmatischer Aufsatz mit dem Titel „Der Oki Stanwer Mythos: Gegen das Terrorimperium“ … da aber die Weiter­arbeit an den E-Books aus verschiedenen Gründen im Laufe des Jahres 2019 stockte (wobei es bis heute geblieben ist), konnten die darin gemachten Andeutungen noch nicht in allgemein les­bare Werke umgesetzt werden. Das ist eine Baustelle für die Zu­kunft, sorry, Freunde.

Auch an der OSM-Geschichte „Ani und das Wolkenmäd­chen“ schrieb ich ein Stückchen weiter, aber hier kommen im­mer noch nicht die passenden Bilder zum weiteren Handlungs­verlauf zum Vorschein, ich beließ es darum auch hier bei einem Fragment, das ging nicht anders.

Ein kleiner Versuch, am KONFLIKT 7 „Oki Stanwer – Held der Hohlwelt“ (HdH) weiterzukommen, wurde unternommen, da­mals war ich gerade mal auf Band 4 angelangt. Aber auch hier flossen die Bilder nicht, und ich kam nicht sehr weit. Der Ver­such, mit HdH-Band 5 „Am Großen Strom“ gewissermaßen die Blockade zu umgehen, führte mich dann auch nicht weiter. Nennen wir es eine Form von frommem Selbstbetrug. Die Zeit für diese Serie war wirklich noch nicht gekommen (inzwischen ist das, wie ihr wisst, grundlegend anders geworden).

Als Quintessenz aus diesen drei ersten Monaten des Jahres 2019 ist also festzuhalten, dass jede Menge Rezensionen und Blogartikel entstanden, zudem eine Menge Episodendigitalisate. Bis Ende März kamen so also insgesamt 108 Werke zusammen, und das nährte doch die Hoffnung, in diesem Jahr sehr weit zu kommen.

Ich muss natürlich auch festhalten, dass es sich bei diesen drei Monaten um solche handelte, in denen ich a) auf Arbeitssuche war und folglich eine sehr freie Zeitgestaltung mein eigen nen­nen konnte, und b) war es keine Zeit mit hohen Außentempera­turen, weswegen ich leistungsfähiger war als etwa jetzt im aktu­ellen Monat August 2022, wo ich diese Zeilen schreibe und un­ter Temperaturen um 35 Grad stöhne. Das macht mich traditio­nell ziemlich fertig.

Jenseits der E-Book-Aktivitäten sollten sich solche Gesamtwerte für die monatliche Kreativbilanz aber über lange Zeit halten. Ihr werdet mehr davon in der nächsten Folge dieser Artikelreihe er­fahren, wenn es um das zweite Quartal 2019 geht.

Bis bald, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 389: The Club (5) – Kiss

Posted Januar 31st, 2023 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

wenn eine Autorin vom Titel eines Romanzyklus vollkommen ab­schweift oder sogar, wie das in diesem Fall geschieht, gewisser­maßen um die Ecke biegt, den Rückwärtsgang einlegt und dann die Geschichte aus einer anderen personalen Perspektive noch mal aufrollt, dann würden vermutlich sehr viele LeserInnen sa­gen: Gott, was für eine elende Geldschneiderei. Oder, noch schlimmer: Was für eine Einfallslosigkeit!

Tja, ich konnte mich nach der Lektüre des Bandes diesen Sicht­weisen definitiv nicht anschließen, sondern bin auch heute noch – immerhin fünf Jahre nach Lektüre – der Auffassung, dass den LeserInnen eine Menge sehr Lesenswertes entgeht, wenn man dieses Buch links liegen lässt.

Zugegeben, spätestens mit diesem Roman hatte ich Lauren Rowe als äußerst unterhaltsame Autorin auf dem Schirm, und das hat sich bis heute nicht geändert (wiewohl ich ein paar tau­send weitere Seiten ihrer Romane zwischendrin verschlungen – und sehr viel dabei gelacht – habe).

Was will ich damit sagen? Dass dies zwar lange nicht den histo­rischen Tiefgang des Buches der letzten Woche hat, aber ein­deutig Feel-good-Literatur darstellt. Vielleicht nicht die hohe Schule, well, aber wer greift schon immer nach Goethe, Schiller, Grass und anderen essenziellen Literaten? Manchmal darf es auch ruhig etwas seichter daherkommen. Und wer so etwas sucht und mal einfach so eine vergnügliche Beziehungskomödie lesen möchte, die einfach unfassbar amüsant ist, der sollte sich das Buch hier mal näher ansehen:

The Club 5: Kiss

(OT: The Infatuation)

Von Lauren Rowe

Piper (ohne Verlagsnummer), 2016

400 Seiten, TB, 12.99 Euro

Aus dem Amerikanischen von Christina Kagerer

ISBN 978-3-492-06064-6

Was geschieht, wenn eine unaufhaltsame Kraft auf ein unbe­wegliches Objekt trifft?“ Diese Frage habe ich irgendwann vor langer Zeit einmal gehört oder gelesen und nie vergessen. Der genaue Kontext ist mir entfallen, aber wenn irgendetwas auf den vorliegenden Roman zutrifft, dann ist es vermutlich dieser Satz – und das Buch setzt sich dann damit auseinander, was ge­nau jenseits dieser Frage geschieht. Um es vorwegzunehmen: es ist eine sehr unterhaltsame Angelegenheit, zumal dann, wenn beide Dinge, Kraft wie Objekt, Menschen und ihre Emotio­nen sind, die sich zugleich wie ein Magnetfeld anziehen und ab­stoßen. Dies als anstrengend zu charakterisieren, hieße wohl, die ganze Angelegenheit zu bagatellisieren.

Also schön, worum geht es? Und warum ist es notwendig für den Leser, wenigstens die ersten drei Bände des Zyklus „The Club“ gelesen zu haben (tunlichst aber den vierten Band vorläu­fig zu überspringen), damit man versteht, worum es hier geht?

Nun, wie erinnerlich kreisen die ersten vier Romane des Zyklus um den schwerreichen Unternehmer Jonas Faraday und die an­fangs noch etwas unbedarfte Jurastudentin Sarah Cruz, die im Umfeld des kriminellen „Clubs“ zusammenkommen und sich in­nig zu lieben beginnen. Wie ebenfalls erwähnt heiraten die bei­den am Ende des dritten Bandes.

Nun hat Jonas einen Zwillingsbruder namens Josh Faraday, und Sarah eine Freundin mit Namen Katherine (Kat) Morgan. Beide spielen in den oben genannten Romanen eine zwar wichtige Rolle, aber eben nur in der zweiten Reihe. Das ändert sich mit dem vorliegenden Band. Nun treten sie in den Vordergrund, und die vormals Jonas und Sarah vorbehaltenen individualisierten Kapitelblenden werden nun aus Joshs und Sarahs Sicht darge­stellt.

Das bedeutet? Alles geht nach den Ereignissen von Band 3 wei­ter, nach dem Ende des „Clubs“? Nein, eben nicht. Die Weichen werden komplett wieder auf Anfang gestellt – in einer gewissen Weise fühlte ich mich dabei an E. L. James und ihre Romane „Grey“ und „Darker“ erinnert, in denen sie die Geschichte von Christian Grey und Anastasia Steele aus Greys Sicht heraus haarklein erzählt.

Um es vorwegzunehmen: Soviel Geduld hat Lauren Rowe nicht. Ich lasse das mal dahingestellt, ob das von Vorteil oder von Nachteil ist. Faktum ist jedenfalls, dass der vorliegende Roman im Prinzip den Inhalt der ersten drei „Club“-Romane aus Kats und Joshs Sicht wiedergibt und kurz vor dem finalen Schlag ge­gen die kriminelle Vereinigung aufhört, also mitten in Las Vegas.

Rowe macht in dem Roman einige ordentliche Handlungssprün­ge und platzt manchmal mitten in die Handlung hinein – wer also die ersten drei Romane nicht kennt, wird an vielen Stellen des vorliegenden Buches völlig herumrätseln, was hier jetzt ge­rade geschieht. Damit ist es ein klares und unleugbares Sequel, das fundamental auf den vorherigen Bänden aufbaut. Nicht in­des, und das ist jetzt ganz wichtig für Neueinsteiger, nicht indes auf dem VIERTEN Band, denn der spielt bekanntlich Jahre nach den Ereignissen in Las Vegas. Wer den vierten Roman „Joy“ ge­lesen hat, hat schon die Zukunft des vorliegenden Romans ge­sehen – wer derartige Spoiler nicht mag und sich die Neugierde erhalten möchte, sollte tatsächlich den Zyklus erst mal nur bis inklusive Band 3 lesen und dann zu Band 5 springen.

Well, ich habe das natürlich auch nicht gemacht, weil man das ja nicht erwarten kann. Aber ich habe schließlich auch die Hand­lungspersonen lieb gewonnen und fand (das wäre der Ansatz für eine alternative Sichtweise) es spannend, ergänzende Passagen zu den bisher bekannten Teilen des Zyklus zu lesen. Und natür­lich kann man auch einfach erst den Handlungsstrang um Sarah und Jonas komplett lesen (Bände 1-4) und sich dann, wie es Au­torin und neugierige Leser getan haben, den Nebenpersonen widmen, von denen schätzungsweise die Bände 5-7 handeln werden.

Eins möchte ich noch zum Inhalt sagen: man bekommt natürlich nicht NUR eine alternative Sicht auf die „Club“-Geschichte zu sehen, sondern wird mit dem eingangs erwähnten Problem kon­frontiert. Sowohl Kat als auch Josh werden von Anfang an un­glaublich zueinander hingezogen. Aber es dauert schier ewig, bis sie sich diesen verdammten ersten Kuss geben und erst da­nach alles quasi Notwendige folgt.

Warum dauert das so lange?

Weil Kat ein Dummkopf ist und stur dazu, könnte man sagen.

Kat erfährt nämlich en passant, dass Josh sich für einen Monat im „Club“ angemeldet hat und sich damals dort gut mit zahlrei­chen willigen Frauen amüsierte. Und da sie von ihrer Freundin Sarah zumindest in groben Umrissen weiß, dass ein männlicher Bewerber in seinem Antragsformular für den „Club“ seine Per­sönlichkeit und seine sexuellen Vorlieben offen legen muss, ist sie natürlich extrem neugierig und will sein Formular unbedingt lesen, ehe sie sich mit Josh weiter einlässt (was sie im Innern schon für völlig unvermeidbar hält, sollte man vielleicht ergän­zen – aber eben nicht ohne Erfüllung dieser Vorbedingung). Josh weigert sich (obwohl Kat ihn völlig verrückt macht und er sie un­bedingt ins Bett zerren will – aber Kapitulation ist für ihn keine Option). Also weigert sich auch Kat konsequent, nachzugeben.

Kat nennt ihn Playboy. Er nennt sie „Terroristin“ und sagt katego­risch und wiederholt „Ich verhandle nicht mit Terroristen!“ Wor­aufhin sie noch sturer ist und ihm sogar einen Kuss verweigert.

Unaufhaltsame Kraft. Unbewegliches Objekt. Ihr erinnert euch an den Anfang, nicht wahr? Was folgt, ist im Kern eine mentale Schlacht zwischen den beiden, die nahezu den gesamten Ro­man andauert und abstruse Formen annimmt (mir kam wieder­holt das Bild von Hund und Katze in den Sinn, das hier sicherlich im Hintergrund auch Pate stand). Dabei geht allerlei emotiona­les Geschirr zu Bruch, Herzen werden lädiert, Tränen fließen … und es wird einfach unfassbar viel gelacht.

Das macht die Geschichte dann wirklich sehr lesenswert – man lernt als Leser Kat Morgan und Josh Faraday wirklich recht gut kennen, wobei Josh Geheimnisse in den nächsten Band rettet. Aber allein schon der überbordende Humor in der Geschichte macht daraus ein wunderbares Leseabenteuer, das man mit großem Genuss bis tief in die Nacht schmökern kann, gemäß dem Motto „Komm, ein Kapitel geht noch …“ Meistens werden dann vier oder fünf daraus. Oder noch mehr.

Sowenig das alles also auch nur noch mit dem Obertitel „The Club“ zu tun hat, so unterhaltsam und kurzweilig ist es doch. Bin mal sehr gespannt, was im Folgeband noch für Komplikatio­nen auftauchen, ehe Josh und Kat dann schließlich doch zusam­menkommen (siehe Band 4!).

Auch für diesen Band gebe ich darum eine volle Leseempfeh­lung, insbesondere für eingefleischte Romantiker und Leute, die gerade dringend etwas Stimmungsaufhellung benötige. Glaubt mir, Freunde, die bekommt ihr hier. Das ist die volle Breitseite vergnüglicher Humor.

© 2018 by Uwe Lammers

Ja, es ist definitiv etwas crazy, wenn der Rezensent vorschlägt, man solle die Lesereihenfolge eines Romanzyklus verändern, um sich die Vorfreude zu erhalten. Habe ich, meiner Erinnerung zufolge, so auch noch nicht gemacht. Hier ergibt es aber Sinn.

In der nächsten Woche lassen wir dann mal hübsch den Kopf rauchen. Es geht um ein äußerst unterhaltsames philosophi­sches Problem. Mehr dazu in Bälde.

Bis bald, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Liebe Freunde des OSM,

und schon wieder ist ein Monat verstrichen … wie ich jüngst konstatierte, geht das manchmal echt im Rekordtempo, und je weiter mein Lebensalter voranschreitet, desto geschwinder scheint es zu verlaufen. Man könnte dafür auch deutlich pessi­mistischere Formulierungen finden, aber davon halte ich nichts. Nach vorne zu blicken in Erwartung der Erledigung neuer Aufga­ben, der Entdeckung neuer Welten, Völker, Protagonisten, Zu­sammenhänge usw., das ist für mich ausdrücklich positiv konno­tiert.

Demgemäß kam ich auch richtig schön voran im Monat Mai. Zweifellos befeuerten die Fortschritte in meinem angestoßenen „Autorennachlass-Projekt“ diese Aktionen. Schaut euch das ein­fach mal im Detail an. Wo erforderlich, füge ich dann Anmerkun­gen ein:

Blogartikel 490: Work in Progress, Part 113

(HdH 11: Schiffbruch auf dem Südmeer)

16Neu 22: LICHTKÄMPFER

(16Neu 28: Die Entführung)

(Glossar der Serie „Oki Stanwer Horror“)

(Lexikon der Serie „Oki Stanwer Horror“)

13Neu 29: Ghoul-Fische

13Neu 30: Des Teufels Portier

13Neu 31: Der Vampir-Mönch

(Glossar der Serie „Oki Stanwer – Bezwinger des Chaos“)

Anmerkung: Das ist aber ein überraschender Ausreißer? Ja, zu­gegeben. Mich hat das auch überrascht. Ich stieß darauf, als ich für die Lexikonseiten der DMadN-Episoden (Serie 16Neu) Be­griffe erklärte. Mir wurde nämlich verschiedentlich klar, dass ich manche davon in diversen Serienglossaren schon durchaus mal erklärt hatte … und als mir umgekehrt nun auffiel, dass ich auf den DMadN-Lexikonseiten Begriffserklärungen eingepflegt hat­te, die für das Glossar der BdC-Serie (KONFLIKT 12) von Bedeu­tung sein würden, da übertrug ich die Erklärungen in das dorti­ge Serienglossar. Das dadurch natürlich an Seitenumfang zu­nahm und das Glossar ein Stück weit der Vollständigkeit näher brachte. Langfristig kommt das auch den E-Books der Serie „Oki Stanwer – Bezwinger des Chaos“ zugute.

Überzeugt, dass das kein müßiges Abschweifen war? Gut so. Langfristig profitiert ihr davon.

(OSM-Wiki)

13Neu 28: Das kristalline Gefängnis

Blogartikel 502: Langzeitprojekte 3 – Saskia bei den Noma­den

Anmerkung: Und da war das dritte Langzeitprojekt. Da ich die Sphären abwechsle, kommt es diesmal aus dem „Erotic Empi­re“. Passend zur dann kühlen Witterung im Monat März 2023, in dem ich diesen Beitrag veröffentlichen werde, besuchen wir diesmal den frostkalten terranischen Siedlerplaneten Voskin­nen, der derzeit eine planetare Eiszeit durchlebt und eigentlich nicht wirklich ein Siedlerplanet genannt werden kann … ausge­nommen davon sind die Inuit-Kolonisten, die sich hier in den letzten Jahrhunderten als neue Zivilisation etabliert haben und in enger Symbiose mit der Natur leben.

Die nomadischen Birrit – so ihr neuer Volksname – gelten als Primitive, die mit Segnungen der modernen Zivilisation nichts anfangen können. Sie hüten ihre Churrit-Herden und gelten als stinkende Rückständige. Die von der Erde kommende, junge Ethnologin Saskia Tanamaris ist aber entschlossen, die noma­dische Kultur zu erforschen, auch wenn ihr alle davon abraten, zum Teil mit obskuren Begründungen, die sie allesamt albern bis abstrus findet.

Sie erreicht zwar die Nomaden, ja. Und sie schließt auch rasch Kontakte. Aber Saskia muss auch realisieren, dass die Vorurteile der anderen irdischen Kolonisten in ihrer rückständigen Nieder­lassung Port Ice durchaus nicht völlig substanzlos sind … aber was für Zumutungen auf sie zukommen und wie die Nomaden­gesellschaft tickt … das ist dann ein Abenteuer, das sie sich in ihren kühnsten Träumen nicht vorstellen konnte.

Wie gesagt: Mehr Details dazu gibt es dann im März 2023.

16Neu 24: Der Artaner-Konflikt

(16Neu 29: Sprung in die Feuerhölle)

(13Neu 32: Die Blutquelle)

Anmerkung: Wer jetzt mit gekrauster Stirn murmelt „Blutquelle … Blutquelle … davon hat der Uwe doch schon mal irgendwo erzählt? Wann und wo war das nur …?“, der gehört vermutlich zu den Lesern meines E-Books „DER CLOGGATH-KONFLIKT 1: Vorbeben“ (2018). Denn da erwähne ich – sehr am Rande, eingestanden – die Blutquelle durchaus, und mit Absicht.

Die Blutquelle, so heißt es wenigstens im KONFLIKT 13 „Oki Stanwer Horror“ (OSH), ist ein alter irischer Volksmythos. Es geht die Sage, dass derjenige, der in der Quelle badet, unsterb­lich wird. An der Sage ist auch definitiv etwas dran … aber es verhält sich leider völlig anders, als das in Sagen so geschrie­ben stand. Und Oki Stanwer bekommt das wirklich hautnah mit in diesen Episoden.

16Neu 23: Ekkons Mission

(Bewusstwerdung – OSM-Story)

Anmerkung: Dieses Storyfragment spielt, ich erwähnte es schon verschiedentlich, am Rande des Blutdschungels in der Hohlwelt Hyoronghilaar, also in KONFLIKT 7 des OSM. Und mir war eigent­lich bewusst, dass es zweckmäßig wäre, diese Story zu schrei­ben, ehe ich wieder mit der Arbeit an der Serienhandlung von KONFLIKT 7 „Oki Stanwer – Held der Hohlwelt“ (HdH) dorthin rei­sen würde. Tja, leider kam ich hier nur bedingt voran. Das be­deutete dann im Umkehrschluss aber auch, dass ich gedanklich in HdH 16 nicht weiterkam. Irgendwie war das keine echte Überraschung.

(HdH 16: Gefangene des Blutdschungels)

(IR 27: Kettenreaktion)

Anmerkung: Der Versuch, eine weitgehend vollständig durch­dachte Episode gewissermaßen im Handstreich zu vollenden, führt meist sehr schnell zur Totalblockade, wenn der gedankli­che Handlungsstrom nicht auf meiner Seite ist. Hier war genau das der Fall, als ich im Hauruck-Verfahren versuchte, die Hand­lungslücke zwischen Band 26 und 28 der IR-Serie zu schließen. Das wurde dann schnell vertagt.

(16Neu 25: Auf der falschen Seite)

(16Neu 26: Stern der Toten)

(E-Book DER CLOGGATH-KONFLIKT 2: Monstererwachen)

Anmerkung: Hierzu schrieb ich einen interessanten Prolog, der mich aber noch nicht so völlig überzeugt … vermutlich versuche ich gerade wieder, zu viele Informationen in eine Vergangen­heitsblende einzuarbeiten, kann sie aber nicht so recht vermit­teln. Da muss ich definitiv noch mal ran, aber wenigstens habe ich jetzt schon für manche Dinge eine schöne Erklärung hier formuliert. Beizeiten erzähle ich mehr davon.

(Die Eigentums-Lösung – Erotic Empire-Story)

(Lexikon der Serie „Oki Stanwer – Der Mann aus dem Nichts“)

(Glossar der Serie „Oki Stanwer – Der Mann aus dem Nichts“)

(13Neu 33: Goldene Gladiatoren)

(Freundschaftsbande – Archipel-Story)

Anmerkung: Das ist der nächste Fall von „Die Story ist doch so gut und gründlich durchdacht, es muss doch eigentlich ein Leichtes sein, sie schnell mal eben beiläufig fertig zu schrei­ben!“ Tja, auch hier – wie oben schon bei IR – war das ein Satz mit X, wie man so schön formuliert. Hier muss ich mich eindeu­tig besser in die atmosphärischen und personalen Details einle­sen, ehe ich hier wieder aktiv werde. So stagnierte die Weiterar­beit sehr schnell.

Blogartikel 475: Close Up – Der OSM im Detail (36)

(16Neu 27: Der schwarze Sektor)

(13Neu 34: Die Schlangenfalle)

Blogartikel 476: Aus den Annalen der Ewigkeit – alt und neu (XLVII)

Blogartikel 484: Aus den Annalen der Ewigkeit – alt und neu (XLVIII)

(Die Kolonie Saigon II – Erotic Empire-Roman)

Blogartikel 480: Close Up – Der OSM im Detail (37)

(16Neu 30: Auf den Spuren der Zyw-Grynoth)

Blogartikel 485: Close Up – Der OSM im Detail (38)

Blogartikel 489: Close Up – Der OSM im Detail (39)

Anmerkung: Das war mir dann ein echtes Herzensanliegen, die­sen Beitrag zu verfassen.

Warum?

Nun, ihr habt ja inzwischen mitbekommen, dass ich dort das Fi­nale des KONFLIKTS 15 „Oki Stanwer“ erreichte. Das wollte ich schon seit Monaten tun. Um dann umgehend in den neuen KON­FLIKT, KONFLIKT 16, aufzubrechen.

Ich weiß, dass das vielleicht etwas crazy klingt nach dem, was ihr in der letzten Woche schon mitbekommen habt, aber: Mo­mentan habe ich den Blogartikel 494, also den der letzten Wo­che, noch nicht geschrieben. Das mache ich, genau genommen, direkt im Anschluss an diese Zeilen. Und ich freue mich jetzt schon sehr darauf, hier etwas zum Auftakt des KONFLIKTS 16 schreiben zu können. Das ist wieder mal – für euch als Leser und für mich als Blogartikelschreiber – ein neuer, frischer Hori­zont, der sich öffnet. Ich reise da in die Jahre 1983/84 zurück und schildere das Setting von KONFLIKT 16. Freue mich schon sehr darauf, auch wenn das alles vom Heute (1. Juni 2022) noch sehr weit in der Zukunft liegt, was die Veröffentlichung angeht (Ende Januar 2023).

Und damit bin ich dann auch schon wieder am Ende mit mei­nem Resümee, was im verstrichenen Monat an kreativen Wer­ken entstanden ist. Ich schrieb zwar von 30 fertigen Werken, und die sind auch entstanden, nur fallen sie halt nicht alle in den Horizont des OSM, des Archipels oder des Erotic Empires. Und die dort hinein zu rechnenden Werke werden hier in der Ar­tikelreihe eben nicht reflektiert.

Soviel also für heute in dieser Rubrik.

Bis bald, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 388: Sherlock Holmes und der Fluch der TITANIC

Posted Januar 25th, 2023 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

es gibt manchmal Bücher, die so unwiderstehlich für Rezensen­ten sind und tatsächlich einen beeindruckenden summarischen Mehrwert schaffen, dass dann auch die entsprechende Rezensi­on ein gutes Stück Arbeit darstellt. So erging es mir, als ich die unten wiedergegebene Rezension anno 2011 schrieb. Und ihr werdet schnell merken: Das war mir tatsächlich ein Herzensan­liegen.

Wer meinem Rezensions-Blog schon länger gefolgt ist, der wird davon wohl nicht überrascht sein – tauchen doch schon im Titel des Werkes zwei meiner Lieblingsthemen auf, Sherlock Holmes zum einen und der alte White Star-Ozeanliner TITANIC. Dies in kombinatorischer Verbindung und behandelt von einem außer­ordentlich belesenen und geschickten Erzähler … das ist ein Le­severgnügen der Extraklasse gewesen.

Da die Rezension schon genug ins Detail geht, öffne ich hier einfach mal den Vorhang und schicke euch geradewegs ins Jahr 1915 und damit in ein tödliches Abenteuer für den gealterten englischen Meisterdetektiv:

Sherlock Holmes und der Fluch der TITANIC

von J. J. Preyer

Blitz-Verlag, Kevelaer 2011

228 Seiten, geb.

ISBN 978-3-89840-291-0

Preis: 15,95 €

Die Katastrophe geschieht am 14. April 1912: der große, präch­tige Ozeandampfer TITANIC der White Star Line, kommend aus Liverpool und unterwegs nach New York, kollidiert auf seiner Jungfernfahrt mit einem Eisberg, und das Undenkbare wird Rea­lität – obgleich in der Presse als „unsinkbar“ bezeichnet, wird das Schiff verheerend verwundet und versinkt binnen Stunden in den eisigen Fluten des Nordatlantiks. Aufgrund des entste­henden Chaos´ und fehlender Rettungsboote kommt es zu einer entsetzlichen Tragödie. Am Morgen des 15. April 1912 treiben verstreute Rettungsboote in der eisigen See, und 1517 der ins­gesamt 2223 Menschen an Bord der TITANIC sind nicht mehr am Leben, lediglich 706 entkommen dem Desaster auf hoher See, unter ihnen Joseph Bruce Ismay1, Präsident der White Star Line.2

Von Anfang an rissen die kritischen Fragen um dieses verhee­rende zivile Schiffsunglück, das größte aller Zeiten, nicht ab, und die modernen Medien wie der Telegraf und die Massenpres­se machten die Tragödie weltweit bekannt. Nachdem unmittel­bar nach Ankunft der Überlebenden sich die Gerichte in Amerika mit dem Fall beschäftigt hatten, trat am 3. Mai 1912 bereits ein Untersuchungsausschuss in England zusammen, um die zahllo­sen rätselhaften Fragen in einem Gerichtsverfahren zu klären, die das Unglück betrafen. Es gab schon zu diesem Zeitpunkt schier unübersehbare Mengen an Widersprüchen, Rätseln und Hypothesen, die das zwingend erforderlich machten. Nach sei­nem Vorsitzenden, Sir John Charles Bigham alias Lord Mersey wurde die Kommission allgemein unter dem Titel „Mersey-Kom­mission“ bekannt.3

Eine der Folgen dieser Kommission und der von ihr getroffenen Feststellungen bestand darin, dass der Präsident der White Star Line, Joseph Bruce Ismay, zwar freigesprochen wurde von per­sönlichen Verfehlungen, das soziale Stigma aber, das die Presse über ihn verbreitete, allein deshalb, weil er als Mann überlebt hatte, während doch viele Frauen und Kinder mit dem Schiff un­tergegangen waren (und der Ruf „Frauen und Kinder zuerst!“ auch von der White Star Line üblicherweise befolgt wurde), nicht mehr abstreifen konnte. Bis heute haftet Ismays Person der Ruf an, er habe sich in der Stunde des Unglücks unredlich, ja, feige verhalten und an Bord der Rettungsboote geschmug­gelt.4

Eine interessante Frage, die in der Kommission ebenfalls zur Sprache kam, aber nicht restlos geklärt werden konnte, war die scheinbar völlig wahnsinnige Vermutung, ob es denn tatsächlich die TITANIC gewesen sei, die untergegangen sei. Doch was sich so absurd anhörte, war nur vordergründig obskur. Tatsächlich gab es eine prinzipielle Möglichkeit für eine solche Vorstellung, und es ist wichtig, dies zu thematisieren, weil es im vorliegen­den Buch zentral um die Verifikation bzw. Falsifikation dieser These geht. J. J. Preyer hat hier nicht einfach nur abenteuerlich „gesponnen“, sondern sich recht dicht an der historischen Reali­tät gehalten.

Die TITANIC, um zu den Voraussetzungen der These zu kom­men, besaß ein baugleiches Schwesternschiff, die OLYMPIC, et­was zeitiger als sie gebaut (1910) und ebenso wie sie anno 1907 zusammen mit der BRITANNIC und TITANIC als Dreier-Flot­te von luxuriösen Dampfern geplant und erschaffen. Relativ kurz vor der Jungfernfahrt der TITANIC, genau genommen im November 1911, erlitt die OLYMPIC durch einen Schiffszusam­menstoß mit dem britischen Kreuzer HAWKE leichte Beschädi­gungen.5

Nun kam nach dem Untergang der TITANIC der Gedanke in der Presse auf, es könne doch sein, dass die finanziell angeschlage­ne White Star Line versucht haben könnte, statt der TITANIC die – sozusagen „getarnte“ und beschädigte – OLYMPIC für die TITA­NIC auszugeben und so im Anschluss, nach der Katastrophe, so­wohl die Schadensprämie für die OLYMPIC „abzusahnen“ als auch die Versicherungsprämie für die (dann ja nie untergegan­gene TITANIC, die ja nun – wenn das stimmen würde – als OLYM­PIC weitergefahren wäre), einzustecken.

Auf den zweiten Blick erkennt man bereits die Haltlosigkeit die­ser Vorstellung, denn sie hätte ja vorausgesetzt, dass die Ree­derei genau WUSSTE, es würde zu einem Desaster kommen. Nur dann hätte es überhaupt einen Grund für einen derartigen Betrug gegeben. Das würde freilich ebenfalls voraussetzen, dass die Reederei kaltblütigen Massenmord eingeplant hatte (weil bekannt war, dass die TITANIC nicht genügend Rettungs­boote besaß). Das freilich war damals wie heute jenseits aller Vorstellung. Dennoch, und daran sieht man, dass selbst abstru­se Legenden gegen alle Plausibilität furchtbar langlebig sind, dauerte es tatsächlich bis zu Robert Ballards legendärem Fund der TITANIC anno 1985, bis Prüfungen am Rumpf der TITANIC zweifelsfrei die Versicherungsbetrugs-Legende widerlegen konn­ten.

Was hat das alles nun mit Sherlock Holmes zu tun? Auf den ers­ten Blick gar nichts. Die Holmes-Kenner wissen, dass die Sher­lock Holmes-Geschichten zwischen 1880 und etwa 1914 spie­len6, und die letzte Geschichte, in der wir den hoch betagten Detektiv am Werke sehen können, ist nachweislich kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges angesiedelt.7 Doch der Verfas­ser des Buches verknüpft die beiden Themenkomplexe Sherlock Holmes und TITANIC auf interessante Weise.

Der vorliegende Roman, um den es nun in der Folge geht, spielt im Jahre 1915. Sherlock Holmes ist, nunmehr 61 Jahre alt, im Ruhestand in Sussex und widmet sich eigentlich der Bienen­zucht. Im Winter 1914/15 ist er freilich ein wenig von den Kriegsereignissen in Anspruch genommen und stößt bei der Lektüre unvermittelt auf den Bericht eines Mordfalles an dem Journalisten Stanley R. Evans von der Pall Mall Gazette, der an einer Artikelserie zur Aufklärung der TITANIC-Katastrophe gear­beitet hat. Auffällig sei an dem Todesfall der beim Opfer gefun­dene blühende Kirschbaumzweig, der sein Interesse weckt, wie­wohl Holmes eigentlich als Beratender Detektiv im Ruhestand ist und keine Fälle mehr übernimmt. Kurze Zeit später erreicht ihn eine Nachricht von seinem Bruder Mycroft Holmes, der ihn gern in London sprechen möchte.

Als der Detektiv ihn – nach einem kleinen Abstecher zu seinem alten Kompagnon Watson – aufsucht, ist Mycroft im Diogenes-Club nicht allein. Ein anderes Mitglied ist bei ihm, niemand an­deres nämlich als Joseph Bruce Ismay von der White Star Line, der seit dem Untergang der TITANIC ein gebrochener Mann ist … und nun ersucht er als Clubmitglied und Mycrofts Freund drin­gend Holmes´ Dienste. Die Reporter der Pall Mall Gazette – ne­ben Evans ist ein Mann namens Robert Conolly immer noch da­bei, Material zu sammeln und zu publizieren; dieses Material stammt u. a. von dem amerikanischen Seemann und Schriftstel­ler Morgan Robertson – wühlen nun natürlich die ganze Angele­genheit wieder auf und belasten damit auch ein weiteres Mal Is­mays Person. Ihm wird unverhohlen Versicherungsbetrug und gezielte Mitverantwortung für den Tod der TITANIC-Reisenden angelastet … und jetzt, nach dem Mord an Evans, auch noch Evans´ Tod als Versuch, die unliebsamen Kritiker buchstäblich mundtot zu machen.

Holmes übernimmt den Fall. Er organisiert eine Gedenkfahrt des Schwesterschiffs OLYMPIC, das dieselbe Route wie die TITANIC nehmen soll, ebenfalls im April, ebenfalls mit Reiseziel New York. Mit an Bord sein sollen neben Holmes und Ismay der Re­porter Conolly und eine Reihe ehemaliger Überlebender der TI­TANIC, darunter ein seither stummes kleines Mädchen namens Alice und die Brüder des mit untergegangenen Kapitäns Edward Smith.

Ebenfalls mit an Bord ist aber auch der Mörder von Stanley Evans, der ein erstaunlich großes Interesse daran hat, Zeugen mundtot zu machen, die zu viel über das Unglück der TITANIC herausfinden könnten. Heimlich schleicht sich zudem noch ein Gast auf die Passagierliste, nämlich der etwas sehr misstrauisch geschilderte Dr. John Watson. Und als die OLYMPIC Fahrt auf­nimmt, in dem Bestreben, während der Reise die Vorwürfe ge­gen Ismay aufzulösen und zugleich den Mord aufzuklären, da weiß noch nicht einmal der Detektiv, dass sich an Bord außer­dem noch eine alte Gegnerin aufhält, nämlich Irene Adler …8 und dass nicht alle das Ziel der Reise lebend erreichen werden …

Wer sich ein bisschen mit der TITANIC-Literatur beschäftigt hat, auch mit der etwas abseitigen und schrulligen Form davon, der wird in diesem Buch zahlreiche Anspielungen auf diese Werke finden, was die Lektüre für mich sehr interessant machte. Und auch sonst ist jenseits davon einiges an Bemerkenswertem zu­sammengetragen, das dieses Buch aus der üblichen, meist rela­tiv phantasielosen Epigonenliteratur etwas heraushebt.

Zwar ist mir eine Gedenkfahrt der OLYMPIC nicht bekannt, aber was gegen Ende des Buches geschieht – dass nämlich die briti­sche Admiralität das Schiff anno 1915 mit Beschlag belegt und es als Truppentransporter für britische Truppen im Weltkrieg verwendet, ist präzise.9 Das Schiff hat unverschämtes Glück so­wohl im Krieg wie im Linienverkehr und fährt im März 1935 das letzte Mal nach New York und wird danach, nach 25 Jahren Lini­endienst, verschrottet. Allerdings werden noch 56 Jahre später (1991) in einer Scheune in Nordengland Ausrüstungsgegenstän­de der OLYMPIC gefunden.

Der im Buch oft erwähnte (und übrigens dort ermordete) Autor Morgan Robertson ist eine Person der Zeitgeschichte, ebenso das Buch, das er verfasst hat und das in diesem Roman eine wesentliche, tragende Rolle spielt.10 Robertson, am 30. Septem­ber 1861 in New York als Sohn eines Kapitäns geboren, war mehrheitlich Seemann und brachte es bis 1886 bis zum Ersten Offizier der Handelsmarine, ehe er sich auf romantische Seefah­rergeschichten verlegte und 1898 sein wohl bekanntestes Werk „Futility“ publizierte.11 Darin beschrieb er den spektakulären Un­tergang des Schiffes TITAN, das in bestechend vielen Details der 14 Jahre später untergehenden TITANIC ähnelt. Seit jener Zeit gibt es immer wieder Gerüchte, Robertson habe präkognosti­sche Visionen vom Untergang des zu der Zeit noch gar nicht ge­schaffenen Schiffes TITANIC vor der Zeit gehabt. Verifiziert wer­den konnte nichts davon.

Und ja, wie im obigen Roman von Preyer erzählt, stirbt Morgan Robertson am 14. März 1915 in einem Hotel in Atlantic City, New Jersey. Allerdings erlaubt sich Preyer hier schriftstellerische Freiheiten in der Beschreibung: in der Realität heißt das Hotel „Paladin“, nicht „Alamac“, und Robertson stirbt sitzend mit Blick auf die See.12

Dann erwähnt eine Passagierin, die Malerin Mrs. Oldman-Smy­the, relativ unvermittelt den „Fluch der TITANIC“ und meint: „Die Mumie trägt Schuld am Fluch der TITANIC.“13 Das Analogon zum Fluch der Pharaonen ist sinnfällig, wenn man die Zeit be­trachtet, in der der Roman spielen soll. Wer indes ansonsten nicht Bescheid weiß, hält diese Bemerkung für eine obskure, aus der Luft gegriffene Zutat. Er sollte lieber einmal ein etwas theatralisches, wenn auch sehr dramatisches Buch lesen, das im Jahre 1939 erschien und das ich schon vor mehr als fünfund­zwanzig Jahren verschlungen habe: Pelz von Felinaus „TITANIC. Die Tragödie eines Ozeanriesen“.14 Weshalb das? Nun, hier wird von einem Lord Canterville fabuliert, der sich angeblich als geisterhafter Passagier an Bord der TITANIC befinden sollte, und mit an Bord gebracht habe er, „in Cherbourg als Bücherkiste verpackt und deklariert“, einen Sarkophag aus dem alten Ägyp­ten mit einer Mumie darin.15

Gewiss, es ist deutlich als Fiktion zu entlarven, und der Lord Canterville ist eine Reflexion auf den Geist von Canterville, ebenso wie in der Mumiengeschichte Zutaten aus der Tut-ench­-Amun-Entdeckung des Jahres 1923 stecken, quasi rückprojiziert ins Jahr 1912 (allein das ist schon interessant, wie ich finde). Außerdem ist in dem Buch auch noch eine eingesponnene See­lenwanderungs-Geschichte zu entdecken (damals ein literari­sches Sujet, mit dem gern gespielt wurde, verbunden mit dra­matischen Schicksalsbanden – alles hier ausgebildet und vor­handen, weswegen man den Roman im weitesten Sinne dem Genre der Phantastik zurechnen könnte), eng mit der Mumie verflochten16. Und hier habe ich auch zum ersten Mal von Mor­gan Robertson und seinem „TITAN“ gelesen.17

Das obige Buch hat also, wenn man ein wenig weiter informiert ist als der landläufige Phantastik-Fan, doch einiges mehr zu bie­ten, als der erste Blick erkennen lässt, und das hat den Reiz der Lektüre für mich erheblich verstärkt. Es gibt sogar einige Mo­mente von außerordentlichem Amüsement.18 Etwa so, wenn Holmes angesichts einer Filmvorführung auf dem Schiff – stil- und zeitgerecht als Stummfilm mit Violinbegleitung – den wirk­lich amüsanten Gedanken hegt: „Wenn er eine Vorhersage mit Sicherheit machen konnte, dachte der Detektiv, so war es dieje­nige, dass wohl dieser Kuriosität, die sich Film nannte, keine nennenswerte Zukunft beschieden sein würde …“19 Woran man schmunzelnd erkennt, dass Holmes offenkundig doch alt wird. Es gibt einige so amüsante Stellen im Roman.

Gewöhnungsbedürftig ist dann auch die Erzählperspektive, die Holmes in das Zentrum rückt, nicht – wie sonst im Kanon gängig – Watson. Aber Preyer ist ein raffinierter Erzähler. Er vollführt am Schluss eine gekonnte Volte und hebelt diesen Kritikpunkt geschickt aus. Respekt, das ist gelungen. Man merkt dem 1948 in Steyr in Österreich gebürtigen Preyer an, dass er sich gründ­lich in die historische Materie vertieft hat. Es scheint mir eher einen Abstieg darzustellen, wenn im Klappentext vermerkt wird, dass Preyer seit 2010 auch Jerry Cotton-Romane schreibt. Er hat erheblich mehr Potenzial, das er anderweitig verwenden sollte.

Mehr über den Inhalt sollte ich denn auch schicklicherweise nicht verraten, insbesondere die Sache mit den Davidskriegern nicht. Es gibt eben ein paar Dinge, die in einer Rezension unge­sagt bleiben sollten, um die Neugierde nicht zum Erlöschen zu bringen. Aber ich kann schon so sagen, dass sich der Kauf die­ses Buches tatsächlich lohnt.

Wer das hübsche Mädchen auf dem Cover wohl sein soll, bleibt freilich das Geheimnis der Titelbildgestalter. Für das stumme Mädchen, das ja eine wichtige Rolle in der Geschichte spielt, ist die abgebildete Person definitiv zu alt, und für Irene Adler, die etwa in Holmes´ Alter ist, unübersehbar viel zu jung. Vermutlich dient es einfach der Verkaufssteigerung.

Dem Buch wäre insgesamt ein etwas versierterer Rezensent zu wünschen gewesen, der nicht gar so flüchtig liest und wichtige Details verdreht (z. B. erzählt ein Rezensent in einer an anderer Stelle veröffentlichten Rezension dieses Buches, die Le­sung in der Bibliothek der OLYMPIC aus Holmes´ Fällen wäre von Sherlock Holmes durchgeführt worden, wo doch deutlich aus dem Roman hervorgeht, dass es allein Watson ist, der liest20) und der auch ein bisschen mehr Interesse am Fall der TITANIC aufbringt. Vielleicht leistet meine jetzige Rezension dies und geht über die doch sehr schulmäßige Nacherzählung der Hand­lung in der erwähnten Rezension hinaus.

Und wer sich für das Thema des prächtigen Ozeanriesen, der auf seiner Jungfernfahrt in ein unbegreifliches Verderben fährt und dabei geradewegs das Ende einer Epoche einleitet – quasi das dumpfe Grollen des Unwetters vor dem Losbrechen des Sturms, der dann 1914 mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs folgen sollte – , zu interessieren beginnt, sei ausdrücklich dazu ermuntert. Es ist ein faszinierendes Thema, zum Träumen, Stau­nen und auch Gruseln. Dazu bedarf es dann durchaus keiner phantastischen Verschwörungen, wie Preyer sie schlussendlich als „Erklärung“ anfügt. Die Wirklichkeit ist in diesem Fall schon phantastisch genug …

© 2011 by Uwe Lammers

Doch, das war ein außerordentlich ergiebiges Lesevergnügen, das zugleich jede Menge Erinnerungen in mir weckte und das Aufstapeln vielfacher Nachschlageliteratur aus meiner Biblio­thek erforderlich machte … habe ich sehr gern getan, weil mir, wie eingangs erwähnt, das Thema sehr am Herzen lag. Und ja, ich war auch ein wenig verstimmt über die verzerrende und fehlergesättigte Vorabrezension, die mich dann dazu brachte, doch sehr viel mehr in die Tiefe zu gehen.

Es missfällt mir, wenn man ein Thema so flüchtig bespricht, ge­rade eins, das mir so am Herzen liegt. Da war eine leichte Form der „Retourkutsche“ kaum vermeidbar. Ich hoffe, der gute und hier ungenannte Vorrezensent verzeiht es mir, dass ich diese Anmerkungen in der jetzi­gen späten Wiedergabe der damals schon zeitnah erschienenen Rezension nicht gestrichen habe.

In der nächsten Woche wird das alles sehr viel schlichter, da kehren wir zu Lauren Rowe und ihrem „Club“-Zyklus zurück.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

1 In der auf der Homepage des SFCBW nachzulesenden Rezension von Michael Baum­gartner, die mich erst auf das Buch richtig aufmerksam machte, wird er auch schon mal falsch als „Joeseph“ bezeichnet. Überhaupt stimmt die Rezension in vielen Berei­chen nicht mit dem Inhalt des Buches überein, wie zu erweisen sein wird. Dazu mehr an gegebener Stelle.

2 Die Flut an TITANIC-Literatur ist schier uferlos, darum mag man es mir hier nachsehen, wenn ich nur kursorisch auf Werke von Lawrence Beesley, Walter Lord, Robert Ballard u. a. verweise. Man schaue einfach mal im Internet unter dem Stichwort „TITANIC-Lite­ratur“ nach, wenn man mehr über die Katastrophe, das Schiff an sich, die Passagiere, die Verschwörungstheorien, die Rätsel und die späteren Resultate der Forschungen, die Quellen in Archiven usw. wissen möchte. Es lohnt sich.

3 Eine exzellente, ausführliche Darstellung der Arbeit der Kommission findet sich in dem ausgezeichneten Buch von Donald Lynch: „TITANIC. Königin der Meere. Das Schiff und seine Geschichte“, München 1992.

4 James Cameron hat das in seiner TITANIC-Verfilmung wieder einmal 1998, lange nach Ismays Tod, einmal mehr aufgewärmt. Man muss das mangels Beweisen aber wohl als theatralischen Hollywood-Effekt werten. Dem Ruf Ismays hat er damit jedoch weiteren Schaden zugefügt.

5 Man kann die Beschädigung auf einem Foto bei Donald Lynch, TITANIC, a. a. O., S. 35, deutlich erkennen. In Michael Baumgartners Rezension heißt es hingegen unzutref­fend: „…dass der Untergang der TITANIC absichtlich herbeigeführt wurde, auch weil die TITANIC schon beschädigt war.“ Es handelte sich um die OLYMPIC, die beschädigt war – ein Rezensent sollte Bücher nicht so flüchtig lesen.

6 Vgl. dazu den Anhang 1 in Mike Ashley (Hg.): „Sherlock Holmes und der Fluch von Addleton“, Bergisch-Gladbach 2003, S. 721-737.

7 Konkret handelt es sich um die Story „Der letzte Fall“, von Mike Ashley in den August 1914 eingeordnet, was Sinn ergibt. Die Story erschien unter dem Originaltitel „His Last Bow“ im September 1917 im Strand-Magazine und am 22. September 1917 in der Zeitschrift Collier’s.

8 Irene Adler ist, wie Preyer präzise beschreibt, die einzige weibliche Person während Holmes´ Laufbahn (soweit sie von Watson geschildert wurde), und ihr einziger Auftritt im Kanon findet in der legendären Geschichte „Ein Skandal in Böhmen“ (A Scandal in Bo­hemia) statt, erstmals erschienen im Strand Magazine, Juli 1891. Seltsamerweise scheint Preyer von diesem Werk ebenfalls eine eigene Übersetzung gemacht zu ha­ben, wie eine Fußnote verrät. Diese Version ist mir unbekannt.

9 Auch hierzu findet sich bei Donald Lynch, TITANIC, a. a. O., ein Foto auf S. 219.

10 Auch wenn der sich daraus entwickelte Plot doch äußerst unwahrscheinlich anhört … indes, man berücksichtige bei der Lektüre an der entsprechenden Stelle, dass Zeitzeu­gen in unmittelbarer Nähe der TITANIC zur Zeit der Kollision mit dem Eisberg und bald danach die Positionslichter eines bis heute unbekannten Schiffes ausgemacht haben …

11 Vgl. dazu Morgan Robertson: „TITAN. Eine Liebesgeschichte auf hoher See“, München 1997. Preyer scheint, seinen Fußnoten im oben rezensierten Roman zufolge, auch hier­von eine eigene Übersetzung davon angefertigt zu haben, die mir nicht bekannt ist. Er hingegen hat diese Übersetzung wohl nicht gekannt oder sie für ungenügend gehal­ten. Die Rezension dieses Buches wurde von mir in BWA 332, Mai 2011, S. 26f., publi­ziert.

12 Vgl. dazu das Nachwort von Kalman Tanito in Morgan Robertson: TITAN, a. a. O., S. 111.

13 Vgl. Preyer, S. 63.

14 Vgl. Pelz von Felinau: „TITANIC. Die Tragödie eines Ozeanriesen“, Berlin 1939.

15 Ebd., S. 48f.

16 Ebd., S. 110-114.

17 Ebd., S. 81ff. Das fiel mir jetzt beim Nachblättern im Buch für diese Rezension auf. Eine faszinierende Entdeckung.

18 Die „kabbelnden“ Dialoge zwischen Watson und Holmes zählen in der Hinsicht für mich eher nicht, dazu entbehrten sie doch zu sehr der Raffinesse. Allerdings kann man das dem fiktiven Erzähler zurechnen. Was freilich zu den Details gehört, die dem vor­maligen Rezensenten Michael Baumgartner entgangen sind.

19 Vgl. Preyer, S. 72.

20 Vgl. Preyer, S. 181-186.

Blogartikel 494: Close Up: Der OSM im Detail – Teil 40

Posted Januar 22nd, 2023 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

atmen wir mal zunächst tief durch … schließlich haben wir im letzten Teil dieser Artikelreihe gerade nach gnadenlosen Gefech­ten im legendären Nebelsektor der Galaxis Milchstraße am 1. Ja­nuar des Jahres 7477 das Ende aller Hoffnungen erlebt: Oki Stanwer und seine Getreuen fanden in der Auseinandersetzung mit den Antagonisten rings um die Macht TOTAM den Tod, und am Schluss starb das gesamte Universum des 15. KONFLIKTS, den Energietod.

TOTAM aber, der Antagonist, ein intelligenter schwarzer Kristall­planet, entwischte über den Universentransmitter Xyriac-Nehm in die ferne Zukunft.

Denn die Sieben Lichtmächte sind bereits dabei, ein neues KON­FLIKT-Feld zu designen. Wieder einmal ist es das machtvolle Volk der rätselhaften Baumeister, das das KONFLIKT-Universum 16 erschafft. Immer erfüllt von der Hoffnung, dass diesmal die Karten des Schicksals besser gemischt sind, die Kräfte eher auf Seiten der positiven Mächte stehen werden, man besser vorbe­reitet wäre für den Waffengang und die Tricks und Tücken, die man von TOTAM und seinen Vasallen stets zu gewärtigen hat.

So dämmert also der neue KONFLIKT herauf.

Die Irritationen für den Leser beginnen quasi sofort mit Band 1. Denn wo findet er sich wieder, wenn er mit der Lektüre beginnt? In einem äußerst vertrauten Setting: In der Galaxis Milchstraße. Hier existiert das Volk der Terraner, das seit Jahrhunderten zu den Sternen aufgebrochen ist und ein Sternenreich errichtet hat.

Klingt vertraut? In der Tat.

Aber sonst ist so ziemlich alles anders als gewohnt. Natürlich – als ich Ende Dezember 1983, während ich noch in den Schlach­ten im Nebelsektor in KONFLIKT 15 feststeckte, da war ich nicht wirklich sonderlich einfallsreich. Milchstraßen- und Menschheits­settings waren damals das einzige, was mir einfiel, und so konn­te ich von fernen KONFLIKT-Schauplätzen wie Bytharg (KONFLIKT 12), Leucienne (KONFLIKT 21), Daarcor (KONFLIKT 22), Twennar (KONFLIKT 2) oder Mysorstos (KONFLIKT 4) nur träumen. Wun­dert euch also nicht über gewisse schematische Wiederkehr von Vertrautem in neuem Gewand.

Ehe ich zu den ersten fünf Episoden aufschließe, soll aber ge­wissermaßen der Boden bereitet werden für das, was euch er­wartet, damit es nicht gar zu verwirrend wird.

KONFLIKT 16 beginnt im Jahre 3896 irdischer Zeitrechnung. Das terranische Reich ist schon seit langem auseinandergedriftet. Der wesentliche Grund dafür lag im so genannten Artaner-Krieg. Die Artaner, ein vermehrungsfreudiges Insektoidenvolk, das ein wenig aufrecht gehenden Ameisen ähnelt, allerdings durchaus quasi-humanoid, stieß vor über tausend Jahren mit dem expan­dierenden irdischen Sternenreich zusammen, siegte im Krieg und kolonisierte die Erde über mehrere Jahrhunderte hinweg.

Bis die Menschen von der Erde das Joch der Fremdherrschaft wieder abschütteln konnten, woraus ein massiver exopathologi­scher Effekt erwuchs und eine fanatische Feindschaft gegen­über den Artanern, hatten sich die Kolonialwelten verselbstän­digt und eigene kleine Enklaven gegründet.

Wir reden hier von Freihandelswelten wie ELDORADO und Moun­tain Grace, von der Zentrumsrepublik Otanien, dem Splittervolk der Zynoler oder auch von den so genannten Äußeren Welten am äußersten Rand der Milchstraße.

Und wir reden von der Sternenreichsunion, der SRU. Mit dem Zentrum Terra hat die SRU sich zu einer waffenstarken, extrem militaristischen und fremdenfeindlichen Nation entwickelt, die quasi ständig mit dem Säbel rasselt. Formell steht die menschli­che Zivilisation ständig am Rande eines expansionistischen An­griffskrieges, der nur noch auf den passenden Zündfunken war­tet, damit die SRU über die Freihandelswelten und andere freie Menschheitsplaneten herfällt und sie erobert.

Dummerweise soll Oki Stanwer selbst der Zündfunke dieser Auseinandersetzung sein.

Niemand ahnt zu diesem Zeitpunkt, dass die SRU zwar ein ge­wichtiges, aber letzten Endes eher kleines Problem darstellt. Denn das, was der Galaxis droht, ist sehr viel machtvoller und bedrohlicher.

Murmelt da jemand „TOTAM“? Das ist nicht falsch, aber nicht die ganze Wahrheit. Denn es gibt noch eine weitere Macht, die sich theatralisch „Galaxienbezwinger“ nennt. Und diese Wesenheit arbeitet massiv daran, die galaktischen Völker zu unterwandern und bereit zu machen für die mehr oder minder gewaltsame Übernahme.

Und es gibt natürlich noch ganz andere Schwierigkeiten, auf die ich im Laufe der Erörterungen zu sprechen kommen werde. Doch nun starten wir erst einmal und schauen uns die ersten fünf Episoden der Serie an:

Episode 1: Der Gestrandete

(1983, digitalisiert 2021)

Rand der Galaxis Milchstraße, Sternzeit: 3. April 3896. Der SRU-Schlachtkreuzer HOHEITSSTERN unter dem Kommando des knorrigen Colonel Hareb Simk befindet sich auf der Suche nach verschollenen Erzfrachtern der SRU. Er nimmt an, dass so ge­nannte „Lontreks“ für die Kaperungen verantwortlich zeichnen, möglicherweise auch Raumpiraten, die in diesen Bereichen am Rande der Galaxis ihr Unwesen treiben.

Statt auf die Spur der verschollenen Schiffe zu treffen, finden sie einen anderen Havaristen außerirdischen Ursprungs – ein nahezu vollkommen zerfetztes, gigantisches Dreieckskampf­schiff, das einstmals im vollständigen Zustand rund 2000 Meter lang gewesen sein muss und einen Kommandoturm auf dem Oberdeck aufweist. Es scheint schon geraume Zeit hier zu drif­ten … aber zur allgemeinen Überraschung befindet sich darin noch ein Überlebender, der in einem hochmodernen Anzug ge­schützt ist und stammelnd um Hilfe ruft, ehe er das Bewusst­sein verliert.

Die Worte des Gestrandeten ergeben wenig Sinn. Was soll man davon halten? Man solle „Oki Stanwer retten“, zur „Schlacht im Nebelsektor kommen“, um für das Licht zu kämpfen? Nichts davon ergibt für die SRU-Raumfahrer Sinn.

Sie evakuieren den Überlebenden und finden außerdem in der zerstörten Hauptleitzentrale des fremden Schiffes einen un­glaublich hoch entwickelten, aber auch schwer beschädigten humanoiden Roboter, der gleichfalls geborgen wird.

Der bewusstlose Überlebende erweist sich als ein kräftig ge­wachsener, kerngesunder Humanoider, den der Schiffsarzt auf­grund seiner optimalen Physis als einen Androiden einstuft.

Gerade als er wieder zu sich kommt und zu erinnern beginnt, dass sein Name Oki Stanwer ist, wird er auf der Medostation be­täubt – denn die SRU-Wissenschaftler haben sich dazu ent­schlossen, ihn auf der Experimentalwelt Krollos untersuchen zu lassen, da sie ihn aufgrund seiner rätselhaften Herkunft für ein Alienprodukt halten, möglicherweise erschaffen, um die irdische Gesellschaft zu unterwandern.

Und schon steckt Oki in den schönsten Schwierigkeiten … aber das ist noch gar nichts im Vergleich zu dem, was ihn erwartet!

Episode 2: Die Jünger der Macht

(1984, digitalisiert 2021)

Blende zum Experimentalplaneten Krollos der SRU, ebenfalls im Halo der Galaxis Milchstraße gelegen, kurz darauf. Dr. Howard Wilkins, Wissenschaftler in den Diensten der SRU, befindet sich auf einer Art privatem Kreuzzug – denn er hat erfahren, dass die Machtstrukturen auf Krollos von einer Sekte unterwandert wer­den, den so genannten „Jüngern der Macht“, deren Ambitionen offenkundig gegen die SRU gerichtet sind. Er schleicht sich in die Organisation ein und wohnt in weitläufigen Höhlen unter der Oberfläche einer Versammlung bei.

Dabei wird offenbar, dass der Leiter der Sekte, der so genannte „Oberste Diener der Macht“, ein Mann namens Sam Rohn, direkt den Umsturz auf dem Planeten anstrebt und sogar schon Waf­fen dafür verteilen lässt.

Wilkins wird aber entlarvt und getötet, als er in einem selbst­mörderischen Anlauf das alles zu vereiteln versucht. Dabei kommt allerdings zutage, dass die engsten Helfer Sam Rohns Untote sind – Skelette mit schwarzen Brustpanzern aus TOTAM-Kristall!

Aha, denkt der Leser, TOTAM unterwandert diese Welt … leider ist das ein Irrtum. Zwar ist Sam Rohn der Gastkörper für einen Dämon von TOTAM namens Mersan, aber er dient nicht mehr TOTAM, sondern einer Macht, die man den „Galaxienbezwinger“ nennt – und in dessen Auftrag übernimmt Mersan nun auf Krol­los die Kontrolle. Ja, ich weiß, das ist alles etwas verwirrend. Und glaubt mir, das wird noch wilder.

Wenig später landet die HOHEITSSTERN unter Colonel Hareb Simk … und ehe die Besatzung versteht, was vor sich geht, wer­den sie von Mersans paramentalen Kräften ausgeschaltet und das Schiff gekapert.

Mersan ist völlig klar gewesen, dass Krollos zu exponiert war und nicht langfristig zu halten sein würde. Aber mit der HO­HEITSSTERN hat er nun ein neues Verkehrsmittel … und noch dazu Oki Stanwer, den der „Galaxienbezwinger“ gern in seine Gewalt bekommen möchte.

So gesehen ist Oki Stanwer vom Regen in die Traufe gekom­men. Aber das ist immer noch nicht der Höhepunkt der Ge­schehnisse.

Episode 3: Piratenchef Thor Gordenbeyl

(1984, digitalisiert 2021)

April 3896, Randgebiet der Milchstraße, Kegelwelt: Einige hun­dert Lichtjahre vom Planeten Krollos entfernt befindet sich eine geheime Basis einer Gruppe von Raumpiraten unter ihrem hü­nenhaften, charismatischen und rauhbeinigen Anführer Thor Gordenbeyl (ja, genau DER Thor Gordenbeyl! Überraschung!). Er hält sich einen schmalbrüstigen, scheuen „Hofdichter“ na­mens Henry Bent, den er einmal auf einem Raubzug gewisser­maßen als „Beifang“ erbeutete und immer weiter mitschleppt.

Zusammen mit seinem Stellvertreter Carl Soneet, den man we­gen seines spitzen, verschlagenen Gesichts den „Diabolischen“ nennt, unternimmt er nun einen weiteren Raubzug … und über­fällt mit seinem Geschwader ausgerechnet die HOHEITSSTERN. Wäre die Crew die Stammbesatzung der SRU unter Colonel Ha­reb Simk, hätten sie womöglich eine Chance. So aber sind die Jünger der Macht, die nun schalten und walten – die reguläre Besatzung wurde während der Betäubungsphase komplett ein­gesperrt – nicht reaktionsschnell genug … und das Schiff wird geentert.

Mersan erweist sich als skrupelloses Monster – er verwandelt seine Jünger samt und sonders in Zombies und lässt die Unto­ten nun gegen die Raumpiraten kämpfen.

Dennoch gelingt es Thor, sich bis zur Zentrale durchzukämpfen … wo Mersan in ihm den Helfer des Lichts Thor Gordenbeyl er­kennt … aber Thor hat davon keinen blassen Schimmer. Es ge­lingt ihm indes, Mersans Gastkörper, den SCHWARZEN MANN Sam Rohn, zu zerstören, sodass der Dämon in seiner Essenz­form die Flucht ergreifen muss. Mit seiner Flucht endet auch der magische Einfluss, der die Zombies an Bord am Leben hält, und sie verlieren alle ihr widernatürliches Dasein und werden zu „normalen“ Leichen.

Während des Angriffs ist Oki Stanwer in der Medostation er­wacht und, weil er Mersans magisch-psionische Welle durch das Schiff fluten fühlte, instinktiv teleportiert. Er wird – wieder be­sinnungslos – auf Thor Gordenbeyls Flaggschiff gefunden und wandert nun in Thors Gefangenschaft. Die HOHEITSSTERN wird besetzt und ebenfalls zur Kegelwelt abgeschleppt.

Episode 4: Die Kegelwelt

(1984, digitalisiert 2021)

April 3896, Randgebiet der Milchstraße, Kegelwelt: Warum, so fragt sich der Leser sicherlich, heißt diese Wüstenwelt, auf der die Raumpiraten Zuflucht gesucht haben, „Kegelwelt“? Weil sie von Tausenden eindeutig künstlich geschaffener Kegelstruktu­ren bedeckt ist. Niemand weiß, wer sie einst schuf oder zu wel­chem Zweck, und die Piraten sind pragmatisch genug, diese Alien-Relikte, die augenscheinlich kein Problem für sie darstel­len, in Frieden zu lassen.

Das ist jedenfalls der Fall bis zu diesem Band … denn als der Verband Thor Gordenbeyls zurückkehrt, müssen die Raumpira­ten erkennen, dass die rätselhaften Kegel zu rotieren begonnen haben. Dabei haben sie durch gekippte Gradwinkel erhebliche Schäden an der Bodeninfrastruktur erzeugt und einiges auch an Mannschäden angerichtet. Erst als sich die Kegel wie­der „beruhigen“, können Thor und Teile seiner Truppen wieder landen. Zu den Gefangenen, die er mit hinunternimmt, gehören Oki Stanwer, Colonel Hareb Simk und sein Adjutant Mark Grim­sen, beides SRU-Raumsoldaten.

Da Oki Stanwer auf rätselhafte Weise auf sein Flaggschiff über­gewechselt ist, während die HOHEITSSTERN erobert wurde, ver­hört Thor Gordenbeyl ihn unverzüglich und beschuldigt ihn, ein Spion der SRU zu sein.

Oki hat natürlich von nichts eine Ahnung. Er ist ja die meiste Zeit bislang besinnungslos gewesen und hat noch nicht viel mit­bekommen. Thor glaubt ihm nicht und erwürgt ihn beinahe.

Wer jetzt sagt: Aber Oki Stanwer müsste doch Thor Gordenbeyl auf der Stelle als Helfer des Lichts aktivieren, dann sei die Ge­fahr entschärft, der hat die neue Lage noch nicht ganz verinner­licht. Thor ist noch kein Helfer des Lichts, das hat auch Mersan nicht realisiert. Und folgerichtig „kennt“ Thor Oki nicht, und der Herr des Lichts ist definitiv in Lebensgefahr.

Wieder in seiner Zelle zurück, schwant dem Schiffbrüchigen, dass sich seine Lage kein bisschen verbessert hat … aber der Anschein trügt, wie er in der Nacht erkennen muss, als er heim­lich im Gefängnis der Piraten Besuch von einem schmalen Mann erhält, der seinen Namen mit „Henry“ angibt und ihm eine Waf­fe aushändigt, die er am kommenden Morgen benutzen soll.

Ich handle im Auftrage Soffrols. Er erwartet Sie auf ELDORA­DO“, sagt der heimliche Verschwörer kryptisch. Oki Stanwer versteht naturgemäß nur Bahnhof. Seine Erinnerung ist gründ­lich vernebelt, und das soll die Dinge, die noch kommen, massiv verkomplizieren.

Während der Nacht träumt er dann auf bizarre Weise von dem Zweck der Kegelwelt und sieht in seinen Visionen, wie sich die geheimnisvollen Kegel auf ein fernes Ziel im Kosmos einpegeln und dort rot zerrissene Raumzeit zu stabilisieren suchen.

Ihm fällt auch der dazu passende Begriff ein: Entropie! Die Ke­gelwelt ist offenbar ein kosmisches Instrument zur Anpeilung und vielleicht auch zur Reparatur von entropischen Störzonen innerhalb der Milchstraße.

Damit kommt der Leser schon den Erschaffern dieser Struktur etwas näher, aber der Schleier des Rätsels lüftet sich nur ein winziges bisschen. Warum das Volk der Baumeister die Kegel­welt erschuf, ob es nur eine davon gibt oder mehrere, wann sie ins Leben gerufen wurden und vieles andere mehr bleibt als Fra­gen noch ungeklärt.

Vordergründig geht es erst einmal um Oki Stanwers weiteres Schicksal.

Episode 5: Henry, der Agent

(1984, digitalisiert 2021)

Kegelwelt, April 3896: Am nächsten Tag kommt es zu einem denkwürdigen Showdown im Hauptquartier der Raumpiraten. Oki Stanwer wird ebenso wie Hareb Simk und Mark Grimsen ein­bestellt und soll verhört werden. Angeblich wissen die Männer der SRU mehr über den geheimnisvollen Oki Stanwer. Dass de­ren Wissen ebenfalls sehr begrenzt ist, ahnt niemand.

Henry Bent, der Agent Soffrols, ergreift das Heft des Handelns, und Oki tut sein Bestes, mitzuhalten. So kann die Roboteskorte ausgeschaltet werden … doch dann wird Thor Gordenbeyl, der drauf und dran ist, Henry zu erschlagen, von einem fahlen Licht­strahl getroffen … und sein Verhalten verändert sich schlagar­tig.

Nun nämlich wird er tatsächlich als Helfer des Lichts aktiviert, mit der fatalen Nebenwirkung, dass er die aktuellen Informatio­nen seines Lebens durch solche aus seinem letzten Leben mehrheitlich auswechselt. Er ist folgerichtig gründlich desorien­tiert.

Henry Bent und Oki, der die Situation auch nicht völlig begreift, übernehmen die Kontrolle und können mit den beiden SRU-Män­nern, die sie ebenso wie Carl Soneet als Geiseln mitschleppen, mittels eines Beibootes von der Kegelwelt entkommen. Soneet wird gleich zurückgelassen, die SRU-Männer verkauft Henry kurz nach dem Start an ein Händlerschiff der Zyw-Grynoth. Das sind riesenhafte Raupenwesen, friedliche Händler, die mit den terranischen Sternenreichen Handel treiben.

Auf diese Weise nimmt Henry Bent an, sind sie Simk und Grim­sen los geworden und können sich nun mit Soffrol auf ELDORA­DO treffen … doch dummerweise haben sie die Rechnung ohne die Verkauften gemacht.

Hareb Simk zwingt nämlich die Zyw-Grynoth-Händler dazu, dem Beiboot nach ELDORADO zu folgen, anderenfalls sie drakonische Konsequenzen seitens der Sternenreichsunion zu gewärtigen haben würden. Und die ängstlichen Raupenwesen knicken ein.

So hat Oki Stanwer nun zwei unerbittliche Verfolger, mit denen er nicht mehr ernsthaft rechnet. Während alles, was vor ihm liegt, noch kryptisch und unklar ist und seine Erinnerung nebel­haft und vage bleibt, hat er wenigstens schon einen überra­schend loyalen Freund, nämlich Thor, an seiner Seite. Henry Bent kann er dagegen nicht einschätzen.

Wann immer Henrys Augen schockgrün aufstrahlen, wird er ge­wissermaßen aus der Ferne von Soffrol „besessen“ und fernge­steuert, was ihm ungeheure Kräfte verleiht. Wie das möglich ist, ist zum aktuellen Zeitpunkt noch unklar.

Oki Stanwer ist ebenfalls nicht klar, dass ELDORADO durchaus nicht der sichere Hafen ist, der er zu sein scheint. Das soll er sehr schnell begreifen.

Mehr dazu im nächsten Teil dieser Artikelserie.

Bis bald, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 387: Pakt der Liebe

Posted Januar 18th, 2023 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

die Geschäftswelt ist manchmal das reinste Minenfeld, eine Mördergrube voller Rivalen und Konkurrentinnen, voller Tücken und Fangstricke. Gerade wenn man sich – auf welchem Sektor auch immer – behaupten, Karriere machen und gute Deals an Land ziehen möchte, bleibt es kaum aus, sich auch mal unbe­liebt zu machen, Gegnerschaften heranwachsen zu sehen und bisweilen mit unsoliden Mitteln und harten Bandagen zu arbei­ten.

Was hat das mit einem im Kern erotischen Roman zu tun? Nun, mit Lucinda Carringtons heute beleuchtetem Werk geht es ge­nau in die Geschäftswelt und hinein in die britische High Socie­ty. Zwei Agenturen kämpfen um die Gunst eines schwerreichen Briten, und ehe man sich versieht, befinden sich zwei Frauen von verschiedenen Werbeagenturen im privaten bis intimen Kampf mit- und gegeneinander.

Wie das konkret aussieht? So:

Pakt der Liebe

(OT: The Ninety Days of Genevieve)

Von Lucinda Carrington

Pavillon 328

München 2004

368 Seiten, TB

Aus dem Englischen von Anita Magg

ISBN 3-453-87113-8

Die Werbebranche ist hart umkämpft, und gerade neue, junge und innovative Agenturen haben es da schwer, in diese Liga aufzusteigen, in der die lukrativen Aufträge locken. So ist es auch bei der Londoner Agentur „Barringtons“, die sich darum bemüht, den schwerreichen James Sinclair von Sinclair Associa­tes in ihre Arbeit einzubinden. Die Verantwortlichen bei „Bar­ringtons“ wissen, dass sich Sinclair von seiner bisherigen Agen­tur Randle-Mayne lösen möchte … oder sagen wir, sie haben davon gehört. Bestätigt wird das von keiner Seite. Aber neben „Barringtons“ ist auch die Agentur „Lucci’s“ zur Stelle, um sich den Vertrag mit Sinclair zu sichern.

Im Nu ist also der schönste Konkurrenzkampf im Gange.

Komischerweise sucht Sinclair dennoch den Kontakt mit der jun­gen und kleinen Agentur „Barringtons“ … nein, korrekterweise müsste man sagen, er sucht ihn mit der dortigen Kundenbetreuerin Genevieve Loften, einer ungebundenen, energischen Geschäftsfrau. Und im 4-Augen-Gespräch macht er ihr klar, dass er durchaus interessiert sei, mit ihrer Agentur einen Ver­trag über Werbemaßnahmen abzuschließen. Das hinge aber von einem privaten Arrangement unter ihnen beiden ab. Und ihr wird, obwohl er das nicht explizit ausspricht, sofort klar, dass es sich hier um ein sexuelles Arrangement zwischen ihnen beiden handelt.

Da Sinclair ein überaus attraktiver Mann ist, wenn auch einer mit einem durchaus zwielichtigen Ruf, was Frauenbekanntschaf­ten angeht, kann sich Genevieve durchaus vorstellen, mit ihm ins Bett zu gehen, wenn das dazu nötig ist, den Vertrag an Land zu ziehen … sie kommt ihm auch soweit entgegen, dass sie ihm auf seine unverschämte Aufforderung hin ihre Brüste enthüllt, damit er „sehen kann, was er im Gegenzug für den Vertrag be­kommt“, wie er es nennt (womit der Roman schon auf Seite 12 überrumpelnd schnell Fahrt aufnimmt). Er ist also dreist, direkt und durchaus unverschämt. Dennoch: es ist rein geschäftlich, und dafür würde sie alles tun, da ist sie toughe Geschäftsfrau!

Dennoch unterschätzt sie James Sinclairs Arrangement vollstän­dig. Im Gegensatz zu ihrer anfänglichen Vermutung soll sie eben nicht einfach mal eben mit ihm in die Kiste springen, die Ange­legenheit ist sehr viel diffiziler.

Er macht ihr sehr rasch klar, dass er an ein sehr viel weiterge­hendes Unternehmen denkt: sie soll sich ihm für neunzig Tage ausliefern und stets bereit stehen, alles für ihn zu tun, wenn er nach ihr verlangt. Am Ende dieser Frist wird er, abhängig von ih­rer „Leistung“, entscheiden, ob er bei „Barringtons“ unter­schreibt oder nicht.

Da ihr Chef Genevieve Druck macht, Sinclair als Kunden zu ge­winnen, „koste es, was es wolle“, und auch aufgrund ihrer eige­nen Neugierde auf Sinclair, stimmt sie schließlich dieser Art von stillschweigender, nicht niedergeschriebener Vereinbarung zu. Und die Abenteuer beginnen.

James Sinclair ist, insofern sind die Gerüchte durchaus korrekt, ein Mann mit einer regen sinnlichen Phantasie, der außerdem Gefallen daran findet, die Frauen, mit denen er erotischen Um­gang hat, vorzuführen, in heikle Lagen zu bringen und dem Risi­ko der Entdeckung auszusetzen. Außerdem liebt er das Aben­teuer und ist im Umgang durchaus unkalkulierbar.

Genevieve entdeckt im Zuge der kommenden Monate mehr und mehr, dass Sinclair nicht nur ein harter Geschäftspartner ist, sondern auch imstande, in ihrem Herzen verborgene Sehnsüch­te, deren sie sich teilweise selbst gar nicht bewusst war, hervor­zulocken. Dazu gehören etwa die Atem beschleunigende Wir­kung des Exhibitionismus, der prickelnde Reiz des Entdecktwer­dens beim öffentlichen Liebesspiel und eine erstaunliche Nei­gung zu gewagter Bekleidung.

Aber wo es Vorteile, insbesondere lustvolle, für beide Seiten zu entdecken gibt, gibt es auch Schattenseiten. In diesem Fall er­fährt Genevieve von verschiedenen Seiten, dass Sinclair gewis­se „verdorbene“ Seiten besitzen soll und sinistren Leidenschaf­ten frönt. Außerdem lernt sie die charismatische Jade Chalfont kennen und hassen, die für die Konkurrenzagentur „Lucci’s“ ar­beitet und sich gleichermaßen mit vollem Einsatz darum be­müht, ihrerseits Sinclair für ihre Agentur zu gewinnen.

Und es scheint aussichtslos zu sein, gegen Jade anzukämpfen – sie, die toughe, kühn-durchtrainierte Kendo-Kämpferin, eine stolze, aufregend schöne und groß gewachsene Frau, die per­fekt Japanisch kann, scheint Genevieve ständig auszustechen. Genevieve beginnt an Sinclairs Methoden und Zielen zu zwei­feln: hat er mit Jade ebenfalls eine Vereinbarung gleich der ihren abgeschlossen? Gibt er ihr vielleicht gar schon den Vor­zug? Ist er ein treuloser Gesell, der mit ihr einfach nur sein ge­meines Spiel treibt?

Sie weiß, ihr Herz, das sich immer stärker für ihn erwärmt, wird das nicht ertragen, wenn er sie nach den 90 Tagen wie eine hei­ße Kartoffel fallen lässt, um sich dann mit Jade oder einer ande­ren Frau zu amüsieren … wobei es doch einfach lächerlich ist, dass es sich wie Eifersucht anfühlt. Es geht doch nur ums Ge­schäft, nicht wahr?

Zu dumm, dass Genevieve Loften das schon nach wenigen Ta­gen ihres Arrangements nicht mehr glauben kann. Die Vereinba­rung zieht sie vollständig in ihren Bann, und das bezieht ausdrü­cklich ihr Herz mit ein, ob sie es will oder nicht …

Mit Lucinda Carringtons vorliegendem Roman frischte ich eine Autorenerinnerung auf, die ich bereits anno 2000 mit dem Buch „Exotik“ gemacht hatte, und zwar auf durchaus positive Wei­se. Damals war das Lesevergnügen sehr viel kürzer, aber ge­nauso schnell vorbei wie heute, nämlich binnen von 3 Tagen. Der weite Zeithorizont des vorliegenden Buches ermöglicht es, zahlreiche Nebenpersonen in die Handlung zu integrieren und variantenreiche Schauplätze und erotische Vergnügungen in Szene zu setzen, was grundsätzlich als gelungen betrachtet werden muss.

Die Geschichte liest sich flüssig und ist aufgrund der lange völ­lig undurchschaubar bleibenden Intentionen James Sinclairs ge­schickt balancierend. So wird das Leserinteresse wach gehalten, das zugleich durch die Vielzahl uneinschätzbarer Nebenperso­nen immer wieder abdriftet, wodurch den Spekulationen über den Handlungsfortgang Tür und Tor geöffnet sind.

Wer erwartet, dass sich nur Genevieve im Unklaren befindet über das, was schlussendlich bei dem Arrangement heraus­kommt, der irrt sich auf interessante Art und Weise. Insbesonde­re der Konkurrenzkampf zwischen Genevieve und Jade Chalfont zieht eine Menge Aufmerksamkeit auf sich. Auf zwei „Neben­kriegsschauplätzen“, nämlich einmal bei Genevieves jüngerem Bruder Philip und seinen Liebesnöten wie zum anderen bei dem brotlosen Zeichner Ricky Croft, gibt es ebenfalls interferierende Entwicklungen, die zur Verwirrung der Situation beitragen.

Ein wenig schade fand ich, dass bei diesen ganzen Aktionen die Glaubwürdigkeit der Hauptperson etwas litt. So kommt eigent­lich nicht richtig heraus, was Genevieve innerhalb von „Barring­tons“ noch so tut, als sich ausschließlich um die Akquise des Sinclair-Auftrags zu kümmern. Das mag für ein paar Tage oder Wochen funktionieren, aber über drei Monate? Bei allem Re­spekt, das hörte sich nicht realistisch an und war dann doch et­was gestellt und unglaubwürdig.

Das ist aber sonst eigentlich schon, wenn man vom viel zu ver­räterischen deutschen Titel absieht, im Grunde auch der einzige zentrale Kritikpunkt, den ich anzubringen hätte. Der Rest des Romans liest sich, wenn man diesen Aspekt unter „ferner liefen“ rubriziert, ausgesprochen flüssig und aufreizend. Dass Genevie­ve generell nicht weiß, was Sinclair für sie vorbereitet und sie notwendig immer wieder überrascht, führt zu sehr einfallsrei­chen Situationen. Und schlussendlich kam die Autorin auch mit dem finalen Problem gut zurecht, an dem viele Verfasserinnen scheitern: wie überwindet man das zentrale Misstrauen und stellt sicher, dass man im Gegenüber nichts sieht, was dort nicht vorhanden ist?

Der Roman lohnt definitiv eine Entdeckung – klare Leseempfeh­lung!

© 2018 by Uwe Lammers

Ich würde sagen, wer solche Art von Romanen schätzen gelernt hat und den hier – er ist ja schon ein paar Jährchen älter – nicht oder noch nicht auf dem Schirm haben sollte, kann sich, so er sich von dem Inhalt der Rezension animiert fühlt, danach umgehend antiquarisch auf die Suche machen.

In der nächsten Woche kehren wir zu einem meiner ganz per­sönlichen Lieblings-Steckenpferde zurück, nämlich zu Sherlock Holmes. Und diesmal kreuzt er den Pfad eines weiteren Lieb­lingsthemas von mir.

Welches das ist? Ah nein, da würde ich jetzt schon zu viel verra­ten. Schaut einfach in der nächsten Woche wieder rein. Ich freue mich darüber!

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Blogartikel 493: Sonderbarkeiten in der Leichenwüste

Posted Januar 15th, 2023 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

wie ich euch schon vor Monaten erzählte, als ich im Blogartikel 439 von der Gegenwart der Serie „Horrorwelt“ im Anschluss an den desaströsen Titanenkampf berichtete, sieht die Lage auf dieser Welt zurzeit nicht eben rosig aus. Sie aktuell als „Leichen­wüste“ zu bezeichnen, ist definitiv nicht abwegig.

Weshalb nicht? Nun, für diejenigen unter euch, deren Aufmerk­samkeitsspanne etwas kürzer ist, sei es noch einmal resümiert – ab kurz nach Band 100 der Serie begann eine Handlung in der Horrorwelt-Serie, die 20 Jahre nach dem Tod des Heroen Mapun und dem Sieg über TOETAAR, den Dämon der Gewalt, darauf hinzielte, dass zwei uralte Wesenheiten aus ihrem tiefen Schlummer erwachten.

Die Titanen.

Der DREIZEHNER auf der einen Seite, der in der Serie schon viel länger bekannt war, ohne dass man seine Natur verstanden hätte, und der Grüntod EORANOK auf der anderen Seite taten das, was zwei Titanen auf einer Welt immer tun: Sie suchten sich einen Kampfplatz und duellierten sich ohne Erbarmen. Die­ser Kampfplatz war das vulkanische Inselreich der Fehrer, und der DREIZEHNER trug den Sieg davon, wobei er eine beispiello­se magische Katastrophe auslöste.

Eine Konsequenz seines Handelns, ehe er der Horrorwelt mit seinem gefangenen Rivalen den Rücken kehrte, bestand in der Entfesselung einer Höllenwolke, die über Nord- wie Südkonti­nent aufstieg. Ihre Wirkung führte dazu, dass unwiderruflich die Toten aus den Gräbern stiegen und damit begannen, die Leben­den zu meucheln und alle Staatswesen zu zerstören, die exis­tierten.

Die Apokalypse schlechthin, der Jüngste Tag, nennt es, wie ihr wollt. Die Horrorwelt machte nun ihrem Namen alle Ehre. Und doch … dies war erstaunlicherweise NICHT das Ende der Welt.

Als ich 1991 diese Dinge beschrieb, geriet die Serie in eine ar­gumentative Sackgasse, zum Teil auch deshalb, weil ich mich damals mit dem Abitur auf dem zweiten Bildungsweg und mei­nem Studium zu beschäftigen hatte, schließlich, weil ich die Ar­chipelwelt entdeckte, von der Horror-Literatur weitgehend weg­kam und ganz andere Interessenfelder entdeckte.

Als ich dann am 21. April 2021 das Digitalisat der Horrorwelt-Serie abschloss, wurde der Wunsch in mir wach, daran weiterzu­schreiben. Aber ich kann mit Gewissheit sagen, dass das Schreibfieber erst jetzt wieder richtig erwacht ist (August 2022), und ich weiß auch genau, woran das liegt.

Am Glossar.

Ja, so wie im Oki Stanwer Mythos und im Archipel und längeren Erotic Empire-Werken halte ich eine glossarische Durchdringung für hilfreich und sinnvoll … und ich stelle verstärkt fest, wie sti­mulierend so etwas ist. Viele vergessene Details, die nicht mal durch die Digitalisierung dauerhaft in meinem Kopf verankert wurden, ergeben nun neuronale Netzwerke in meinem Verstand, Details fügen sich zusammen und stellen die Dinge in ein neues Licht. Und ich lerne verrückte neue Leute kennen. Schauen wir uns mal ein paar davon heute an.

Ich habe gerade die Arbeit an Band 181 der Serie „Die Toten und die Geister“ abgeschlossen und wirklich so sehr dabei ge­lacht, weil die Geschichte dermaßen grotesk ist, dass es ein Ver­gnügen war, diese zwölf Seiten Text zu schreiben … und ich bin überzeugt davon, die nächsten Episoden werden kaum minder unterhaltsam sein.

Also, stellt euch folgende Lage vor: In der wertanischen Graf­schaft Biston versteckt sich ein junges Liebespaar in einer ver­wüsteten Schenke, als es von zwei Zombies aufgemischt wird, die – was denkt ihr wohl – was vorhaben? Genau, sie wahlweise zu fressen oder zu Ihresgleichen zu machen. Aber dann passiert dies:

Es ließ sich nicht klar sagen, wer am meisten überrascht von dem Moment war – die verzweifelte junge Frau und ihr Liebhaber, die um ihr Überleben kämpften, die untoten Gegner, die alles daran setzten, sie vom Leben zum Tode – oder in ihren eigenen Untotenstatus zu versetzen … oder der Neuankömmling, der den Hof der verwüsteten Gastwirtschaft betrat, als der Kampf schon aussichtslos geworden zu sein schien.

Er war es jedenfalls, der alles zum Erstarren brachte.

„Ich halte das für Unrecht, was ihr da gerade tut. Haltet inne und überlegt euch euer Tun noch einmal“, so jedenfalls lauteten die zu­mindest seltsamen Worte des Neuankömmlings, und sie schienen wirklich vollkommen fehl am Platze zu sein.

Tatsache war jedoch auch, dass die beiden teilweise schon ziem­lich vermoderten Zombies mit ihren verwüsteten, stieren Gesichtern, die sich bereits anschickten, der gegen die Steintreppe gedrückten, zappelnden Frau erst zu erwürgen und dann die Kehle durchzubei­ßen, zurückfuhren. Dann drehten sie – ohne sie indes loszulassen – ihre Schädel herum, um den unerwarteten Redner anzustarren. So­weit man das von ihren ohnehin stumpfsinnigen Leichengesichtern sagen konnte, teigig gelb und aufgedunsen, wie sie waren.

Die Untoten mochten der Kleidung nach einstmals Reitknechte ge­wesen sein, muskulöse und stattliche Kerle von vielleicht dreißig oder vierzig Jahren. Aber inzwischen waren sie schon eine ganze Weile tot und kalt und allein noch darauf aus, lebende Menschen zu jagen und sie wahlweise zu verspeisen oder zu Ihresgleichen zu ma­chen. Die übel zugerichteten Hälse zeigten deutlich, dass sie vor nicht allzu langer Zeit selbst in die Fänge von Zombies geraten wa­ren, die sie so ins Reich der Untoten befördert hatten.

Der lebende Liebhaber lag noch benommen am Boden, von einem Hieb eines Untoten spielerisch zur Seite gefegt und nicht ganz für voll genommen, wie es aussah … nun, er war ein eher sanftmütig aussehender, schlanker Kerl, der absolut nicht den Eindruck eines Kriegers machte. Und das Mädchen, vielleicht zwanzig Lenze jung, unter dem harten Griff des Zombies am Hals hilflos zappelnd, das braune Haar wirr ins Gesicht hängend und panisch um sich starrend … es wirkte nun eher, als wolle es endgültig in einen Schreikrampf ausbrechen, als der Neuankömmling lautlosen Schrittes in den Hof trat und der Gruppe näher kam.

Kein Wunder.

Was sich dort näherte, war ganz bestimmt keine Rettung.

Nicht diese gläsern-transparente, schimmernde Gestalt, die eher neuen Schrecken verhieß als Hilfe!

Augenscheinlich war dies einmal ein Mensch gewesen, ein Adeliger offensichtlich, und er musste schon sehr lange Zeit tot sein, den fahl-gläsernen Kleidungsstücken nach zu urteilen, die er auf seinem fein­stofflichen Körper trug. So eine Kleidung sah man höchstens noch bei folklorischen Festen, wenn die Leute sich in Gewänder warfen, wie man sie vor ein paar Jahrhunderten gekannt und getragen hatte.

Das Schlimmste aber war, dass man durch dieses Wesen gerade­wegs hindurchsehen konnte.

Ein Geist!

Ein Geist am hellen Tag!

Die beiden lebenden Wertaner waren sich, ohne ein Wort oder ei­nen Blick wechseln zu müssen und ungeachtet ihrer reichlich desola­ten Situation, sofort darin einig, dass dies zweifellos das Ende der Welt sein musste: Wenn Tote auferstanden und die Lebenden meu­chelten, was sie ja leider seit Wochen und Monaten nicht anders kannten, und nun auch noch bei helllichtem Tag die Geister auf den Straßen spazieren gingen … dann würden zweifellos bald auch Son­ne und Mond gemeinsam am Himmel stehen und die Welt unterge­hen …

So hieß es jedenfalls in erschreckenden Legenden, mit denen man ungehorsame Kinder schreckte.

„Ich rate euch ernstlich von dieser Tat ab. Das ist einwandfrei Mord und damit nichts, was ich dulden kann“, sprach der Geist weiter, was die Lage noch irrwitziger machte.

„Ich verliere den Verstand“, krächzte der am Boden liegende junge Mann ängstlich. Vermutlich wünschte er sich das tatsächlich. Das ganze Leben war ein einziger Alptraum geworden. Hinter jeder Häu­serecke schienen weitere Schrecknisse und tödliche Überraschungen zu lauern.

Und nun also auch noch Geister!

Die Lage verzweifelt zu nennen, wäre eine Beschönigung gewesen.

„Nun, die Lage ist zweifellos etwas … eigenartig, da stimme ich Euch zu, werter Herr … aber nein, ich hoffe zugleich sehr, dass Ihr nicht den Verstand verliert, noch weniger Euer Leben … und nein, mein Freund, das ist nun wirklich vollkommen närrisch!“

Der zweite Zombie hatte sich geradewegs umgedreht, um dem neuen Gegner seine Aufmerksamkeit zuzuwenden. Doch dieses Vor­haben war von keinem sinnvollen Erfolg gekrönt. Vielmehr ruderte er nun auf absurde Weise mit seinen Armen direkt durch den Geistkör­per des Neuankömmlings. Er hätte auch durch eine Nebelbank sto­chern können, der Effekt wäre ähnlich nutzlos gewesen.

Der Geistergraf oder was immer er sein mochte, ging gelassenen Schrittes durch die tumbe wiederbelebte Leiche hindurch hinüber zu dem Mädchen, das immer noch durch den harten Griff des anderen Untoten auf den Steinstufen festgehalten wurde.

„Ich empfehle Euch sehr ernsthaft, dieses Mädchen in Ruhe zu las­sen. Sie sieht mir nicht aus wie jemand, der den Wunsch danach hegt, dieses Dasein zu verlassen. Und dies ist auch nicht mein Ansin­nen“, sprach der Geistergraf weiter.

Das ist wenigstens … sagen wir, eine ungewöhnliche Konstella­tion in dieser Leichenwüste. Geister und Zombies auf ein und derselben Party? Und dann noch mit Manieren? Sehr eigenwillig.

Nun könnte man sagen: Geister können ja viel sagen, aber tun können sie wenig, es sind halt feinstoffliche Gestalten, nicht wahr? Und das ist zum Teil auch durchaus richtig. Aber der Geist, Graf Vismar von Tosolien mit Namen, kann durch seine schiere Berührung die Untoten von ihrem Mordplan abbringen … und dann versucht er allen Ernstes, mit den verschüchterten jungen Leuten so etwas wie ein konstruktives Gespräch zu füh­ren.

Und wird von der Ankunft eines weiteren Geistes kurzerhand un­terbrochen. Dieser ist ein ungehobelter Bandit, indes genauso gläsern wie Graf Vismar, und ehe sich Lisa und ihr Gefährte sich versehen, ist das schönste Streitgespräch im Gange, das in fol­gender verrückten Bemerkung gipfelt:

Der Räuber-Geist lachte schallend.

„Ha, schaut uns nur an, Herr Graf! Zwei Geister streiten sich um ein Mädel … manche Dinge ändern sich nicht mal dann, wenn man tot ist, nicht wahr? Es ist doch gar zu witzig … verdammte Scheiße, jetzt hätte ich echt gern einen Krug starken Weines, um diese ver­rückte Situation zu begießen! Zu schade, das gehört wohl auch zu den Dingen, die ich nicht mehr genießen kann.“

Er sah zu den Zombies hinüber. „Und ihr zwei Grabgestalten … stellt euch das zufrieden, wenn ihr den Lebenden nachstellt und ih­nen die Kehlen aufreißt? Ist das nicht für euch auch ein völlig sinnlo­ses Tun?“

„Das müsst Ihr gerade sagen als Mann ohne Moral! Ich bin sicher, die Zahl Eurer im Blute liegenden Opfer war nicht eben gering.“

Und dann haben sie die Aufmerksamkeit weiterer Untoter er­regt, die in die Schenke drängen … und alles scheint verloren. Aber … nein, weit gefehlt, jetzt wird es (in Band 182) noch ver­rückter.

Denn im Königreich Wertan beginnen sich sehr, sehr eigenartige Dinge abzuspielen, und die vermeintliche Leichenwüste ist, wie man schnell entdeckt, alles andere als dies.

Die Höllenwolke hat nicht ausschließlich die Toten zu neuem Le­ben erweckt, sondern noch ganz andere Dinge. Hier sind es Geister, die auf Zombies wirken, dort erwachen versteinerte Zwerge zum Leben, an anderem Ort wuchern Blutdschungel aus dem Boden, und Protagonisten, die schon lange tot sind, wirken auf einmal wieder quicklebendig …

Ja, ich weiß, die Serie steuert auf Band 200 zu, und ursprünglich dachte ich ja auch, dieser Hunderter-Zyklus würde primär die Geschichte um die Dreizehn Schwarzen Hexen und TOETAARS Testament thematisieren. Auch nahm ich an, dass es um das Er­starken des Roten Dämons gehen würde und um den Titanen­kampf … was auch alles geschah. Es füllte nur eben keine 100 Bände. Und so stand ich kurz nach Band 160 da mit einer zer­trümmerten Welt und war einigermaßen ratlos. Jetzt erst entwickeln sich mit einem Abstand von 30 Realjahren die Strukturen weiter, und es ist eins schon recht deutlich absehbar: Mit Band 200 wird es wohl keinen zeitlichen Handlungssprung von Bedeutung geben, dafür sind die angestoßenen Entwicklungen einfach zu umfassend, zu frisch und zu komplex.

Was genau Band 200 bringen wird, vermag ich aktuell noch nicht zu sagen. Aber wenn die Handlung weiter so gut voran­schreitet wie in den vergangenen Wochen, dann würde ich ver­muten, sehen wir diesen Band schon längst, bis dieser Blogarti­kel im Januar 2023 veröffentlicht werden wird.

Schauen wir mal, ob das stimmt. Dann sind wir in jedem Fall schlauer. Ich halte euch da auf dem Laufenden!

Bis bald dann mal wieder, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Rezensions-Blog 386: Lila

Posted Januar 11th, 2023 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

Farbe gehört wie Gerüche zu den Dingen, die von Schriftstellern gern stiefmütterlich behandelt werden. Das gilt gerade dann, wenn es sich um ausgesprochene Exotenfarben handelt, die sich schwierig mit bildhaften Vergleichen in Szene setzen las­sen.

Eine solche Farbe ist Mauve, die wir besser unter der landläufi­gen, schlichten Bezeichnung „Lila“ kennen … wer dieses Buch liest, wird rasch verstehen, dass es sich dabei um eine unzuläs­sige Vereinfachung eines hochkomplexen Themas handelt. Und er wird erkennen müssen, wie aus einem eher schlichten Grund­motiv heraus, nämlich der Suche nach einer nützlichen Anwen­dung von Abfällen des Kohlezeitalters, eine regelrechte Farben­revolution im 19. Jahrhundert auf den Weg gebracht wurde.

Im Grunde genommen war es ein schlichter Zufall, wie er so oft in der Wissenschaft vorkommt. Es gibt Legenden um die Entde­ckung des Benzols, des Bakelits und anderer wichtiger Rohstoffe des Industriezeitalters, und so verhielt es sich auch mit dem Grundstoff der Anilinfarben, der sich mit dem Namen William Perkin verbindet.

Wie kann man ein ganzes Buch über eine einzelne Farbe schrei­ben, mögt ihr euch fragen? Nun, wer denkt, Mauve sei nur eine Farbe und nicht daran denkt, dass die Verfahren, die Perkin zu entwickeln half, noch zu ganz anderen Zwecken in extrem gro­ßem Maßstab nützlich waren, der sollte sich wirklich überra­schen lassen.

Dafür müsst ihr einfach nur weiterlesen:

Lila

(OT: Mauve: How one man invented a colour that changed the world)

von Simon Garfield

BvT 76107, Dezember 2002

256 Seiten, TB (9.90 Euro)

Aus dem Englischen von Hainer Kober

ISBN 3-442-76107-7

Dreckiges Zeug. Abfall.

So sahen die Arbeiter und auch die Wissenschaftler – sofern man damals schon von ihnen sprechen konnte – auf die Rest­produkte der Kohlenerzeugung herab, beispielsweise auf den Steinkohlenteer, der nun so überhaupt nichts Ästhetisches an sich hatte. Er stank, er war lästig, nutzlos eigentlich, und es war einfach besser, man entsorgte ihn schnell.

Diese Einstellung änderte sich im Jahre 1856 grundlegend, und von dieser Veränderung wurde die gesamte Welt erfasst. Sie schuf neue Stoffklassen, neue Produkte, rief Modetrends hervor, ruinierte ganze Nationen und brachte andere zu beispiellosem Ruhm empor. Sie bildete die Grundlage von imperialem Glanz und von nie gesehenen gigantischen Firmentrusts, von denen der größte schließlich die IG Farben war, deren Wissenschaftler neue Sprengstoffe entwickeln halfen und schließlich das am meisten berüchtigte Gift der Menschheitsgeschichte – Zyklon-B, jenen Stoff, der Hunderttausende von Juden im Holocaust ver­nichten sollte.

Dies alles begann ganz harmlos mit dem Traum eines Achtzehn­jährigen.

Als William Perkin im Jahre 1838 auf die Welt kam, als einer der Söhne des einstigen Gerbers und jetzigen Schiffsbauers Thomas Perkin, ansässig in London, da sprach nicht viel dafür, dass er einstmals mehr sein würde als der Nachfolger im Gewerbe sei­nes Vaters. Ja, es sprach vielmehr einiges dafür, dass er auf­grund seiner vielseitigen Neigungen ein recht unglücklicher Nachfolger seines Vaters sein würde.

Zu dieser Zeit befanden sich die technischen Wissenschaften insbesondere in England in rasantem Aufschwung. Perkin wurde mitten in die blühende Industrielle Revolution hineingeboren. England vibrierte unter dem Beben der Eisenbahnzüge, das Dröhnen der Eisenwerke erscholl landauf, landab, die Armadas der englischen Handelsschiffe beherrschten die Meere unange­fochten, und es schien so zu sein, als wenn der Glanz des briti­schen Empire unaufhaltsam im Steigen begriffen sei. Die Che­mie indes, und es ist wichtig, das zu erwähnen, spielte bei alle­dem nur eine sehr geringe Rolle, und niemand konnte sich im Großbritannien vorstellen, dass das jemals sehr viel anders sein würde.

Die Verantwortlichen hatten einfach zu wenig Phantasie.

Entsprechend der vielfältigen Neigungen interessierte sich der junge Perkin anfangs für alles mögliche: für Technik, für den Bau von Schiffsmodellen, für die Musik – eine Zeitlang dachte er so­gar, er könne mit seinem Bruder und seinen zwei Schwestern ein Ensemble bilden und durchs Land ziehen – und sogar für die Malerei. Aber was sollte aus ihm werden? Ein Schiffsbauer? Ein Maler? Ein Musiker? Oder vielleicht ein Chemiker (es gab um diese Zeit noch keine universitäre Ausbildung zum Chemiker, die Forschung fand ausschließlich in kleinen, privaten Labors statt)? Aber das war dann doch ein zu abseitiger Gedanke … vielleicht.

Um seinen dreizehnten Geburtstag herum zeigte ihm nämlich ein Freund einfache Experimente mit Kristallen, die ihn bezau­berten, und so schrieb Perkin später in seinen autobiografischen Notizen: „Die Chemie nahm für mich einen weit höheren Rang ein als irgendein anderes Betätigungsfeld, das ich bisher ken­nen gelernt hatte. Ich dachte, wenn ich bei einem Apotheker in die Lehre gehen könnte, müsste ich einfach glücklich werden.“

Stattdessen gelang es ihm, seinen Vater davon zu überzeugen, dass es kein verschwendetes Geld sei, ihm zusätzlich sieben Shilling pro Halbjahr zu geben, damit er an der City of London School einen Kursus in Chemie besuchen konnte. Man muss dazu wissen, dass Chemie damals weniger Wert beigemessen wurde als Latein oder Griechisch. So ändern sich die Zeiten …

Im Unterricht wurden die Lehrer, insbesondere Thomas Hall, der Tatsache gewahr, dass der junge Perkin erstaunlich begabt war, und Hall erreichte es, dass Perkin als Zuhörer zu den Vorlesun­gen des damals schon berühmten Michael Faraday (genau, der mit dem „Faradayschen Käfig“!) der Royal Institution lauschen konnte. So kam er erstmals in Kontakt mit dem neuen Wissens­gebiet der Elektrizität, und das im Alter von 14 Jahren. Und ein Jahr später erreichte Perkins Lehrer Thomas Hall es in eindringli­chen Gesprächen mit Perkins´ Vater außerdem, dass der Junge mit 15 Jahren sich am Royal College einschreiben und im chemi­schen Labor Dr. Hofmanns mitarbeiten konnte. Das war im Jahre 1853. Und, wie Simon Garfield treffend schreibt: „Fünf Jahre später hatte Perkin sein Glück gemacht.“

Wie das?

Am Royal College arbeitete ein umtriebiger deutscher Chemi­ker, Dr. Hofmann, der durch den Prinzgemahl von Königin Victo­ria, Albert, nach England geholt worden war. Er war besessen von der Idee, die größte Volksseuche zu dieser Zeit mit Hilfe von Stoffen zu heilen, die im Steinkohlenteer verborgen liegen sollten. Diese Volksseuche war die Malaria, und auch das Heil­mittel war inzwischen bekannt – Chinin. Nur war Chinin, ein rein pflanzlicher Stoff, sehr selten, und die Qualität schwankte sehr. Außerdem half die Menge an Chinin, die man herstellen konnte, nicht einmal annähernd gegen die Neuerkrankungen, die so­wohl in Indien den britischen Truppen zu schaffen machten als auch in Afrika und in der Karibik. Vor allen Dingen wütete die Krankheit nicht nur in der Ferne: „Zu Hofmanns Zeit grassierte die Malaria nicht nur in Asien und Afrika, sondern auch in Frank­reich, Spanien, Holland und Italien … auch in Rußland, in den westlichen Territorien Australiens und in den Sümpfen von Caro­lina, Florida und New Orleans trat die Malaria verstärkt auf … In England, wo Männer wie Jakob I. und Oliver Cromwell der Mala­ria zum Opfer gefallen sein sollen, wütete die Krankheit eben­falls noch Mitte des 19. Jahrhunderts …“

Grund genug, wie man sieht, sich um dieses Thema zu küm­mern. Zumal deshalb, weil noch niemand wusste, wie Malaria eigentlich zustande kam. Zu jener Zeit glaubte man noch an eine Übertragung durch „üble Luft“ (mal aria, wie man es im Ita­lienischen genannt und als Name dann bis heute falsch über­nommen hat). Hofmann wusste: wer Chinin als erstes künstlich herzustellen vermochte, der war ein gemachter Mann.

Perkin wurde von diesem Gedanken ebenfalls erfasst, aber er hatte sich zugleich, vielleicht aufgrund seiner Jugend, die Phan­tasie bewahrt. Das half ihm dabei, eine Entdeckung als das zu erkennen, was sie war: bei Experimenten mit Steinkohlenteer, insbesondere der daraus gewonnenen Base Anilin, die er im hei­mischen Laboratorium machte, tauchte auf einmal ein seltsa­mer, höchst intensiver Farbton auf, ein extrem starker Rotton mit Stich ins Bläulichschwarze, der bald darauf, entsprechend verdünnt, „Mauve“ genannt werden sollte.

Während Hofmann solche Farben, die bei der Behandlung von Steinkohlenteer ständig auftauchten, als unnütz ignorierte, dachte sich Perkin, man könne diese Farbe vielleicht dazu be­nutzen, um Stoffe zu färben. Vielleicht erbrächte das etwas. Neugierig färbte er selbst ein Stück Stoff und machte die aufre­gende nächste Entdeckung, dass sie durch Waschen nicht aus­bleichte. Das war der Kern der Entdeckung und die eigentliche Revolution.

Zu dieser Zeit wurden Farbstoffe aus pflanzlichen Substanzen gewonnen, zum Beispiel aus der Krapppflanze. Oder aus winzi­gen, zerpressten Läusen (Cochenille) beziehungsweise, wie schon in der Antike, aus zermahlenen Purpurschnecken (tyri­scher Purpur). All das war eine endlos lange Prozedur, sehr auf­wendig, sehr teuer. Besonders beim begehrten Indigo war das auch zu Perkins Zeiten noch der Fall. Und das so gewonnene pflanzliche Endprodukt bleichte in der Sonne aus, jeder Wasch­gang machte es matter. Die Anilinfarbe hingegen nicht. Perkin begann zu ahnen – eine Farbe, die man industriell in großer Menge rasch herstellen konnte und die zudem nicht ausblich, konnte eine wichtige Entdeckung sein.

Er hatte noch keine Ahnung von den Dimensionen seiner Entde­ckung.

Perkin nannte den hergestellten Trockenstoff Mauvein und sand­te eine Probe an den Farbenfabrikbesitzer Robert Pullar in Perth/Schottland. Der stellte verblüfft und zugleich begeistert fest, dass der Stoff Seide in einem Maße zu färben verstand, das ein­fach unglaublich war. Der Farbton erwies sich als faszinierend intensiv und beständig. Er erbot sich, dem jungen Perkin in je­der nur möglichen Beziehung behilflich zu sein. Und das erwies sich auch bald als notwendig. Ende 1856 reichte der junge Mann, durchaus etwas unsicher, seinen Antrag ein, um Mauvein als königliches Patent schützen zu lassen. Aber er war vom Wert dieser Handlung durchaus nicht überzeugt.

Und anfangs schien es auch nicht von Vorteil zu sein – als näm­lich sein Mentor Hofmann von dieser Entdeckung und „Eigen­mächtigkeit“ erfuhr, schien sich das Schicksal gegen Perkin zu wenden. Es kam zum Bruch zwischen den beiden, und verrück­terweise warf der Deutsche ihm vor, er habe gewissermaßen die „reine Wissenschaft“ verraten, indem er seine Erkenntnisse in den Dienst der Industrie stellte. Damals gab es noch keine sonderlich intensive Beziehung zwischen den Chemikern und der Industrie, jedenfalls nicht in England. In Deutschland hatte Justus Liebig in Gießen dies den Briten schon lange vorgewor­fen. Er hatte behauptet, England sei „kein Land der Wissen­schaft“, und ein vernichtenderes Urteil konnte es eigentlich nicht geben. William Perkin war der Mann, der dieses Urteil gründlich revidierte.

Perkin stand nun vor einer Reihe von Problemen, von denen nur einige technischer Natur waren: es galt, Anilin als Ausgangsstoff in hinreichender Menge aus dem Steinkohlenteer zu extrahieren (die Extraktion war ein aufwendiges und sehr teures Verfahren, das sich anfangs nicht zu rentieren schien), es galt ferner, her­auszufinden, weshalb Seide sich gut färben ließ und Baumwolle sehr viel schlechter. Vor allen Dingen aber mussten die briti­schen Färber überzeugt werden, von pflanzlichen Mitteln, die vielfach importiert werden mussten, auf Mauvein umzusteigen. Ein Unterfangen, das unglaublich viel Zeit kostete.

Da die Probleme folgerichtig eher immer größer als kleiner wur­den, beschloss der junge Chemiker schließlich, eine eigene Fa­brik aufzubauen, um seiner Farbe zum Durchbruch zu verhelfen und als leuchtendes Beispiel (im wahrsten Sinne des Wortes) voranzugehen. Doch, wie der Biograph schreibt, durchlebte „die Familie Perkin Anfang 1858 einige Wochen in düsterer Stim­mung“. William Perkins Vater hatte seine Ersparnisse in die Fa­brik gesteckt, Perkin selbst arbeitete 18 Stunden am Tag, in der Fabrik gab es Explosionen, deren Ursachen bekämpft werden wollten – doch dann kam ganz unvermittelt der Durchbruch: „Queen Victoria trug Mauve zur Hochzeit ihrer Tochter, und die französische Kaiserin Eugénie, die einflussreichste Frau in der Welt der Mode, gelangte zu der Überzeugung, daß Mauve zur Farbe ihrer Augen passe.“

Und die Welt versank in einem Wahnsinn aus Mauve …

Dies ist nur ein kleiner Einblick in das ungemein dicht beschrie­bene, vielseitige und von unwahrscheinlichen Zufällen wim­melnde Leben des Chemikers William Perkin, der von 1838 bis 1907 lebte und in wenigen Jahren die chemische Industrie, die Mode, die Färberindustrie und zahlreiche andere Zweige des weltweiten Wirtschaftslebens gründlich umkrempelte. Obgleich Perkin sich im Alter von 36 (!) Jahren aus dem Geschäftsleben zurückzog, machte ihn die Entdeckung des Mauvein zum Stammvater der modernen Anilinfarben und aller daraus resul­tierenden Produkte bis hin zur Acetylsalicylsäure (enthalten im heutigen Aspirin, das buchstäblich in aller Munde ist) und, na­türlich, zum wohlhabenden Mann. Die ganzen Schwierigkeiten, die aus seiner Erfindung erwuchsen, kamen erst später zum Tra­gen.

Gleichzeitig mit dem Einblick in Perkins Leben erhält der Leser des Buches zudem einen guten Eindruck von der Rolle, die die Chemie im frühen 19. Jahrhundert spielte und wie sehr Perkins Entdeckungen – es gab in der Folge noch zahlreiche weitere, auf die hier nicht eingegangen werden soll – die Wirtschaft sowie das Patentrecht revolutionierten und die Entwicklung neuer Stoffe wie beispielsweise der Kunststoffe auf den Weg brachten. Dieser Siegeszug sollte erst abgebremst werden durch die mas­senhafte Verwendung von Öl und Ölprodukten um die Mitte des 20. Jahrhunderts.

Simon Garfield ist zu danken für die Wiederbelebung der Per­sönlichkeit William Perkins und seiner Zeit, und wer weiß, viel­leicht wird es ja im Jahre 2006, zum 150. Jubiläum der Perkin­schen Entdeckung des Mauvein, wieder mal ein Jubiläum zu fei­ern geben. Das Buch selbst lohnt eine Entdeckung. Der einzige Wermutstropfen mag sein, dass sich der Autor manchmal, be­sonders gegen Schluss, etwas sehr weit vom Lebensweg Willi­am Perkins entfernt und im Trustgeflecht der Chemieindustrie verirrt. Doch wer sich für die britische Industrie jener Zeit inter­essiert oder für die faszinierende Biografie des Chemikers selbst, der ist hier bestens aufgehoben.

© 2005 by Uwe Lammers

In der kommenden Woche wenden wir uns, vom Olymp der che­mischen Wissenschaften herabsteigend, wieder den emotiona­len Gefilden erotisch-sinnlicher Verirrung zu, sozusagen der seichten Unterhaltung.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Liebe Freunde des OSM,

Crossover sind seit Jahren in Mode, sowohl in der Literatur als auch mitunter in Filmen. Kümmern wir uns hier mal nicht um die Crossover in den Filmen von Marvel und DC, wo es sie zuhauf gibt und mit dem Gedanken an Multiversen geliebäugelt wird. Ein Gedanke, soviel sei zugestanden, der mir natürlich auch nicht fremd ist. Die ersten Alternativ- und Parallelweltgeschich­ten, die ich schrieb, datieren zurück in die frühen 80er Jahre, womit wir dann also schon 40 reale Jahre zurückgehen müssen.

Solche Phänomene kommen natürlich auch im Oki Stanwer My­thos vor … Seltenheitswert haben aber jene Projekte, in denen ich mich in Universen verirrte, die ich nicht selbst erdacht habe. Spontan fällt mir da aus der jüngeren Vergangenheit eigentlich nur die Story „Die Kugel-Invasion“ ein, wo ich das Personal der britischen BBC-Serie „Doctor Who“ bemühte.

Aber das ist nicht wirklich das, worum es heute geht. Und so ist dieses Projekt, über das ich diesmal schreiben möchte, doch et­was sehr Singuläres, aus mehrerlei Gründen.

Wie die Eingeweihten natürlich wissen, hat der nachmalige Sir Arthur Conan Doyle im ausgehenden 19. Jahrhundert den genia­len Detektiv und Autodidakten Sherlock Holmes ersonnen, der – sehr zu seinem eigenen Unbehagen – alsbald zu solcher Be­rühmtheit gelangte, dass es nicht einmal sein intendierter Tod in den Reichenbachfällen dem Verfasser ermöglichte, sich von dem Schatten des weltbesten beratenden Detektivs freizuma­chen. Er wurde stattdessen von der Öffentlichkeit gezwungen, weitere Fallgeschichten von Holmes zu ersinnen.

Auch nach seinem Ableben kam es zu vielfältigen Epigonenwer­ken bis in die Gegenwart, und die Geschichten des Sherlock Hol­mes füllen ohne Frage mit all ihren Nachauflagen und Varianten ganze Bibliotheken.

Vielleicht war es einfach nur eine Frage der Zeit, bis meine eige­ne Leidenschaft für Sherlock Holmes dazu führte, ihn in ein ei­genes Abenteuer einzuführen … allerdings in eines, das mich dann selbst völlig überrumpelte. Denn in dieser Geschichte, die zu meinen schwelenden Langzeitprojekten zählt, verirrt sich der grandiose, geniale Detektiv in die Welten des Oki Stanwer My­thos (OSM) … na ja, oder vielleicht verirren sie sich in seine Welt, das ist nicht so ganz klar zu sagen. Sowohl sein getreuer „Eckermann“, Dr. James Watson, wie auch ich als „Sprachrohr“ dieser Geschichte sind zurzeit jedenfalls noch etwas überfordert von dem, was sich daraus entwickelt hat bzw. noch entwickeln wird, wenn ich dazu komme, es weiter auszuformulieren.

Stichtag war der 14. August 2002. An diesem Tag spross der Ge­danke einer ziemlich wilden Idee in mir auf, und er brannte sich Bahn in einer damals recht fruchtbaren Phase meines Schrei­bens, die ich vielleicht kurz umreißen sollte, um begreiflich zu machen, inwieweit der Zeitpunkt dieses Keimens gerade zur rechten Zeit kam. Das könnte auch erklären, warum diese Ge­schichte dann zu einem bislang noch nicht beendeten Langzeit­projekt wurde.

Im Sommer des Jahres 2002 hatte ich gerade meine Magister-Abschlussprüfung hinter mir und befand mich in einer Phase der akuten Arbeitslosigkeit, der noch viele weitere folgen sollten. Doch das war damals nicht absehbar. Parallel dazu erholte ich mich von der kreativen Ermattung des Archipel-Romans „Rhondas Weg“, den ich am 1. Oktober 2001 auf Seite 1876 (!) abgeschlossen hatte … vorzeitig abgeschlossen, ohne den dra­maturgischen Handlungspfad abgerundet zu haben. Ich war schlicht und ergreifend ausgepowert und steckte bereits im An­fang des Folgeromans „Rhondas Reifejahre“, der meine Auf­merksamkeit bis Frühjahr 2010 (!) fesseln sollte.

Der Start der stürmischen nächsten OSM-Serie „Oki Stanwer und das Terrorimperium“ (TI) sollte erst im November 2003 be­ginnen. Insofern konnten meine Gedanken also vagabundieren, und verblüffenderweise verirrten sie sich lektüretechnisch mal wieder zu Sherlock Holmes … und in den OSM. Und dann las ich nochmals ein Buch über den so genannten „Tunguska-Zwi­schenfall“ von 1908.

Das zusammen ergab auf eine schwer nachzuvollziehende Wei­se eine faszinierende Melange. Ich wusste verschiedene Gedan­kenpfade vor mir, die folgendes Bild zeichneten:

1) Im Jahre 1908 ereignete sich in Sibirien im Bereich der Steini­gen Tunguska eine monströsen Explosion, deren Ursache bis heute umstritten ist.

2) Der polnische Phantast Stanislaw Lem spekulierte in seinem Roman „Die Astronauten“ anno 1950 darüber, dass hier ein Invasionsschiff vom Planeten Venus gestrandet sein könnte. An­dere Theorien gingen von Kometeneinschlägen, einem Mikro-Black Hole, Antimaterie und noch seltsameren Vorstellungen aus.

3) Ich wusste außerdem, dass Sherlock Holmes anno 1914 schon in Südengland Bienen züchtete, aber für letzte Abenteuer im Rahmen des Ersten Weltkrieges reaktiviert wurde.

Prinzipiell gab es hier also ein temporales Überschneidungsfens­ter, das es ermöglichen würde, Holmes im Jahre 1908 tätig wer­den zu lassen. Nur: was sollte das für eine Form von Interaktion sein? Holmes interessiert sich bekanntlich nicht für stellare Phä­nomene, ebenso wenig für Aliens (auch wenn so etwas in man­chen Epigonengeschichten durchaus dann und wann vor­kommt). Was sollte er also mit dem Tunguska-Fall anfangen? Und, noch schlimmer, was sollte ein reichlich tatteriger Holmes da tun, außer in Ausübung eines lebensgefährlichen Abenteuers zu sterben?

An diesem Punkt griffen meine OSM-Gedanken, und sie ergaben gleich auf mehrfache Weise Sinn.

Stellen wir uns vor, überlegte ich, dass aus irgendeinem eigen­tümlichen Grund in irgendeinem OSM-Paralleluniversum (!) die Literaturfigur Sherlock Holmes reale Gestalt besitzt.

Stellen wir uns ferner vor, dass es – wie nachgewiesen im OSM – transuniversale Zeitreisen gibt.

Dann wäre es möglich, vorausgesetzt, es gäbe einen Grund, den welt­besten beratenden Detektiv der Welt zu konsultieren, einen Fo­kus für eine beeindruckende Geschichte, die

a) eine Zeitreise-Geschichte innerhalb einer Zeitreise-Geschich­te wäre;

b) ein Sherlock Holmes-Abenteuer und

c) sich um eine fundamentale Gefahr aus dem späten OSM dre­hen würde.

Klang nach einer wilden Story. Und ich war schon am Schreiben. Werfen wir mal einen Blick in das Fragment, soweit es bis heute schon existiert, ehe ich noch ein paar weitere Plotgedanken an­füge.

In der Einleitung heißt es wie folgt:

Der ursprüngliche Titel des Manuskripts lautete „Das Abenteuer des reisenden Inkaprinzen“, aber das ist so offenkundig irreführend, dass ich mich entschied, das eigentliche Thema ins Zentrum zu stellen und die Geschichte mit einem neuen Titel zu versehen. Mein Großvater möge mir das nachsehen, wenn es tatsächlich seine Finger waren, die dies zuerst niederschrieben.

Und weiter geht es dann nach einer Weile folgendermaßen:

„Vertrauen Sie mir, Watson“, erzählte Holmes mir unmittelbar nach un­serer Rückkehr aus den fernen Gefilden, „wirklich, vertrauen Sie mir – nie­mand wird Ihren Worten Glauben schenken. Denken Sie an unsere Reputa­tion. Denken Sie auch an Mary und Ihre Zukunft.“

Ich weiß, ich hätte nicht überrascht sein sollen, aber dennoch entsinne ich mich noch sehr deutlich, wie völlig perplex ich ihn anschaute. Obgleich gerade aus Todesgefahr entronnen, hatte sein messerscharfer Verstand nichts von all den Dingen übersehen, die ihm aufgefallen sein mussten, als Mary und ich uns verabschiedeten. Zweifelsohne hatte er das Leuchten in meinen wie ihren Augen gesehen, gewiss waren Holmes subtile Zeichen unserer Körpersprache aufgefallen, die uns so deutlich verrieten, als ob wir unsere Herzen offen für jedermann zur Schau stellten.

Wenige Monate später waren Mary und ich verheiratet, und alles, was Holmes und ich an diesem Septemberabend erlebt hatten, schien nichts als ein blasser, substanzloser Alptraum zu sein. Aber wir hatten die Versi­cherung unserer … Besucher, dass das Abenteuer nicht folgenlos sein wür­de. Und dann war da das Datum.

„Wir haben zwanzig Jahre, Watson. In zwanzig Jahren, im Dezember 1908, da dürfen Sie über all diese Dinge schreiben, doch nicht vorher. Ver­sprechen Sie mir das, bei allem, was Ihnen heilig ist!“, ließ Holmes mich schwören, was er sehr selten tat – und ich schwor. In all diesen Jahren habe ich nicht ein Sterbenswörtchen über das verloren, was wir in jener Stunde im September 1888 taten oder sahen.

Ich gestehe, im Herbst 1904 wurde ich schwankend. Ein junger Patient, der um meine Begeisterung für den technischen Fortschritt wusste und dem meine geistige Regsamkeit sehr gefiel, brachte mir in die Praxis ein kleines Büchlein von einem inzwischen angeseheneren Schriftsteller. Ein absonderliches Buch mit dem Titel „The Time-Machine“, das von einer fins­teren Reise in eine ferne, unmenschliche Zukunft berichtet. Eine nette Un­terhaltungslektüre, die sogar einen reichlich kitschigen Schluss enthält, wenn man mir die Beurteilung gestattet. Doch Mr. Wells ist nie wirklich durch die Zeit gereist … und ich kann ihm aus eigener Anschauung versi­chern, dass sie mit solcher Spielerei, wie er sie beschreibt, niemals zu er­möglichen wäre.

Eine wirkliche Reise durch die Zeit ist nichts, wofür Menschenseelen ge­macht sind. Wesen sind dort unterwegs, die über die Kräfte der Zeit gebie­ten, Wesen auch, denen sich unsere schwache Spezies besser nicht in den Weg stellt. Und doch kam es an dem Abend, über den ich berichten will, zu einer denkwürdigen Begegnung zwischen unseren so verschiedenen Wel­ten. Eine Begegnung, die wenigstens Holmes und mich bis ans Ende unse­res Lebens zeichnen sollte.

Ein exotischer Gast

Ich entsinne mich noch gut, wie dies alles begann.

Mary Marston und ich kannten uns, wie gesagt, erst seit wenigen Tagen, aber wir waren so vertraut miteinander, als ob wir im gleichen Kinderzim­mer aufgewachsen seien. Wahrscheinlich war uns beiden schon damals klar, dass das Schicksal uns füreinander ausgewählt hatte. Am frühen Abend hatten wir eine muntere Komödie im Theater besucht, uns hervorra­gend amüsiert und waren den Rückweg zu meinem Heim in der Baker Street 226b dann geschlendert. Von dort wollte Mary eine Droschke neh­men, um nicht in der nebligen Londoner Nacht Gefahren auf sich zu neh­men. Wie jedermann heute weiß, war London den damaligen Tagen, zumal nachts, ein durchaus gefährliches Pflaster.

Holmes erwartete mich vor unserer Haustür. Das alleine versetzte mich in Erstaunen, denn ich nahm eigentlich an, dass er im Wohnzimmer in sei­nem Sessel sitzen und Pfeife schmauchen würde, um an seinen neuesten Nachforschungen über den Fall des Whitechapel-Mörders nachzusinnen. Unser Freund Lestrade vom Scotland Yard hatte ihn insgeheim um Hilfe ge­beten, und gelegentlich gab Holmes offen zu, dass ihn dieser Fall intellek­tuell sehr fordere. Davon soll heute aber nicht die Rede sein.

Ich sah mich außerstande, eine Frage an meinen Freund zu richten, wie­wohl ich den Mund öffnete, um es zu tun. Aus seinen kühlen grauen Augen blickte er mich an, sehr gefasst, wie mir schien, vielleicht sogar ein wenig amüsiert, und dann meinte er zu mir: „Kommen Sie, Watson. Wir haben Besuch. Ich denke, Sie werden ihn gerne kennen lernen.“

„Lestrade …?“, setzte ich an, in Gedanken noch halb bei Mary, doch dann kam mir zu Bewusstsein, wie absurd jener Gedanke war – Lestrade vom Scotland Yard war mir ja seit Jahren wohl vertraut, seit jenem schreck­lichen Fall mit den beiden ermordeten Mormonen.1

Holmes würdigte meinen wenig intelligenten Kommentar folgerichtig auch keiner Antwort. Es ist bekannt, dass er überflüssige Worte nicht schätzte. Und Nachfragen waren nicht nur in diesem Fall nutzlos.

Wir betraten unseren Wohnraum, und sogleich wurde ich des Mannes ansichtig, der uns erwartete. Es musste jener Besucher sein, den Holmes gemeint hatte. Er stand am Fenster und drehte sich bei unserem Eintreten um. Unverzüglich schätzte ich ihn ein. Mir war klar, dass Holmes gleich wieder eine Kostprobe seiner unvergleichlichen Deduktion erbringen wür­de, die ich selbst nach jahrelanger Übung nur mit Hilfe und höchst ungenü­gend nachvollziehen konnte. Also lag es an mir und dem ersten Eindruck, darüber klar zu werden, woher unser Besucher wohl kommen mochte und was sein Begehr war.

Dass er kein Londoner war, erkannte ich auf den ersten Blick. Er war sehr hochgewachsen, schätzungsweise sechs Fuß, eher etwas größer. Ein stattlicher Mann mit breiten Schultern, scheinbar schlank gewachsen, aber von den Bewegungen her katzenhaft geschmeidig. Dabei strahlte er die herrische Energie aus, die einem Aristokraten zu Eigen ist und die mir stets schwer zu definieren fiel – man spürt dergleichen einfach, wenn man den betreffenden Personen gegenübersteht. Solche Menschen beherr­schen den Raum, sobald sie ihn betreten. Auch die beherrschte, stolze Hal­tung unseres Gastes deutete edles Geblüt an.

Am auffallendsten fand ich das Gesicht: es besaß eine lederartig ge­gerbte, braune Hautfarbe, wie ich sie noch nie beobachtet hatte, am ehes­ten noch vergleichbar mit denen von Stammesältesten in Afghanistan … doch die langen, bartlosen Gesichtszüge, die kräftig hervorspringende Nase und die streng zurückgekämmten, lackschwarzen Haare, die einen Stich ins Bläuliche besaßen, straften diesen Eindruck Lügen. Nie und nim­mer war das ein Araber von den Hängen des Hindukusch. Sie zeichneten sich zumeist durch einen schwarzen Vollbart aus und besaßen einen ande­ren Habitus. Eher hätte er ein Indianer Nordamerikas sein können, doch kam mir das zu abwegig vor. Die Augen dieses Mannes, stechend und klar wie Edelsteine, schienen von graugrüner Farbe zu sein und enthielten eine hohe Intelligenz.

Die Kleidung selbst stammte aus der Saville Row, das war zu erkennen, ein klares Indiz dafür, dass er Geld besaß und aus vermögenden Verhält­nissen stammte. Also ein ausländischer Diplomat vielleicht, zweifellos mit militärischem Hintergrund, wenn man seine tadellose Haltung berücksich­tigte, der Holmes diskret inkognito aufsuchte?

Meine Neugierde war geweckt.

„Mrs. Hudson war so freundlich, Sie einzulassen“, begann Holmes nach einer kurzen Begrüßung, bei der er mich vorstellte, den Fall. „Zweifellos sind Sie erschöpft von der langen Reise, und das feuchte Londoner Klima trägt nicht eben zu Ihrem Wohlbefinden bei. Ich denke aber dennoch, dass Sie uns Ihren Fall ein wenig genauer ausbreiten sollten, als Sie es in Ihrem Schreiben in Erwägung gezogen haben. Auch wenn Sie der Ansicht sind, dass Zeit das wenigste ist, was wir besitzen.“

Wie so oft bei Holmes´ Klienten gelang es meinem Freund auch diesmal, unseren Besucher aus dem inneren Gleichgewicht zu bringen. Aber er hielt sich mustergültig, gemessen an anderen Klienten meines Freundes. Nur ein kurzes Flackern in seinen Augen deutete an, dass er überrascht war. Ein Funke Unwillen schien darin aufzuglimmen. Ein stolzer, beherrschter Mann, kein Zweifel.

„Ich bin sicher“, erwiderte er in tadellosem Englisch, indes mit einem harten Akzent, der deutlich machte, dass er das Befehlen gewohnt war, „dass Ihre Fähigkeiten Ihnen mehr über meine Herkunft verraten haben, als Sie bisher preisgegeben haben, Mr. Holmes.“

„Natürlich.“ Holmes lächelte schmal, nahm die Herausforderung in den Worten des Fremden an. Er schien dergleichen erwartet zu haben, und wie üblich genoss er das Messen der Geisteskraft mit dem Kunden. Fast ein wenig gelangweilt fuhr er nun fort und setzte mich in Erstaunen: „Ich wür­de vermuten, dass Sie mit der Atmung deshalb Probleme haben, weil die Höhenluft in Cuzco nun einmal dünner ist als hier. Auch ist Nebel dort nicht gar so oft anzutreffen wie bei uns in London. Ihre Akklimatisierung lässt zu wünschen übrig … ein interessantes Indiz, wenn man den Reiseweg be­denkt.“

„Er ist weiter, als Sie glauben.“ Diesmal sah der Besucher schon merk­lich blasser aus. Holmes´ verbale Hiebe, denen ich vorsichtshalber nur passiv lauschte, hatten ihn getroffen.

„Ja, der erste Anschein trügt oft, nicht wahr?“

Holmes wandte dem Besucher in seltsamer Rücksichtslosigkeit den Rücken und wärmte sich die Hände am offenen Kaminfeuer – eine Geste, die so unnütz wie interessant war. Schließlich war er nicht lange genug draußen vor der Tür gewesen, um sich kalte Hände zu holen. Es sei denn, Holmes hatte, während Mary und ich im Theater gewesen waren, noch ei­nen weiteren Ausflug gemacht …

Ich konnte diesen Gedanken nicht weiter verfolgen, denn er sprach schon weiter.

„Sie könnten allerdings Ihre Ziele ein wenig beschleunigen, wenn Sie mit mir direkt sprächen“, sagte Sherlock Holmes auf einmal in einem un­gewöhnlich eisigen Tonfall, ohne sich indes umzudrehen. „Es sei denn, Sie möchten auch weiterhin, dass Ihr Diener Sie vertritt!“

„Ich bin kein …“, fuhr der hochgewachsene Südamerikaner zornig auf. Doch was dann geschah und seine Rede jählings unterbrach, verschlug mir die Sprache, weil ich mit so etwas nie im Leben hatte rechnen können.

Eine … ja, höchst eigenartige Stimme erklang, die niemandem von uns dreien gehörte und dennoch im Raum ertönte, und sie erklang aus nächs­ter Nähe. „Ihre Ansichten von unserem Verhältnis sind irreführend, Sher­lock Holmes. Aber in Anbetracht Ihrer Erfahrungen sind sie natürlich na­heliegend.“

„Großer Gott, Holmes!“, rief ich bestürzt aus und suchte das Zimmer mit hastigen Blicken ab, ohne jedoch eine verborgene Person zu entdecken. „Was war denn das? Ist unser Gast etwa Bauchredner?“

Das schien mir die einzig sinnvolle Erklärung zu sein. Der Schrecken hat­te jedenfalls gesessen, das kann ich nicht bestreiten. Mit derlei Überra­schungen hatte ich ungeachtet meiner langen Bekanntschaft mit Holmes nun wirklich nicht rechnen können. Vermutlich sah ich selbst etwas blass um die Nase aus, doch war das wirklich noch gar nichts im Vergleich zu dem, was noch folgen sollte.

Holmes drehte sich um, und seine Augen funkelten erfreut, triumphie­rend vielleicht gar. „Durchaus nicht, bester Watson.“

An den offensichtlich leeren Lehnstuhl gewandt, Holmes´ liebsten Sitz­platz, fügte er hinzu: „Sie können sich zeigen. Ihre seltsamen Taschenspie­lertricks verfangen bei mir nicht.“

„Interessant“, sagte jene schnarrende, fremdartige Stimme, bar jedwe­der Emotion. Und dann erschien der Sprecher. Ich vermag es nicht anders zu sagen.

Der zweite Besucher

Selbst aus einer zeitlichen Distanz von so vielen Jahren verspüre ich noch diesen Anflug des unbeschreiblichen Grauens, wenn ich an die fol­genden Minuten denke. Minuten, die mir oftmals schweißnasse Nächte ein­trugen, in den Monaten, die den Ereignissen folgten. Eine unumgängliche Sache, denn natürlich mühte sich mein kleiner Menschenverstand, diese Dinge zu begreifen und zu verarbeiten, denen wir teilhaftig geworden wa­ren. Vergebens, möchte ich betonen, zumeist völlig vergebens. Manche Er­eignisse und mancherlei Kenntnisse sind nicht von der Art, wie Menschen sie kennen oder verstehen sollten, wenn sie ihrer geistigen Gesundheit Herr bleiben wollen.

Mary machte sich in solchen Momenten, wenn ich zitternd aus dem Schlaf schreckte, unumgänglich Sorgen und nahm natürlich an, mich plag­ten die finsteren Erinnerungen an Afghanistan … ah, sie hätte nicht weiter von der Wirklichkeit entfernt sein können. Und ich konnte ihr doch so gar nichts davon sagen, ich hatte es Holmes immerhin geschworen, und ich bin ein Ehrenmann, der stets sein Wort hält … wobei er nicht müde wurde, mir zu erläutern, dass dies bei meiner Spielleidenschaft ein höchst nachtei­liger Zug ist. Auch damit hatte Holmes selbstverständlich Recht.

Ich konnte also nicht anders, als meine geliebte Mary in solchen Augen­blicken des nachlassenden Schreckens in der Nacht mit schlechtem Gewis­sen über die Gründe meiner Alpträume zu belügen. Ich tat es nur um ihres Seelenfriedens willen, Gott ist mein Zeuge.

Aber ich war in jenem Moment verharrt, wo unser Sprecher in Erschei­nung trat.

Ich sagte, der Lehnstuhl, in dem Holmes sonst Platz zu nehmen pflegte, sei leer gewesen … ich wünschte wahrlich, das hätte gestimmt. Der erste Anschein hätte jeden Betrachter getäuscht. Aber es verhielt sich grundle­gend anders, und Holmes hatte es aus einem mir unklaren Grund sofort bemerkt. Wir hatten nämlich nicht nur einen Besucher, sondern zwei. Einer war von Mrs. Hudson angemeldet worden, der seltsame Südamerikaner, den ich immer noch nicht so recht einzuordnen verstand. Das andere We­sen hingegen … ich bezweifle, dass es auf so etwas wie Türen auch nur an­gewiesen war. Später sollte ich erkennen, dass nicht einmal das Wort „Le­ben“ auf diese Kreatur zutraf.

Es war ein höchst unheimlicher Moment, zu sehen, wie sich in dem Lehnstuhl vor meinen entsetzten Augen etwas … ja … kondensierte, möch­te ich sagen, das wie aus einer Phantasie aus Tausendundeiner Nacht ent­sprungen schien: es handelte sich um ein graues Wogen aus geruchlosem Nebel, das etwa in der Höhe der Brust eines sitzenden Mannes begann und sich dann auf gespenstische Weise auf den ganzen Sessel ausdehnte, ehe es sich wieder … ja, quallenartig zusammenzog und die Konturen einer schlanken, aber absurd hoch gewachsenen Person nachzeichnete.

Das Wesen, das keinerlei Gesicht und auch sonst nichts konkret Erkenn­bares an sich hatte und dessen Betrachtung mir die Augen schmerzen ließ, weil ich weder imstande war, es genauer in Augenschein zu nehmen, aber offensichtlich auch keine Art von Sehschwäche vorlag, wie ich sie gele­gentlich bei meinen Patienten zu examinieren und zu konstatieren habe – namentlich bei älteren Menschen, natürlich – , also, dieses ungeheuerliche Wesen schockierte mich. Ich wich unwillkürlich vor dem Lehnstuhl zurück und wurde erst von der Standuhr aufgehalten, die an der Wand hinter mir stand.

Ich bin sonst nicht schreckhaft, wirklich nicht, und jeder Leser meiner Geschichten weiß, dass ich durchaus zu beherztem Handeln in dramati­schen Situationen fähig bin. Doch hier sah ich mich völlig außerstande, so etwas wie Mut zu demonstrieren oder auch nur die übliche Gelassenheit zur Schau zu stellen. Das kann nicht Wunder nehmen.

Ich meine … natürlich, wir leben in England, und ich bin mit den ganzen Volkssagen aufgewachsen, mit den Märchen und Legenden, mit den klaren Aussagen der Heiligen Schrift zur Macht des Satans und seinen verführeri­schen Kreaturen … aber, so wahr mir Gott helfe, solch ein Wesen hatte ich noch nie gesehen. Es war mir nur ein schwacher Trost, als ich feststellte, dass es Holmes ganz genauso ging. Ich war wie versteinert und konnte ei­gentlich an gar nichts mehr denken.

Dieses Wesen … es war größer als der Südamerikaner, erheblich größer. Sicherlich acht Fuß, würde ich aus der zeitlichen Distanz schätzen, eher noch etwas höher. Der rauchige Kopf, ein obskures, glattes Oval, ragte über die obere Lehne des Lehnstuhls deutlich hinaus. Die Arme, sicherlich nicht unter vier Fuß lang, eher noch etwas länger, liefen in Hände aus … oder rauchige Analoga von Händen, die sich auf eine schmerzlich anzuse­hende Weise ruhelos bewegten. Ich musste wirklich wegschauen, weil ich es nicht ertragen konnte. Ich gestehe, mein Magen revoltierte bei diesem so grauenhaften Anblick.

Abgesehen von diesen Absonderlichkeiten war diese … Kreatur eigent­lich schon entfernt menschlich. Ich will damit sagen: sie besaß zwei Arme und zwei Beine, natürlich, auch einen Kopf oder etwas Vergleichbares. Aber abgesehen davon … nein, ansonsten war „menschlich“ das wirklich allerletzte Attribut, das man diesem Wesen zuschreiben konnte. Und leider war das alles nur der Beginn. Der erste Anschein trog in diesem Fall über­haupt nicht, sondern verharmloste, was diese Kreatur tatsächlich darstell­te, was sie intendierte und tun würde.

Holmes kam zu mir herüber, packte mich an den Schultern und setzte mich in den anderen Sessel. Er murmelte mir beruhigende Worte zu, und wahrlich, das hatte ich auch dringend nötig. Ich war völlig außer mir und stand vermutlich kurz vor einer Ohnmacht. Er sagte mir später, ich sei fahl wie ein Stück Kreide gewesen, und das glaubte ich ihm auf der Stelle. Der Himmel mag wissen, was geschehen wäre, wenn mir Holmes nicht gleich darauf einen Brandy gereicht hätte, den ich mit zitternden Fingern herun­terschüttete, als ob es sich um Wasser handelte. Sonst nehme ich mir da­für deutlich mehr Zeit. Es war wirklich ein exquisiter Brandy.

In all dieser Zeit machten die beiden Besucher keine Anstalten, uns ir­gendetwas zu erklären. Und Holmes, der nun zwar ein wenig blasser aus­schaute, sonst aber sehr gefasst war, tat seinerseits noch nicht den ersten Schritt. Er wartete, bis ich mich von dem Schock erholt hatte, und das fand ich sehr nobel von ihm.

Ich glaube, ich hatte in den folgenden Minuten viel von einem Fisch an mir – es verschlug mir gänzlich die Sprache, was geschehen war, und die Diskussion selbst kam mir so … so absurd vor, wenngleich ich Holmes´ Standpunkt bestens verstehen konnte. Und es fällt mir selbst jetzt schwer, alles der Reihenfolge nach zu beschreiben, was damals geschah. Mag sein, dass ich im Alter etwas geschwätzig und fahrig geworden bin und es mei­nen Lesern der Zukunft damit schwerer mache, meinen Gedankengängen zu folgen … gleichwohl sind solche Unterbrechungen einfach notwendig, um meinen inneren Widerwillen niederzukämpfen, der mich ergreift, die­ses unweigerliche Entsetzen, das mir die Haare zu Berge stehen lässt, ja, selbst heute noch, wo ich weiß, wie knapp wir dem Untergang entkommen sind …

Doch mich treibt auch die Überzeugung an, dass dies nicht einfach alles vergessen werden sollte. Es mag nämlich sehr wohl sein, dass weitere … Wesen dieser Art erscheinen, irgendwann. Und vielleicht sprechen dann nicht die positiveren von ihnen zuerst mit uns, sondern womöglich versu­chen uns dann jene, die ich als „die Bösen“ bezeichnen möchte, gleich Sa­tan in der Bibel … die Folgen wären unübersehbar, und das alles ist noch sehr dezent formuliert, so wahr mir Gott helfe!

Doch ich sollte wieder in meinem Bericht zurückkehren in unseren hei­meligen Salon an jenem Septemberabend in der Baker Street 221b, zu je­nem scharfzüngigen Disput, den sich mein Freund Sherlock Holmes mit je­nem nebelhaften Wesen lieferte. Ah, ich versuche mich genau zu erinnern, möchte mich aber für den Wortlaut nicht mehr restlos verbürgen. Es ist doch schon sehr lange her, und ich muss mich allein auf mein trügerisches Gedächtnis stützen.

Mein Freund Sherlock Holmes ertrug diese … Zurschaustellung oder Ent­hüllung oder wie immer man das nennen kann, dessen wir Zeuge wurden, ungleich besser als ich, das sagte ich schon. Zweifelsohne arbeitete sein messerscharfer Verstand fieberhaft, um zu ergründen, wie das, was wir hier sahen, mit unseren naturwissenschaftlichen Kenntnissen zu erfassen sein mochte. Nun, wie wir bald erleben sollten, war es das überhaupt nicht, und womöglich reagierte er aufgrund dieses undurchdringlichen Mysteriums etwas zu gereizt.

Ich konnte ihn an jenem Abend allerdings bestens verstehen. Vielleicht niemals sonst habe ich die Worte unseres unheimlichen Besuchers passen­der gefunden, als in dem Moment, wo er dann über das Prinzip der Erwar­tung sprach. Wahrlich, in dieser Hinsicht waren wir – und ich spreche von uns Menschen – beklagenswert kurzsichtige Wesen, unvollkommen eben, wie es in der Heiligen Schrift steht, fehlerbehaftet. Womit ich indes nicht behaupten will, dass jene anderen Wesen, mit denen wir es zu tun beka­men, moralisch in irgendeiner Weise besser gestellt wären. Daran konnten wir später mit Fug und Recht zweifeln. Doch ich greife den Dingen vor.

„Haben Sie einen Grund für eine derartig … aufwendige Tarnung?“, er­kundigte sich Holmes ein wenig mühsam bei unserem schattenhaften Gast.

„In der Tat, Mr. Holmes“, sagte das fremdartige Etwas, das ich als unse­ren zweiten Gast bezeichnen möchte, wiewohl es kaum etwas Menschli­ches an sich hatte. Ich kann aber bestätigen, dass die Kreatur ein perfek­tes Englisch sprach und – abgesehen von dem doch sehr … auffälligen Äu­ßeren – im normalen Umgang des städtischen Lebens kaum aufgefallen wäre. Jedenfalls ging ich zu jenem Zeitpunkt noch ganz davon aus. Ich soll­te mich auch hierin täuschen, aber das war noch nicht absehbar. „Ich habe mächtige Feinde und darf mir keine Blöße geben.“

„Sie wären also nicht bereit, diesen … Schleier abzulegen? Ich neige dazu, meinen potenziellen Klienten ins Gesicht zu sehen“, meinte Holmes, und noch immer klang er etwas gereizt. Er hatte noch keine Lösung des Problems gefunden, ganz egal, was er vorhin gesagt hatte, ich konnte es spüren. Ich war ihm leider keine Hilfe. Aber es ist anzunehmen, dass er davon auch nicht ausgegangen war.

„Das ist nicht möglich.“

„Dann wüsste ich nicht, was wir zu besprechen hätten …“

„Seien Sie nicht so voreilig, Mr. Holmes!“, fuhr der Südamerikaner jetzt auf und trat einige Schritte auf meinen Freund zu. Fast kam es mir vor, als versuche er, ihn mit seiner schieren Körpergröße einzuschüchtern.

Ich erinnerte mich an diverse Erfahrungen, die Holmes mit Ganoven ge­habt hatte, die eine ähnliche Statur besaßen, und ich wusste, dass er nicht in allzu großer Gefahr schwebte. Bekanntlich war Holmes ein ausgezeich­neter Boxer und tätlichen Attacken in der Regel gut gewachsen, selbst wenn er sie nicht von sich aus sucht. Seine favorisierte Waffe ist der schar­fe Verstand. Doch selbst wenn unser südamerikanischer Gast die Absicht gehabt hätte, tätlich zu werden, wäre ich Holmes in meinem benommenen Zustand kaum eine Hilfe gewesen, um ihm Beistand leisten zu können. Im­mer wieder irrte mein Blick zu dem monströsen zweiten Besucher hin, der bis auf seine wimmelnden Hände auf den Lehnen (oder was immer das an­stelle von Händen sein mochte!) völlig ruhig dasaß. Das hatte entnervende Züge, fand ich.

Die Situation hatte eine Menge von einem bizarren Fiebertraum an sich. Leider war ich überzeugt, dass genau dies gerade nicht der Fall war – und daraus resultierte wohl ein Gutteil meiner Lähmung.

„Hören Sie, Mr. Holmes“, begann der Südamerikaner wieder. „Sie haben keine Vorstellung, was auf dem Spiel steht …!“

„Nein, da haben Sie vollkommen Recht. Aber ich weigere mich, mit maskierten Personen mehr als nur Höflichkeiten zu wechseln. Sie suchen mei­nen Ratschlag und meine Hilfe, und ich bin ein beratender Detektiv, der glücklicherweise in der Situation ist, sich seine Klienten aussuchen zu kön­nen“, beharrte Sherlock Holmes und wurde zunehmend verschlossener. „Ich glaube, ich habe soeben das Interesse an diesem Fall verloren …“

Der ledergesichtige Aristokrat aus Cuzco fuhr zu dem zweiten Besucher herum, und seine Stimme klang frustriert und vorwurfsvoll. „Sie haben das gewusst! Sie wussten, dass das nutzlos sein würde! Wir vergeuden hier nur unsere Zeit!“

„Nein. Sie sind zu ungeduldig, Tupac Yara. Wenn unsere Gastgeber wüssten, was wir wissen, würde ihnen absolut klar sein, dass sie koope­rieren MÜSSEN. Ich stufe Mr. Sherlock Holmes nicht als ein Wesen ein, das über die Grenzen seiner Spezies hinweg suizidär veranlagt wäre.“

Das klang mir dann doch sehr nach einer Beleidigung, und ein schneller Blick zu Holmes zeigte mir, dass er das ganz genauso sah.

Die Situation erstarrte.

Der Südamerikaner … Tupac Yara – wenn man genau war, musste man Lord Tupac Yara sagen, aber das erfuhr ich erst etwas später – brachte die Diskussion dann wieder in Gang, aber mit einem seltsamen verbalen Faux­pas seinerseits. Ich bin nicht sicher, ob ich das richtig verstanden habe. Er meinte jedenfalls gegenüber dem Schattenwesen, das ihm ganz offen­sichtlich übergeordnet war: „Ich bleibe dabei. Wir vergeuden hier unsere Zeit mit DEGENERATION …“

Das forderte sofort eine scharfe Zurechtweisung heraus, die auch schlagartig kam. „Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass Sie taktvoller sein sollen im Umgang mit unseren Gastgebern! Vergessen Sie für den Mo­ment derartige Kategorien des Denkens, dafür haben wir tatsächlich kei­ne Zeit. Solche Dispute werden die Diskussion nur unnötig erschweren. Es kommt auf Kooperation an, nicht auf eine minimalistische Konfrontati­on unter Wesen, die eigentlich in ihren Zielen einig sein sollten. Es ist al­lein auf das mangelnde Wissen von Mr. Holmes und Mr. Watson zurückzu­führen, dass sie so … hartleibig sind. Sagt man so? Ja, ich denke schon.“

Das Wesen hob eine Hand – oder was immer das sein mochte – , eine Geste, die mir fast den Magen umdrehte. Ich musste mich sehr konzentrie­ren, um nicht unschicklich aus der Rolle zu fallen, und wahrhaftig, es fiel mir außerordentlich schwer!

Dann gab das Schattenwesen einen klaren Befehl: „Berichten Sie unse­ren Gastgebern, Tupac Yara, was sie wissen müssen, und werden Sie ge­nauer als in dem Schreiben, das Mr. Holmes erhalten hat. Und halten Sie sich dabei präzise an die Instruktionen!“

„Zu Befehl!“ Der Südamerikaner tat sich sichtlich schwer damit.

Er drehte sich zu Holmes und mir um, zwang sich dazu, ein einigerma­ßen freundliches Gesicht zu machen und erklärte: „Hören Sie uns bitte erst einmal an … und urteilen Sie anschließend, wie Sie zu der Sache stehen, Mr. Holmes. Einer Ihrer Literaten hat wohl einmal geschrieben ‚Hinauswer­fen kann ich die Leute immer noch’, und damit hat er Recht gehabt …“

„Ich höre“, sagte Holmes kühl. Sein Gesicht war undurchdringlich.

Tupac Yara atmete tief durch, und seine Augen blitzten wütend. Er war es spürbar nicht gewöhnt, so behandelt zu werden. Und es gefiel ihm auch überhaupt nicht, dass sich an Holmes skeptischer und abweisender Miene wenig änderte, während er erzählte, warum sie hier waren …

Tja, das Fragment geht natürlich noch deutlich weiter, es ist im­merhin bis zum Jahre 2013 schon auf 21 Skriptseiten angewach­sen. Aber jenseits dieses interessanten Auftakts geht es im Kern um Folgendes:

Die Besucher des Detektivs sind Zeitreisende aus der fernen Zukunft, wobei jenes schattenhafte Wesen ein so genannter GRALSJÄGER ist. Sie rekrutieren Holmes und Watson, weil sich ihrer Welt aus der Zukunft eine vernichtende Macht nähert. Um sie abzufangen, ist allerdings eine Zeitreise ins Zeitfenster des Jahres 1908 und nach Sibirien vonnöten. Die Handlungen, die Holmes, Watson, der „reisende Inkaprinz“ und der GRALSJÄGER ausführen, gehen später als die Tunguska-Explosion in die Ge­schichte dieser Welt ein.

Während ich schon eine recht genaue Vorstellung davon habe, welcher Natur diese Bedrohung ist, tappe ich leider noch ziem­lich im Dunkeln, welche Rolle Holmes und Watson bei der Ent­schärfung derselben einnehmen sollen und wie die konkrete Lö­sung ausschaut.

Und ihr wisst ja – solange sich das nicht gezeigt hat, bin ich nicht bereit, der unausgegorenen Idee Gewalt anzutun und ein­fach „irgendwas“ zu fabulieren, nur um sie abzuschließen. Das wäre dann tatsächlich gegen die Intuition und kann definitiv nicht geduldet werden.

So reizvoll also dieses verblüffende und bislang einmalige Crossover zwischen dem Kosmos des Sherlock Holmes und dem OSM auch sein mag – es gibt noch eine zweite Andeutung, die in eine ähnliche Richtung zielt, dort aber offensichtlich auf einer Täuschung durch eine Dämonenwaffe beruht2 – , so wenig hat doch auf der anderen Seite der Bilderstrom wieder eingesetzt. Und solange das so ist, wird dieses Langzeitfragment eben ge­nau das bleiben, was es aktuell ist: eine Baustelle.

Lasst euch mal überraschen, welches Fragment ich euch das nächste Mal – deutlich nach dem Blogartikel 500, soviel ist si­cher – vorstellen werde im Teil 3 dieser Artikelreihe.

Bis bald, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

1 Vgl. Arthur Conan Doyle: „Eine Studie in Scharlachrot“, erstmals erschienen in Bee­ton’s Christmas Annual, 1887.

2 Die Rede ist von dem OSM-Romanfragment „Die Totenköpfe 2: Durch die Ruinenwel­ten“.