Liebe Freunde des OSM,
zu Beginn dieser neuen Rubrik, die uns mutmaßlich ein paar Jahre lang begleiten wird, weil die einzelnen Teile in recht großen Abständen erscheinen sollen, werfe ich euch am besten mal gleich ins kalte Wasser und erzähle dann etwas zu dem folgenden Textstück, seiner Genese, seinem Umfang, Inhalt und allem, was mir dazu so einfällt. Obacht, es handelt sich definitiv um ein gewöhnungsbedürftiges Experiment, und es ist klug, jetzt jeden semantischen Qualitätssensor, über den ihr verfügt, am besten mal abzustellen:
1(.) Teil1: Die Bumerangs Nr. 12 13
Im März 1970 wurde ein UFO4 gesehen.
80 Jahre später, im Jahre 2050(,) hatte sich die Welt entscheidend verändert. 1999 hatte jeder Staat 10.000 Atombomben auf einen Raumfrachter verladen und ihn auf eine Umlaufbahn um die Sonne geschleppt. Dort sollte er bleiben. Die Menschen hatten eine 120 Millionen Raumschiffe [umfassende]5 Flotte.6 Sie waren auf der Venus, der Erde und auf dem Mars stationiert.
7 Die Bumerangflotte lag 10 Millionen Kilometer außerhalb des Sonnensystems. Heute stand die Erde auf ihrer Abschussliste.8 Sie flogen mit ihren 20 Millionen Raumschiffen an den 5 hinteren Planeten vorbei. Dann schmolzen sie den Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter zu einem Asteroiden und brachten darauf Fördertürme an und Hallen, in denen Raumschiffe gebaut wurden. Dann bombardierten sie die Basis auf dem Mars und bauten dort eine andere Basis. Eine Reise zum Bumerang-Planeten hätte 80 Jahre hin und zurück gedauert.
9Die Menschen schickten 30 Millionen Raumschiffe(,) um sie bei [bei]10 der Venus in einen Hinterhalt zu locken.
11Es hatte geklappt. Bis auf zehn waren alle Raumschiffe (der Bumerangs)12 zerstört worden. Sie (die Eroberer)13 waren noch nie geschlagen worden. Das aber war eine Superniederlage gewesen. (2 Jahrhunderte waren vergangen, da kamen sie wieder.)14
Ja, Freunde, ich höre ja schon auf zu zitieren. Was wir hier vor uns haben, ist unzweideutig: groteske, schlechte Literatur. Darin sind wir uns wohl absolut einig. Insbesondere wegen der völlig unrealistischen, hypertrophen Zahlenangaben kann man diese Geschichte nicht ernst nehmen.
Beamen wir uns mal zurück ins Jahr 1979, als dieses Werk handschriftliche Gestalt anzunehmen begann. Jenseits der stilistischen Un-Qualitäten handelt es sich hierbei um das älteste erhaltene vollständige Werk, das ich je geschrieben habe. Beizeiten werde ich die Digitalisierung vervollständigen, an der ich mit langen Pausen seit 2012 arbeite … es ist mitunter wirklich eine Qual, einen Text zu editieren, der erstens nahezu über keine Absätze verfügt, sondern ein Endlos-Elaborat von Fließtext darstellt. Zweitens wimmelt er von Schreibfehlern. Drittens gehen mitunter die personalen Zuschreibungen so durcheinander, dass ich das richtigstellen und entsprechend dokumentieren muss.
Dann weist das Dokument eine verwirrende Binnenstruktur auf, die ich tatsächlich erst mühsam wieder verinnerlichen musste. Buchstäblich jede Seite besitzt Eigentitel. Es gibt zahllose Illustrationen, die ich einfügte und die ebenfalls beschrieben sein wollen. Ich arbeitete mit verschiedenfarbigen Kugelschreibern, mit diversen mehrfarbigen Filzstiften, mit Tinte … ihr könnt euch das Chaos vermutlich andeutungsweise vorstellen. Den Text „bunt“ zu nennen, ist wortwörtlich wahr, das betrifft nicht nur den mehrheitlich haarsträubenden Inhalt, sondern auch seine Gestaltung.
Fernerhin wimmelt der Text von Lese-Plagiaten, die ich nur mit sehr geringer Abwandlung in die Geschichte übernahm. Namen werden kurzerhand aus anderer Lektüre geklaut und munter eingearbeitet. Handlungsstrukturen anderer Romane, Filme und Fernsehserien flackern durch die Romanhandlung, und man weiß buchstäblich kaum, was den Leser auf der nächsten Seite an Zumutungen erwartet.
Und dann stellt euch vor, dass dieses Skript 272 handgeschriebene Seiten aufweist – ich denke, es ist nachvollziehbar, warum ich an jedem Arbeitstag hier nur 5-6 Seiten weit komme mit der Digitalisierung. Es ist definitiv eine ziemliche Zumutung. Eine Abenteuerreise jenseits des Geschmacks, würde ich hinzusetzen wollen.
Doch zugleich seht ihr ja direkt zu Beginn alte Bekannte auftauchen: Der titelgebende „stählerne Tod“ ist die Nemesis der Menschheit – die Roboterspezies der „Bumerangs“, die im späteren OSM auch gelegentlich so benannten All-Hüter. Wer die Close Up-Beiträge zum KONFLIKT 16 „Oki Stanwer – Der Mann aus dem Nichts“ gelesen hat, kann hier schon die klaren OSM-Ansätze erkennen. Die dortigen „Bumerangs“ haben mit diesen hier freilich nicht mehr sehr viel zu tun … außer dass sie dort ebenfalls mit der Menschheit nachhaltig auf Kriegsfuß stehen.
Die Bumerangs, um bei diesem hier verwendeten Terminus zu bleiben, löschen nach einem ersten Zurückschlagen anno 2050 bei ihrer Rückkehr nahezu die gesamte Menschheit aus, die auf ein primitives Level zurückfällt. Dies passiert etwa in der Handlungszeit des Jahres 2250. Dann besetzen die tonnenförmigen Robotwesen die Erde – ein wenig wie die dreibeinigen Herrscher von John Christopher, woher ziemlich klar die inspiratorische Leseanleihe kam. Erst 200 Jahre später gelingt es menschlichen Rebellen unter einem gewissen Ben (eine wenig subtile Übernahme von Ren Dhark in einer Robin Hood-Rebellenfunktion, später wird er noch eindeutiger zum „Commander der Planeten“ geadelt), die Invasoren zurückzuschlagen.
Es schließt sich eine ebenfalls erkennbar geklaute Odyssee der Erde in ein anderes Sonnensystem an (ebenfalls ein Plagiat, in der Fernsehserie „Mondbasis Alpha 1“ war es der Mond, der davonflog, hier eben die Erde).
Im Altair-Sonnensystem findet die Menschheit eine neue Heimat, da die Erde zu grundlegend verwüstet ist und später zerbirst. Doch im Untergrund von Altair VII, an dessen Oberfläche die Trümmer einer Bumerang-Raumschiffflotte zu finden sind, existiert ein subplanetares Reich, das außerordentlich vielgestaltig ist – und bewohnt.
Die Odyssee von Ben und seinen Getreuen, der relativ kleinen Schar überlebender Terraner, führt sie durch zahlreiche seltsame unterirdische Reiche, in denen zum Teil Krieg zwischen verschiedenen Spezies gefochten wird. Sie finden Zwergenwesen (die im späteren OSM zu der Spezies der „Mörder“ werden; hier deutet sich außerdem schon der beliebte Hohlwelt-Topos in vielen späteren OSM-Serien an), sie entdecken Festungsanlagen, die ich ungeniert aus J. R. R. Tolkiens „Der Herr der Ringe“ übernahm, inklusive der mörderischen Massenschlachten, die man aus der Verfilmung dieses Romans kennt. Im obigen Roman freilich auf einer Art bizarrem Kinder-Niveau, aber auch angereichert mit Panzern und niedrig fliegenden Raumschiffen (witzigerweise in der höhlenartigen Unterwelt, worüber ich mir keine Gedanken machte; auch nicht, warum man sie mit Handfeuerwaffen vom Boden aus mühelos abschießen kann).
Wie bei so vielem, was folgt, sollte man sich um die Begründung vieler Orte oder Geschehnisse, die ihnen in der Unterwelt von Altair VII begegnen, nicht allzu viele Gedanken machen … man wird sie in der Regel vergebens suchen.
Gründe für die hemmungslose Aggression, die den an sich eher friedliebenden terranischen Flüchtlingen entgegenschlug, bekümmerten mich actionverliebten Autor damals nicht wirklich. Und es ist ja auch festzuhalten, dass die Terraner üblicherweise mit gleicher brutaler Waffen-Münze heimzahlten. Vorsichtig gesprochen: Es wird gemetzelt, was das Zeug hält … was ich damals augenscheinlich für Action und eine intelligente, packende Geschichtenhandlung hielt.
Als sie endlich die Unterwelt von Altair VII wieder verlassen können, gelingt es den überlebenden Menschen um Ben auf ziemlich unrealistische Weise, recht schnell eine eigenständige neue Raumflotte aufzubauen und, widersinnigerweise, nach ihren Erzfeinden, den Bumerangs, zu suchen (mutmaßlich aus Rachegründen, aber jeder gescheite Mensch würde begreifen, dass diese Aktion aus einer Position der Schwäche heraus erfolgt und darum nur als lebensmüde zu charakterisieren ist … was mich absolut nicht bekümmerte).
Sie entdecken sowohl deren Spuren als auch zahlreiche Überreste alter Sternenreiche zwischen den Sternen. Im Innern eines Höhlenlabyrinths finden Ben und seine engeren Gefährten schließlich einen Ringraumer (!), der bei einem Rundflug durch die Galaxis von zahlreichen Fremdvölkern massiv attackiert wird, was die Menschen natürlich nicht begreifen. Ein Schiff, das auch über phänomenale Beiboote verfügt, so genannte „Flashs“!
Die Erschaffer dieses Wunderfahrzeugs, von den Terranern kurzerhand „Mysterious“ (!) getauft, gelten in der Galaxis als lange verschollene Tyrannen-Spezies … ach ja, und wem diese Handlungsstrukturen jetzt irgendwie sehr vertraut vorkommen, der hat natürlich recht: Das ist nahezu 1:1 die Nacherzählung der Ren Dhark-Heftromanserie, die ich 1978/79 als Lektüre entdeckte und die mich stark beeinflusste.
Doch sie erweist sich im Fortgang der Geschichte durchaus nicht als dominant. Warum nicht?
Weil Commander Ben und seine Freunde auf einen menschenähnlichen Alien treffen, der eine überlegene Supertechnik sein eigen nennt: Ein Wesen, das auf den Namen Oki Stanwer hört und sie kurzerhand zu seiner Welt mitnimmt – zum künstlichen Planeten, dem Okiplaneten!
Damit sind wir dann schlagartig im Kosmos der „Gedankenspiele“ meines Bruders und in der Keimzelle des Oki Stanwer Mythos, anfangs deutlich beeinflusst von dem ersten Star Wars-Film.
Im weiteren Fortgang der Geschichte tauchen mit den Totenköpfen und TOTAM weitere OSM-Strukturen auf, die immer stärker werden. Am Ende des Romans, der nach geplanten 300 Seiten (die ich nicht erreichte, wie gesagt, es ist auf Seite 272 Schluss, ergänzt um ein paar später eingefügte, nicht nummerierte Zwischenblätter) leitete diese wilde Storyline über in eine erste Serie, „Die Abenteuer der Galax“ (wobei „Galax“ ebenfalls eine unreflektierte Übernahme aus den Anfängen der Ren Dhark-Serie darstellt. Dort hieß das erste Kolonistenschiff der Menschheit GALAXIS; ein Schiff namens „Galax“ kommt indes in meiner ganzen Serie nicht vor, was den Serientitel völlig ad absurdum führt … und mich damals auch nicht tangierte).
Leider habe ich – im Gegensatz zu diesem Romanskript – das handschriftliche Skript der rund 60 Folgen umfassenden Galax-Serie Ende 1982 in dem hilflosen Versuch, die zahllosen Einzel-Handlungsebenen der Episoden zu koordinieren, bedauerlicherweise zerstört. Ein Fehler, der mir heute noch leid tut, denn es wäre höchst interessant gewesen, zu schauen, was da noch für Anleihen auftauchten.
Im „stählernen Tod“ finden wir mehr oder minder unverhohlene Anspielungen auf zahlreiche damalige SF-Filme wie etwa die frühen Star Wars-Filme, es wird „gebeamt“, was das Zeug hält (womit wir bei „Star Trek“ sind), „Kampfstern Galactica“ hat mich schwer beeinflusst, was man an den ständigen Raumfahrt-Odysseen in der Geschichte deutlich merken kann.
Dagegen ignorierte ich geflissentlich alle möglichen Dinge, die mir gerade nicht in den Kram passten. Die Menschheit kann nicht eben mal Millionen Raumschiffe bauen? Warum nicht? Machen die halt einfach, basta.
Die Bumerangs schicken eine 10 Millionen Schiffe umfassende Streitmacht? Okay, dann müssen wir eben 10 Milliarden Schiffe dagegen setzen.
Der Okiplanet hat eine lange Landebahn? Natürlich muss die dann über tausend Kilometer lang sein …
Und so weiter und so fort.
Wie gesagt, von Handlungslogik, einem stringenten roten Faden und realistischen Proportionen muss man sich in diesem Werk kategorisch verabschieden. Meiner Ansicht nach taugt es nicht mal als Satire … aber es ist ansonsten ein interessantes Zeugnis dafür, wie ich damals „tickte“. Und gemessen an den Geschichten, die ich alsbald dann mit meiner ersten mechanischen Schreibmaschine verbrach (schreiben kann man das schwerlich nennen), ist dieses Skript eine erstaunliche Ausdauerübung. Zumal wenn man berücksichtigt, dass ich noch Schüler war und gerade mal 13 Lenze zählte.
Es ist zugleich ein Dokument einer zwar noch sehr unreflektierten, aber unglaublich wissensdurstigen, von sprudelnder Phantasie erfüllten jungen kreativen Seele. Und es ist deutlich zu erkennen, dass die Seiten, die dann im Jahr 1980 verfasst wurden, schon etwas ruhiger, strukturierter und klarer wurden als der völlig überzogene, groteske Anfang. Auch deshalb hätte ich zu gern eine Zeitmaschine, um den Schnipselberg zu retten, zu dem „Die Abenteuer der Galax“ Ende 1982, vermutlich war es eher Anfang 1983, nachdem wir nach Gifhorn umgezogen waren und ich endlich mein eigenes Zimmer besaß, mutiert war.
Nun, das ist leider Science Fiction.
Der obige Roman ist jedoch als Skript über all die Jahrzehnte erhalten geblieben und steht deshalb mit Recht am Anfang dieser neuen Artikelreihe.
Das nächste Werk, das ich besprechen werde, entstand 1984 erst. Und es hat eine ganz besondere Genese, zu der ich in zehn Wochen im Blogartikel 620 Näheres erzählen werde.
In der kommenden Woche beame ich euch mal mit mit zusammen in die Welt des tropischen Archipels und erzähle euch etwas über „Das Geheimnis des Vungash“.
Schön neugierig bleiben, Freunde!
Bis dann, mit
Oki Stanwers Gruß,
euer Uwe.
1 Dies bedeutet eigentlich: Seite 1 des Kapitels 1, es ist insofern einigermaßen irreführend für einen Leser, der sich mit dem Werk nicht auskennt.
2 Das bedeutet wiederum eigentlich: 1. Kapitel des ersten Abschnitts dieses Romans. Vgl. nachher das Inhaltsverzeichnis.
3 Dies ist eine Durchnummerierung des Skripts. Dabei sind die Vorsatzblätter der einzelnen Teile – hier der „Fancifuly Story 1“ – , die in Ren Dhark-Covermanier ein rundes, zentrales Covermotiv enthalten, ausdrücklich NICHT in die Nummerierung einbezogen. Ich denke darum, dass die Gesamtlänge des Werkes etwa eher 300 Seiten statt 272 Textseiten beträgt.
4 Diese Fußnoten dienten einem Lexikon als Grundlage, das hinter dem Teil der Geschichte angehängt worden ist. In jedem einzelnen Teil der so genannten „fanciful storys“, wie ich das damals nannte, begann die Zählung wieder bei 1. Bei der Abschrift gehe ich summarisch vor.
5 Im Skript nicht vorhanden.
6 Der Satz wurde wegen unbeholfenen Satzbaus bei der Abschrift geändert. Ursprünglich steht hier: „Die Menschen hatten eine 120 Millionen Flotte von Raumschiffen.“ Das liest sich ziemlich verboten.
7 Dieser Absatz wurde bei der Abschrift eingefügt.
8 Eine Begründung wird nicht gegeben. Hektischer, zerstörerischer Aktionismus.
9 Dieser Absatz wurde bei der Abschrift eingefügt.
10 Versehentlich doppelt im handschriftlichen Skript vorhanden, was ich nie gemerkt habe. Das zweite Wort kann natürlich eliminiert werden.
11 Dieser Absatz wurde bei der Abschrift eingefügt.
12 Die Worte fehlen im Skript.
13 Mit Klammer so im Skript stehend.
14 Dieser Satz wurde gründlich mit blauem Kugelschreiber eliminiert.