Liebe Freunde des OSM,
es ist immer wieder eine phantastische Erfahrung festzustellen, dass die Welt durchaus nicht nur aus düsteren und pessimistischen Erfahrungen besteht, sondern es auch unerwartete, interessante Lichtblicke gibt, die Mut machen, auch ambitionierte Projekte mit neuer Energie anzugehen. Zu solchen Projekten rechne ich das Autoren-Nachlassarchiv-Projekt, über das ich bei aktuellen Events gern Rede und Antwort stehe.
Dazu gab es jüngst in Braunschweig zwei schöne Möglichkeiten. In der vergangenen Woche Ende Oktober war ich Teil des Braunschweiger Gründungstages im Trafo Hub, und wenn es dort dann auch wesentlich – aus gegebenem Anlass – um die Vertretung des Vereins KreativRegion e.V. ging, so gab es doch auch Gelegenheit, mit Besucherinnen und Besuchern ins Gespräch zu kommen. Und damit konnte ich dann zumindest kursorisch das titelgebende Projekt wieder in den Blick rücken.
Noch schöner gelang das am gestrigen Abend (29. Oktober), als im frisch installierten Nachhaltigkeitszentrum Braunschweig die neue 16. Ortswechsel-Veranstaltung des Hauses der Wissenschaft stattfand. Unter dem Thema „Zukunft“ wurden innovative, positive Ideen für die Zukunftsgestaltung mit Bezug auf die Arbeitswelt, die Stadtentwicklung und die Zukunftsforschung skizziert. Im Gefolge dieser Impulsvorträge konnte ich auch mit der Gastgeberin und einigen Gästen über die Frage der Nachlässe verstorbener AutorInnen sprechen und den Plan, diese für die Zukunft zu retten und der Öffentlichkeit vorzuhalten.
Das entscheidende Stichwort war, meiner Ansicht nach völlig passend, „Kulturgutschutz“. Gerade in Zeiten, in denen wir allenthalben auf diesem Sektor Probleme erkennen können (etwa durch Verlagssterben, Zensurbestrebungen, Zusammenstreichung von kulturellen Radio- und Fernsehprogrammen oder generelle Kürzungen im Kultursektor), scheint es mir eminent wichtig, dass gerade an diesem Punkt besser nicht gespart wird.
Die Kurzsichtigkeit vieler politischer Akteure, die kurzfristige Rendite mit langfristiger Amortisation verwechseln, führt zu einer Fehlsteuerung der finanziellen Förderströme, die ständige Nachfrage, „was bringt das kurzfristig an monetärem Gegenwert“ ist zwar begreiflich … in vielen kulturellen Belangen greift sie aber zu kurz.
Das sind so ein paar Gedanken, die ich diesbezüglich in die Runde werfen möchte. Wie man allerdings auch daran sehen kann, dass überhaupt ein Nachhaltigkeitszentrum Braunschweig ins Leben gerufen werden konnte (wenngleich die Fördergelder zunächst nur für ein Jahr Betrieb reichen, was ich zu kritisieren gestern Abend leider nicht umhin kam zu sagen), macht doch Mut, dass vielleicht mittelfristig ein Projekt wie das meinige, das sich um die Nachlässe von Autoren kümmern soll, nicht effektlos verpufft und als schöner Traum austrocknet und verfliegt.
Ich war euch außerdem noch eine Seite Notizen schuldig geblieben, die ich im Februar in einer sehr inspirativen Diskussion festhielt. Die Anfänge hiervon findet ihr in den Blogartikeln 574 (4. August 2024) und 583 (6. Oktober 2024). Hier folgt also der Schluss dieser Notizen:
„Stiftungssatzung
Mittelverwendung/Begünstigung muss klar definiert sein
Verein ist gemeinnützig, ohne Gewinnerzielungsabsicht
Stiftung ist mit Gewinnabsicht
To do-Liste erstellen
Reihenfolge der Punkte festlegen
Meilensteine
andere kulturelle Formate suchen – Präsenz dort planen
Werbematerialien
Businessplan?
Stiftung bestellt Geschäftsführer des Vereins
Stiftung hat Kontrolle über Verein
Beide müssen Vorstand zustimmen, um den besten Kandidaten zu finden
in erster MV [Mitgliederversammlung] verbindliche Satzung festlegen!
Hochschule als Mitglieder? Bspsw. Hochschulbund BS
CFI bei CoApp
Anfang März neues Gespräch – nach Buchmesse
(hat sich so leider aus verschiedenen Gründen nicht ergeben)
regelmäßige Kontakttreffen
Werbungsmöglichkeit für die Stiftungen im Stiftungsrat
Vereinsmitglieder sind langfristig Mit-Stifter!“
Damit enden diese vielfältigen Gedankenanstöße, die in Summe zeigen, dass der Projektgedanke gerade strukturell wohl deutlich komplexer ist, als ich mir das bislang ausmalte.
Allein die hier ventilierte Idee, parallel einen Verein UND einen Stiftungsrat zu erschaffen, die beide interagieren und unterschiedliche monetäre Zielsetzungen verfolgen, ist neu für mich und durchaus ungewohnt. Sie würde aber ohne Zweifel helfen, das notwendige Startkapital zu finden, das für die Umsetzung erforderlich ist.
Jüngst – auf dem Gründungstag, den ich einleitend erwähnte – erfuhr ich übrigens auch, dass sich viele Gründer völlig überzogene Vorstellungen davon machen, wie viel Startkapital vonnöten sei, um die Idee zu realisieren. Allerdings ist einschränkend hierzu zu berücksichtigen: Es ging dabei um produzierende Unternehmen, die ja einen physischen Gegenwert erschaffen, was die Amortisation von investierten Geldern deutlich leichter macht, als das in einem Autoren-Nachlassarchiv der Fall wäre. Denn machen wir uns hier nichts vor: Zunächst ist das Archiv ganz klar ein Zuschussgeschäft. Kulturguterhalt, das sollte allen, die sich mit dem Thema ein wenig auseinandergesetzt haben, klar sein, zielt auf langfristige Rendite, nicht auf schnellen, kurzfristigen Gewinn.
Dabei klar im Weg steht natürlich so etwas wie der Zeitgeist, auch das ist vermutlich recht verständlich: politische Entscheidungen, bei denen Kultur, allgemeine Information, zeithistorische Überlieferung für spätere Generationen gering geschätzt und dementsprechend wenig finanziell unterstützt werden, erschweren es, solche Projekte zu realisieren. Auch eine Gesellschaft, die in immer kürzeren Produktzyklen denkt, deren Aufmerksamkeitsschwelle sinkt und deren historisches Bewusstsein bedauernswert durch Kurzsichtigkeit und historische Vergesslichkeit gekennzeichnet ist, macht die Situation nicht leichter.
Diese Dinge müssen wir im Blick behalten und solchen Tendenzen entgegensteuern, wenn wir das Problem des Kulturgutverlustes beim Nachlass wegsterbender Autoren angehen wollen. Das ist jedenfalls nach wie vor kategorisch mein Anliegen.
Damit möchte ich für heute wieder schließen. Die Artikelreihe wird am 12. Januar 2025 an dieser Stelle fortgesetzt. In der nächsten Woche berichte ich über meine Schreibfortschritte in aktuellen Projekten, die der Monat März 2024 erbracht hat.
Bis bald, mit
Oki Stanwers Gruß,
euer Uwe.