Blogartikel 571: Blitzideen

Posted Juli 14th, 2024 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

Gewitter in der Seele haben etwas Beunruhigendes an sich – in der Regel kann man so etwas kaum kontrollieren, und kanalisie­ren lässt sich das, was, daraus entsteht, üblicherweise auch kaum. Doch insgesamt gesehen betrachte ich als kreativer Schreiber, der sich eher als impulsgetrieben versteht, weniger als penibel von vorn bis hinten durchplanender Autor, solche Momente tendenziell positiv.

Es gibt, das schrieb ich vermutlich schon gelegentlich, in mei­nen Augen zwei Sorten von Schriftstellern. Die vermutlich meis­ten, die professionell erfolgreich sind, verstehen sich aller Wahr­scheinlichkeit nach als solide, ihr Handwerk verstehende Arbei­ter, die wie Steinmetze geschickt und geduldig am Felsblock der deutschen Sprache meißeln. Sie tun dies üblicherweise nach ei­nem klar konturierten Plan. Sie legen im Vorfeld das Setting fest, entwickeln die Protagonisten, planen Kapitel für Kapitel akribisch und legen idealerweise fest, wie lang die einzelnen Ka­pitel sein sollen, welche Spannungshöhepunkte sie enthalten, wie sie sukzessive die Handlung vorantreiben bis zum katharti­schen Höhepunkt und der Auflösung der Geschichte.

Das ist eine bewundernswert konzentrierte Form des Schreibens … aber sie ist eher wenig zugänglich für Blitzideen, die wie fun­kelnde Götterhiebe in die Seele einschlagen und von einem Mo­ment zum nächsten aufflammen, von denen vorher einfach nichts zu sehen ist. Sie kommen wie ein Angriff aus dem Hinter­halt und zerschießen jede normale Planung.

Ich habe gerade keine Zeit zum Schreiben?

Wenn eine Blitzidee einschlägt, wird das fortgefegt wie von ei­ner Sturmböe. Auch der Vergleich mit einer wilden Springflut, die den arglosen Wanderer überrascht, oder einer Lawine, die Skifahrer zu verschlingen droht, passt hierauf recht gut.

Wie eine Naturgewalt kümmern sich solche Blitzideen nicht um Zeit, um die eigene Verfasstheit, um Situationen oder darum, dass sie tunlichst nur dann aufschimmern sollten, wenn es op­portun ist. Blitzideen sind Anarchisten der Seele.

Das klingt jetzt alles ziemlich furchtbar und einschüchternd, ich weiß. Aber das ist nur eine Seite der janusgesichtigen Münze, die Blitzideen auf der anderen Seite auch darstellen. Denn ja, es gibt auch etwas Positives daran.

Blitzideen durchwühlen die kreative Seele wie eine Sturmflut das Ufer, das Sediment, die bisher ruhig und gesetzt abgelager­ten Gedanken. Und sie fördern Verborgenes zutage oder ma­chen Dinge erst möglich, die man vorher vielleicht für undenk­bar gehalten hat.

Da ich in den letzten vier Wochen zwei solche Blitzidee-„Atta­cken“, wie ich das jetzt mal plakativ nennen möchte, erlebte, ist die Erinnerung daran noch frisch. Und in beiden Fällen entstan­den erstaunliche Texte, die vorher nicht einmal im Ansatz zu se­hen waren. Das gilt insbesondere für den zweiten.

Im ersten Fall war diese Blitzidee eigentlich eine Art geballter bildhafter Hintergrundentladung aus meinem Oki Stanwer My­thos (OSM). Eigentlich gehört dies in den Bereich der Kosmolo­gie-Lektionen meines Blogartikel-Korpus, denn es geht hierbei um die Durchleuchtung einer kosmischen Manipulation, die we­nigstens 85 Milliarden Handlungsjahre umfasst, also einen sehr erheblichen Teil des OSM, der ja über einen Gesamthandlungs­rahmen von ca. 165 Milliarden Jahren verfügt.

Ich wurde an diesem Tag Anfang Februar schlagartig von Bildern und komplexen Gedankenstrukturen geradezu bestürmt, dass ich kurzerhand alle anderen Arbeiten, Pläne und Texte fahren ließ und mich ausschließlich hierum kümmerte.

Mit etwas Nachfeilen am gleichen Tag, nachdem ich die groben Daten und Informationen niedergeschrieben hatte, erreichte der Text quasi aus dem Stand den Endumfang von 18 Textseiten. Dabei wurde wirklich ALLES andere gleichgültig. Dass ich von morgens um 8 Uhr bis 13 Uhr regulär gearbeitet hatte, interes­sierte mich in dem Moment nicht mehr, als ich kurz nach der Heimkehr wie wild zu schreiben begann.

Spät am Abend, als draußen alles schon finster war, beendete ich den Feinschliff an dem Text, der „Spurwechsel“ heißt und wohl einer der wichtigsten und einflussreichsten Texte der letz­ten Jahre ist, den ich zum OSM geschrieben habe. Die darin an­gelegten Implikationen werden mich noch viele Jahre beschäfti­gen. Ich gönne euch mal einen kleinen Einblick in diesen Text, damit ihr eine textliche Vorstellung bekommt, wie so eine Blitzi­dee in realiter ausschaut. Und glaubt mir: Die Nachbearbeitung war wirklich minimal:

Der Gedanke kam über mich wie ein Blitzschlag, der sich in einem Alptraum ereignet und mich zutiefst aufschreckte. Wie immer, wenn ich tiefe Erkenntnisse in Texten des OSM entdecke, die ich digitalisiere – was in den vergangenen fünf­zehn Jahren schon häufiger vorgekommen ist – reagiere ich mit Überraschung, Verwirrung und Verunsicherung darauf. Jedenfalls solange, bis es mir gelingt, die Angelegenheit zu rationalisieren und gründlicher zu durchdenken. In der Re­gel kann ich diese Entdeckungen dann mit dem aktuellen Bild des Oki Stanwer Mythos konsolidieren und in das bestehende System einpassen.

Dann aber gibt es Dinge, die ich entdecke, die so fundamental sind, so unge­heuerlich, dass ich mich tagelang instinktiv dagegen sträube, sie auszuformulie­ren, niederzuschreiben. Weil sie so gigantisch, so unglaublich sind, dass ich nicht recht weiß, wo ich beginnen soll.

Als ich während der Schreibarbeiten am KONFLIKT 23 „Oki Stanwer – Der Dämonenjäger“ im Jahr 1989 die Hexe Davina ins Innere der Matrix (!) ent­kommen ließ, wo sie auf gestorbene und wieder reinkarnierte Ritter vom Gold­kristall (!) stieß, auf gestorbene Baumeister und schließlich dort auch ihre und Oki Stanwers Tochter Sarai zur Welt brachte, wurde mein OSM-Weltbild ziem­lich geschwind auf den Kopf gestellt. In rascher Folge geschahen nicht nur in diesem KONFLIKT, sondern auch in anderen Weltensystemen wie dem KON­FLIKT 22 „Oki Stanwer – Der Schattenfürst“ und KONFLIKT 21 „Oki Stanwer – Fürst von Leucienne“ sowie im gerade begonnenen, rätselhaften KONFLIKT 28 „Oki Stanwer – Der Siegeljäger“ Dinge, die ich zum Teil wirklich kaum fas­sen konnte.

Im Fortgang des KONFLIKTS 23, während ich parallel an zahlreichen ande­ren KONFLIKTEN schrieb, erschienen so bizarre Dingen wie „Dämonenschat­ten“, „GRALSJÄGER“, das „SYNDIKAT“, die „AKADEMIEN“, die „AUTAR­CHEN“ und schließlich die „AUTARCHEN-Energokrieger“ und, am Rand auf­schimmernd, die bizarren „TUURINGER“.

Auf einmal war aus dem bis dahin eher linear „dahindümpelnden“ KON­FLIKT, der sich über 33 Universen ausdehnen sollte, etwas geworden, was ich nie für möglich gehalten hatte: ein transuniverseller Zeitkrieg. Eine bizarre, verrückte Welt, in der die Kausalität auf den Kopf gestellt wurde. Eine Welt, in der Reisen über die Universengrenzen in vergangene, untergegangene Univer­sen möglich wurden. Eine Welt, in der die bisherige Nonpulsultra-Technologie der Baumeister … wie soll ich sagen … seltsam altbacken aussah.

1994, als der KONFLIKT 23 endete und in den abenteuerlichen, immer noch in Arbeit befindlichen KONFLIKT 24 „Oki Stanwer – Der Neutralkrieger“ überging, da war mir klar, dass das ursprüngliche KONFLIKT-Schema, das ich 1985 etwa entwickelt hatte, nur ein Provisorium gewesen war. Die Welt, in der ich mich jetzt bewegte und in der ich vorwärts und rückwärts in der Zeit hin und her switchte, war völlig anders als alles, was ich bislang gekannt hatte.

Das Faszinierende an dem neuen transuniversalen Konzept des OSM war je­doch dies: Es machte auf einmal verblüffend viele Details der Vergangenheit auf geradezu abenteuerliche Weise BEGREIFLICH, ja, LOGISCH.

Ich pflegte in Gesprächen und Briefen immer wieder Freunde mit der lakoni­schen Bemerkung zu überraschen, dass ich gewissermaßen spürte, dass ich be­stimmte Sachverhalte auf eine ganz bestimmte Weise beschreiben müsste, ob­wohl ich sie ad hoc nicht erklären könne. Sie fühlten sich einfach auf eine ganz bestimmte Weise RICHTIG an, wenn ich das schrieb, doch von einem wirklichen Verständnis war ich im Moment des Schreibens oft sehr weit entfernt. Ich fühlte nur intuitiv: irgendwo in dem Wust an Informationen lag die Lösung für die Frage, warum ich gerade das jetzt so und nicht anders schreiben musste.

Ein gutes Beispiel hierfür sind die Totenköpfe. Als ich 1982 mit dem OSM be­gann, und auch noch früher, während der Gedankenspiele mit meinem Bruder, hielt ich Totenköpfe schlicht für Untote. Wenn man ihre knöcherne Monsterge­stalt anschaut, eine sehr nahe liegende Vermutung. Aber ich fühlte, dass das ir­gendwie nicht die ganze Wahrheit sein konnte.

Und dann die Art und Weise, in der sie sich rückstandslos auflösten und ihre Materie nach TOTAM zurückkehrte … das hatte wirklich rein gar nichts mit der plumpen Art der Vernichtung von Untoten zu tun, die ich aus den Heftromanen kannte, die ich damals las.

Auch war zwar viel von „Magie“ im frühen OSM die Rede, von Knochen­magie, Siegelmagie usw. … aber auch hier spürte ich recht deutlich, dass das ei­gentlich nicht so ganz die Wahrheit darstellte.

Als ich mich vom Horror-Heftromanhintergrund distanzierte und bemüht war, die OSM-Phänomene physikalisch zu begründen, kam ich der Lösung näher und fand sie schließlich in den 90er Jahren während der Arbeit an KONFLIKT 23. Ich entdeckte die schwarze Matrix, die TASSYJAARE und die unglaubliche Er­kenntnis, dass TOTAM-Kristall im Grunde stabilisierte schwarze Quanten dar­stellt, in die, was noch viel abenteuerlicher war, Mikroversen eingeschlossen waren – ganze Welten früherer KONFLIKTE, gleich Insekten im Bernstein, aber begehbar, lebendig, bevölkert … der Röntgenraum im KONFLIKT 23 oder die unheimliche Vier-Stunden-Welt im KONFLIKT 21 waren nur wenige Beispiele … da gibt es noch endlos viel zu entdecken.

Die Totenköpfe nun als Teile des Planeten TOTAM zu sehen, die – wie der Planet selbst – dem Magnet-Effekt unterlagen (den ich aus dem ersten KON­FLIKT, KONFLIKT 15 „Oki Stanwer“, bereits seit 1983 kannte!), das war ein echter Erkenntnis-Booster.

Und ja, jahrelang dachte ich nun, während sich der Komplex um die transuniversalen Zeitkriegsfronten immer weiter ausdehnte, während positive GRALSJÄGER, SYNDIKATS-GRALSJÄGER, Kybernoiden, AUTARCHEN und AUTARCHEN-Energokrieger sich in verschiedensten Zeitebenen befehdeten, plünderten und ermordeten, jahrelang dachte ich nun: Das scheint es jetzt ge­wesen zu sein. Das ist die finale Form des OSM.

aber, wie oben angedeutet, das war einfach nur die ur­sprüngliche Annahme, gewissermaßen das Präludium zu den ei­gentlich noch folgenden Gedanken. Denn der Text zum „Spur­wechsel“ fügt diesem temporalen Wahnsinn noch eine zentrale Komponente hinzu, die ich zwar in zahlreichen bizarren Details schon vor über 25 Jahren angelegt hatte … doch diese Andeu­tungen wurden erst durch die jetzt mittels der Blitzidee auf­flammenden Durchleuchtung der Hintergrundstruktur sichtbar und begreiflich.

Dass ich da einigermaßen betäubt war, ist vielleicht nun andeu­tungsweise begreiflich. Ich möchte hier in diese sehr komplexen Zusammenhänge auch gar nicht tiefer eindringen, das ist ein noch zu frisches, zu neues Thema, an dem ich gründlich weiter herumdenken muss. Es ist lediglich das Beispiel für die erste Blitzidee.

Die zweite hingegen kam buchstäblich aus dem Nichts. Ich kann wirklich gar nicht sagen, wie das zustande kam. Außer, dass ich auf einmal – völlig unabhängig von allen filmischen oder lektü­retechnischen Anregungen – plötzlich an eine Mumie denken musste. An eine Mumie und einen Gestaltwandler und Coventry.

Spontan ergibt das überhaupt keinen Sinn. Aber als ich am 1. März schon zu nachtschlafender Zeit kurz nach Mitternacht mor­gens mit dem Schreiben an der Geschichte begann, da entwickelte sie sich unglaublich stürmisch, und diesmal wusste ich GENAU, wohin ich wollte. Der Weg war nicht so eindeutig konturiert, aber während ich Zeile um Zeile in den Computer eintippte, wurde es deutlicher und deutlicher … und als ich spä­ter am Tag dann von der Arbeit zurückkehrte, schloss ich den Handlungsbogen ab und schliff bis spät abends die Geschichte fertig. Am Ende des Tages war Die Sache mit der Mumie“ ebenfalls 18 Seiten lang, und ich musste ständig kichern bei dem alleinigen Gedanken an den Titel.

Und auch aus dieser Blitzidee möchte ich euch einen kurzen Auszug zum Besten geben, damit ihr einen kleinen Eindruck in das ungewöhnliche Setting dieser Story bekommt, die sich blitz­artig in meinem Verstand materialisierte:

Die dämlichste Geschichte meiner Laufbahn wollt ihr hören? Ach, glaubt mir, da gab es so dermaßen viele, da fällt es mir wirklich schwer, irgendetwas zum Besten zu geben. Bedenkt doch einfach, dass ich vierundneunzig Jahre verdeckter Ermitt­ler auf unzähligen rückständigen technologischen Welten gewe­sen bin … da kommt eine Menge an kuriosem Zeug zusammen.

Von exotischen Welten könnte ich euch ganze Romane erzäh­len, von verrückten Sitten und Gebräuchen, mit denen ich da konfrontiert worden bin. Die Welten sind wirklich voller un­glaublicher Dinge, und es ist für meinen Job ja nötig gewesen, da immer eine gewisse Anpassung vorzunehmen.

…ja, ganz genau, das sind Undercover-Aufträge gewesen, und die meisten davon hatten natürlich politische Hintergründe. Manches ist davon bis heute streng geheim, das versteht sich von selbst. In vielen Fällen gab es sogar eine semitelepathische Gedankensperre, die bis heute hält. Das bedeutet, wenn ich ir­gendwie in diese Richtung denke, setzt eine automatische men­tale Blockade ein, die sogar verhindert, dass Telepathen unaus­gesprochene Worte von mir abfangen können. Das fand ich da­mals ungemein praktisch … behindert natürlich vollständig ir­gendwelche Pläne, eine Autobiografie zu schreiben. Aber dafür bin ich sowieso nicht der Typ, das wisst ihr ja …

Doch, doch, so etwas wie diese Gedankensperre, die ich eben erwähnte, das ist nicht so exotisch, wie das jetzt klingt, Freun­de. Es gab da mal einen Fall auf Aurigae III, in den eine telepa­thische Kolonistengruppe verwickelt war – da kam ich mir wie ein Schlafwandler vor, weil die Informationsblöcke, die in mei­nem Unterbewusstsein eingelagert worden waren, nur situativ aktiviert wurden, durch unvorhersehbare Stimuli von außen … daran denke ich echt nicht gern zurück. Und kann es im übrigen auch gar nicht richtig, denn wie ich eben sagte – da greift heute noch die semitelepathische Blockade.

Für viele Fälle gilt das aber nicht. Die meisten, in denen ich es mit gewöhnlichen Kriminellen zu tun hatte, etwa … also, die sind im Grunde wirklich unspektakulär. Ich habe manchmal, wenn ich bei solchen Besuchen wie bei euren von meiner Ver­gangenheit spreche, das Gefühl, dass diese Fälle nach außen viel spektakulärer klingen, als sie das in Wahrheit waren. In den weitaus meisten Fällen hatte das sehr viel mit dem Auswendig­lernen kultureller Besonderheiten zu tun, mit wochenlangem historischem Studium der entsprechenden Spezies. … ja, und natürlich mit dem entsprechenden Morphen in die passende Form.

Es hat schon gewisse Vorteile, ein Formwandler wie ich zu sein. Jetzt, wo ich auf die 200 zugehe, habe ich natürlich schon sehr nachgelassen, das hat nicht nur mit der körperlichen Agili­tät zu tun, sondern auch mit der Metamorphfähigkeit. Bin halt kein Jungspund mehr, nicht wahr, der im Handumdrehen von ei­ner Reptiloidengestalt in einen Insektoid switchen kann. Auf den meisten Welten kann man das übrigens mit der Zeugungs­fähigkeit der maskulinen Lebensformen vergleichen – die lassen in der Regel auch stark nach, je älter sie werden, sehr zum Leidwesen der oftmals viel jüngeren Weibchen.

…warum ich da gerade lächle? Ach, ich musste da eben an eine schöne kleine Begebenheit auf einem Randplaneten der Galaxis denken. Welchem? Na, den kennt ihr bestimmt nicht. Er gehört nicht zur Konföderation, damals nicht und heute auch noch nicht. Ich denke, die Planetarier strampeln sich vermutlich heute nach wie vor damit ab, ihre systemischen Randwelten mit unbemannten Sonden zu erkunden. Sie brauchten damals, als ich da im Einsatz war, doch echt MONATE Flugzeit, um zu ihrem nächsten Nachbarplaneten zu gelangen.

Warum das? Ach, sie machten solche Swing-by-Manöver und nutzten die Schwerkraftfelder ihrer benachbarten Planetenbah­nen aus … keine Chance, mit den vorhandenen Mitteln geradli­nige Kurse durchs System zu nehmen. Vergleichsweise armseli­ge Stellartechnik. Seht ihr, da nickt ihr alle beifällig. Aus solcher technologischer Rumpfzeit sind unsere Völker schon seit zahllo­sen Jahrhunderten raus, und mit Recht.

Wie diese Welt hieß? Lasst mich mal kurz nachdenken … ach ja, jetzt habe ich es. Erde heißt diese kleine Welt.

Doch, Erde … ernsthaft. Das war jedenfalls einer der Namen, andere bezeichneten sie als Terra oder einfach nur „Welt“ … ja, sonderlich einfallsreich waren oder besser: sind sie wohl bis heute nicht, das gebe ich sofort zu. Provinzler halt.

genau, genau, mein guter Freund … ach ja, und davon überzeugt, das einzige intelligente Volk im Kosmos zu sein, das sind sie natürlich ebenfalls. Darüber kann unsereins selbstver­ständlich nur vergnügt grinsen. Aber ihr müsst diese Provinzler verstehen – wenn ihr einen Molchteich in eurem Habitat hättet, würden diese Molche doch wohl auch glauben, die Welt bestün­de nur aus dem Teich, in dem sie leben, oder? Wie sollten sie auf die Idee kommen, dass es weit von ihnen entfernt noch wei­tere Teiche oder Seen oder gar Meere gibt, in denen ganz natür­lich auch Leben entstanden ist?

Also, ich kann diese Provinzler durchaus verstehen, und sie tun mir durchaus leid.

Was habe ich damals auf dieser Welt gesucht? Nun, natürlich nicht rein amouröse Abenteuer, über diese Erinnerung kam ich ja nur erst auf diesen Hinterwäldlerplaneten … nein, nein, es gab da schon einen ernsten Anlass. Ich verfolgte damals einen Tassyloorer, ein ziemlich übles, gewalttätiges Subjekt, eine rich­tige Verbrechertype, so müsst ihr ihn euch vorstellen. Ich hatte ihn fast schon erwischt und einen Teil seines Triebwerks gerös­tet, als er doch tatsächlich auf diesem Planeten Erde einen Un­terschlupf suchte.

Ihr kennt Tassyloorer natürlich – heimtückische und gewalttä­tige Kerle … sie haben aber einen kapitalen wunden Punkt: Sie sind meistens zu faul, sich ordentlich in die kulturellen Eigen­heiten einer Welt und Sozialkultur einzuarbeiten. Und da ich den Kerl, dessen Namen ich hier aus Personenschutzgründen nicht nennen darf, überrascht und bis hierher verfolgt hatte, musste er natürlich improvisieren.

Bei Tassyloorern geht das meistens schief.

Der hier war freilich äußerst gerissen, das sollte ich vielleicht vorab sagen. Ich hatte ihm aber voraus, dass ich die Erde schon ein paar Jahrzehnte kannte. Hier war ich bereits mehrmals im Undercover-Einsatz gewesen, und es gab auch eine getarnte Dienststelle in einer Stadt namens Coventry … die war aller­dings aus politisch-militärischen Gründen einige Planetenjahre zuvor schwer beschädigt worden im Rahmen eines kriegeri­schen Konfliktes der Einheimischen.

Ein regional nahe beheimatetes Volk hatte sich zu einer konti­nentalen Hegemonialmacht aufgeschwungen und Städte wie Coventry, die im Feindgebiet auf einer nahen großen Insel la­gen, mit Bombardement überzogen. Die Stadt hatte es übel er­wischt, und das hatte auch die Dienststelle weitgehend zer­stört, die seither unterbesetzt war. Hier harrte nur noch ein Ex­perte der Konföderation aus der Kulturabteilung aus und tat das, was die Militärs gern „die Stellung halten“ nennen. Er war­tete geduldig darauf, dass den Planetariern die Puste ausging. Er wusste, diese Dinge würden nicht von Dauer sein – dafür ist die Lebenszeit der Menschen viel zu gering.

Der kriminelle Tassyloorer nahm jetzt an, nicht ganz zu Un­recht, dass in einem durch den Krieg zerrütteten Gesellschaft wohl jemand, der sich etwas … ungewöhnlich benahm, kaum auffallen würde. Es gab hier Flüchtlingsströme, Heimatlose, die ethnische Durchmischung des gesamten Kontinents war reich­lich desolat, insofern hätte das durchaus funktionieren können.

Und nein, natürlich verrate ich euch jetzt nicht, wie die Ge­schichte weiter verlief und was unser jetzt im Ruhestand befind­licher Formwandler-Agent mit dem verbrecherischen Tassyloorer auf der Erde erlebte und warum darin dann ausgerechnet eine Mumie die entscheidende Rolle spielte.

Diese Geschichte werde ich in diesem Jahr alsbald publizieren, und dann könnt ihr das alles ausführlich nachlesen (Nachtrag: Das ist inzwischen passiert – nachzulesen ist sie im Fanzine BWA 488, Mai 2024). Tatsache ist, dass ich aus der Sache nicht mehr herauskam, als ich erst mal den ersten Absatz geschrieben hatte … selbst ein einstündiges Telefonat, das den Schreibprozess unterbrach, konnte daran nichts ändern.

Das charakterisiert Blitzideen: Sie sind wie Prägestempel, die in die Seele des Schreibenden gehämmert werden und erst an Ein­dringlichkeit nachlassen, wenn man sie vollständig ausformu­liert, nachgeschliffen und ausgedruckt hat. Vorher quälen sie, nerven, lenken von allem anderen gründlich ab.

Ihr versteht vielleicht deshalb, dass ich für solche vermeintlich störenden situativen Einfälle sehr dankbar bin. Im Fall des „Spurwechsels“ veränderte Blitzidee 1 meine Vorstellungen von den Grundfesten des OSM fundamental und mit noch unkalku­lierbarer Langzeitwirkung.

Und die „Mumie“ brachte mich völlig überraschend zu einer fri­schen, neuen und sehr amüsanten Geschichte, die ich gewisser­maßen aus dem Ärmel schüttelte … völlig unbeeindruckt von Tageszeit oder Tagesform. Ich kam aus der Geschichte nicht mehr raus, bis ich die Mumie zu sehen bekam … und dann konnte ich nur noch hemmungslos kichern. Über die phantasie­lose Dämlichkeit des Tassyloorers … ah, ihr werdet das begrei­fen, wenn ihr die Geschichte lest.

Zu wissen, dass es jederzeit weitere solche seelischen Blitzein­schläge geben kann, Blitzideen, selbst noch im nicht mehr jun­gen Alter von annähernd 58 Lenzen, das entzückt mich und gibt mir Hoffnung, noch lange nicht zum alten Eisen zu gehören.

Ohne Frage werdet ihr von diesem Themenkomplex beizeiten mehr hören. Warten wir ab, aus welcher Richtung die Blitzschlä­ge dann wohl kommen mögen …

Soviel für heute, Freunde. Ich danke euch für die Aufmerksam­keit, die ihr mir geschenkt habe und verabschiede mich bis zur kommenden Woche an dieser Stelle.

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

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