Liebe Freunde des OSM,
das heutige Projekt, an dem ich seit vielen Jahren mit großen Abständen arbeite und das daher zu den Langzeitbaustellen oder Langzeitprojekten zählt, kommt diesmal wieder aus dem Dunstkreis des tropischen Archipels.
Wer länger meinem Blog folgt, wird wissen, dass ich den Archipel als Weltkonzept um das Jahr 1997 entdeckte und zunehmend im Rahmen von mehrhundertseitigen Romanen erforschte, bis ich dann anno 2000 mit dem dritten solchen Projekt, „Christinas Schicksal“, die magische Grenze von tausend Manuskriptseiten überquerte, die seither irgendwie fast normal für ausufernde Archipelromane geworden ist.
Ich konzentrierte mich aus begreiflichen Gründen mehrheitlich auf die tropische Inselwelt des Archipels und war mir stets bewusst, dass natürlich der Südkontinent mit seiner über viele Jahrhunderte zurück reichenden Adelskultur ebenfalls ein reicher Handlungsschauplatz sein würde. Doch irgendwie ergab es sich einfach nicht, hier allzu viel Bildblenden sichtbar zu machen. Also simmerte gewissermaßen der Südkontinent-Hintergrund immer so beiläufig mit, wurde in Andeutungen oder den Erzählungen alter Exilanten, die in der jungen Metropole Asmaar-Len ihren Lebensabend beschlossen, sichtbar.
Meist war diesen Reminiszenzen eine gewisse schmerzliche Melancholie zu eigen. Die exilierten Adeligen trauerten der stolzen Hochkultur in der alten Nation Gorronien nach, die dort im Süden des Kontinents aufgeblüht war. Sie sehnten sich immer wieder zurück nach den Wallfahrten zum Lichtgott-Heiligtum im Hochland von Cooriday … und mir war immer deutlicher klar, dass ich langfristig nicht umhin kommen würde, mich darum zu kümmern.
Dennoch überraschte es mich, dass sich dieser Pfad gewissermaßen auf einem Umweg für mich als gangbar erwies. Er führte über eine interessante Nebenperson in einer noch nicht veröffentlichten Archipel-Geschichte. Und ja, sie war ein Seitenpfad meiner ausufernden Rhonda-Romane.
Im Geschlechterturm des Vollash-Clans in Asmaar-Len lebt anno 871 Archipelzeitrechnung, also zu der Zeit, zu der das Mädchen Rhonda allmählich in der Archipelmetropole bekannt zu werden beginnt, eine 62jährige Frau, die mit einem der Vollash-Brüder verheiratet ist. Von der attraktiven Lieblingssklavin Angela, die dem jüngsten Vollash-Spross Fensai gehört, wird sie „Tante Lisa“ gerufen. Ich ahnte damals schon nach den Andeutungen, die in dieser Story „Ein Rätsel namens Rhonda“ (2005) gemacht wurden, dass Lisa nicht auf normalem Weg nach Asmaar-Len gelangt war.
Was es genau mit ihr auf sich hatte, ahnte ich indes nicht …
Das ging solange so, bis ich am 8. Mai 2010 mich auf einmal in einer Szenenblende mitten in einem prachtvollen Palastgarten auf dem Südkontinent wieder fand. Aber ehe ich davon weiter spreche, möchte ich kurz skizzieren, wie weit diese Geschichte inzwischen gediehen ist.
Von diesem 8. Mai 2010 bis zum 8. März 2022 erreichte die immer noch sehr skizzenhafte Geschichte insgesamt 37 Seiten Umfang. Damit hat sie genau genommen noch nicht einmal das Volumen einer bescheidenen Novelle erreicht … aber das hat wesentlich damit zu tun, dass dies nur die Rahmenstrukturen sind, unterbrochen von einigen weiter ausgearbeiteten Szenenblenden.
Man kann also sagen, dass ich gerade mal das Skelett der Geschichte erfasst habe, dies aber nahezu zur Gänze. Ihr könntet nun fragen, was mich denn daran hindert, die Geschichte einfach flüssig herunterzuschreiben und in kurzer Zeit fertigzustellen. Nun, wie bei den meisten Langzeitprojekten ist das gar nicht so einfach zu erklären.
Ich denke, sehr wesentlich trägt zu den Verzögerungsmomenten bei, dass so viele wichtige Personen darin zum Vorschein kommen. Wir haben Auftritte des reichlich brutalen Ghannoy Vollash, seinem nicht minder hitzigen Bruder Thalwash Vollash, ich werde im späteren Verlauf der Geschichte Ghannoys Kinder thematisieren müssen, also Fensai Vollash – der in der Handlungsgegenwart der Rhonda-Romane der Regent von Asmaar-Len ist – sowie seine beiden Schwestern Melissa Vollash und Lisa Vollash, die beide zentral in das Verschwörungsgeschehen des aktuellen Rhonda-Romans „Rhondas Aufstieg“ und hier in das Drama des „Verrätersommers“ involviert sind.
Außerdem treten auf: der legendäre Archipel-Baumeister Antaganash und das Orakel der Göttin Neeli, die nicht minder legendäre Priesterin Surinya von Len. Ich werde deutlich mehr über das frühe Asmaar-Len schreiben müssen, das ich bislang nur in vagen Umrissen sehen kann (wenn auch, zugegeben, klarer jetzt nach der Fertigstellung des Romans „Antaganashs Abenteuer“, 2010). Dass die Beendigung des eben erwähnten Romans wesentlichen Anteil daran hatte, dass für die obige Geschichte der Bilderfluss sich verstärkte, ist nicht zu leugnen.
Doch kehren wir zur eigentlichen Geschichte „Raubgut“ zurück. Was ist dieses Raubgut? Nun, es ist relativ auf der Hand liegend, denke ich: Es handelt sich um die weiter oben erwähnte nachmalige Tante Lisa. Aber wie fing das alles eigentlich an? Um das zu verstehen, müssen wir in diesen Adelsgarten zurückkehren … ins Königreich Gorronien auf dem Südkontinent.
Wir befinden uns im Jahre 829 Archipelzeitrechnung, und der Adelsgarten des Clans derer von Sannasaar liegt am Rande der alten Kapitale von Gorronien, Olosheen. Hier wächst die stolze, junge und bildschöne Adelstochter Lisa Gräfin von Sannasaar heran. Wie viele schöne und stolze Töchter ist sie im Glauben des Lichtgottes erzogen worden und fest davon überzeugt, dass dereinst ihr Vater ihre Ehe mit einem standesgemäßen Partner arrangieren wird. Liebeshochzeiten sind im Grunde genommen höchst seltene Phänomene in jener Zeit und jener Gesellschaft – ein wenig wie bei den Adelsfamilien des europäischen Mittelalters.
Bei einem der vielen Gartenfeste trifft Lisa zufällig einen Mann niederen Adels, der sehr von ihr fasziniert zu sein scheint, was ihr natürlich schmeichelt. Aber schon ein schlichtes Gespräch zeigt ihr überdeutlich, dass es ihm sowohl an Manieren mangelt wie an dem, worauf ihr Vater Wert legt – einem relevanten Rückhalt in einer angesehenen Adelsfamilie.
Thalwash Vollash ist vielleicht ein attraktiver Kerl, aber er ist unglaublich von sich eingenommen und eingebildet. Und so weist sie seine anzüglichen Absichten kühl und bestimmt zurück. Er ist in ihren Augen ein kleiner Krauter und definitiv nicht heiratsfähig.
Lisa ist nicht klar, dass sie mit dieser nicht einmal allzu diplomatischen Zurückweisung einen verheerenden Fehler begeht. Denn Thalwash Vollash ist nun einmal sehr empfindlich, und ein Hinweis auf seine eher bescheidene Abstammung, und dann noch von einer hochherzigen, schönen Frau aus edlem Hause, das verträgt sein Ego gar nicht.
Dennoch vergeht das Fest ohne weitere Zwischenfälle … aber als Lisa bald danach morgens einen Spaziergang im häuslichen Gartenareal macht, wird sie zum unfasslichen Entsetzen auf einmal in die Büsche gerissen, gefesselt und geknebelt … und dann in einen Laubsack gesteckt und kurzerhand von ihrem Grund und Boden verschleppt!
Schließlich erweist sich ihr Entführer, der sie in einem weitab gelegenen Haus in der Einöde aus ihrem transportablen Gefängnis befreit, als niemand Geringerer als Thalwash Vollash … aber statt auf ihren wütenden Protest zu hören und ihre zornigen Vorhaltungen, die wahrhaftig berechtigt sind, gescheit mit anzuhören, gehen die Ungeheuerlichkeiten und Demütigungen weiter.
Er macht sich nun einen genüsslichen Spaß daraus, ihre kostbare Kleidung in Fetzen zu schneiden, um sich seinen „Fang“, wie er es nennt, genauer zu besehen. Und das bedeutet: völlig nackt! Lisa, gefesselt und wehrlos, wie sie ist, vor Schock wie gelähmt und bald auch tränenüberströmt, vermag sich dagegen nicht zur Wehr zu setzen.
Als Thalwash sie dann vergewaltigt, stürzt für Lisa die Welt vollends ein … denn die Jungfernschaft ist das kostbarste Pfand, das ein Adelsmädchen in die Ehe einbringen kann … und so entehrt, das ist ihr klar, ist ihr Schicksal vollständig vernichtet.
Schrecklicherweise erweist sich Thalwash Vollash nach anfänglicher derber Geilheit als ein durchaus leidenschaftlicher und talentierter Liebhaber, der Lisas Körper zu entflammen versteht, auch wenn sie ansonsten vor Scham im Boden versinken könnte. Es kommt ihr völlig falsch vor, dass diese unmoralische Situation ihr auch noch sinnliche Wonne bereitet, aber leider kann sie nicht gut leugnen, dass es sich genauso verhält.
Dass Thalwash sein „Raubgut“ kurzerhand zur dauernden Nacktheit zwingt und sie täglich seinem schier unersättlichen Sexdurst unterwirft, kann Lisa nur noch erdulden. Sie fühlt sich ja ohnehin inzwischen wertlos und ahnt, dass ihr Vater, der sicherlich nach ihr sucht, nach Offenlegung der Fakten sie nur verstoßen würde. Thalwash Vollash, dieses Vieh, hat ihr Leben zerstört …
Leider muss sie entdecken, dass das noch nicht das Schlimmste ist, was ihr widerfährt. Denn der erste, der das Lustversteck der beiden ausfindig macht, ist nicht Lisas Vater, sondern Thalwashs Bruder Ghannoy … und nackt am Bett angebunden wird sie nun verstört Zeugin davon, wie die Brüder sich streiten. Und Ghannoy vertritt allen Ernstes die Ansicht, es sei das Beste, „das Hurenweib“ (mit dem SIE gemeint ist!) kurzerhand umzubringen und in einem See zu versenken, um die Spuren des Verbrechens zu vertuschen, und dann das Weite zu suchen.
Davon will nun wieder Thalwash nichts wissen, der ihren Körper genießen gelernt hat … und in der Folge wird er gezwungen, Gorronien mit seiner verstörten Geisel auf dem Seeweg zu verlassen. Sie sollen sich zum Invashin-Archipel begeben und von dort aus nach Asmaar-Len, denn es ist evident, dass der Boden in Gorronien viel zu heiß für sie geworden ist. Thalwash droht ohne Frage die Todesstrafe, wenn sein Verbrechen ans Licht kommt. Also sei es besser, Lisa und er würden kurzerhand in den Norden, also in die tropische Archipelwelt, aufbrechen und ihre Spuren verwischen.
So kommt es dann auch, und nach wochenlanger Seereise landen sie schließlich auf der großen Archipel-Insel Coorin-Yaan, wo die Vollash dabei sind, im entstehenden Asmaar-Len sich eine neue Existenz aufzubauen.
Das könnte es jetzt eigentlich gewesen sein … aber eines Tages ist da ein rätselhafter, braungebrannter und attraktiver junger Fremder, der durch Lisas vergittertes Fenster hineinschaut und sehr angetan ist von der jungen Schönheit, die Thalwash in steter Nacktheit hält.
Es ist ein Mann mit dem Namen Antaganash. Und er erzählt der Hohepriesterin der Göttin Neeli, Surinya von Len, von diesem Mädchen, das gegen seinen Willen als Sklavin bei Thalwash Vollash festgehalten wird.
Auf einmal werden die Dinge ziemlich kompliziert, und der arrogante Entführer hat eine unglaubliche Entscheidung zu fällen, die ihm überhaupt nicht schmeckt …
Wie gesagt – die Geschichte ist in den Grundzügen von Anfang bis Ende schon durchgeplant. Es fehlen freilich noch jede Menge Dialoge, unzählige Szenenblenden, Berge von Umgebungsbeschreibungen und Handlungsdetails. Die Lebensläufe der Protagonisten, soweit ich sie bislang kenne, müssen hier fein abgestimmt werden. Weitere Details zu ihrem Leben und ihrer Entwicklung sind einzuarbeiten.
Das kann noch ziemlich lange dauern, bis ich hierzu komme. Dass es mir ein enormes Vergnügen bereiten wird, ist unbestreitbar. Doch viele Dinge sind zum momentanen Zeitpunkt einfach zu nebelhaft, um den präzisen Weg Schritt für Schritt planen zu können.
Im Invashin-Archipel, beispielsweise, wo der Entführer und sein „Raubgut“ Station machen, habe ich mich zuletzt im Jahre 682 Archipelzeitrechnung aufgehalten, also rund 150 Jahre zuvor (im Roman „Eine Adelige auf der Flucht“, an dem ich von 2000-2010 bis zur Fertigstellung schrieb). Was dort seither passiert ist, kann ich beim besten Willen noch nicht sagen, und ich möchte ungern die dortigen Geschehnisse durch diesen Roman hier gewissermaßen präjudizieren.
Auch wäre es von Nutzen, erst mal etwas mehr Informationen über die Geografie von Gorronien zu sammeln. Immerhin taucht in der Geschichte ja ein Netz von Kanälen und Windmühlen auf, es geht um befreite Sklaven und die Seefahrt rund um Olosheen. Und dann ist es vonnöten, dass ich auch mehr über den jungen Antaganash und seine Kontakte zur Priesterin Surinya eruiere, ehe ich hier in die vollständige Umsetzung der Geschichte einsteige.
Ihr seht … auch wenn ich an der Geschichte, die mutmaßlich wenigstens Novellenformat erreichen wird, schon seit rund zwölf Jahren schreibe, kann man doch nicht behaupten, ich hätte sie schon gründlich durchdacht.
Es ist darum wahrscheinlich, dass sie noch eine ganze Weile ein Langzeitprojekt im Entwicklungsstadium bleiben wird. Ihr könnt das dann beizeiten in den „Work in Progress“-Blogartikeln weiter verfolgen.
Damit möchte ich für heute schließen. Vielen Dank für euer Interesse, wir lesen uns in einer Woche an dieser Stelle wieder.
Bis dann, mit
Oki Stanwers Gruß,
euer Uwe.