Liebe Freunde des OSM,
es gibt Tage und Wochen, da werde ich völlig von einem Gedanken vereinnahmt und habe dann für nichts anderes mehr Raum. Das hat ein bisschen was von Verliebtheit an sich, das lässt sich kaum leugnen. Verliebtheit fühlt sich sehr ähnlich an: Man hat keine Interessen mehr außer einem ganz engen Fokuskreis, der sich um die geliebte Person erstreckt, alles andere verliert schlagartig an Relevanz und wird nebensächlich, selbst wenn das vielleicht eine ungesunde Entwicklung darstellt. Dann sind plötzlich solche Dinge wie Buchlektüre, wichtige Termine, Treffen mit Freunden, Kinobesuche, Bewerbungen und dergleichen gegenstandslos.
Ja, das gibt meist ein unschönes Erwachen im Anschluss, wenn der erste Rausch der Verliebtheit sich abschwächt, aber in dem Moment selbst … da fühlt man sich einfach nur großartig, euphorisch, schier unbesiegbar.
Und noch etwas hat das mit dem gemein, was mich im Mai 2022 überkam und von dem ich jetzt (aktuelles Schreibdatum ist der 22. Juni 2022, wir können also darauf hoffen, dass bis zum Erscheinen des Beitrags das Fieber wieder etwas gesunken ist) berichten möchte: Jedes Gefühl für die reale Zeit geht kurzerhand verloren.
Tja, so fühle ich mich zurzeit, während ich an dem „leide“, das ich mal ironisch als „Archipelfieber“ bezeichnen möchte. Wie kam es, dass ich an diesen Punkt gelangte? Nun, das ist wie immer eine längere Geschichte, die ich hier gern aufdrösele. Und wie das meist so ist, beschreibe ich erst mal den Weg dorthin und dann, was genau mich im Augenblick umtreibt, vielleicht gibt es sogar das eine oder andere Zitat, mal schauen.
Ihr wisst, wenn ihr meinem Blog schon eine ganze Weile folgt, dass der Archipel eine meiner drei kreativen Hauptsphären ist, in denen ich seit Jahrzehnten unterwegs bin. Er entstand ab 1997 und hat inzwischen mehrere tausend Skriptseiten, mehrere sehr lange Romane, zahlreiche Romanfragmente, mehrere Dutzend Kurzgeschichten und Novellen sowie zahlreiche Geschichtenfragmente erzeugt und dehnt sich munter weiter aus.
Der bislang größte Teil dieses tropisch-idyllischen Paralleluniversums dehnt sich um das Mädchen Rhonda aus, das im Jahre 870 Archipelzeitrechnung im Roman „Rhondas Weg“ seinen Weg in die Archipelmetropole Asmaar-Len findet. Im Zuge dieses Romans (2000/2001) und seines Folgebandes „Rhondas Reifejahre“ (2002-2010) findet Rhonda auf fast 5.600 Textseiten neue Freunde, eine Geliebte, mit dem „Garten der Neeli“ des Maklers Panjit al Choor auch ein neues Heim … und sie lernt dabei auch jede Menge Probleme und Gefahren kennen.
Als ich den Handlungsbogen des zweiten Rhonda-Romans 2010 vorzeitig beenden musste, weil der Punkt für einen „Break“ genau richtig war, schloss sich unvermeidlich der dritte Roman „Rhondas Aufstieg“ an, der dank inhaltlicher Überlappung schon ab 2008 in Weiterarbeit befindlich war. Er entwickelte sich bis vor rund sieben Jahren dann auf knapp 300 Textseiten, als der Bilderstrom vorerst erlosch.
Und hier beginnt dann das Wunder des Jahres 2022: Nachdem ich mich Anfang des Jahres erst im Oki Stanwer Mythos (OSM), genauer: Im KONFLIKT 7, der Serie „Oki Stanwer – Held der Hohlwelt“ (HdH) sehr intensiv aufgehalten hatte, schwenkte ich zur zweiten kreativen Sphäre hinüber, ins Erotic Empire, wo ich mich mit den Romanen „Die Kolonie Saigon II“ und „Saskia bei den Nomaden“ schwerpunktmäßig befasste.
Als der Elan hier ein wenig abebbte, kam ich auf einen Gedanken von ungeahnter Reichweite – ich wollte einfach eine Stelle im Roman „Rhondas Reifejahre“ nachlesen. Am 5. Rheeb 871 Archipelzeitrechnung fährt nämlich ein Orkan mitten durch Asmaar-Len und verwüstet auch Rhondas aktuellen Aufenthaltsort, den „Garten der Neeli“. Diese ausufernd dargestellte Szene begann um Seite 2.100 des Skripts … und ehe ich begriff, wie mir geschah, fing mich der Zauber des Romans kurzerhand ein.
Wie sah das aus?
Ich konnte nicht mehr aufhören, weiterzulesen!
Ich las und las und las, vergaß Bücher, Kinos, Freunde, Streaming, Briefe, einfach alles ringsum … ich versank schlichtweg in dieser Welt wieder, traf all die lebhaften, liebenswerten Personen mit ihren Problemen und der seltsam animistischen Weltsicht wieder … und während ich las und las, breiteten sich in mir munter die Gedanken weiter aus.
Denn es war mir ja bewusst: Die Geschichte ist nicht auserzählt, ganz im Gegenteil! Rhonda lebt im „Garten der Neeli“ quasi an DEM politisch-neuralgischen Punkt der Archipel-Hauptstadt und ist inzwischen in die höchst gefährliche, fragile Gleichgewichtssituation, die dort herrscht, eingeweiht worden, dass ihr klar war, gewissermaßen am Rand eines Vulkans zu balancieren.
Noch prekärer geworden war die Lage im vergangenen Jahr (während „Rhondas Reifejahre“), weil das Mädchen im Garten die seit Jahrzehnten verschollenen legendären Heiligtümer von Cooriday wieder gefunden hatte. Und das war nicht einfach nur ein atemberaubender Berg von Kostbarkeiten, sondern sowohl politischer als auch religiöser Sprengstoff.
In Asmaar-Len halten sich drei Kräfte gegenseitig in Schach: Der Tempel der Neeli, der über die Liebesreligion der Göttin Neeli und ihres Gemahls, des Sonnengottes Laraykos, wacht. Das ist die Hauptreligion der Archipelbewohner. Dann gibt es aber auch noch die vor Jahrzehnten vom fernen Südkontinent zugezogenen Adeligen, die die formelle politische Macht in der Stadt ausüben. Leitend ist hier der Vollash-Clan, der zugleich spirituell dem Lichtkult vorsteht, gewissermaßen der bodenständigen Gegenreligion zum fleischlichen Neeli-Kult. Und die zentrale Pilgerstätte des Lichtkults existiert auf dem Südkontinent im Hochland von Cooriday … und ist seit Jahrzehnten unzugänglich.
Die Juwelen von Cooriday, die Rhonda nun gefunden hatte, brachten also einen massiven Machtzuwachs in Asmaar-Len zugunsten des Adelsrates. Und wenn sie sich auch mit dem amtierenden Lord Vollash, Fensai Vollash, gut verstand, gab es doch in Adelskreisen jede Menge Neider, die sich das Mädchen auf diese Weise zu erbitterten Feinden gemacht hatte.
Der dritte Pol ist die Stadtwache von Asmaar-Len unter ihrem charismatischen Kommandanten Vaased al Cooresh – und dessen Tochter ist Carina al Cooresh, die Haushälterin und Geliebte von Panjit al Choor, dessen Anwesen der „Garten der Neeli“ darstellt. Carina ist außerdem Rhondas erwachsene Geliebte. Ihr erkennt Problemfelder, nicht wahr? Und das ist nur so an der Oberfläche geschrammt, glaubt mir!
Als der Roman „Rhondas Aufstieg“ begann, war mir also klar, dass die Geschehnisse außerhalb der Mauern des „Gartens der Neeli“ zu einer Explosion hindrifteten und dass alsbald Lebensgefahr bestehen würde. Ich sah deutlich für den Sommer des Jahres 872 den so genannten „Verrätersommer“ und einen versuchten Staatsumsturz voraus. Aber die Details waren mir anno 2015 noch dunkel und unklar. Es war so verworren und kompliziert, dass ich – was intelligent war – erst mal die Finger davon ließ.
Und dann las ich rund zweitausend Seiten an den Rhonda-Romanen im Mai und bis Anfang Juni. Ich überarbeitete die dreihundert Seiten des dritten Rhonda-Romans, glossierte sie neu und wurde immer tiefer hineingezogen in die Geschichte. Und es tauchten neue Strukturen auf. Aus dem Stand skizzierte ich auf fünf Textseiten Hintergründe und komplexe Verbindungsstrukturen für die nächste Zukunft des Romans. Und mir wurde klar, dass manche Szene, die ich vor Jahren geschrieben hatte, ohne sie an den Haupttext anschließen zu können, nun tatsächlich Sinn zu ergeben begann.
Gewiss, manches davon war eindeutig veraltet, aber anderes, bei dem mir zentrale Verständnisstücke gefehlt hatten, wurden schlagartig plausibel und konnte, während ich ab dem 8. Juni 2022 an dem Roman stürmisch weiterschrieb (zeitweise bis zu 20 Reinskriptseiten am Tag), mit geringem Aufwand angeschlossen werden.
Neue/alte Personen tauchten auf, die nun faszinierende Verbindungspfade zur gegenwärtigen Handlung erhielten. Im Bordell „Die Goldene Perle“ etwa, wo das schwangere Mädchen Francesca gewissermaßen tränenreich „ausgelagert“ worden war, trat eine alte Bewohnerin des Archipel-Dorfes Len in Erscheinung, eine Frau namens Charita … wer die Novelle „Wie die Beziehungsgeister ihren Glauben verloren“ im Fanzine PARADISE des Terranischen Clubs Eden (TCE) gelesen hat, wird die junge Charita kennen gelernt haben.
Dann war da der bislang rätselhafte Vungash-Hügel. Der greise Gunhoor berichtete Rhonda von einer Expedition dorthin, die er zusammen mit dem legendären Archipel-Baumeister Antaganash dorthin im Jahre 833 unternommen hatte … ich habe davon im Archipel-Fragment „Das Geheimnis des Vungash“ erzählt, das noch seiner Fertigstellung harrt … das scheint inzwischen auch nicht mehr fern zu sein.
Außerdem gab es den Entführungsfall der Bordellherrin Wendy des Hauses Die Einladenden Lenden. Da ich eine Szene skizziert hatte, nach der Lady Wendy wenige Wochen nach dem aktuellen Schreibstopp anno 2015 im „Garten der Neeli“ zu Besuch sein würde, war ich durchaus unschlüssig. Unschlüssig, ob ich zunächst das Fragment „Wendy und die Räuber“, das es natürlich schon gibt und in dem ich diese Entführung genauer ausleuchte, zuerst fertig stellen sollte, ehe Wendy in Rhondas Nähe gelangte.
Ich entschied mich aus verschiedenen Gründen dagegen. Je mehr ich über diese Entführung und ihre Hintergründe sowie Konsequenzen mitbekam, desto deutlicher wurde mir Folgendes: Lady Wendy berichtet von der Entführung, ja. Und sie bagatellisiert sie und entfernt nahezu alles, was Wahres daran ist, aus der Geschichte! Genau genommen: Sie belügt Rhonda und alle Anwesenden kaltblütig und mit absoluter Berechnung.
Warum tut sie das? Weil sie nicht lebensmüde ist.
Denn wie ich ebenfalls herausfand – und bitte, das findet alles vor dem „Verrätersommer“ statt! – , kommen die zentralen Drahtzieher der Entführung davon und üben weiterhin politischen Einfluss in Asmaar-Len aus, zu Ungunsten von Lady Wendy und Rhonda! Es wird sogar im direkten Umfeld des Umsturzversuches, wie ich kürzlich entdecken konnte, einen Entführungsversuch geben, der direkt Rhonda gilt, aber vereitelt werden kann …
Gütiger Himmel, dachte ich, das ist ja das reinste Minenfeld, in dem ich mich da bewege! Und es gibt so vieles zu bedenken und zu berücksichtigen, dass es nur sehr wenig Spielraum gibt. Das ist wirklich der Fall.
Eine besonders prekäre Tatsache ist der weit verbreitete Analphabetismus, der auch Rhonda und ihre Freundinnen eint. Sie lernt das Schreiben und Lesen zwar, aber eigentlich aus den falschen Gründen – Rhonda und ihre beste Freundin Ulrica verbünden sich nämlich insgeheim mit der Köchin Hani vom „Garten der Neeli“, deren Schwester Gina die Hauptköchin im Bordell „Die Goldene Perle“ der Herrin Tamara ist. In den wöchentlichen Briefen, die die Schwestern nun wechseln, fließen jetzt Botschaften an Rhondas Freundin Francesca mit ein, die in Lady Tamaras Haus „inhaftiert“ ist.
Um diese Briefe aber zu lesen und zu beantworten, muss dort im Haus die Erzieherin Charita hinzugezogen werden. Die wiederum den alten Gunhoor im „Garten der Neeli“ kennt, ihn aber nie besuchen durfte (noch ein Geheimnis, das ich sozusagen am Wegesrand aufpickte und das noch wichtig werden wird). In naher Zukunft wird außerdem auf diesem seltsamen Weg die aus Sicherheitsgründen verhängte Informationsblockade des „Gartens der Neeli“ durch Lady Tamara durchbrochen werden … mit chiffrierten Botschaften, die weder Rhonda noch Ulrica oder Hani entziffern können.
Und damit tritt mit Panjit al Choors altem Lehrmeister, Yushlin al Choor, eine weitere Person aus dem zweiten Rhonda-Roman von neuem ins Rampenlicht.
Sie alle ahnen allerdings nicht, dass ihnen die Zeit davonläuft.
Die Verschwörung nimmer immer manifestere Formen an, und ein Blutbad steht unmittelbar bevor, das Asmaar-Len in seinen Grundfesten erschüttern soll.
Wundert es irgendwen, dass ich aktuell aus DER Geschichte nicht herauskomme? Ich könnte hierzu noch sehr viel mehr berichten, keine Frage, aber ich möchte nicht vollkommen verwirren. Da alle genannten Romane bis heute unveröffentlicht sind und auch in absehbarer Zeit keine Chance zur Publikation besteht, wäre es unfair von mir, so vorzugehen. Ich muss euch darum an dieser Stelle mal ein wenig abkühlen und stoppen.
Die Geschichte nimmt natürlich weiterhin Formen an, und ich bin ziemlich zuversichtlich, dass ich sie bis zum Erscheinen dieses Beitrages sehr weit vorangetrieben haben werde. Aber Details dazu sehe ich selbst noch nicht und habe mich mit obigen Bemerkungen schon sehr weit aus dem Fenster gelehnt. Seht es mir darum nach, wenn ich hier ein Stoppschild aufrichte und „to be continued“ schreibe.
Ihr werdet von den weiteren Entwicklungen hören, versprochen. Aber ich kann noch nicht genau sagen, wann. Einfach weiter aufmerksam meine Blogartikel verfolgen, Freunde. Das ist mein finaler Ratschlag für heute.
Bis bald dann, mit
Oki Stanwers Gruß,
euer Uwe.