Blogartikel 472: Krisenherd Church Island

Posted August 21st, 2022 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

der Oki Stanwer Mythos ist nun wahrhaftig nicht arm an Krisen­herden – wer meinen Werken schon länger folgt, ist darüber durchaus im Bilde. Brennpunkte des kosmischen Geschehens, die sich regelmäßig zu Krisenherden entwickeln, sind überall zu erkennen: die Galaxis Bytharg, das Xoor‘con-System, Tuwihry, die Zentralwelt, die Galaxis Arc, die INSEL, die Hohlwelt Hyo­ronghilaar … ich könnte unzählige weitere Orte aufzählen und käme doch wohl kaum so rasch an ein Ende.

Nun, auf der Skala der Krisenherde ist jetzt ein weiterer aufge­taucht, den ich zwar einerseits schon sehr lange kannte (etwa seit 1987), der aber in seiner aktuellen Ausprägung recht jun­gen Datums ist.

Die Rede ist von der fiktiven Insel Church Island.

Church Island hat eine recht lange Vorgeschichte, wie eben an­gedeutet. Da euch die entsprechenden Geschichten bislang noch nicht zugänglich sind – sie entstammen dem KONFLIKT 18 „Kampf gegen TOTAMS Dämonen und Schergen“ (Schreibzeit: 1984-1989), sollte ich als Präludium etwas dazu sagen und dann, inwiefern und warum sich diese Insel in ihrer Darstellung in KONFLIKT 13 des OSM („DER CLOGGATH-KONFLIKT“) davon doch etwas unterscheidet.

Man schreibt den 10. November 2035 (einer revidierten Zeitli­nie, was ich hier jetzt aber nicht näher ausführen will), als in der Bucht The Wash an der Ostküste Englands ein toter Fischer an­gespült wird. In seiner einen Hand hält er einen abgetrennten Tentakel, in der anderen einen Glaszylinder, dessen Inhalt nur Oki Stanwer aktivieren und lesen kann. Der Zylinder zerfällt an­schließend zu Asche.

Die Botschaft fordert ihn auf, zur Insel Church Island in der Bucht von The Wash zu kommen. Sie liegt direkt gegenüber der (ebenfalls fiktiven) Küstenstadt Westcott. Und als Oki mit seinen Gefährten übersetzt, findet er im Innern einer zerfallenen Abtei auf der Insel ein Dimensionstor, das ihn geradewegs auf die Sie­gelwelt führt und mit einem monströsen Außerirdischen zusam­menbringt, den er schon lange kennt – Soffrol …

Schon im Oktober 1987 waren also die wesentlichen Zutaten bekannt: Church Island, Westcott, die zerfallene Abtei, sogar der notorische Nebel in der Bucht wurde schon vorausgesehen.

Am 29. Juli 2016 schloss ich das Digitalisat dieser Episode des 18. KONFLIKTS, in dem diese Fakten grundgelegt wurden, ab. Aber es dauerte noch über zwei Jahre, bis in mir Church Island zu neuem Leben erwachte, und das kam so:

Ihr wisst aus meinen Blogartikeln, dass ich in den vergangenen Jahren verstärkt daran arbeitete, die maschinenschriftliche Aus­arbeitung des KONFLIKTS 13 „Oki Stanwer Horror“ (in Form des BUCHES „DER CLOGGATH-KONFLIKT“) vollständig zu digitali­sieren. Dies ist inzwischen Geschichte. Dann fing ich, vielleicht etwas leichtsinnig, 2018 damit an, dieses Werk in E-Book-Form zu gießen. Ende 2018 konnte damit das erste E-Book dieser neuen Reihe unter dem Titel „Vorbeben“ erscheinen.

Dabei fiel mir auf, dass es zwischen Band 1 und dem geplanten zweiten Band „Monstererwachen“ eine logische Handlungslü­cke gab. Oki Stanwer, so sieht es die Planung vor, muss sich im Frühjahr 2117 dringend erholen und reist zu Urlaubszwecken nach Nordfrankreich … aber warum, zur Hölle, war er so erho­lungsbedürftig?

Da kam mir der Gedanke an eine extrem stressige Mission, die er mit seinem Team im Frühjahr 2117 in England ausgeführt hatte. Die musste ich nun natürlich beschreiben … und nein, das Vampir-Massaker in Leicester reichte dafür nicht aus, es be­durfte eines weiteren Zwischenfalls.

Da kam mir die Digitalisierung des obigen BUCHES sehr zupass, denn darin war ein Handlungsfaden offen geblieben, der mich immer stärker faszinierte.

Es ging um eine geheimnisvolle Gestalt in seltsam altmodischer Kleidung, die dort eine wesentliche Rolle spielte und die noch nicht genügend biografisch verankert war. Das holte ich in der noch als Story im Herbst 2018 apostrophierten Geschichte „Das Geheimnis von Church Island“ dann nach.

Die Figur des Assimilari-Ghouls Shuroshh entstand. Am besten stelle ich ihn euch mal mit einem kurzen Auszug vor:

Der „Klient“, Mr. Anthony Smith – oder wie immer er nun konkret heißen moch­te – saß ruhig und entspannt auf einem der beiden Besucherstühle, als Melissa Hamilton eintrat. Und sobald sie ihn sah, spürte sie selbst eine eigenartige Emoti­on, ganz so, wie es Anita angedeutet hatte.

Es lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken. Das war wirklich unerwartet.

Dabei war der Mann an sich gar nicht so ungewöhnlich … nur seltsam altmo­disch gekleidet.

Es handelte sich bei dem Besucher um einen schlanken, beinahe gerten­schlank zu nennenden Mann undefinierbaren Alters – irgendwo jenseits der 40, schätzte Melissa, aber er konnte auch gut und gern zehn Jahre älter sein und sich gut gehalten haben. Er trug einen schwarzen, zweireihigen Anzug, der vor sicher­lich zwanzig Jahren in Mode gewesen war. Fast sah es aus, als habe er sich für den Besuch hier verkleidet … aber das machte nun wirklich keinen Sinn.

Seine Hautfarbe schimmerte sehr blass, sie wirkte fast so fahl wie die eines Al­binos. Das konnte er jedoch nicht sein, da ihm die rötlichen Augen und das blei­che Haar dafür fehlten. Stattdessen war das schüttere Haar ungewöhnlich dunkel, möglicherweise gefärbt. Der Kontrast machte die fahle Haut nur noch auffälliger. Die Augen erwiesen sich als fast unangenehm hellblau und wässrig zugleich, und als er sein Gesicht ruhig zu ihr umwandte, hatte Melissa das beunruhigende Ge­fühl, eine bizarre Art von menschlicher Schlange würde sie fixieren.

Dann registrierte sie, dass er an die Wand einen schwarzen Stockschirm ge­lehnt hatte, und auf dem Tisch lag allen Ernstes ein runder schwarzer Hut … wie hatte ihre Tante das immer genannt? Eine Melone? Vielleicht auch ein Bowler … sie kannte sich mit Hüten nicht so sehr aus, weil sie selbst nie welche trug. Direkt daneben lag eine lederne Dokumententasche, die man sich wie in alten Filmen si­cherlich unter den Arm klemmen konnte.

Der seltsame Mr. Smith wirkte, als sei er einem solch alten Film aus dem 20. Jahrhundert entsprungen.

Eigenwillig …

„Guten Morgen, Mr. Smith“, begrüßte sie ihn. „Mein Name ist Melissa Hamilton, New Scotland Yard. Mir wurde mitgeteilt, Sie hätten eine Aussage zu machen, die für die Polizei vor Ort von Relevanz ist …?“

„Das ist richtig, Miss Hamilton“, sagte der bleichgesichtige Besucher mit einer unangenehm monotonen, leisen Stimme. „Setzen Sie sich!“

Melissa kam der Aufforderung schlagartig nach und wunderte sich ein wenig über sich selbst. Sie befanden sich hier schließlich auf dem Revier, also eigentlich hatte er hier gar nichts zu kommandieren. Und dennoch … dennoch gehorchte sie automatisch. Als läge in dieser seltsamen, monotonen Stimme eine Art von be­zwingendem Zauber …

„Wir haben wenig Zeit“, fuhr Mr. Smith fort, ehe sie wieder den Mund öffnen konnte. „Ich werde mich also kurz fassen, und Sie werden schweigen und mir zu­hören. Sie brauchen gar nichts zu sagen, sondern werden lediglich das aufschrei­ben, was ich Ihnen diktiere. Das werden Sie allein schon deshalb tun, weil Ihnen Ihr Leben und das Ihrer Anbefohlenen lieb und teuer ist. Wenn Sie nicht schnell handeln, findet hier in Westcott ein Blutbad statt, das Sie sich in seinen Ausma­ßen nicht vorstellen können. Ich bin hier, um das nach Möglichkeit zu verhin­dern.“

„Aber …“, rutschte es Melissa erschrocken heraus.

„Schweigen Sie!“, zischte der Besucher und fixierte sie mit seinen unheimli­chen, wässrigen Augen. „Zeit und eigener Wille sind jetzt für Sie vollkommen be­deutungslos. Erinnerung ist bedeutungslos. Sie werden genau das tun, was ich sage. Und glauben Sie mir – ich tue das nicht aus Nächstenliebe oder derglei­chen. Ich diene einem höheren Ziel, als Sie sich das vorstellen können.“

Er fixierte die Yard-Beamtin, die aus unbegreiflichen Gründen wie festgenagelt auf ihrem Stuhl saß und kein Glied zu regen verstand. Es schien tatsächlich so, als habe er sie qua seiner Rede oder vielleicht auch mit Hilfe seiner so fahlen Au­gen gleichsam magnetisiert oder hypnotisiert.1

Beunruhigend? Freunde, ich versichere euch, das ist erst der zarte Anfang von etwas sehr viel Grässlicherem. Die Yard-Poli­zistin Melissa Hamilton, übrigens die weibliche Hauptperson der Geschichte, wird gezwungen, das Stanwer-Team nach Westcott zu holen, um ein monströses Verhängnis aufzuhalten. Einen Massenmord an den Bewohnern der Küstenstadt.

Der Ursprung dieser Bedrohung ist tatsächlich die kleine, un­scheinbare Insel Church Island. Und das Stanwer-Team wird hier zielstrebig instrumentalisiert, um etwas wieder ins Gleichge­wicht zu bringen, das gründlich destabilisiert ist.

Um das alles verständlich zu machen, war ich zudem genötigt, die Spezies der Assimilari-Ghouls zu etablieren … ich habe davon schon vor längerer Zeit in meinen Blogartikeln etwas mehr ausgeführt. Neugierige können das im Blogartikel 313 „OSM-Kosmologie, Lektion 14: Die Assimilari und andere unterir­dische Kreaturen“ (veröffentlicht am 3. März 2019) noch mal en detail nachlesen.

Die kannibalischen, fanatischen Ghouls, mit denen das Stanwer-Team hier wesentlich hautnähere Bekanntschaft macht, als ih­nen allen lieb ist, lernen sie tatsächlich erst hier kennen. Und ich muss euch vorab schon in beiden Fällen enttäuschen: Zwar wird die Gefahr von Church Island letzten Endes entschärft, aber sowohl die Kannibalen als auch die Assimilari (und jene dritte Gruppe, die ich hier jetzt nicht erwähnt habe, die die Le­ser dann überraschen wird), spielen im weiteren Verlauf des CLOGGATH-KONFLIKTS wesentliche Rollen.

Ich fand es jedenfalls äußerst faszinierend zu erleben, wie sich Church Island, diese so unscheinbare Insel, auf der ich das erste Mal vor 35 realen Jahren eine längere Stippvisite machte, wie­der mal bemerkbar machte.

Der vorliegende, insgesamt 90. Roman, den ich seit 1984 ge­schrieben habe, ist jedenfalls solide 170 Seiten lang geworden. Wo und wie schnell ich ihn veröffentlichen kann, ist noch nicht klar. Ein Titelbild dafür fehlt zurzeit … aber kommt Zeit, kommt Titelbild (hoffe ich) … und dann sicherlich auch Veröffentlichung im E-Book-Format.

Apropos E-Book-Format: Ich erwähnte ja weiter oben, dass ich diese Geschichte als eine Form von Scharnier zwischen dem E-Book „DER CLOGGATH-KONFLIKT 1: Vorbeben“ und dem zweiten Band „Monstererwachen“ geplant habe. Da das Scharnier nun fertig ausgeführt ist, könnt ihr davon ausgehen, dass mein bislang gedrosselter Schreibelan an dem Folge-E-Book entsprechend groß ist. Und in der Tat, es juckt mich schon in den Fingern, daran endlich weiterzuschreiben.

Ihr sollt doch eure Lesebegegnung mit dem Vampirjäger Pater Joseph Ghastor, dem Korsen Hyde Romain und schließlich dem grässlichen Geschehen, das die Iren später als „den Tag“ be­zeichnen lernen werden, nicht endlos weit hinauszögern. Ge­wiss, gerade über letzteres zu schreiben, kräuselt mir die Na­ckenhaare, weil es so entsetzlich ist – Analoges kenne ich vom Untergangsszenario der INSEL in KONFLIKT 4, da zaudere ich auch seit Jahren, das zu schreiben, wiewohl es unvermeidlich ist. Aber das alles muss eben einfach sein.

Man muss so etwas nicht lieben, aber was sein muss, muss ein­fach geschrieben werden, so sehr es mir auch an die Substanz geht.

In der nächsten Woche wird es erholsamer, versprochen, dann berichte ich euch, wie viel ich ungeachtet des Weihnachtsstres­ses noch kreativ im Dezember 2021 auf die Reihe bekam.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1  Vgl. dazu beizeiten den Roman „Das Geheimnis von Church Island“, 2022.

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