Rezensions-Blog 494: Dream Maker 1: Sehnsucht

Posted Februar 5th, 2025 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

es liegt schon ein paar Jahre zurück, da empfahl ich euch anno 2021, es doch mal mit der romantischen Autorin Audrey Carlan zu versuchen und schmökerte mich höchst angenehm durch die 12 Episoden ihres „Calendar Girl“-Zyklus, der auf Deutsch in vier dickleibigen Büchern bei Ullstein verlegt wurde.

Da er mir so gut gefallen hatte, fahndete ich natürlich nach wei­teren Werken und stieß prompt auf den nächsten Zyklus, eben­falls in zwölf Monatsgeschichten aufgeteilt, ebenso in Deutsch­land in vier dickleibigen Bänden veröffentlicht. Und die schöne Erfahrung aus dem ersten Zyklus wiederholte sich mit diesem hier sehr rasch.

Ja, der erste Band hat 466 Seiten, natürlich. Ja, wir müssen uns in völlig neue Vitae der Personen einarbeiten. Okay. Und dies­mal steht statt einer jungen Frau eben ein Männertrio im Zen­trum der Betrachtung (und entsprechend attraktive, intelligente Kundinnen). Hat mich das irgendwie behindert? Nein. Wie ich unten zeige, war ich im Gegenteil verdammt fix in der Geschich­te drin und habe sie mit Heißhunger verschlungen.

Selbstverständlich gibt es gewisse Parallelen zu „Calendar Girl“, das ist aufgrund der Erscheinungsmodalitäten unver­meidlich. Aber noch mehr als bei früheren Zyklus merkt man hier, dass frühzeitig darauf geachtet wurde, ein Kontinuum zu erschaffen. Protagonisten, die einmal im Fokus sind – Skyler Pai­ge und Sophie Rolland sind gute Beispiele dafür – , versinken nicht nach Ende des Auftrags in der Versenkung, sondern tau­chen immer mal wieder auf.

Ich freue mich jedenfalls sehr, euch diese Romane jetzt im Ab­stand von ein paar Wochen vorstellen zu können und hoffe, ihr seht es ähnlich, dass das verdammt leckeres Lesefutter für ro­mantische Seelen ist – so empfand ich das nämlich:

 

Dream Maker 1: Sehnsucht

(OT: International Guy – Paris/New York/Copenhagen)

von Audrey Carlan

Ullstein 29047

466 Seiten, TB

Juli 2018, 12.99 Euro

Aus dem Amerikanischen von Christiane Sipeer und Friederike Ails

ISBN 978-3-548-29047-8

International Guy ist eine Firma von drei jungen und ungebun­denen Männern aus Boston, die sich mit einer neuartigen Be­rufsidee selbständig gemacht haben. Parker Ellis, Bogart „Bo“ Lundigren und Royce Sterling bieten ihre Hilfsleistungen für ver­mögende Frauen an, und dabei handelt es sich um ein Coa­ching, das diese Frauen aus Lebenskrisen herausholen soll. Ihr Einsatzgebiet ist weltweit, aber wie das immer so ist – sie sind natürlich mit ihrer neuartigen Idee zunächst auf Mundpropagan­da von erfolgreich beratenen Kunden angewiesen.

Parker Ellis, der den Spitznamen „Dream Maker“ trägt, ist dabei für die psychologische Einfühlsamkeit verantwortlich, Bo als „Love Maker“ hat sich den Lifestyle der Kunden auf sein Panier geschrieben und erfüllt ohne Frage den Traum vieler Frauen, in­dem er sie in Stil-, Kleidungs- und Etikettefragen berät. Und schließlich nimmt sich der hünenhafte Schwarze Royce als „Mo­ney Maker“ die finanziellen Verhältnisse der Kundinnen vor. Je nach Auftragslage ist mal der eine, mal der andere der „Interna­tional Guy“-Spezialisten gefragt, in der Regel agieren sie aber alle gemeinsam.

Der erste Auftrag in dieser zwölfteiligen Serie, die nach den Ein­satzorten aufgegliedert ist, führt das Team der Hochschul-Freun­de nach Paris. Hier sind ihre Fähigkeiten von der jungen Kon­zernerbin Sophie Rolland angefordert worden. Sie sollte lang­sam in den Kosmetikkonzern ihres Vaters hineinwachsen, doch nach dessen jähem Tod muss sie sofort die Führung antreten … und fühlt sich damit vollständig überfordert.

Ebenso überfordert ist die eher schlicht und als „graue Maus“ auftretende, zierliche Französin vom Trio aus den Staaten, die buchstäblich ihre gesamte Persönlichkeit umkrempeln. Weder Kleidung noch Auftreten bleiben gleich – und dann beginnt es auch noch mächtig zwischen Sophie und dem Dream Maker zu prickeln.

In der Firma gibt es allerdings ernste Probleme, wie Royce als­bald entdeckt, und nicht wenig hat mit sexistischem Verhalten alteingesessener Alphamänner ebendort zu tun. Schnell steuert die Neuausrichtung der Firmenführung auf Konfrontationskurs …

Nachdem die drei Freunde Sophie Rollands Unternehmen und die neue Firmenchefin erfolgreich beraten haben, empfiehlt sie Parker Ellis einer befreundeten Agentin einer Schauspielerin aus New York, Tracey Wilson. Und damit geht das Abenteuer speziell für Ellis los – denn die neue Klientin, die das Team beraten soll, ist niemand Geringeres als die berühmte Schauspielerin Skyler Paige. Und Skyler, die schon in der ersten Folge der Serie er­wähnt wurde, ist Ellis´ alter Traumfrau-Schwarm. Und nun steckt Skyler, eine bildhübsche Blondine, in einer kreativen Krise, hat offensichtlich jede Freude am Schauspielern verloren und sich in New York in ihrem Hochhaus-Apartment verbarrikadiert.

Parker Ellis fühlt sich in einen Wunschtraum versetzt: er soll mehrere Wochen lang auf Tuchfühlung mit seiner Traumfrau ge­hen und ihr auf Schritt und Tritt folgen und helfen, in ihrem Be­ruf von neuem Energie zu schöpfen und zum alten Erfolg zu­rückzukehren? Phantastisch!

Und alles geht schon unglaublich los, denn als Parker Ellis in ihrem Apartment auftaucht, macht sie ernstlich halbnackt die Tür auf, weil sie ihn für ihre zurückkehrende Agentin hält … und von dem Moment an brennt die Luft zwischen den beiden. Der eingefleischte Junggeselle Parker, der nach einer gescheiterten Verlobung ausgeprägte Bindungsängste zeigt, fühlt eine unfass­bare Anziehungskraft zwischen der depressiven Schauspielerin – und es dauert nicht sehr lange, bis er merkt, dass zwischen ihm und Skyler Paige eine völlig andere Art von Anziehungskraft herrscht als sonst zu anderen Kundinnen. Aber er kann damit definitiv nicht umgehen, wiewohl er die wachsende Leiden­schaft mit Skyler unbändig genießt …

Der dritte Auftrag reißt das junge Paar dann auseinander, das kaum mehr die Finger voneinander lassen kann. Und Parker merkt, wie schwer ihm der Abschied fällt. Dennoch ist es nötig. Sie haben beide ihre Leben, und während er üblicherweise in Boston lebt und wirkt – und international eben als „International Guy“ – , ist Skyler mit Lebensmittelpunkt New York im Schau­spielberuf auch viel unterwegs, oftmals an der Westküste der Vereinigten Staaten.

Während Parker Ellis am liebsten weiterhin an Skylers Seite sein möchte, ohne sich darüber bisher klar geworden zu sein, was sie jenseits ihrer intensiven Leidenschaft wirklich verbindet, muss er nun nach Kopenhagen reisen, „um eine Prinzessin zu zähmen“, wie er sich ausdrückt.

Was genau bedeutet das? Nun, das dänische Königshaus, so imaginiert Audrey Carlan hier (und bittet auf niedliche Weise um Entschuldigung, dass vieles von dem, was sie erzählt, natürlich rein fiktiv sei), hat ein Thronfolgeproblem. Der aktuelle König liegt im Sterben, Kronprinz Sven möchte seine Jugendliebe Christina heiraten, und im Grunde genommen würde dann alles in Ordnung sein. Aber Christina ist derzeit dabei, krass ihren ei­genen Ruf öffentlich zu ruinieren. Dies kommt ihrer älteren Schwester, Prinzessin Elizabeth, zupass, die sich seit Jahren dar­auf vorbereitet hat, ihren Platz an seiner Seite einzunehmen. Aber die Mutter, Fürstin Mary Kaarsberg, beharrt darauf, dass Christina Sven heiratet. Und dafür muss die außer Kontrolle ge­ratene Prinzessin wieder „normalisiert“ werden.

Parker Ellis stellt, als er in Dänemark angekommen ist, rasch fest, dass die Verhältnisse auf groteske Weise verzerrt sind. Sven liebt Christina, Christina liebt Sven, seltsamerweise, aber er macht sich nichts aus Elizabeth … während Christina zugleich darauf drängt, ihre Schwester sei die bessere Königin an seiner Seite. So muss der Dream Maker auf investigative Weise her­auszufinden suchen, was hier eigentlich los ist. Diesmal geht es dann weniger um amouröse Abenteuer als um angewandte Psy­chologie.

Doch auf einem anderen Schauplatz versagt seine Gabe – näm­lich, als schlussendlich seine erste und zweite Kundin, Sophie Rolland und Skyler Paige, in Dänemark aufeinander treffen …

Der neue Romanzyklus von Audrey Carlan, den ich jüngst zu le­sen begann, entwickelt exakt denselben Sog wie ihr letzter, der „Trinity“-Zyklus.1 Ebenso, wie ich den ersten Band dieses Zyklus binnen zwei Tagen verschlang, ging es mir auch mit diesem Werk. Im Nu wurde ich mit den neuen Personen warm, nament­lich natürlich mit Parker Ellis und seiner Familie, die in Boston ein familiäres Restaurant betreibt, aber auch mit den Gefährten von „International Guy“ und schließlich auch mit der ab Band 2 neu eingestellten Assistentin Wendy Bannerman, die als First-Class-Hackerin zugleich einen gewissen Pfad in die BDSM-Szene darstellt, weil sie ihrem Geliebten „Sir Mick“ angeblich „gehört“. Zugleich ist sie ein Mädel, das sofort hundertzwanzigprozentig durchstartet.

Ich gestehe, dass ich anfangs ein wenig skeptisch gegenüber diesem Zyklus war, weil ich fürchtete, er sei nur das Spiegelbild von Audrey Carlans „Calendar Girl“-Zyklus … was nicht völlig falsch ist. Zugleich vermeidet die Autorin plumpe Analogien und bringt den Leser mit interessanten und zeitgemäßen Problemen zusammen: mit Sexismus in Firmen, ein eindeutiger Effekt der #MeToo-Bewegung (und unbedingt wichtig), mit Medienhype und Burnout-Phänomenen in der medialen Welt, und schließlich – das war dann ein wenig altbacken – mit royalen Rollenverant­wortungsvorstellungen.

Wenn man darüber hinaus noch neugierig darauf schielt, wie sich das schwierige Verhältnis des offensichtlichen Liebespaars Parker Ellis und Skyler Paige entwickelt, wird man überhaupt nicht mehr spüren, wie die Hunderte von Seiten vorüberfliegen. Natürlich, der „Love Maker“ und der „Money Maker“ bleiben ak­tuell noch in der zweiten Reihe, und manche Konflikte lauern unter der Oberfläche und werden noch nicht akut, im Gegensatz zu derjenigen zwischen Sophie Rolland und Skyler, aber das kann sich ja noch ändern.

Witzig fand ich übrigens, nachdem ich jüngst ja beim „Trinity“-Zyklus Audrey Carlans Schreiben in Verbindung brachte mit Syl­via Days „Crossfire“-Zyklus, dass Carlan hier ausgerechnet ei­nen der „Crossfire“-Romane ausdrücklich in den Lesefokus von Skyler Paige und Parker Ellis rückt. Man sieht schlagend, dass sie von Day nicht eben wenig gelernt hat und die Kollegin auf diese Weise gern empfiehlt. Absolut mit Recht.

Mir hat der Auftaktband der Reihe sehr gut gefallen, und ich bin schon 60 Seiten tief im Nachfolgeband, was wohl auch für sich spricht.

Eindeutige Leseempfehlung!

© 2020 by Uwe Lammers

Nächste Woche lernen wir dann als totales Kontrastprogramm einen absoluten Egoisten kennen, den man gar nicht mögen KANN. Jemand, der gern sterben möchte, es aber einfach nicht kann. Warum das nicht? Ach, das erzähle ich euch beim nächs­ten Mal genauer.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Und ich bitte um Entschuldigung, wenn ich hier kurzerhand die Reihenfolge der Zyklen verwechselte. Den Trinity-Zyklus von Audrey Carlan habe ich auch gelesen und rezen­siert … die Beiträge werden nachgereicht.

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