Liebe Freunde des OSM,

wer hier zu Beginn der Erörterung nur Bahnhof versteht, befin­det sich in guter Gesellschaft, würde ich sagen. Denn der in der Überschrift genannte Begriff ist für mich zwar schon ziemlich alt, aber in den bislang veröffentlichten OSM-Geschichten tritt er noch nicht in Erscheinung. Ich werde mich ihm darum lang­sam nähern.

Um ihm gerecht werden zu können, müssen wir uns zunächst anschauen, woher dieser Begriff eigentlich stammt, um uns dann dem Problem des Inhalts und seiner Bedeutung für den OSM zuzuwenden.

Schritt 1: Woher stammt der Begriff?

Erstmals erwähnt wird der Begriff „blindes Datenfenster“ im Kontext mit den so genannten GRALSJÄGERN. Wer der Artikelrei­he „Close Up“ schon eine Weile gefolgt ist, wird während meiner Darstellungen der Handlungsführung des KONFLIKTS 16 „Oki Stanwer – Der Mann aus dem Nichts“ auf diese Wesen getroffen sein.

GRALSJÄGER, soviel ist zum derzeitigen Stand der Dinge be­kannt, sind Wesen, die die legendären Baumeister immer mit dem Erzfeind TOTAM in Verbindung brachten. Maximal sahen sie sie als „Matrixfehler“ an, also als etwas, was sie ebenfalls mit TOTAM verbanden (beide Verbindungen sind verkehrt, aber das ist zu diesem Zeitpunkt nicht absehbar; das ist heute hier auch nicht das Thema).

Was die Baumeister dabei stets verwirrte, war das technologi­sche Level dieser Wesen. In der Regel übertraf es selbst Bau­meister-Technologie, was im Grunde für unmöglich gehalten wurde. Da aber GRALSJÄGER immer nur punktuelle Störungen des KONFLIKT-Geschehens boten, schienen sie eher von gerin­gerer Relevanz zu sein. Auch das ist natürlich eine verkehrte Einschätzung.

GRALSJÄGER, das ist inzwischen klarer geworden, sind Sendbo­ten einer fernen Zukunft jenseits der Universumsgrenzen eines KONFLIKTS. Damit verletzt ihre schiere Existenz ein Dogma der Baumeister: dass nämlich transuniversale Zeitreisen in beende­te (und damit zerstörte) KONFLIKT-Universen unmöglich sind. In­zwischen ist es allerdings ein Faktum, dass an diesen Tatsachen nicht mehr gerüttelt werden kann.

GRALSJÄGER beherrschen die transuniversale Zeitreise.

Damit einher geht ein weiteres Faktum, das sehr KONFLIKT-rele­vant ist: Sie kennen erhebliche Teile des noch ungeschriebenen KONFLIKTS, in den sie eindringen. Beispielhaft sieht man das massiv am KONFLIKT 16 des OSM, aber auch in anderen Univer­sen

Wenn man nun die zwei zentralen Punkte zusammenfasst – überlegene Technologie und Kenntnis der Zukunft – , dann sollte recht eigentlich klar sein, dass sie allen Lebensformen und KON­FLIKT-Kombattanten eines aktuellen KONFLIKTS weit überlegen sind und es ihnen ein Leichtes sein müsste, diese Auseinander­setzung zu ihren Gunsten zu entscheiden.

Dennoch passiert das nicht.

Da stellt sich doch die Frage: wieso ist das so?

Ein wesentlicher limitierender Faktor ist eben das, worüber wir heute reden: „blinde Datenfenster“. Damit kommen wir zum Punkt 2 unserer Erörterung.

Schritt 2: Was bedeutet der Begriff?

Stellen wir uns den KONFLIKT in seiner Gesamtheit einmal als eine Form von Geschichtsbuch vor. Irgendwer (beispielsweise ich) führt Buch über die Geschehnisse, Irrungen und Wirrungen der universalen Kämpfe zwischen Gut und Böse. Im Idealfall werden diese Aufzeichnungen später einmal überliefert und – im Rahmen des OSM – in späteren Jahrtausenden bzw. sogar Milliarden von Jahren nach den Ereignissen gelesen und ausge­wertet.

Jeder, der sich mit historischer Forschung auskennt, sieht sofort ein elementares Problem – was überliefert wird, unterliegt ver­schiedenen begrenzenden Parametern. Da ist einmal die Frage, was eigentlich überliefert wird. Aus der Historie wissen wir, ge­rade bezogen auf Konflikte, dass favorisiert die Sichtweise der Sieger überliefert wird. Wer einen Konflikt verliert, hat dagegen Schwierigkeiten, seine Sicht der Dinge für die Zukunft zu über­liefern. Denken wir hier nur beispielsweise an die Karthager, die nach den Punischen Kriegen wenig Gelegenheit hatten, ihre Deutung der Historie gegenüber der Sieger-Geschichtsschrei­bung der Römer durchzusetzen. Das bedeutet noch heute, dass es massive Überlieferungslücken zur karthagischen Geschichte gibt.

Ein zweites Problem besteht in der individuellen Sichtweise der Chronisten. Als das Alte Testament geschrieben wurde, waren die Verfasser sehr dezidiert der Ansicht, dass bestimmte Perso­nen und Völker hervorgehoben werden sollten, wohingegen an­dere abqualifiziert wurden. Das Nordreich Israel galt etwa im Gegensatz zum Südreich Juda als moralisch verdorben – eine Perspektive, die heutige Historiker als klaren Ausfluss von Neid­denken charakterisieren. Architektonische Leistungen der jüdi­schen Nordreich-Bewohner wurden später nach dem Untergang des Reiches kurzerhand legendären Königen des Südreiches im Königreich Juda zugeschoben.

Geschichte kann also auch interpretatorisch „schief“ sein, un­präzise oder im Extremfall eine Lüge. So etwas kennt man bei­spielsweise von der pharaonischen Geschichtsschreibung im Tempel von Abu Simbel, wo Ramses II. seinen Kampf in der Schlacht von Kadesch gegen die Hethiter als Sieg darstellt … im günstigsten Fall war das ein Patt, eher wohl eine ägyptische Nie­derlage.

Propaganda verzerrt die historische Überlieferung.

Wenn das schon im kleinen Maßstab gilt, wie soll das dann erst in Milliarden Jahren sein, wenn es offensichtlich keinerlei Mög­lichkeit mehr gibt, materiale Archäologie zu betreiben, um Fak­tenklärung herbeizuführen?

Ah, ja, mögt ihr sagen, aber wir haben doch die GRALSJÄGER mit ihrer Fähigkeit der transuniversalen Zeitreise! Sie könnten zurückreisen und feststellen, „wie es wirklich gewesen ist“, um den alten Historiker Leopold von Ranke zu bemühen.

Well, ja, das könnte man tun, kein Zweifel.

Aber ihr müsst euch die Zeitschichtung im OSM ein wenig vor­stellen wie eine Quantenwirklichkeit. Kennt ihr euch mit Quan­tenphysik aus? Keine Sorge, ich bleibe ganz an der Oberfläche. Aber dieser Exkurs ist notwendig, um das Folgende recht zu ver­stehen.

Die Quantenwelt ist in vielerlei Weise rätselhaft auch für moder­ne Teilchenphysiker. Aber sie ist nicht regellos. Es gibt gewisse Regeln, die seit hundert Jahren inzwischen bekannt und hinrei­chend empirisch geprüft sind. Das Faktum, das für uns relevant ist, sieht so aus:

Wenn man ein Elementarteil, etwa ein Elektron, erfassen möch­te, tritt ein fundamentales Problem auf. Man kann von zwei Zu­ständen eines Elektrons stets nur einen erkennen – entweder die Position oder aber seine Geschwindigkeit. Wenn der Beobachter die Position erfasst, wird die Geschwindigkeit unkalkulierbar. Kann man die Geschwindigkeit erfassen, ist die Position unloka­lisierbar.

An diesem Problem lässt sich nicht arbeiten, es gilt für alle Be­obachtungen. Und das bedeutet: Der Prozess der Beobachtung selbst verändert das, was man beobachtet und erzeugt zugleich eine Unschärfe in Bezug auf andere Parameter des Objekts. Man bezeichnet das als Unschärferelation.

Anders ausgedrückt: vollständiges, umfassendes Wissen ist selbst dann in der Quantenwelt nicht zu erlangen, wenn man das Zielobjekt im Fokus hat, ja, gerade dann nicht.

Inwieweit ist das jetzt von Relevanz für das, was ich erzähle? Nun, ich erzählte gerade, man müsse sich den Oki Stanwer My­thos im Gesamtkontext als Quantensystem vorstellen. In die­sem System sind zeitreisende GRALSJÄGER gleichzusetzen mit Quantenforschern, die Atome genau lokalisieren wollen.

Ihr spürt schon – das wird nicht so einfach laufen, wie man sich das vorstellt. Denn GRALSJÄGER verändern die Vergangenheit, wenn sie in sie eintauchen. Ganz wie ein beobachtender Quan­tenforscher verschieben sie die Zielparameter unweigerlich, da­gegen können sie gar nichts tun.

Erschwerend kommt hinzu, was ich am Anfang von Schritt 2 sagte: Vielfach ist die Überlieferung über die Vergangenheit un­einheitlich, unvollständig. Für die fernen Chronisten ist das viel­leicht nicht so von zentraler Bedeutung. Aber stellt euch mal Zeitreisende vor, denen man sagt: Ach, über die Zielzeit wissen wir eine ganze Menge, aber Überraschungen können nicht aus­geschlossen werden. Vieles wissen wir einfach nicht. Es gibt dort „blinde Datenfenster“.

Blinde Datenfenster“ sind Punkte in früheren OSM-KONFLIKTEN, über deren genaue Struktur Unklarheit besteht. Interessanter­weise treten sie gehäuft dort auf, wo die KONFLIKTE in die heiße Phase treten. Dann weiß man zwar in der Zukunft aus Überliefe­rungsinformationen viel über bestimmte Ereignisse, Völker, Prot­agonisten, Schlachten, Planeten usw.

Aber eben oftmals nicht genug.

Und das führt dann im Detail dazu, wenn GRALSJÄGER in die Vergangenheit phasen, dass sie mitunter entdecken müssen, wie grundverschieden die Lagen vor Ort sind, wenn sie eintref­fen. Sie müssen beispielsweise mit völlig irrationalem Verhalten von Protagonisten rechnen, das niemand überliefert hat (und das hat nicht nur damit zu tun, dass diese das nicht überlebt haben, auch wenn das üblicherweise der Normalfall ist).

Sie treffen dann auf Wesen, die sie gar nicht erwartet haben.

Sie treffen auf Planeten auf Probleme, die selbst ihre hochge­züchtete Technologie vor unüberwindliche Schwierigkeiten stel­len (solch ein Problem werde ich euch beizeiten in KONFLIKT 19, der Serie „Oki Stanwer – Der Missionar“ präsentieren, das ist jetzt noch nicht spruchreif).

Und damit können selbst sehr gut geplante Missionen in die Ver­gangenheit zu tödlichen Abenteuern für die GRALSJÄGER wer­den.

Schritt 3: Was bedeutet das für den OSM?

Ich lehne mich hier mal ein Stück weit aus dem Fenster, weil manches, was ich hier andeuten möchte, so weit in die moder­ne Form des Oki Stanwer Mythos hinabreicht, dass ich es euch noch nicht explizit zumuten mag. Ihr sollt erst einmal besser die Grundstruktur des klassischen OSM kennen lernen. Das hier ist dann ein wenig wie höhere Mathematik. Die zu kennen, ehe mal das Einmaleins kann, würde euch nur frustrieren. Dennoch, ein paar Dinge kann ich schon als Gedankenanregungen anstoßen.

Das Konzept des transuniversalen Zeitkrieges, das sich aus den obigen Gedanken weiterentwickelt, erzeugt jenseits des bisheri­gen Quantenhorizonts noch eine Stufe der Komplexität, die ganz eigene Schwierigkeiten im Gefolge hat.

Während in der klassischen Quantenmechanik ein Experimenta­tor notwendig Teil der makroskopischen Welt bleibt, ist ein GRALSJÄGER in der – vielleicht – beneidenswerten Lage, in die Quantenwelt selbst einzutauchen und dort zu wirken. Aber auch dann verändert er natürlich die Wirklichkeit im Zieluniversum.

Manchmal wird er feststellen, dass manche Fakten, die in der Zukunft zu einem „blinden Datenfenster“ geführt haben, tat­sächlich durch sein eigenes Verhalten ausgelöst wurden. Oder er wird entdecken, dass diese „blinden Datenfenster“ durchaus nicht entstanden sind, weil historische Informationen verloren gegangen sind, sondern … weil antagonistische Zeitreisende kurzerhand die historischen Realitäten verändert haben.

Dieser Krieg geht noch deutlich über das hinaus, was der OSM klassischerweise bietet. Er hebelt die Grundsätze von Ursache und Wirkung aus und verkehrt sie nicht selten ins Gegenteil. Manchmal reisen GRALSJÄGER mit der Intention in die Vergan­genheit, „blinde Datenfenster“ aufzuklären und laufen in mör­derische Fallen … denn solche „blinden Datenfenster“ können auch konzeptionell als Fallen für solche transuniversale Zeitrei­sende erschaffen worden sein …

Ihr findet, das klingt jetzt nach einem mörderisch verwirrenden Minenlabyrinth, das sich hier eröffnet? Ich würde sagen, damit liegt ihr völlig richtig.

Gleichwohl gibt es noch eine Steigerungsstufe dieser chaoti­schen Situation, und sie hat mit etwas zu tun, was ich erst 2023 entdeckte. Man nennt das den „Spurwechsel“, aber bis ich dar­über im Detail reden mag, wird noch einiges an Zeit verstrei­chen müssen. Das Konzept und seine Folgen muss ich selbst erst erkunden.

So gesehen ist und bleibt der OSM auch 40 Realjahre nach sei­nem Beginn ein spannendes Leseabenteuer, gerade auch für mich selbst, der ich ihn schreibe.

Damit möchte ich unsere heutigen Erörterungen abschließen. In der kommenden Woche berichte ich euch, wie der Januar 2024 sich kreativ entwickelt hat.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

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