Liebe Freunde des OSM,
alte Romane in meinem großen Speicher von verfassten Rezensionen bringen es mit sich, dass ich nicht alle bibliografischen Informationen damals bei Abfassung in die Rezension einbrachte. Ihr kennt das. Dieser Fall liegt hier erneut vor … aber wer sich von dem Roman, dem Autor oder dem Sujet angesprochen fühlt, wird zweifellos mit den vorhandenen Angaben via Internetrecherche schnell fündig werden.
Die Besprechung des Buches ist ein wenig, ich sage mal, zwiegespalten. Denn wenn man sie sich näher anschaut, stellt man fest, dass ich sowohl sehr kritische Bemerkungen mache, zugleich aber auch eine ausgesprochene Lesbarkeit unterstelle … und sie gleich wieder dahingehend relativiere, wenn ich den Leserkreis als solchen eingrenze, den es überwiegend nach reiner Unterhaltung gelüstet.
Tja, solcherart waren damals meine Rezensionen im Jahre 2002, sie waren mit der heißen Nadel gestrickt und ein wenig grobschlächtig. Der Roman ist schon lange nicht mehr Teil meiner Bibliothek, und ich gebe zu, das ist vermutlich eine gute Entscheidung gewesen. Inzwischen gebe ich schon sehr viel schönere Bücher weg – allein aus schieren Platzgründen. Da hätte ein Jerry Pournelle wirklich keine lange Halbwerts-Verweildauer besessen.
Dennoch, vielleicht lohnt auch nach all der Zeit ein Blick auf diesen archaischen Schauplatz Prinz Samuals Welt und die Versuche, die die Planetarier unternehmen, um dem drohenden Verhängnis zu entrinnen.
Wer gespannt darauf geworden ist, was hier eigentlich angedeutet wird, der schaue einfach mal weiter:
König Davids Raumschiff
von Jerry Pournelle
Bastei 22061, 1983
352 Seiten, TB
Übersetzt von Barbara Heidkamp
Nach Jahrhunderten des Krieges ist das irdische Sternenreich allmählich dabei, sich wieder zu konsolidieren. Die Imperiale Raummarine knüpft Kontakte zu einstigen Kolonialwelten, hilft hier gegebenenfalls, eine einheitliche Regierung „in den Sattel“ zu heben und die Planeten so auf ihre Wiedereingliederung vorzubereiten.
Es gibt nur gewisse Dinge, die dabei mustergültig schiefgehen. Ein solcher Fall ist Prinz Samuals Welt.
Dieser annähernd erdähnliche Planet ist nach dem Abbruch der Kontakte zum Sternenreich der Menschheit, nuklearen Katastrophen und jahrhundertelangen Überlebenskämpfen auf eine feudale Stufe zurückgefallen. Die Oberfläche des Planeten ist gesprenkelt von Baronien, Königreichen, Herzogtümern und Stadtstaaten, die sich einzeln munter bekämpfen und dann und wann wechselnde Allianzen schließen.
Wie auch auf der Erde führen die wechselhaften Zeitläufte dazu, dass die technische Innovation durch den Motor Krieg verstärkt angetrieben wird. Schließlich gelangen die wohlhabenderen Staaten Haven und Orleans bis hinauf zum Besitz von dampfbetriebenen Wagen, Eisenbahnen und schwerer Artillerie.
In der Entscheidungsschlacht zwischen den beiden Hegemonialmächten greifen jedoch die Imperialen zugunsten des Königreichs Haven ein, das vom Monarchen König David regiert wird. Orleans, fast zerstört, ebenso wie der atomisierte Ort Lechfeld, werden Teil von Haven, die Truppen aufgelöst.
Nathan MacKinnie, der Kommandant der Streitkräfte von Orleans, muss verbittert mit ansehen, wie die Imperialen sich immer stärker breit zu machen beginnen. Er weiß jedoch auch, dass es unmöglich ist, gegen sie mit militärischer Macht anzugehen, weil sie schlicht viel stärker sind als jede Militärmacht auf Prinz Samuals Welt.
In diesem Moment, in einer verräucherten Schänke in Haven, beginnt sich sein Leben in eine andere Richtung zu drehen, denn ein Unbekannter nimmt Kontakt mit ihm auf. Dieser Kontakt führt rasch zum Geheimdienstchef Malcolm Dougal von Haven, dem Mann, der MacKinnies Hauptfeind ist. Und dieser eröffnet dem verbitterten Soldaten überraschende Perspektiven:
Die Imperialen haben einen besonderen Grund, weshalb sie versuchen, Havens lange gehegten Traum der planetaren Hegemonie zu erfüllen und zu unterstützen. Nur ein geeinter Planet mit einer einheitlichen Regierung kann ins Imperium aufgenommen werden. Und erst, wenn DAS geschehen ist, können die zu den Sternen fliegenden Menschen das tun, was sie eigentlich wollen – eine neue Klasse von Kolonisten auf Prinz Samuals Welt einführen, die selbst über dem König steht und damit über kurz oder lang das gesamte Gesellschaftssystem von Haven und allen anderen Staaten des Planeten zersetzen wird. Die Bewohner des Planeten werden bessere Sklaven sein.
Dougal macht MacKinnie den Vorschlag, in die Dienste König Davids einzutreten und zum Besten seiner Welt zu dienen. Denn der Geheimdienstchef hat erfahren, dass das imperiale Lager gespalten ist. Mindestens in drei Fraktionen: in die Marine, in den Imperialen Händler-Verband und in die Kirche des Neuen Rom. Und so, wie es aussieht, ermöglichen die Händler aus dem Kosmos den einheimischen Händlern – wenn sie denn wagemutig genug sind – einen Ausflug zum 12 Lichtjahre entfernten nächsten Kolonialplaneten Makassar, einer hoffnungslos rückständigen Welt.
MacKinnie lässt sich überreden, als Händler getarnt, eine Gruppe dorthin zu führen. Denn auf Makassar befindet sich in einem gigantischen, als Tempel missbrauchten Gebäude der Stadt Batav, ein großes Archiv aus der Zeit vor den Stellarkriegen. Und darin befindet sich Wissen, das die Bewohner von Prinz Samuals Welt dringend brauchen.
Dougal ist völlig klar, dass eine Auflehnung gegen das Imperium sinnlos ist. Aber was sie erreichen können, ist, den Status ihrer Welt zu ändern. Als Kolonie sind sie weitgehend rechtlos. Doch ein Planet zweiter Ordnung hat einen eigenen Sitz im imperialen Parlament und weitere Rechte. Einzige Bedingung für diese „Reife“ ist der Beweis dafür, dass die Planetarier eigenständige RAUMFAHRT betreiben – etwas, wovon Prinz Samuals Welt noch mindestens ein Jahrhundert entfernt ist. Es sei denn, man kann das beschleunigen. Und zwar so, dass es die Imperialen nicht mitbekommen …
Man kann dem Roman nachsagen, was man möchte – beispielsweise, dass er unangemessen blutrünstig ist und an manchen Stellen mit Schwarzweißklischees nicht spart – , die Übersetzung hingegen ist gelungen, auch die Schilderung der doch sehr antiquiert wirkenden Gesellschaft von Haven (Rolle der Frau!!). Es ist auch bemerkenswert festzuhalten, dass sich Pournelle den „einfachen“ Lösungen verweigert und ein wenig auf Umwege setzt. Auf Makassar sind dies freilich überaus blutige, und er hat eine starke Begeisterung, militärisch zu brillieren und Gemetzel zu beschreiben. Dabei rutscht er allerdings in die Klischees vollkommen ab.
Laut dem Militärhistoriker John Keegan1 ist eine Schlacht spätestens seit Waterloo nicht mehr konkret beschreibbar, eigentlich war sie es nie, sondern nur ein wilder Bilderreigen aus Einzeleindrücken, die allenfalls aus der Distanz zu einem halbwegs passablen Bild zusammengefügt werden können. Aus eigener Anschauung kann ich allerdings ergänzen, dass diese zerstreute Perspektive auch schon auf die Schlachten der Antike zutrifft.2
Pournelle macht aus seiner generellen Geringschätzung für die klassischen Religionen wie den Katholizismus und den Islam keinen Hehl, und es wird gemetzelt, was das Zeug hält. Wenn man letztlich den Roman Revue passieren lässt, fragt man sich, wozu eigentlich. Manchmal ist das Gedröhne in Bezug auf Ehre und Kriegsruhm einfach nervig …
Das Buch ist kurzweilig lesbar, aber bei aller Liebe zu den Details – an manchen Stellen – hin und wieder an den Haaren herbeigezogen. Halt ein SF-Abenteuerroman, ganz wie es auf dem Cover steht. Sogar mit einer sehr, SEHR dezenten Lovestory, die freilich schon sehr zeitig durchschimmert.
Angenehme Unterhaltung für Leute, die keinen Wert auf tiefsinnige Romane legen und vielleicht selbst ein paar Klischees mehr im Kopf haben, insbesondere über Religion, den Dominanzanspruch bestimmter Rassen und die prinzipielle Unbelehrbarkeit großer Teile der Menschheit …
© 2002 by Uwe Lammers
Na, das war doch mal wieder eine waschechte, altbackene Space Opera, hm? Versprochen, in der nächsten Woche wird es wieder sehr viel irdischer, und es gibt mehr Gegenwarts-Bodenhaftung mit einem Roman aus dem Kosmos von Clive Cussler.
Bis dann, mit
Oki Stanwers Gruß,
euer Uwe.
1 Vgl. John Keegan: „Das Antlitz des Krieges“, Frankfurt am Main 1991.
2 Z. B. gilt das für die Schlacht von Delion. Vgl. dazu Victor Davis Hanson: „Die Kriege der griechischen Antike“, Berlin 2001.