Liebe Freunde des OSM,
es ist in den vergangenen Jahren Mode geworden, dass Autorinnen Romanzyklen ersinnen, die sich nicht primär um immer dieselben Personen drehen, sondern die in der Regel eine – meist verwandtschaftlich verbandelte – Gruppe als Voraussetzung nehmen und dann sukzessive jeden einzelnen dieser Gruppe mit einem entsprechenden Partner verbandeln. Das können Schwestern sein oder Brüder, das stellt meist die Grundkonstellation dar. Und dann gibt es Geschäftspartner, bei denen ein jeder einen erfolgreichen Unternehmer darstellt, die in der Regel alle auch noch „unbeweibt“ sind. Üblicherweise existiert für diese Männer nichts außer ihrem Geschäft, und aus stets vorhandenen Problemen, Komplexen oder sozialen Defiziten machen sie üblicherweise ein Geheimnis.
Tja, und dann schlägt der sprichwörtliche Blitz ein, und alles wird komplett anders … wenn eine Autorin dies mit einer kokett-ironischen Attitüde zu erzählen weiß, sich – wie ich das heute mit Jessica Clares „Billionaire“-Zyklus beginnen möchte – sogar noch recht deutlich an Märchentopoi orientiert und ihre Geschichten mit Humor, Komplikationen und vergnüglichen Anspielungen würzt, dann ist Lesevergnügen für romantische Herzen quasi programmiert.
Als ich diesen Romanzyklus entdeckte, beglückwünschte ich mich wirklich sofort bei der Lektüre des ersten Romans, dass ich sie schon alle beisammen hatte … es dauerte keine zwei Wochen, bis sie alle verschlungen und rezensiert waren. Indes brauchte es dann fünf Jahre, bis ihr die Rezensionen zu lesen bekommt.
Fangen wir heute also mit dem ersten dieser Romane an, die ich euch in den nächsten Monaten im Abstand von jeweils 4 Wochen vorstellen werde. Ich glaube, ihr werdet sie ebenso mögen wie ich und danach sofort auf die Suche nach weiterem Lesestoff der Autorin machen – es lohnt sich definitiv.
Und so geht alles los:
Perfect Passion 1 – Stürmisch
(OT: Stranded with a Billionaire)
von Jessica Clare
Bastei 17157
336 Seiten, TB (2014)
Aus dem Amerikanischen von Kerstin Fricke
ISBN 978-3-404-17157-6
Glück und Unglück liegen manchmal ebenso nahe beieinander wie Normalität und Abenteuer, und alles erlebt die 24jährige Kellnerin Brontë Dawson hautnah, und ihr Leben entgleist auf unglaubliche Weise vollständig.
Eigentlich schlägt sie sich mehr schlecht als recht als Kellnerin in Kansas City durch. Den Job hat sie schon während ihres wenig aussichtsreichen Philosophie-Studiums gehabt und einfach da weitergemacht. Und dann gewinnt sie doch tatsächlich endlich in ihrem Leben mal etwas – einen Urlaub im tropischen Resort Seaturtle Cay in den Bahamas. Da das eine Reise ist, die man zu zweit unternehmen muss, nimmt sie ihre Kollegin Sharon mit … eine Entscheidung, die sie schon nach wenigen Stunden bereut. Sharon ist völlig auf sich bezogen, so vollkommen anders als sie, und sie hat wirklich an allem und jedem etwas herumzunörgeln.
Okay, das Hotel ist wirklich nicht so luxuriös wie angepriesen, aber für jemanden, der in Kansas City in einer besseren Schuhschachtel haust, doch ganz akzeptabel. Wenn nur die nervige, zerfahrene Sharon nicht wäre!
Zu ihrem Glück – nun, das kann man relativ sehen – ist sie die nervige Zimmermitbewohnerin rasch los: Ein tropischer Sturm zieht nämlich auf, und das ganze Hotel wird Hals über Kopf evakuiert. Brontë wird allerdings kurzerhand vergessen – sie steckt in einem Fahrstuhl fest. Und mit ihr ein kerniger, wortkarger Mann, den sie für den Manager des Hotels hält.
Damit ändert sich alles.
Denn der Mann, der Brontë ihren Glauben an seinen Beruf lässt, ist in Wahrheit ein Multimilliardär. Logan Hawkings, so lautet sein Name, aus dem er kein Geheimnis macht (Brontë hat ihn noch nie gehört und schöpft keinen Verdacht) hat auf einen Tipp seiner Freunde hin das Hotel kurzerhand aufgekauft und den wenig aktiven Manager gefeuert. Da er inkognito hier ist, findet er sich also in derselben wenig beneidenswerten Lage wieder wie Brontë. Und er ist jemand, der von Frauen wirklich die Nase voll hat.
Vor zwei Jahren, als mit seinem tyrannischen Vater sein einziger Familienrest gestorben ist, hat er sich auch von seiner Verlobten Danica getrennt, die sich – nach seiner Wahrnehmung – genauso verhalten hat wie alle Frauen in seinem Leben: das sind einfach gierige Wesen, die nur auf sein Bankkonto schielen und ständig kostspielige Geschenke haben wollen. Die interessieren sich nicht die Bohne für sein Herz und seine Emotionen, sondern haben Seelen und Herzen aus Eis … kein Wunder, dass er diese raffgierigen Kreaturen auf Distanz hält.
Und nun sitzt er stundenlang mit einem dieser Wesen in einem verfluchten Lift fest! Kann das alles eigentlich noch schlimmer werden?
Wundersamerweise wird es besser: Denn dieses unscheinbare Mädchen, das er sonst nie beachtet hätte, hält ihn echt für den Hotelmanager. Und wenn es nervös wird, kichert es auf eine seltsam aufreizende Weise. Und noch verrückter: immerzu kommen komische Zitate aus dem Mund der Mitgefangenen.
Logan fragt nach der Quelle der Zitate und hört eigenartige Namen: Platon. Aristoteles. Empedokles, Vergil (im Buch falsch mit „Virgil“ übersetzt – das ist freilich die amerikanische Schreibweise). Logan, der gar keine Zeit für Bücher hat, fühlt sich seltsam berührt dabei – das Mädel ist offenbar überraschend klug. Und es hat keinen blassen Schimmer, wer er ist. Irgendwie ist das äußerst angenehm.
Als sie sich aus dem Lift befreien können, finden sie sich in einer Schuttwüste wieder. Das Hotel, teilweise überflutet, teilweise eingestürzt, ist menschenleer, Hilfe nicht in Sicht. Und so kommen sich die beiden auf ganz natürliche Weise näher. Logan lernt eine lebendige, muntere und erstaunlich intelligente junge Frau kennen, die so völlig anders ist als alle, die er vorher getroffen hat. Und für Brontë erfüllt sich der zuvor irreale Wunschtraum eines heißen Urlaubsflirts, der ihre kühnsten Vorstellungen sprengt.
Zu dumm, dass jenseits des Robinson-Paradieses die Normalität wartet. Und als sie entdeckt, wer Logan tatsächlich ist, eskaliert die Situation …
Zugegeben, es ist einigermaßen schwierig, automatischen Internetroutinen zu vertrauen. Da kann man sehr leicht auf bizarre Abwege geraten. So ist das gelegentlich auch mit der Amazon-Empfehlungsroutine, die mir schon vor langer Zeit, wenn ich erotische Liebesromane kaufte, Jessica Clare als Autorin empfahl, die mir auch gefallen könnte.
Nun, um es kurz zu machen: sie hatte in diesem Fall tatsächlich Recht. Allein die Tatsache, dass ich das vorliegende Buch um ein Haar an einem Tag verschlungen hätte, spricht Bände. Die Verfasserin hat wirklich eine lockere, äußerst humorvolle Schreibe und versteht es gut, lebendige, vielseitige Charaktere zu gestalten. Dass sie dabei manchmal ein kleines bisschen thematisch-schematisch wird, wie das in diesem Fall deutlich hervorkommt, ist eher nur für belesene Personen ersichtlich. So spielt sie zwar sehr ausgiebig mit dem Namen der weiblichen Hauptperson und den Brontë-Schwestern – britischen Schriftstellerinnen des 19. Jahrhunderts – , doch ohne dabei zu erwähnen, dass eine von ihnen mit „Sturmhöhe“ einen romantischen Bestseller der damaligen Zeit schrieb. Das mit dem Sturm im vorliegenden Roman zu assoziieren, liegt sehr nahe. Es schadet dem Inhalt überhaupt nicht.
Sehr nett ist es auch, dass die Autorin hier bereits im ersten Roman des sechsteiligen Zyklus „Perfect Passion“ die Grundsteine für die Folgebände legt. Logan gehört zu einem Geheimzirkel von Milliardären, die in diesem Band dann auch mit Nebenrollen betraut und charakterlich schon ein wenig skizziert werden: Hunter Buchanan, Reese Durham, Griffin Verdi, Jonathan Lyons und Cade Archer. Außerdem treten auf: Audrey Petty, Logans talentierte Assistentin, die sich schnell mit Brontë anfreundet, sowie ihre Schwester Gretchen Petty, die man hier auch schon gut kennen lernt – was zweckmäßig ist, denn der zweite Band des Zyklus handelt genau von ihr.
Ich wittere ein ebenso rasantes romantisches Leseabenteuer … und die Lektüre wird sicherlich nicht lange auf sich warten lassen. Absolute Leseempfehlung für Romantiker. Ich denke, ihr werdet die beiden Verliebten recht bald lieben lernen, Freunde.
© 2019 by Uwe Lammers
Die obige Vermutung nach der Lektüre von Band 1 entsprach mehr als exakt den Ahnungen. Der ganze Zyklus ist ein irrwitziges, humorvolles Leseabenteuer. Und wirklich jeder der Beteiligten bekommt, sinnbildlich gesprochen, den Deckel, der zu ihm passt, d. h. den passenden Partner. Aber bis es dann soweit ist und was da alles noch geschieht, an Missverständnissen, Katastrophen und bizarren Kommunikationspannen, das ist so zum Schießen, dass ausgesprochene Gute-Laune-Lektüre herausgekommen ist.
In der kommenden Woche wird es dagegen wieder dramatisch, wenn ich in den Kosmos der Sigma Force von James Rollins zurückkehre. Da geht es ans Eingemachte …
Bis dann, mit
Oki Stanwers Gruß,
euer Uwe.