Liebe Freunde des OSM,
eigentlich ist ja die Handlung um die Beziehungsgeschichten, die Samantha Young in ihren in Edinburgh spielenden Romanen, beginnend mit „Dublin Street“, endend mit „Nightingale Way“, abgeschlossen. Aber wie ich in der unten erstmals veröffentlichten Rezension darlege, ist der Kosmos ihrer Protagonisten um einiges weiter als angenommen. Wie auch im Fall von Julie Kenner etwa in ihrer Welt um Nikki Fairchild-Stark1 gibt es hier E-Book-Kurzgeschichten, die mir eher nicht zugänglich waren … und die hier dann in einem voluminösen Band gewissermaßen nachgereicht wurden.
Sie bilden quasi den Kitt zwischen den einzelnen Romanen, und ich gab damals auch eine klare Handlungsanweisung, wann welche Stories und wann welche Romane in welcher Reihenfolge zu lesen wären, damit man das Erzähl-Kontinuum auch tatsächlich richtig erschließen konnte.
Wer durch meine Rezensionen neugierig auf die Autorin und ihren Zyklus geworden sein sollte, der halte sich am besten an die unten wiedergegebenen Regie-Anweisungen. Sonst kann es gelegentlich zu Continuity-Brüchen und gerunzelten Stirnen führen, weil man die falsche Lesereihenfolge gewählt hat.
Ich habe den Band jedenfalls sehr genossen und kann ihn guten Gewissens empfehlen. Und wer bis hierher nur Bahnhof verstanden hat, der lese einfach mal weiter, um besser informiert zu sein:
Edinburgh Love Stories
(OT: Until Fountain Bridge; Castle Hill; Valentine; On King’s Way)
von Samantha Young
Ullstein 28709
576 Seiten, TB
Juli 2016, 9.99 Euro
Aus dem Englischen von Nina Bader und Sibylle Uplegger
ISBN 978-3-548-28709-6
Also, ich gebe schon mal präventiv Romantik-Alarm. Wer Samantha Youngs „Edinburgh Love Stories“-Kosmos schon entdeckt hat, braucht vermutlich keine derartige Einleitung, aber für alle die arglosen Leute, die – wie ich – auf dem Wühltisch zuerst über diesen Band gestolpert sind und nach der Lektüre gründlich verwirrt waren, scheint mir dies sinnvoll zu sein.
Der Band ist nicht nur deswegen irritierend, weil er fünf OT trägt – das hat mit der Geschichte des Zyklus zu tun. Wer mir bislang durch die Rezensionen der Vorgängerbände gefolgt ist, weiß, dass alles im Jahre 2013 mit der Publikation des Romans „Dublin Street“ begann.2 Damals erzählte Samantha Young die Geschichte des aufstrebenden schottischen Geschäftsmannes Braden Carmichael, der sich in die Barkeeperin Jocelyn Butler (Joss) verguckt, die vor ihrer traumatischen Vergangenheit in den USA geflüchtet ist.
Fortgesetzt wurde die Geschichte mit Joss´ Arbeitskollegin Johanna Walker, die die Eigenschaft hatte, stets die falschen Männer als neue Finanziers in ihr Leben zu lassen – bis sie auf Cameron McCabe traf. Das breitete die Autorin im Nachfolgeband „London Road“ aus.3 Was für Leser der Taschenbücher eher nicht so offensichtlich war, das wurde ersichtlich, wer sich auch E-Books als Lesequelle erschloss. Denn Samantha Young schrieb die Novelle „Castle Hill“, in der das Finale von Joss´ und Bradens Liebesgeschichte dargestellt wurde. Sie liegt in diesem Band erstmals gedruckt vor, und es empfiehlt sich, sie unmittelbar nach „London Road“ zu lesen. So habe ich es gemacht.
Die Leser waren offenbar höchst neugierig zu erfahren, was denn nun mit den anderen Personen aus Joss´ und Bradens direktem Umfeld geschah. Da gab es etwa den notorischen Frauen-Aufreißer Nathan Sawyer, einen Kumpel von Cameron. Um ihn und die zugezogene Amerikanerin Olivia Holloway kümmerte sich die Autorin im nächsten Roman des Zyklus, „Jamaica Lane“. Ich berichtete davon.4
In der Zwischenzeit war natürlich Bradens „Großfamilie“ transparenter geworden. Die Leser hatten die Mutter Elodie Nichols lieb gewonnen, Bradens heillos romantische Schwester Ellie (und Mitbewohnerin von Joss Butler) und deren Kindheitsfreund Adam, die solange auf dem Schlauch standen, was ihre offenkundigen Gefühle zueinander anging, bis Ellie diese grässliche Tumorgeschichte erlitt.
Aber wie, so fragten sich bestimmt einige Leute, wie hat das alles eigentlich ANGEFANGEN? Und warum war diese Freundschaft-Beziehungs-Geschichte so unerträglich jahrelang auf „stop and go“? Nun, Aufklärung darüber gibt die E-Book-Novelle „Fountain Bridge“, die im vorliegenden Band enthalten ist und die sich an Ellies Tagebüchern aus jener Zeit auf niedliche Weise entlanghangelt.
Ebenfalls zu Bradens wachsender Großfamilie gehört natürlich die junge Hannah Nichols, die sich auf einer Nebenschiene der Romane in einen gleichaltrigen Jungen namens Marco verschoss. Der Wunsch, auch diese Lovestory in voller Breite zu erfahren, führte dann zur Ausarbeitung des Romans „India Place“, der – natürlich – zu guter Letzt dazu führte, dass die beiden zusammenkamen.5
Aber was war denn nun mit Johannas kleinem Bruder Cole, der inzwischen dick mit Cameron McCabe befreundet war und so fürs Tätowieren schwärmte? Wäre er nicht – zumal die Geschichten ja nicht zeitlos in der Gegend herumstanden, sondern die Jahre darin durchaus verstrichen und die Protagonisten heirateten und Kinder bekamen – endlich auch mal an der Reihe, sein Liebesglück zu finden? Die kleine Hannah, die inzwischen zur Lehrerin herangereift war und ihren Marco gefunden hatte, diente hier unübersehbar als inspiratives Vorbild.
Okay, entschied die Autorin, ihr habt es so gewollt … und schrieb mit „Scotland Street“ über Cole Walker, der nach einigen Jahren in einem angesagten Tätowier-Studio angefangen hatte. Und der hier dann recht unvermittelt wieder über einen Schwarm seiner Kindheit stolperte, nämlich über Shannon MacLeod, die sich in ihrer Kindheit kurz begegnet waren. Er hatte sie nie vergessen, und die Konsequenz war dann das, was sich im erwähnten Roman entwickelte.6
Nun hatte die „Edinburgh Love Stories“-Reihe schon eine ziemlich opulente Breite entwickelt. Zahlreiche romantische Geschichten waren erzählt, Ehen geschlossen worden, Liebesnächte durchtobt und reichlich neue Kinder auf die Welt gebracht worden. Und dann kam natürlich, wie jedes Jahr, der Valentinstag. Da war es nur natürlich, auf einmal den Valentinstag aus der Sicht all dieser befreundeten Paare zu beschreiben. So entwickelte die Autorin die Story „Valentine“ als E-Book-Novelle, die am besten unmittelbar nach „Scotland Street“ zu lesen ist. Sie bringt die Leser wieder zurück in den romantischen Erzählstrom aller Paare und hat eine köstliche Reihe von turbulenten Ereignissen zum Inhalt, die sich einfach höchst vergnüglich lesen.
Ein Nebenhandlungsstrom vom „Scotland Street“ war die Schiene um den Bruder von Shannon, Logan MacLeod, dem am Ende dieses Romans optimistische Zukunftsperspektiven geboten wurden, sobald er aus dem Gefängnis freikommen würde. Aber damit hatte Samantha Young natürlich ein neues Fass aufgemacht. Noch ein Protagonist, der ganz unübersehbar nun auch zu seinem Liebesglück geführt werden musste. Sein Schicksal und das der mitfühlenden Redakteurin Grace Farquhar bildete den Kern des umfangreichsten Romans der Reihe, „Nightingale Way“, mit dem der Kosmos um die „Edinburgh Love Stories“ sein formales Ende fand.7
Formal, ja … aber die Autorin verfasste nun noch eine weitere Geschichte mit dem Titel „King’s Way“, und ich fragte mich, als ich diese letzte Geschichte in dem vorliegenden Storyband anfing, wohin mich das wohl führen würde. Eigentlich waren doch alle „versorgt“, oder?
Weit gefehlt.
Mit einem Schlag landete ich nun nämlich mit Rain Alexander und Craig Lanaghan in einem Setting, das ich schon halbwegs vergessen hatte: Auf einmal befand ich mich wieder in der „Bar 39“ mit den beiden Barfrauen Jocelyn Butler und Johanna Walker und bekam mit aus der Sicht ihres Kollegen Craig, wie Joss mit Braden Carmichael zu flirten begann.
Verdammt, dachte ich, das ist der Anfang von Band 1, also „Dublin Street“. Da muss ich wohl die ganzen nächsten zehn Handlungsjahre, die in den Romanen ausgearbeitet wurden, erst mal gründlich ausblenden! Und jetzt erinnerte ich mich tatsächlich an diesen Barkeeper Craig, der einmal Joss geküsst hatte, um Braden eifersüchtig zu machen. Craig, der One-Night-Stand-Mann, der nie etwas Festes wollte … bis diese Hammerfrau namens Rain in die Bar kam und einfach nur dasaß und auf irgendetwas oder irgendwen wartete – allerdings nicht auf Craig, der zunehmend von ihr fasziniert war. Stattdessen verfolgte die Inhaberin eines kleinen Internetshops einen fanatischen Racheplan und musste dringend davon abgebracht werden.
Diese Story entwickelt sich auf rund 180 Seiten in der Story „King’s Way“, die mir zum Schluss hin allerdings doch ein wenig gekünstelt erschien. Ich meine, wie wahrscheinlich ist es, dass die Straßennamen in Edinburgh und in Australien sich so sehr ähneln? Australien ist zwar eine einstige englische Kolonie, aber das Australien-Setting nahm ich der Autorin nicht wirklich ab, muss ich zugeben. Und „Rain“ ist auch nicht wirklich ein glaubwürdiger Frauenname, wie mir scheint … aber sei’s drum. Es ist eine lesenswerte Geschichte.
Ergänzend zu diesen ganzen Werken soll es noch eine weitere E-Book-Novelle mit dem Titel „On Heart’s Boardwalk“ geben, die mir nicht vorliegt. Aber ich glaube nicht, dass das ein essentieller Verlust ist. Wer die romantischen Geschichten um die Bewohner von Edinburgh und Umgebung ins Herz geschlossen hat, der wird meiner Ansicht nach auch mit dem, was als Print vorliegt, schon solide versorgt sein. Well – wer es gern etwas tiefgründiger hat und mehr als nur Irrungen und Wirrungen der Herzen mag, der ist hier eindeutig an der falschen Adresse. Aber für Freunde der „Edinburgh Love Stories“ ist der gleichnamige Abschlussband, in dem die meisten E-Book-Novellen aus diesem Mikrokosmos zusammengefasst und gedruckt wurden, absolut goldrichtig.
Darum spreche ich eine klare Leseempfehlung aus.
© 2019 by Uwe Lammers
In der folgenden Woche schicke ich euch nach langer Zeit mal wieder in die Welt einer Biografie, in diesem Fall in die eines prominenten Hollywood-Schauspielers, dessen Leben sich durch einen seltsamen Schicksalsschlag grundlegend veränderte.
Bis bald, mit
Oki Stanwers Gruß,
euer Uwe.
1 Meine Rezensionen zum Kenner-Romanzyklus um Nikki Fairchild-Stark und ihren Mann sind derzeit noch in der Warteschleife, aber für den Rezensions-Blog vorgesehen. Vorrangig sind aber andere romantische Romanwelten, wie ihr in 2 Wochen sehen werdet.
2 Vgl. dazu meinen Rezensions-Blog 412 vom 12. Juli 2023.
3 Vgl. dazu meinen Rezensions-Blog 416 vom 9. August 2023.
4 Vgl. dazu meinen Rezensions-Blog 420 vom 6. September 2023.
5 Vgl. dazu meinen Rezensions-Blog 424 vom 4. Oktober 2023.
6 Vgl. dazu meinen Rezensions-Blog 428 vom 1. November 2023.
7 Vgl. dazu meinen Rezensions-Blog 432 vom 29. November 2023.