Liebe Freunde des OSM,
nachdem wir uns jüngst um James Bond-Action, Nazi-Erben und andere weltgefährdende Dinge zu kümmern hatten, geht es heute im Rezensions-Blog mal wieder etwas bodenständiger, beschaulicher und ruhiger zu … nun ja, soweit man die Serie „Edinburgh Love Stories“ von Samantha Young ruhig nennen kann.1 Denn wer lebhafte Gefühlswirrungen und Beziehungsdramen schätzt, ob nun auf dem Papier oder auf der Leinwand, der ist hier durchaus richtig.
Ich machte damals, als ich die Rezension schrieb, einen sehr vernünftigen Vorbehalt, der auch heute noch Sinn ergibt. Er fußte auf einem grundsätzlichen Entschluss, den ich gelernt habe, als ich mit Diana Gabaldons „Highland-Saga“ begann und nur die ersten beiden Bände vorliegen hatte.
Wer die Romane kennt, namentlich Teil 2 „Die geliehene Zeit“, der weiß, dass der Roman nahezu nahtlos in Teil 3 „Ferne Ufer“ überging.2 Nun, als ich das Buch vor über 20 Jahren das erste Mal zu fassen bekam, hatte ich Teil 3 nicht im Regal stehen … und ohne Witz, als am nächsten Morgen die Buchhandlung Graff aufmachte (die damals noch eine uni-nahe Dependance besaß), stürmte ich hinein, kaufte mir „Ferne Ufer“ und begann das Buch noch auf dem Rückweg zu lesen.
Das, so schwor ich mir damals, sollte mir nach Möglichkeit bei Zyklen nicht mehr passieren. Deshalb ist es seither bei mir so, dass ich mich bemühe, erst einen Zyklus vollständig vorliegen zu haben, ehe ich in ihn einsteige.
Risiko, zumal bei unbekannten Autoren? Well, natürlich. Und ich bin damit auch schon ein paar Male auf der Nase gelandet. Aber es gibt mehrere Aspekte, die mich das verschmerzen lassen.
Aspekt 1: Ich kaufe die meisten Bücher antiquarisch bzw. auf dem Wühltisch, so dass sich der monetäre „Schaden“ bei Fehlinvestitionen im Rahmen hält.
Aspekt 2: Ich bin von Haus aus Historiker, was bedeutet – ich bin geduldig und hechele nicht der Aktualität nach. Wenn ein mehrteiliger Zyklus eben erst zwei Jahre nach Abschluss sukzessive auf den Büchertischen mit den preisreduzierten Werken landet, reicht das völlig hin. So kann es natürlich vier oder fünf Jahre dauern, bis ich einen solchen Zyklus dann vollständig vorliegen habe. Aber wie gesagt … ich bin geduldig. Und Langeweile kommt bei den Regalen voller bislang ungelesener Bücher hier sowieso nicht auf.
Deshalb habe ich mit Samantha Young auch erst begonnen, als ich wirklich alle ihre Romane dieses Zyklus zusammen hatte. Und dann begann ich mit der durchaus unterhaltsamen Lektüre.
Insofern schicke ich euch mal in das Abenteuer des dritten Romans ihres Zyklus. Und schaut euch besonders, wenn ihr Interesse zeigt, den Anfang der Rezension an und trefft dementsprechend Vorkehrungen:
Jamaica Lane: Heimliche Liebe
(OT: Before Jamaica Lane)
von Samantha Young
Ullstein 28635
400 Seiten, TB
2014, 9.99 Euro
Aus dem Englischen von Sibylle Uplegger
ISBN 978-3-548-28635-8
Eine kleine Warnung vorweg: Es handelt sich bei „Jamaica Lane“ um den dritten Teil eines losen Romanzyklus, der durch gemeinsames Personensetting verbunden wird. Rekurse auf die ersten beiden Romane sind also zu erwarten und normal. Was vielleicht nicht jedem Leser von Anfang an bewusst ist, ist hingegen Folgendes: Die Autorin hat auch nebenher eine Reihe von E-Book-Novellen geschrieben, vergleichbar den „Stark-Novellas“ von Julie Kenner.3 Diese wurden später in dem Band „Edinburgh Love Stories“ zusammengefasst. Die Reihenfolge der Romane UND Stories bezieht darum diese ursprünglich als einzelne E-Books publizierten Geschichten mit ein. Ich hatte das Glück, mich darüber vorab kundig zu machen und festzustellen, dass die Novelle „Castle Hill“ mitten im Handlungsraum des vorliegenden Romans spielt. Ich habe sie also glücklicherweise direkt nach dem zweiten Roman gelesen, wo sie chronologisch auch hingehört. Ansonsten hätte ich eine durchaus wichtige und krisenhafte Passage dieses Romans einfach nicht verstanden.
Was ich damit sagen möchte: Es ist sinnvoll, um alle Nuancen der Anspielungen und durchaus mäandernden Storyline der Youngschen Protagonisten zu verstehen und ihnen folgen zu können, wenn man den Band „Edinburgh Love Stories“ neben sich liegen hat, um in der chronologischen Reihenfolge zu bleiben.
Soviel als Vorbemerkung, und nun geht es in die Geschichte selbst:
Im zweiten Roman der Reihe wurde das Leben von Johanna Walker verfolgt und letzten Endes zu ihrer Liebeserfüllung mit Cameron McCabe geführt. Im Zuge dieses Romans tauchte Johannas Onkel Mick Holloway wieder auf, der einst seine Geliebte, Johannas Mutter, im Stich gelassen hatte, um nach Amerika zurückzukehren. Denn dort hatte, wie sich herausstellte, seine leibliche Tochter das Licht der Welt erblickt, und er wollte für sie da sein. Was ihm nicht klar war: sein Bruder, Jos Vater, war ein brutaler Mistkerl, der zwar aus Jos Leben verschwand, aber ihre Mutter stürzte in den Alkohol ab, was Jos Leben nun zur Hölle machte.
Als Micks Geliebte in den USA unerwartet früh an Krebs starb, kam er mit seiner leiblichen Tochter Olivia Holloway, nach Edinburgh, um nun für Johanna da zu sein. Er entschied sich letzten Endes dazu, hier zu bleiben, eine kleine Malerfirma aufzumachen und stellte Jo bei sich ein.
Ende gut, alles gut, könnte man sagen.
Aber was passierte mit Olivia? Nachdem Jo sie anfangs als Rivalin angesehen hatte – ihr geliebter Onkel Mick hatte sie ihr vorgezogen und war jahrelang verschwunden, nicht wahr? – , hat sich die Situation nun beruhigt, die beiden sind Freundinnen geworden, und Olivia hat eine Stelle in der örtlichen Bibliothek gefunden. Zugleich wächst sie in den Freundeskreis von Johanna hinein, lernt Jocelyn und Braden Carmichael kennen, deren Familienangehörige Ellie, Cole, Hannah usw. Und dann ist da Nate Sawyer.
Nate und Olivia sind nahezu sofort auf derselben Wellenlänge. Sie mögen die gleichen Filme, verstehen sich prächtig und hängen ständig miteinander ab, einfach so als beste Freunde. In seiner Nähe hat Liv kein Problem, locker zu sein … aber ansonsten ist Nähe für sie ein Alptraum. Als ihre Mutter in den Staaten an Krebs erkrankte, war sie nahezu nur noch für sie zur Pflege da, und nach eigenen Angaben hat sie auf diese Weise wichtige prägende Teenager-Erfahrungen nicht gemacht. So etwas wie Parties, Rumknutschen, Beziehungsstress und dergleichen hat sie alles nicht erlebt.
Als ihr daraufhin in der Bibliothek der attraktive Benjamin auffällt, der in ihrem Magen Schmetterlinge tanzen lässt, ist sie folgerichtig stumm wie ein Fisch und nach jeder einzelnen desaströsen Begegnung am Boden zerstört. Wenn sie in seiner Nähe ist, kriegt sie einfach kein gescheites Wort mehr heraus, wird knallrot und kommt sich unendlich dämlich und unattraktiv vor.
Schließlich bittet sie voller Verzweiflung ihren besten Freund Nate, er möge ihr doch bitte „Nachhilfeunterricht“ im Flirten geben, angefangen mit Küssen, einem Date, gemeinsamem Essen und dergleichen.
Nate, der ihre Komplexe nicht wirklich nachvollziehen kann und sie einfach toll findet, geht sehr bereitwillig darauf ein. Er macht aber von vornherein klar, dass er nicht der Beziehungstyp sei und dies einfach „nur“ technische Hilfen von Freund zu Freundin seien. Olivia versichert, nicht mehr zu wollen. Schließlich weiß sie doch, dass Nate Sawyer mit seinem blendenden Aussehen jeden Abend eine andere Frau mühelos abschleppen kann, und sie wird oftmals Zeugin davon, wie er genau das tut. Er ist ein Herzensbrecher, mithin also eindeutig niemand, den man in einer Beziehung halten kann.
Dummerweise erweckt Nates „Nachhilfe“ bei ihr ungeahnte, tiefe Leidenschaften. Und als sie ihn schließlich bittet, auch noch die vollendeten Details eines Flirts beizubringen, die hinter den Schlafzimmertüren stattfinden (in klaren Worten: Sex!), da eskaliert die ganze Sache auf aberwitzige Weise …
Auf den ersten Blick könnte man meinen, es sei enttäuschend, dass dieser Roman kürzer ist als der letzte – aber das wäre nicht ganz fair. Wenn man die Bücher nämlich nebeneinander stellt, erkennt man, dass „Jamaica Lane“ ein größeres Seitenformat besitzt als die ersten beiden Bände. Keine Ahnung, warum. Ich würde jedenfalls vermuten, dass der Textinhalt von Band 2 und 3 annähernd identisch ist.
Die Story um Olivia und Nate Sawyer hat zwar nahezu gar nichts mit der titelgebenden Jamaica Lane zu tun (die es, wie im Vorwort steht, unter diesem Namen in Edinburgh gar nicht gibt, was vermutlich die Übersetzungsverwirrungen im letzten Roman erklärt), und auch „Heimliche Liebe“ geht doch ziemlich am Thema vorbei … aber egal.
Es ist eine süße, sehr romantische Liebesgeschichte zweier Menschen, die sich erst mal gründlich aufeinander einstellen müssen und zudem beide ziemliche Sturköpfe sind, was dann einige sehr lesenswerte Handlungskapriolen erzeugt (auch wenn man beide manchmal am Hals packen und durchschütteln möchte – ich glaube, wenn eine Autorin beim Leser solche Gefühle weckt, kann man mit Fug und Recht sagen, sie hat ihre Arbeit gut gemacht!).
Ich denke, wer die Protagonisten der ersten Romane lieb gewonnen hat, wird sich ohnehin freuen, hier etwas mehr bei zwei bisherigen Nebenpersonen in die Tiefe gehen zu können. Mir hat es jedenfalls Spaß gemacht, diese biografischen Spuren zu verfolgen, auch wenn sie nur eher mäßig überraschend ausfielen.
Nette Urlaubslektüre, würde ich darum konstatieren, etwas zum ausdrücklichen Entspannen. Definitiv lesenswert.
© 2019 by Uwe Lammers
Tja, ich sagte ja, es ist Entspannungs- und Feel Good-Lektüre. Und das ist tatsächlich der Fall. Tiefgang wird hier eher nicht geboten, aber es muss ja nicht immer etwas Komplexes sein. In der nächsten Woche bleiben wir bei eher ruhiger Literatur, die diesmal aber in den Kosmos der Biografie abtaucht, wie ihr sehen werdet.
Immer schön neugierig bleiben!
Bis dann, mit
Oki Stanwers Gruß,
euer Uwe.
1 Vgl. dazu die Blogartikel 412 vom 12. Juli 2023 und 416 vom 9. August 2023, wo ich die ersten beiden Romane besprochen habe.
2 Für den Anfang reicht es vielleicht auch aus, zum Überblick über das Thema meine diesbezüglichen Rezensions-Blogs zu lesen, denn die ersten drei Gabaldon-Romane habe ich schon vor langer Zeit hier rezensiert. Schaut euch dazu die Rezensions-Blogs 50 (9. März 2016), 55 (13. April 2016) und 60 (18. Mai 2016) an.
3 Tja, da bin ich noch etwas zu vollmundig gewesen. Diese Romane sind zurzeit noch auf der Veröffentlichungsliste für den Rezensions-Blog. Was gut so ist, denn die Kenner-Romane der Stark-Reihe (inzwischen „Stark & Friends“) ufern immer noch aus, und ich habe nur einige der Teilzyklen gelesen. Das heißt: Ich sammle noch die ausstehenden Werke. Das kann noch dauern …