Liebe Freunde des OSM,
manchmal macht man süße und aufschlussreiche Entdeckungen abseits der ausgetretenen Wege, ganz gleich, ob es dabei Reisewege oder Lesewege der bisherigen Interessen betrifft. Um einen solchen Fall handelt es sich bei dem heute vorzustellenden Buch, bei dem mir die Einordnung in gängige Kategorien ein wenig schwer fällt.
Am ehesten ist das Buch der Fotografin Gabriela Staebler wohl als Reisebuch zu verstehen, denn es geht schließlich um ein Reiseziel, das vorgestellt wird. Und nein, wir landen hier nicht in der Marvel-Parallelwelt, wenn der Name Hydra im Titel auftaucht. Der Begriff ist bekanntlich von der Comicbranche gekapert und in gewisser Weise pervertiert worden, während er recht eigentlich griechisch-mythologischen Ursprungs ist. Und genau dorthin entführt uns dann auch dieses Buch: in die Welt der griechischen Kykladeninseln.
Ich kannte, wie in der Rezension geschrieben wird, die Insel Hydra noch nicht, aber ich lernte sie durch diese Publikation lieben, insbesondere ihre vierbeinigen Bewohner. Gleichwohl hat die Fotografin nicht ein reines Wohlfühlbuch einer idyllischen Insel-Gegenwelt geschaffen, sondern beweist auf einer anderen Ebene durchaus ihren kritischen Gegenwartsverstand. Sie beweist damit, dass es möglich ist, ein Buch mit vielschichtigen Facetten und wachem Problembewusstsein zu erschaffen, und nicht zuletzt diese realistische Vielseitigkeit hat mir das Werk sehr nahe gebracht.
Werfen wir am besten mal gemeinsam einen Blick auf die kleine, abgeschiedene Kykladeninsel Hydra, die noch jenseits des Touristik-Mainstreams liegt:
Insel der Katzen – Hydra
Von Gabriela Staebler
Edition Reuss
242 Seiten, geb.
ISBN 978-3-943105-34-6
„Ein idyllischer Weg führt an der Küste entlang zum Hafen. Auf halber Strecke sehe ich sie zum ersten Mal – die Katzen von Hydra. Vierzehn Samtpfoten haben sich im Schatten eines Baumes versammelt. Sind das Streunerkatzen?
Ich lasse mich auf einem Felsbrocken nieder und beobachte die Katzenkolonie. Es sind hübsche Tiere mit allen möglichen Fellfarben und gemusterten Haarkleidern. Sie werden sich wohl nicht streicheln lassen, denke ich. Weit gefehlt – schon bald streichen kleine Felltiger um meine Beine herum und fangen an, vernehmlich zu schnurren. Und sie reagieren dankbar auf meine Streicheleinheiten, antworten mit leisem Miauen auf meine Worte. Ich verspreche, wiederzukommen und Futter mitzubringen…“
So fängt die Liebesgeschichte der deutschen Fotografin Gabriela Staebler mit den Katzen der Kykladeninsel Hydra an, die ich bis zur Entdeckung dieses Buches selbst auch nicht kannte. Letzteres kann natürlich nicht verblüffen – ich bin einfach kein weit gereister Globetrotter und erschließe mir Reiseziele prinzipiell indirekt durch Dokumentationen und Bücher. Aber ich habe durchaus ein Faible für die Mittelmeerinseln und den mediterranen Raum im Allgemeinen. Und ich mag Katzen.
Als ich also in einem Prospekt das Buch entdeckte, auf dem zehn (!) erwartungsvolle Katzen im Hafen von Hydra vor einem Fischkutter posieren, da war mir irgendwie klar: Verdammt, das Buch musst du unbedingt haben. Wenn es auch nur halb so gut ist, wie das Cover verspricht, wird das ein unglaubliches Lesevergnügen.
Um es kurz zu machen: Die Erwartung wurde weit übertroffen. Katzen bekommt der Freund der schnurrenden Haustiger wirklich zuhauf zu sehen, in allen möglichen Situationen und an den unglaublichsten Locations. Ob es auf der alten Burgfestung ist, wo sie sich auf Kanonenläufen sonnen. Ob es unter schattigen Gebüschen ist, ob sie streunend als „Gang“ über die Straßen flanieren, als würden sie ihnen gehören … es ist wirklich herzerwärmend, den Katzen von Hydra zu folgen und ihren Lebensraum auf den zahllosen Farbfotos kennen zu lernen.
Naturgemäß reichen die Katzen allein aber kaum aus, um ein ganzes Buch zu füllen. So finden sich also dementsprechend auch, verteilt auf 10 Kapitel, zahlreiche Informationen über Land und Leute und die Geschichte der Insel Hydra durch die vergangenen Jahrhunderte. Der Bürgermeister George E. Kou- koudakis von Hydra steuert ein informatorisches Geleitwort bei, und am Ende des Buches wird die Arbeit des Vereins HydraArk geschildert, um bei allem Respekt gegenüber der idyllischen Landschaft von Hydra und den sanftmütigen Katzen auch durchaus problematische Aspekte anzusprechen.
Gerade letzteres fand ich dann ausgesprochen vernünftig. Denn Hydra litt lange unter etwas, was wir als Spezies Mensch im globalen Maßstab sehr gut kennen. Aber wir Menschen sind im Gegensatz zu den Hydra-Katzen nicht so gut darin, dieses Problem zu managen. Es heißt ganz simpel: Überbevölkerung und deren Folgekomplikationen.
Die Katzenliebe der Insulaner ist herzerwärmend und rührend, eindeutig. Aber sie ist, wie Gabriela Staebler auch fotografisch festhält, nicht ausschließlich positiv. Wir befinden uns hier nicht im rosa Märchenland, was der Aufruf von HydraArk am Ende des Buches auch deutlich macht. Die hungrigen Mäuler der zahllosen Katzen von Hydra zu stopfen, ist nicht allein die Lösung. Es wird mit Recht berichtet, dass sich durch die starke Vermehrung in der Katzenpopulation auch Krankheiten auszubreiten begannen, die z. B. zu Erblindungen und Schlimmerem führten.
HydraArk wurde mit dem Ziel gegründet, die Katzenpopulation einerseits durch gezielte Sterilisation in dem ungehemmten Wachstum zu begrenzen und zum anderen kranke Katzen zielstrebig aus der Bevölkerung herauszuziehen, um sie zu heilen. Zwar ist die Arbeit von HydraArk ein wenig mit dem Kampf gegen ein vielköpfiges Ungeheuer zu vergleichen, weil diese Sisyphos-Arbeit eben nie wirklich aufhört. Aber sie wird zumindest getan. Und ein Teil der Erlöse dieses Buches fließt auch in die Kasse von HydraArk, was ich sehr ehrenwert finde.
Das Buch erfüllt auf diese Weise mehrere Zwecke. Zum einen ist es Ausdruck der warmherzigen Katzenliebe der Fotografin, zum zweiten fördert es, wie eben erwähnt, die Arbeit von HydraArk und kommt so langfristig den Katzen selbst zugute, und drittens sind die wunderschönen Landschaftsfotografien geradezu eine Einladung, Hydra als Tourist selbst zu besuchen. Man sollte allerdings wahlweise gut zu Fuß sein oder zumindest keine Abneigung gegen Maultiere haben, denn das sind bis heute die einzigen Verkehrsmöglichkeiten auf Hydra.
Doch wer sich davon nicht schrecken lässt, dem ist ein Besuch auf der Katzeninsel Hydra sehr ans Herz zu legen. Und vielleicht geht es ihm dann genauso wie Gabriela Staebler, die einst eher zufällig auf einem Segeltörn die Insel ansteuerte und schon im Vorwort sagt: „Nach meiner ersten Begegnung mit den Katzen war klar, dass Katzenfutter jetzt Vorrang hatte vor Orangen und Kartoffeln. So hatten wir kiloweise Katzenfutter in unseren Rucksäcken – genug, um die Katzenkolonie wenigstens einmal satt zu bekommen. Es war, als ob sie mein Versprechen verstanden hätten, als wir uns dem schattigen Baum wieder näherten. Mit erhobenen Schwänzen und laut miauend kamen sie auf uns zu!
Ich verteilte das Futter so, dass es keine Konflikte gab. Die Tiere waren sehr hungrig und schlangen ihr Futter hastig herunter. Nur eine Katze beteiligte sich nicht am großen Fressen – sie wollte lieber ausgiebig gestreichelt werden …“
In diesem Sinne: willkommen auf Hydra!
Ein tolles Buch – definitive Leseempfehlung!
© 2019 by Uwe Lammers
Ihr merkt schon deutlich, dass ich vor vier Jahren sehr gefangen genommen wurde von der Lektüre dieses Buches, und das geschah meiner Ansicht nach auch vollkommen zu Recht. Es war eine sehr willkommene Abwechslung von Krimis, SF- und erotischen Romanen, die ich sonst so las, auch von historischen Abhandlungen. Es kam mir vor wie Wellness-Urlaub, den ich in diesem Buch machte … eine schöne Erfahrung, die ich jedem Leser gönne.
In der kommenden Woche kehren wir in den Romankosmos von James Rollins zurück und betrachten ein weiteres Abenteuer der Sigma Force.
Bis dann, mit
Oki Stanwers Gruß,
euer Uwe.