Liebe Freunde des OSM,
heute kommt mal ein Buch zur Anwendung, das ich im Mai des Jahres 2000 aus der St. Elisabeth-Buchhandlung in Braunschweig erwarb … das ist buchstäblich so lange her, dass vermutlich selbst von den Braunschweigern kaum mehr jemand weiß, was das war. Ich nutze diese Einführung, ehe ich zu den wirklich nervigen Dingen komme, die ich vor rund 38 Jahren schriftstellerisch verzapfte und um die es heute gehen wird, mal für eine kurze historische Einleitung.
Dort, wo einstmals die St. Elisabeth-Buchhandlung steht, befindet sich heute eine Bankfiliale. Das ganze Gebäude, in dem diese Buchhandlung einst wohl über Jahrzehnte existierte, geführt von einer netten alten Dame, wurde vermutlich nach ihrem Tod abgerissen. Das muss zu derselben Zeit geschehen sein, zu dem der Schlosspark in Braunschweig einem riesigen Einkaufskomplex zu weichen hatte, den ich bis heute hartnäckig ECE-Center nenne.
Zugegeben, der kulturelle Kompromiss, der damit einherging, hat Braunschweig ein neues architektonisches Highlight verschafft, nämlich die historische Fassade des alten Stadtschlosses (weshalb das Ganze heute auch „Schloss-Arkaden“ genannt wird). Auch wurde hierin das Stadtarchiv integriert und die Stadtbibliothek, fusioniert mit der Stadtbücherei, erhielt voluminöse Räumlichkeiten, die äußerst sehenswert sind. Das Innenleben des größten Teils des Gebäudes ist gleichwohl eine Shopping-Mall, machen wir uns da mal nichts vor.
Das Buch, das ich in der schon so lange verschwundenen St. Elisabeth-Buchhandlung damals erstand, war der „Deutsche Wortschatz“ von Wehrle-Eggers (erschienen 1961). Er ist gleichwohl immer noch sehr nützlich und wäre sicherlich hilfreich gewesen, wenn ich ihn schon 20 Jahre früher besessen hätte.
Das bringt mich dann zum heutigen Thema: der infantilen Wortinflation.
Schauen wir uns einfach mal an, was Wehrle-Eggers auf Seite 674 zum Wort „schaffen“ schreibt. Das ist, wie so viele Worte der deutschen Sprache, äußerst vielgestaltig in seiner Anwendung. Es könnte beispielsweise bedeuten: „erzeugen“ oder „gestalten“ oder „dichten“, aber auch „tätig sein“ oder „arbeiten“.
Als ich KONFLIKT 13 des Oki Stanwer Mythos verfasste, also in den Jahren 1982-1985, da wurde mein Wortschatz allerdings sehr wesentlich von der Lektüre hastig zusammengeschusterter Heftromane beeinflusst. Diese mehrheitlich für jugendliche Leser geschaffenen Werke, das verriet mir mal ein Heftromanautor, der aus eigener jahrzehntelanger Schreiberfahrung in dem Genre sprach, wurden zumeist fließbandartig heruntergeschrieben. In einer Schreibzeit von 10-14 Tagen entstanden strukturell relativ schlicht gehaltene, nicht selten von Klischees und „Standardhandlungen“ (so ein anderer Brieffreund abwertend) wimmelnde Romane. Holzschnittartige Schwarz-Weiß-Malerei war zumal in Horror-Heftromanen – die ich damals verstärkt goutierte – an der Tagesordnung, und folgerichtig war auch der semantische Tiefgang in den Dialogen nicht eben nobelpreisverdächtig.
Was also sollte ein eifriger Leser wie ich tun, der in annähernd demselben Fließbandtempo eigene Geschichten entwarf und manchmal im Tagestakt fertigstellte? Nun, man kann sich die Einflüsse ziemlich gut vorstellen, heute kommt davon mal ein Auswuchs zur Anschauung, der mich inzwischen zunehmend nervt … ich digitalisiere aktuell ja immer noch OSM-Episoden aus den Jahren 1984/85 … und da sind Sätze dabei, die mir die Zehennägel kräuseln, echt.
Nehmen wir heute einfach nur mal das Beispiel des Wortes „schaffen“, das ich oben erwähnt habe. Dort stand, wie man es korrekt anwendet. Ich verwendete es damals exzessiv … und falsch.
Werfen wir einfach mal einen Blick in einige der Verwendungssituationen, wobei ich die einzelne Bandzuordnung geflissentlich auslasse, da es sich bekanntlich um Geschichtenzusammenhänge des KONFLIKTS 13 „Oki Stanwer Horror“ handelt. Und die möchte ich ja in gründlich renovierter Form, auch sprachlich deutlich optimiert, in den „CLOGGATH-KONFLIKT“-E-Books beizeiten euch zu lesen geben.
Auf diese Weise werdet ihr die unten wiedergegebenen Stilblüten natürlich nicht entdecken können. Dennoch versuche ich, unabsichtliche Spoiler bezüglich der Serienhandlung zu vermeiden.
Schauen wir uns mal an, wie ich in Zitat 1 das Wort „schaffen“ verwendet habe:
„Die Unsichtbarkeitskomponente …“, stöhnte der weiße Magier geschafft.
Ist das jetzt im obigen Sinn gedacht? Nein. Hier bedeutet es soviel wie „erschöpft“ oder „ermattet“. Das mag ja gerade noch durchgehen. Aber sehen wir uns das zweite Zitat an, eine Episode später:
„Wir haben sie … geschafft…“, keuchte er.
Auch hier haben wir keine passende Übereinstimmung mit Wehrle-Eggers. Hier bedeutet das Wort soviel wie „besiegt“. Und leider war das eine unautorisierte Wortverwendung, die ich direkt aus Heftromanliteratur übernommen hatte, denn so wurde das Wort dort standardmäßig benutzt – als Jargonausdruck.
Zwei Episoden später in derselben OSM-Serie kommt eine weitere Erwähnung desselben Wortes:
Aber mit Kreuzen, Flammenwerfern und einer Panzerfaust hatten wir sie damals geschafft.
Man sieht deutlich: Diese Wortbedeutung von „schaffen“ für „besiegen“, „erledigen“ usw. setzte sich durch und wurde allmählich echt salonfähig in meinen Texten. Leider, ist zu konstatieren.
In der nächsten Folge tauchte diese Formulierung dann erneut auf, diesmal gleich im Doppelpack:
„Ich werde dich killen, Oki Stanwer“, sagte er lachend. „Damals in London habe ich es ja leider nicht geschafft.“
„Aber dich schaffe ich auch allein.“
Während wir das erste Mal noch durchgehen lassen könnten, ist das zweite schon wieder in der oben erwähnten nämlichen Weise falsch verwendet. Hier könnte man es auch mit „töten“ gleichsetzen, so ist es nämlich gemeint.
War es das jetzt? Nein, denn in der darauf folgenden Episode begehe ich denselben Fehler:
Das alles zusammen musste GOLEM schaffen.
Auch hier ist der Kontext „besiegen“, „töten“. Ich muss nicht eigens betonen, dass das immer noch verkehrt ist. Eine Episode weiter wiederhole ich diesen Fehler:
Der Kristall geriet in ernste Bedrängnis, aber schaffen konnten ihn die beiden Dämonen selbst mit vereinten Kräften nicht.
Und die Krönung des Ganzen war dann der letzte Band, aus dem ich heute zitiere, hier tritt diese einfallslose infantile Wortverwendung gleich viermal (!) in Folge in Erscheinung. Ich verstehe das heute so, dass ich diesen Band extrem schnell herunterschrieb und mir einfach keine Zeit für intelligente Formulierungen ließ. Gleichwohl … es liest sich einfach höchst enervierend:
„Und wenn Sie das Schiff schaffen, dann kümmern Sie sich auch gleich um den Leuchtturm.“
„Er hätte uns nicht mehr geschafft.“
„Ich bin zwar geschwächt, aber euch beide schaffe ich auf jeden Fall.“
„Ihr habt ihn geschafft“, staunte Thor.
Es ist irgendwie vielleicht nachvollziehbar, dass ich beim Abschreiben und Kommentieren dieser Episoden zunehmend genervt war, oder? Selbst wenn man berücksichtigt, dass ich damals selbst erst zarte 18 Lenze zählte und mit mechanischer Schreibmaschine schrieb, sodass automatische Textkorrekturen oder nachträgliche Neufassungen doch sehr erschwert wurden, ist auf der Haben-Seite einzubeziehen, dass ich ja schon seit etwa 1978 schrieb. Das waren auch schon knappe 7 Jahre … ich würde also nicht sagen, dass ich ein reiner Newcomer war, weder was meinen Lesekonsum anging (der meine Formulierungsfähigkeiten eigentlich hätte verstärken sollen, dies in diesem Fall aber eindeutig nicht tat), noch was meine Schreiberfahrung anging. Ich hatte schon mehrere hundert Texte fertig gestellt und eine ähnliche Menge an Fragmenten entworfen, sogar schon Texte im Heftromanumfang von 120 Skriptseiten verfasst.
Also nein, ein reiner Newcomer war ich nicht.
Aber ich las einwandfrei die falsche Lektüre. Und sie prägte mich merklich ungut.
Erfreulicherweise habe ich mich seither stilistisch doch um einiges weiterentwickelt. Es ist vielleicht nicht zu behaupten, dass ich ein guter Schriftsteller geworden wäre – das ist ohnehin immer eine Beurteilungsfrage von außen, die man sich nicht selbst arroganterweise anmaßen sollte – , aber wenigstens was die Dimension meines Wortschatzes angeht, habe ich dazugelernt. Und heutzutage erkenne ich derartige Stilblüten und vielfach auch falsch verwendete Worte wie dieses nervige „schaffen“, das sich heute bei mir kaum mehr findet.
Es kann als sicher gelten, dass ich im Verlauf meiner „Karriere“ als Blogartikelschreiber und forensischer Analyst meiner frühen Werke noch mehr solche Seltsamkeiten finden werde. Aber davon wird heute nicht weiter die Rede sein.
Ich möchte diese Rubrik für heute schließen, bedanke mich für eure Aufmerksamkeit und werde euch in der kommenden Woche erzählen, wie es mit der Entwicklung des Autoren-Nachlassarchiv-Projekts voranging. Ich hoffe, ihr seid dann wieder lesend mit von der Partie.
Bis dann, mit
Oki Stanwers Gruß,
euer Uwe.