Liebe Freunde des OSM,
wenn eine Autorin vom Titel eines Romanzyklus vollkommen abschweift oder sogar, wie das in diesem Fall geschieht, gewissermaßen um die Ecke biegt, den Rückwärtsgang einlegt und dann die Geschichte aus einer anderen personalen Perspektive noch mal aufrollt, dann würden vermutlich sehr viele LeserInnen sagen: Gott, was für eine elende Geldschneiderei. Oder, noch schlimmer: Was für eine Einfallslosigkeit!
Tja, ich konnte mich nach der Lektüre des Bandes diesen Sichtweisen definitiv nicht anschließen, sondern bin auch heute noch – immerhin fünf Jahre nach Lektüre – der Auffassung, dass den LeserInnen eine Menge sehr Lesenswertes entgeht, wenn man dieses Buch links liegen lässt.
Zugegeben, spätestens mit diesem Roman hatte ich Lauren Rowe als äußerst unterhaltsame Autorin auf dem Schirm, und das hat sich bis heute nicht geändert (wiewohl ich ein paar tausend weitere Seiten ihrer Romane zwischendrin verschlungen – und sehr viel dabei gelacht – habe).
Was will ich damit sagen? Dass dies zwar lange nicht den historischen Tiefgang des Buches der letzten Woche hat, aber eindeutig Feel-good-Literatur darstellt. Vielleicht nicht die hohe Schule, well, aber wer greift schon immer nach Goethe, Schiller, Grass und anderen essenziellen Literaten? Manchmal darf es auch ruhig etwas seichter daherkommen. Und wer so etwas sucht und mal einfach so eine vergnügliche Beziehungskomödie lesen möchte, die einfach unfassbar amüsant ist, der sollte sich das Buch hier mal näher ansehen:
The Club 5: Kiss
(OT: The Infatuation)
Von Lauren Rowe
Piper (ohne Verlagsnummer), 2016
400 Seiten, TB, 12.99 Euro
Aus dem Amerikanischen von Christina Kagerer
ISBN 978-3-492-06064-6
„Was geschieht, wenn eine unaufhaltsame Kraft auf ein unbewegliches Objekt trifft?“ Diese Frage habe ich irgendwann vor langer Zeit einmal gehört oder gelesen und nie vergessen. Der genaue Kontext ist mir entfallen, aber wenn irgendetwas auf den vorliegenden Roman zutrifft, dann ist es vermutlich dieser Satz – und das Buch setzt sich dann damit auseinander, was genau jenseits dieser Frage geschieht. Um es vorwegzunehmen: es ist eine sehr unterhaltsame Angelegenheit, zumal dann, wenn beide Dinge, Kraft wie Objekt, Menschen und ihre Emotionen sind, die sich zugleich wie ein Magnetfeld anziehen und abstoßen. Dies als anstrengend zu charakterisieren, hieße wohl, die ganze Angelegenheit zu bagatellisieren.
Also schön, worum geht es? Und warum ist es notwendig für den Leser, wenigstens die ersten drei Bände des Zyklus „The Club“ gelesen zu haben (tunlichst aber den vierten Band vorläufig zu überspringen), damit man versteht, worum es hier geht?
Nun, wie erinnerlich kreisen die ersten vier Romane des Zyklus um den schwerreichen Unternehmer Jonas Faraday und die anfangs noch etwas unbedarfte Jurastudentin Sarah Cruz, die im Umfeld des kriminellen „Clubs“ zusammenkommen und sich innig zu lieben beginnen. Wie ebenfalls erwähnt heiraten die beiden am Ende des dritten Bandes.
Nun hat Jonas einen Zwillingsbruder namens Josh Faraday, und Sarah eine Freundin mit Namen Katherine (Kat) Morgan. Beide spielen in den oben genannten Romanen eine zwar wichtige Rolle, aber eben nur in der zweiten Reihe. Das ändert sich mit dem vorliegenden Band. Nun treten sie in den Vordergrund, und die vormals Jonas und Sarah vorbehaltenen individualisierten Kapitelblenden werden nun aus Joshs und Sarahs Sicht dargestellt.
Das bedeutet? Alles geht nach den Ereignissen von Band 3 weiter, nach dem Ende des „Clubs“? Nein, eben nicht. Die Weichen werden komplett wieder auf Anfang gestellt – in einer gewissen Weise fühlte ich mich dabei an E. L. James und ihre Romane „Grey“ und „Darker“ erinnert, in denen sie die Geschichte von Christian Grey und Anastasia Steele aus Greys Sicht heraus haarklein erzählt.
Um es vorwegzunehmen: Soviel Geduld hat Lauren Rowe nicht. Ich lasse das mal dahingestellt, ob das von Vorteil oder von Nachteil ist. Faktum ist jedenfalls, dass der vorliegende Roman im Prinzip den Inhalt der ersten drei „Club“-Romane aus Kats und Joshs Sicht wiedergibt und kurz vor dem finalen Schlag gegen die kriminelle Vereinigung aufhört, also mitten in Las Vegas.
Rowe macht in dem Roman einige ordentliche Handlungssprünge und platzt manchmal mitten in die Handlung hinein – wer also die ersten drei Romane nicht kennt, wird an vielen Stellen des vorliegenden Buches völlig herumrätseln, was hier jetzt gerade geschieht. Damit ist es ein klares und unleugbares Sequel, das fundamental auf den vorherigen Bänden aufbaut. Nicht indes, und das ist jetzt ganz wichtig für Neueinsteiger, nicht indes auf dem VIERTEN Band, denn der spielt bekanntlich Jahre nach den Ereignissen in Las Vegas. Wer den vierten Roman „Joy“ gelesen hat, hat schon die Zukunft des vorliegenden Romans gesehen – wer derartige Spoiler nicht mag und sich die Neugierde erhalten möchte, sollte tatsächlich den Zyklus erst mal nur bis inklusive Band 3 lesen und dann zu Band 5 springen.
Well, ich habe das natürlich auch nicht gemacht, weil man das ja nicht erwarten kann. Aber ich habe schließlich auch die Handlungspersonen lieb gewonnen und fand (das wäre der Ansatz für eine alternative Sichtweise) es spannend, ergänzende Passagen zu den bisher bekannten Teilen des Zyklus zu lesen. Und natürlich kann man auch einfach erst den Handlungsstrang um Sarah und Jonas komplett lesen (Bände 1-4) und sich dann, wie es Autorin und neugierige Leser getan haben, den Nebenpersonen widmen, von denen schätzungsweise die Bände 5-7 handeln werden.
Eins möchte ich noch zum Inhalt sagen: man bekommt natürlich nicht NUR eine alternative Sicht auf die „Club“-Geschichte zu sehen, sondern wird mit dem eingangs erwähnten Problem konfrontiert. Sowohl Kat als auch Josh werden von Anfang an unglaublich zueinander hingezogen. Aber es dauert schier ewig, bis sie sich diesen verdammten ersten Kuss geben und erst danach alles quasi Notwendige folgt.
Warum dauert das so lange?
Weil Kat ein Dummkopf ist und stur dazu, könnte man sagen.
Kat erfährt nämlich en passant, dass Josh sich für einen Monat im „Club“ angemeldet hat und sich damals dort gut mit zahlreichen willigen Frauen amüsierte. Und da sie von ihrer Freundin Sarah zumindest in groben Umrissen weiß, dass ein männlicher Bewerber in seinem Antragsformular für den „Club“ seine Persönlichkeit und seine sexuellen Vorlieben offen legen muss, ist sie natürlich extrem neugierig und will sein Formular unbedingt lesen, ehe sie sich mit Josh weiter einlässt (was sie im Innern schon für völlig unvermeidbar hält, sollte man vielleicht ergänzen – aber eben nicht ohne Erfüllung dieser Vorbedingung). Josh weigert sich (obwohl Kat ihn völlig verrückt macht und er sie unbedingt ins Bett zerren will – aber Kapitulation ist für ihn keine Option). Also weigert sich auch Kat konsequent, nachzugeben.
Kat nennt ihn Playboy. Er nennt sie „Terroristin“ und sagt kategorisch und wiederholt „Ich verhandle nicht mit Terroristen!“ Woraufhin sie noch sturer ist und ihm sogar einen Kuss verweigert.
Unaufhaltsame Kraft. Unbewegliches Objekt. Ihr erinnert euch an den Anfang, nicht wahr? Was folgt, ist im Kern eine mentale Schlacht zwischen den beiden, die nahezu den gesamten Roman andauert und abstruse Formen annimmt (mir kam wiederholt das Bild von Hund und Katze in den Sinn, das hier sicherlich im Hintergrund auch Pate stand). Dabei geht allerlei emotionales Geschirr zu Bruch, Herzen werden lädiert, Tränen fließen … und es wird einfach unfassbar viel gelacht.
Das macht die Geschichte dann wirklich sehr lesenswert – man lernt als Leser Kat Morgan und Josh Faraday wirklich recht gut kennen, wobei Josh Geheimnisse in den nächsten Band rettet. Aber allein schon der überbordende Humor in der Geschichte macht daraus ein wunderbares Leseabenteuer, das man mit großem Genuss bis tief in die Nacht schmökern kann, gemäß dem Motto „Komm, ein Kapitel geht noch …“ Meistens werden dann vier oder fünf daraus. Oder noch mehr.
Sowenig das alles also auch nur noch mit dem Obertitel „The Club“ zu tun hat, so unterhaltsam und kurzweilig ist es doch. Bin mal sehr gespannt, was im Folgeband noch für Komplikationen auftauchen, ehe Josh und Kat dann schließlich doch zusammenkommen (siehe Band 4!).
Auch für diesen Band gebe ich darum eine volle Leseempfehlung, insbesondere für eingefleischte Romantiker und Leute, die gerade dringend etwas Stimmungsaufhellung benötige. Glaubt mir, Freunde, die bekommt ihr hier. Das ist die volle Breitseite vergnüglicher Humor.
© 2018 by Uwe Lammers
Ja, es ist definitiv etwas crazy, wenn der Rezensent vorschlägt, man solle die Lesereihenfolge eines Romanzyklus verändern, um sich die Vorfreude zu erhalten. Habe ich, meiner Erinnerung zufolge, so auch noch nicht gemacht. Hier ergibt es aber Sinn.
In der nächsten Woche lassen wir dann mal hübsch den Kopf rauchen. Es geht um ein äußerst unterhaltsames philosophisches Problem. Mehr dazu in Bälde.
Bis bald, mit
Oki Stanwers Gruß,
euer Uwe.