Liebe Freunde des OSM,
Parallelwelten und Wunschvisionen sind etwas Nettes, keine Frage. Die harte Realität sieht dann doch meistens gründlich anders aus, als man sich das gerne wünscht … aber in diesem Romanzyklus von Lauren Rowe konnte die Autorin definitiv beides nicht gescheit abmischen, um mal im Bereich der Musik zu bleiben.
Wir erinnern uns, dass Sarah Cruz und ihr Geliebter, der reiche Jonas Faraday, sich über die Vermittlungsorganisation des „Clubs“ auf eher unkonventionellem Weg kennen gelernt haben. Im vorliegenden Roman erfolgt dann die Entschleierung der eigentlichen Ziele der Organisation und wegen des Mordanschlags auf Sarah, auch der Rachefeldzug gegen dieselbe.
Leider kam ich schon nach der Lektüre zu der frustrierenden Erkenntnis, dass dieser ungewöhnlich kurze Roman (das ist eigentlich schon ein Alarmzeichen!) am Schluss in ein bizarres Rosarot abrutscht. Und das hat mich doch nicht wenig enttäuscht.
Schiebt also die Vorstellung, dies sei ein realistischer Roman, schön beiseite. Es ist ein höchst unrealistisch-idealisiertes Märchen. Das sollte man sich vor Augen halten und dann in die Rezension starten, dann seid ihr am Ende vielleicht nicht so enttäuscht, wie ich es damals war:
The Club 3: Love
(OT: The Redemption)
Von Lauren Rowe
Piper (ohne Verlagsnummer), 2016
368 Seiten, TB, 12.99 Euro
Aus dem Amerikanischen von Lene Kubis
ISBN 978-3-492-06043-1
Der „Club“ kann tödlich sein. Die junge Jurastudentin Sarah Cruz erlebt dies schockartig, als sie auf der Toilette der Universität von einem Mann bedroht und dann niedergestochen wird, den sie später als „ukrainischen John Travolta aus ‚Pulp Fiction’“ beschreibt. Was sie zu dem Zeitpunkt noch nicht ahnt, ist, dass dieser Mann auf den Namen Juri hört und ein Profikiller aus dem Bereich des organisierten internationalen Verbrechens ist.
Aber das ist sowohl ihr als auch dem Mann, der sie liebt, Jonas Faraday, in diesem Moment völlig egal, wo sie mit dem Tode ringt – oder mindestens hat Jonas dieses panische Gefühl, denn als er Sarah findet, liegt sie in bewusstlos in einer immer größer werdenden Blutlache.
Dabei hat alles so harmlos angefangen.
Als Sarah Cruz und der schwerreiche, junge Unternehmer Jonas Faraday Feuer füreinander fingen, war er ein sexueller Schwerenöter mit dem Gotteskomplex, er sei der begnadetste Liebhaber der Welt und würde JEDE Frau zum Orgasmus bringen können, sie hingegen eine einfache Anmeldeassistentin des dubiosen „Clubs“, die seine arroganten Zeilen in der Anmeldung beantwortete und zugleich gestand, noch niemals im Leben einen Orgasmus gehabt zu haben. Woraufhin Jonas dann so hartnäckig ihre Identität herauszufinden trachtete und Himmel und Hölle in Bewegung setzte, um sie zur sexuellen Ekstase zu führen. Was ihm gelang und dafür sorgte, dass sie beide vollständig ineinander verschossen und fortan unzertrennlich waren.
Sarah entdeckte aber zu ihrer Bestürzung, dass der anonyme „Club“ nicht nur idealistisch dafür sorgen wollte, für eine horrende Summe Geld passende (männliche) Mitglieder und weibliche Pendants zu „matchen“, also passende Sexpartner zusammenzubringen. Stattdessen war der „Club“ in Wahrheit ein superlukrativer Prostitutionsring, und Sarah beging den Fehler, die anonyme Führung auch noch zu provozieren und damit zu drohen, alles ans Licht zu bringen.
In der Konsequenz machte sie die fast tödliche Bekanntschaft mit dem Killer Juri, der sie erst um einen enormen Geldbetrag erleichterte und dann dennoch niederstach.
Zwar kann Sarah den Anschlag überleben, aber nun ist ihr Geliebter Jonas heiß entschlossen, den „Club“ zu zersprengen und „die Mistkerle kaltzumachen“, wie er das nennt. Als Sarah genesen ist, gehen sie den wenigen Spuren nach, die sie besitzen, und die kleine Gruppe um Sarah und Jonas – Jonas´ Bruder Josh, Sarahs Freundin Kat und der geniale Nerd-Hacker Peter Hennessey („Nennt mich einfach nur Henn!“) – reist nach Las Vegas. Hier scheint das Herz des „Clubs“ zu schlagen. Leitende Person, anfangs noch verharmlosend als „Puffmutter“ bezeichnet, ist eine Frau namens Oksana Belenko. Aber leider ist das alles nur die Spitze des Eisbergs, und es bedarf einer Reihe von ziemlich haarsträubenden und riskanten Manövern, um sich in das Netzwerk des „Clubs“ einzuhacken und herauszufinden, was sie im „Deep Web“ tatsächlich verborgen haben.
Als Henn Näheres herausfindet, stockt den Freunden bald das Blut in den Adern. Was, zum Teufel, hat ein amerikanischer Ring, der gewerbsmäßige Prostitution betreibt, mit den Donbass-Rebellen in der Ukraine zu tun? Warum stehen sogar Senatoren und Minister der US-Regierung auf der Kundenliste des „Clubs“?
Und dann diese Summen … diese Summen, um die es auf den Konten der Organisation geht, die sind einfach unglaublich: 100 Milliarden US-Dollar, 200 Milliarden US-Dollar … und noch viel mehr.
Mit einem Mal wird den schockstarren Freunden klar, dass sie hier auf etwas gestoßen sind, das sehr leicht den Watergate-Skandal in den Schatten stellen kann. Und dass sie sich in derselben Stadt befinden, in der die Verbrecher des „Clubs“ bereit sind, über Leichen zu gehen, um ihr Geheimnis zu wahren.
Auch über die Leichen von Sarah Cruz und ihren Freunden …
Man kann wirklich sagen, selten war ein Roman so irreführend im Deutschen bezeichnet wie dieser hier. Selbstverständlich geht es recht ausgiebig um Sex zwischen Jonas und Sarah, also buchstäblich um „Love“ (und das Ende ist einfach hinreißend enthusiastisch, das deute ich hier mal an). Und ja, die Vermutung aus der vergangenen Rezension, dass es in diesem Buch dem „Club“ und den Hintermännern an den Kragen geht, entspricht der Wahrheit.
Neue Personen treten auf – so Sarahs Mutter Gloria Cruz, außerdem Jonas´ Kindheits-Nanny Mariela, seine Lehrerin aus Jugendtagen, Renee Santorini, ferner der finstere Maksim, der nichts lieber will als Sarah zu vernaschen, die er – ihrer eigenen fiktiven Vita zufolge – für eine verdammt clevere, aber geldgeile Hure hält, die Jonas mit ihrem Sex um den kleinen Finger gewickelt hat und ihn wie eine Zitrone auspresst.
Das alles ist wie üblich sehr lebendig und lesenswert aufbereitet. Aber … leider gibt es bei diesem Band ein sehr großes Aber, und das bezieht sich auf drei äußerst kritische Punkte, die das positive Fazit des Romans doch sehr eintrüben.
Punkt 1: Das Personal des „Clubs“, das nur aus zwei Individuen zu bestehen scheint (mit Killer Juri aus drei), über deren Vita man quasi nichts erfährt, auch nicht im Detail über ihre Ziele und besonders ihre Mittel vor Ort. Sie erscheinen auch leider arg unterbelichtet, dabei sollte man sich doch vorstellen können, dass milliardenschwere Unterweltler, die in Las Vegas (!) residieren, hier diverse Verbindungen zu Hotels, Stripteasebars und Casinos besitzen. Es müsste ihnen also ein Leichtes sein, Sarah, Jonas & Co. zu überwachen. Was aber offenbar kaum geschieht. Die Bösen werden also unrealistisch als böse und einfach nur geldgeile Deppen dargestellt, was dem Roman sehr viel an Realismus und Reiz raubt.
Punkt 2: Die Gruppe der fünf „weißen Ritter“, die mit nichts als dem Plan, den „Club“ zu Fall zu bringen und ein paar wenigen Infos tatsächlich genau ihr Ziel erreichen und dabei auch nur sehr bedingt auf Widerstand bei den „bösen Deppen“ stoßen. Dabei besitzen sie in derlei Operationen nicht die geringste Kenntnis, schlagen sich aber überaus wacker. Hätte es sich beim „Club“ nur um einen Prostitutionsring gehandelt, hätte ich gesagt: okay, ich drücke ein Auge zu … aber bei solch einer Organisation? Entschuldigt bitte, das ist doch einfach verrückt! Das war letztlich ein Märchen. Hier fehlte jeder glaubwürdige dramatische Ansatz der Handlung.
Punkt 3: Die Lösung der ganzen Misere. Dass Jonas, Sarah & Co. das FBI, die CIA und andere Geheimdienste einschalten müssen, ist in Anbetracht der Dimensionen, die das Ganze schnell erreicht, wirklich sehr gut verständlich. Dass das organisierte Verbrechen allerdings umgekehrt nicht munter mit Geld und willigen Frauen zahlreiche Verantwortliche geschmiert haben sollte, die daraufhin ein großes Interesse haben müssten, nichts von alledem an die Öffentlichkeit dringen zu lassen, kann ich mir jedoch wirklich kaum denken.
Derartige Sicherheitslecks werden nicht mal angedeutet, sondern einfach unter den Tisch gekehrt. Hier wird der Einfluss des „Clubs“ vielmehr so derartig auf Vorgartenformat zurechtgestutzt, dass man das wirklich nicht mehr glauben kann. Und auch die zahllosen „Bedingungen“, die sich Sarah und Jonas ausbedingen (wohlverstanden: gegenüber Regierungsvertretern und Geheimdienstprofis!!), die klangen doch sehr nach einer rosaroten Wunschliste.
Letzten Endes fand ich, dass die Autorin sich in der zweiten Hälfte des Romans immer stärker in einem Wunschtraum verwirklichen wollte, was dann aber doch sehr unrealistisch geraten ist. So schön der Roman also auch sein mag, so aufregend die erotischen Szenen und so aufhellend besonders Jonas´ Kindheitsblenden sind, so wenig glaubhaft und viel zu glatt verlief der Schluss der Operation.
Es ist indes festzuhalten, dass dies erst Band 3 des siebenteiligen Zyklus gewesen ist. Da kommt also noch was nach, und meiner Ansicht nach nicht zu wenig. Ich hoffe sehr, dass die Verfasserin die Geschichte noch deutlich in den Folgebänden relativiert. Denn dass sich das organisierte Verbrechen von einer Handvoll selbsternannter Rächer um Hunderte von Milliarden Dollar bringen lässt und das langfristig keine Konsequenzen hat, also, das glaubt doch nun wirklich niemand.
Ich schätze, es gibt Grund zu ernster Sorge.
Mehr dazu in der nächsten Rezension …
© 2018 by Uwe Lammers
Wie ihr euch vorstellen könnt, habe ich den Zyklus ja längst vollständig gelesen und könnte jetzt einen Spoiler bringen … aber nein, so garstig bin ich nicht. Zum nächsten Teil des Zyklus kommen wir erst wieder in vier Wochen.
Im nächsten Blogartikel beschäftigen wir uns zur Abwechslung mal mit dem Ende der Welt.
Näheres in einer Woche an dieser Stelle.
Bis dann, mit
Oki Stanwers Gruß,
euer Uwe.