Liebe Freunde des OSM,
Geschichte ist das, was geschehen ist, was in den Geschichtsbüchern steht, so heißt es landläufig. Durchaus nicht zu Unrecht. Was solche Binsenweisheiten indes verschweigen, ist dies: Geschichte ist nicht nur ein Auswendiglernen von Zahlenstrahlen, von Schlachten, Generalen und Staatsführern … es geht sehr viel mehr um das Durchdringen höchst komplexer Geflechte. Und wie jeder, der mal versucht hat, einen tief verwurzelten Baumstumpf auszugraben, sehr handgreiflich feststellen kann, ist auch Geschichte nichts, was sich schnell und geradlinig beschreiben lässt wie etwa eine mathematische Gleichung.
Geschichte ist so komplex und verworren wie menschliches Leben schlechthin, aus dem sie resultiert – weil die Akteure nun einmal Menschen sind, und wie man Personen nicht einfach in ein stumpfsinniges Schema pressen kann, so kann man auch nicht davon ausgehen, dass sich Geschichte in all ihrer Kompliziertheit in ein Geschichtsbuch pressen lässt.
In Geschichtsbüchern sind die dargestellten Fakten stattdessen stets vereinfachte, gesiebte, schlichte Nacherzählungen, die die groben Umrisse dessen wiedergeben, was gewesen ist. Aber sie geben eindeutig nicht ALLES wieder, und mitunter werden Fakten so schlicht zurechtgebogen, dass die eigentlichen Entscheidungshintergründe unsichtbar werden.
Dann ist es Aufgabe von intelligenten Zeithistorikern, Fenster in die Vergangenheit zu öffnen und die Fakten auf den Tisch zu bringen, die zum gründlicheren Verständnis der historischen Entscheidungen vonnöten sind.
Und manche davon sind dann so unfasslich, dass daraus extrem spannende Bücher werden. So ist es der Fall mit dem Werk, das ich euch heute wärmstens als packende Lektüre ans Herz legen möchte. Ich führe euch zurück in das Jahr 1917, aber eigentlich noch etwas weiter zurück in die Endjahre des 19. Jahrhunderts, als die Weichen für den verheerenden Konflikt des Ersten Weltkriegs gelegt wurden. Und hin zu einem Wendepunkt der Geschichte, der fast verhindert hätte, dass die Vereinigten Staaten von Amerika in den Krieg eintraten und Deutschland in die Knie zwangen.
Schaut zurück und staunt … und fragt euch an manchen Stellen meiner Darlegungen vielleicht auch, was hätte geschehen können, wenn …
Die Zimmermann-Depesche
(OT: The Zimmermann Telegram)
Von Barbara Tuchman
Bastei Zeitgeschichte 65039
Bergisch-Gladbach 1982
352 Seiten, TB
ISBN 3-404-65039-5
Aus dem Amerikanischen von Hans Jürgen Baron von Koskull
Es gibt Geschichten, die sind so unglaublich und regen dermaßen zum Phantasieren an, dass man kaum fassen mag, wie real sie in Wahrheit gewesen sind. Man liest über diese Ereignisse und kommt sich vor wie in einem phantastischen, wirren Fiebertraum, weil die Wirklichkeit so vollständig durch die geschilderten – realen! – Ereignisse ausgehebelt wird, dass es dem Leser den Atem verschlägt. Und während man in diese Geschehnisse wieder eintaucht, die auf den vorliegenden Seiten ausgebreitet werden, scheint sich der Wind der Weltgeschichte zu drehen, und eine potenzielle Wirklichkeit liegt zum Greifen nah vor dem ungläubigen Leser.
Was wäre gewesen, wenn … diese Frage, die die Grundannahme aller kontrafaktischen Spekulationen und Alternativweltgeschichten ist, flammt hier mit aller Macht auf, was umso unerwarteter kommt, als Barbara Tuchman doch eigentlich eine nüchterne, strikt an den Fakten orientierte Historikerin war. Doch auch sie lässt sich durchaus in diesem Fall von den Wahnvorstellungen anstecken, die im frühen 20. Jahrhundert grassierten und die, hätten sie nur ein Stück weit mehr Gewicht besessen, das Gesicht unseres Jahrhunderts für immer verändert hätten.
Und nein, wenn man denkt, dies alles begann mit dem 17. Januar 1917, als im „Zimmer 40“ der britischen Admiralität eine Nachrichtenkapsel aus der Rohrpost eintraf, dann erliegt man demselben Irrtum, dem anfangs der Verfasser dieser Zeilen erlag. Die Wahrheit ist sehr viel abenteuerlicher, und wer von all diesen Dingen keine Kenntnis hat oder nur oberflächliche Informationen, der sei in dieser Rezension mitgenommen auf eine Abenteuerreise, die er noch weniger vergessen wird, wenn er das Buch selbst gelesen hat.
Das zwanzigste Jahrhundert ist, als es beginnt, eine Art von Pulverfass. Wohin man auch sieht, unter der Oberfläche brodeln Probleme, krisenhafte Entwicklungen drängen wie der Dampfdruck in einem unter hohem Druck stehenden Kessel nach oben, zur explosiven Entladung. Und ebenso wenig, wie der Erste Weltkrieg ursächlich durch den Doppelmord in Sarajevo Ende Juni 1914 „ausbricht“, so wenig ist es so, dass die Ereignisse, die schließlich dazu führen, dass die Vereinigten Staaten von Amerika in den Ersten Weltkrieg eintreten, durch ein einzelnes, singuläres Geschehnis eskalieren und einen sofortigen Entschluss auslösen.
Im Gegenteil: Es sieht sehr lange danach aus, als wenn die vernünftigste Option der Amerikaner darin bestehen müsse, neutral zu bleiben. Und es ist auch nicht eine einzelne Aktion eines übereifrigen deutschen Politikers namens Arthur Zimmermann, die das dann auslöst … aber im Zusammenspiel dieser komplexen Fakten kommt es dann tatsächlich dazu. Die Amerikaner treten auf Seiten der so genannten „Entente“ in den Krieg gegen Deutschland ein, und ihre Ressourcen sind es, die ihn entscheiden.
Doch zusammen mit Barbara Tuchman gehen wir zurück in die Vergangenheit … sagen wir, ins Jahr 1888. Dies ist das Jahr, in dem der junge neue deutsche Kaiser Wilhelm II. seine Regentschaft beginnt und vollmundig behauptet, er führe Deutschland „goldenen Zeiten entgegen“, ja, er wolle dem Reich einen „Platz an der Sonne“ erobern. Stattdessen richtet er es zugrunde, aber das ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu sehen.
Europa ist in den späten 80er Jahren des 19. Jahrhunderts eine in festen Bündnissystemen weitgehend erstarrte Kulisse. Deutschland, das 1871 auf Kosten Frankreichs zum Kaiserreich vereint wurde und das jüngste Kaisertum auf dem europäischen Schauplatz darstellt, ist dank der raffinierten Bündnissysteme Kanzler Bismarcks zur aufsteigenden Hegemonialmacht geworden, nach außen offiziell „saturiert“, d.h. gesättigt. Bismarck hat keine außenpolitischen Wünsche nach einem Kolonialreich a la England oder Frankreich.
Doch Bismarck wird 1890 in den Ruhestand geschickt, und der sprunghafte Kaiser Wilhelm II. und seine außenpolitisch … wagemutigeren Berater bestimmen nun die Außenpolitik. Die Folge ist binnen weniger Jahre, dass Deutschland in die Isolation gerät. Allein verbündet mit dem schon etwas maroden und bebenden Vielvölkerstaat der Habsburger, Österreich-Ungarn, sieht sich das deutsche Kaiserreich einer Allianz gegenüber, die aus Frankreich, Russland und Großbritannien besteht.
Die deutschen Militärs sehen die Gefahr, dass der außenpolitische Feind zu stark wird und prognostizieren das Jahr 1914 als das letzte, in dem wohl noch ein kontinentaler Krieg von Deutschland zu gewinnen sein dürfte. Danach wird die Gegenseite zu stark sein. Der von dem greisen Militär Graf Schlieffen, entwickelte Schlieffen-Plan sieht einen kurzen Zweifrontenkrieg gegen Frankreich und Russland vor, der etwa 6-8 Wochen dauern und mit einer Überwältigung der französischen Militärmacht enden soll. Danach soll das Heer nach Osten geworfen werden und die Russen besiegen.
Es fehlt nur noch der passende Zündfunken.
Das Kaiserreich selbst entfaltet in der Zwischenzeit … sagen wir … seltsame Aktivitäten, von denen der Rezensent erstmals durch das vorliegende Buch erfuhr. So trägt sich beispielsweise der deutsche Kaiser ernstlich mit dem Gedanken, an der mexikanischen Küste Land zu erwerben, um einen Flottenstützpunkt zu bauen, quasi als Ausgangsbasis für koloniale Aspirationen im Karibikraum.
Die Amerikaner vereiteln diesen Plan, aber das heißt durchaus nicht, dass diese Pläne grundsätzlich gestorben sind. Ganz im Gegenteil.
Es lässt sich vielmehr durch die Jahrzehnte vor dem Ersten Weltkrieg deutlich verfolgen, dass deutsche Militärs und hohe politische Kreise in Berlin bis hinauf zum Kaiser die Gedanken immer wieder in den Vordergrund schieben, es gäbe Möglichkeiten, Mexiko und die Vereinigten Staaten gegeneinander auszuspielen, zum Nutzen der Deutschen. Nicht zuletzt zu solchen Zwecken unterhalten die Deutschen ausgedehnte Netze von Geheimagenten in den Vereinigten Staaten und Mexiko.
Zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten hängt der Haussegen schon sehr lange schief. Die Mexikaner haben große territoriale Verluste gegen Ende des 19. Jahrhunderts zugunsten der Nordamerikaner erlitten. New Mexiko, Arizona und Texas sind nun Bundesstaaten der USA. In Mexiko wechseln sich in diesen Jahren zwischen 1890 und 1917 verschiedenste, eigentlich allesamt als zutiefst undemokratisch zu bezeichnende Herrscher ab, gelegentlich meucheln sie sich auch gegenseitig. Einer von ihnen, General Victoriano Huerta, wird ins Exil vertrieben, General Venustiano Carranza, der an seine Stelle tritt, ist aber nicht angenehmer. Auch der General Pancho Villa nicht, dessen Ressentiment gegen die USA legendär ist.
Pancho Villa ist es dann auch, der das Fass zum Überlaufen bringt.
1912 verliert zwar der amerikanische Präsidentschaftskandidat Theodore Roosevelt, ein Haudegen vom alten Schrot und Korn, der markige Reden schwingt und vor interventionistischen Aktionen nicht zurückschreckt, den Wahlkampf gegen den demokratischen Herausforderer Thomas Woodrow Wilson, aber als der „Bandit“ Pancho Villa mit seinen offiziell als „Gesetzlose“ geltenden Soldaten über die mexikanische Grenze ins US-Gebiet eindringt und hier plündert und Amerikaner umbringt, ist Roosevelt einer der strikten Befürworter, gegen diese Akte der Barbarei vorzugehen.
Wilson, vom Naturell her puritanisch, friedliebend bis zum Pazifismus und eher konstant auf Vermittlung gepolt, braucht geraume Zeit, bis er auf diese Provokationen reagiert. Das lag auch an einem katastrophalen Zwischenfall in Veracruz im Frühjahr 1914, bei dem eine ungeschickte Intervention, die Wilson bewilligt hatte, zu einer Vielzahl von Toten führte.
Wilson war seither mehr denn je davon überzeugt, dass es erstens zwingend erforderlich sei, die Differenzen mit den mexikanischen Offiziellen diplomatisch zu lösen, zweitens aber erst recht, die USA aus dem „europäischen Krieg“ herauszuhalten, für den Wilson den beginnenden Ersten Weltkrieg noch hielt. Dabei war schnell klar, dass durch die Einbeziehung des britischen Empire in die Konflikte aus dem europäischen Steppenbrand eine weltweite Katastrophe geworden war, aus der man sich nicht langfristig heraushalten konnte, wenn man nicht ein unbedeutender Inselstaat war.
Nun waren die USA dies natürlich nicht, aber Präsident Wilson pochte strikt auf die Neutralität seines Landes und konnte dafür auch auf die seit Ende des 19. Jahrhunderts in Kraft befindliche „Monroe-Doktrin“ deuten, die die außenpolitische Neutralität der Vereinigten Staaten als Staatsräson gewissermaßen festgeschrieben hatte. Auf ihre Weise war die „Monroe-Doktrin“ so wirkungsvoll wie Bismarcks annähernd zeitgleiche Verkündung, Deutschland sei „saturiert“.
Aber die Vereinigten Staaten lebten eben nicht auf einer Insel der Seligen, sondern waren stark in den Welthandel eingeflochten. Ausländische Mächte unterhielten Botschaften und Geheimagentenzirkel auf ihrem Boden und in ihren Metropolen, und diese Nationen hatten durchaus andere Pläne mit den USA als Präsident Wilson. Das galt namentlich für die Deutschen und die Briten.
Als der Erste Weltkrieg begann und sich rasch zeigte, dass er durchaus kein kurzer Konflikt werden würde, sondern sich vielmehr gleich einem gewaltigen Wurzelwerk in allen Kontinenten der Welt verästelte und einbrannte, da begann auf Seiten der Mittelmächte wie auch der Entente die Suche nach alternativen Möglichkeiten, den Krieg zu gewinnen. Ein Sieg auf dem Schlachtfeld erwies sich weder in den Jahren 1914 noch 1915 oder 1916 als möglich. Stattdessen wurde der Blutzoll immer höher, die ökonomischen Verluste nahmen in Schwindel erregender Stärke zu, und aberwitzige Pläne grassierten.
Ein solcher Plan, und dies ist dann der Kern des vorliegenden Buches, bestand allen Ernstes darin, dass Deutschland sich auf geheimdiplomatischem Weg mit Mexiko verbünden wollte. Diese Offerte, von Geheimagenten und Botschaftsangehörigen in den Vereinigten Staaten vorbereitet, gipfelte im Zimmermann-Telegramm im Januar 1917. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der amerikanische General Pershing mit einer Interventionstruppe im Norden Mexikos und jagte die „Banditen“ unter Pancho Villa, allerdings schon seit Monaten und ohne Erfolg. Die Stimmung der Mexikaner war zu jenem Zeitpunkt extrem anti-amerikanisch.
Arthur Zimmermann, der neue deutsche Außenminister, fädelte also den Plan ein, die Mexikaner zu einem Kriegsbündnis zu überreden. Mexiko sollte deutschen U-Booten Stützpunkte und Treibstoffversorgung auf eigenem Territorium zusichern, im Gegenzug dafür würden deutsche Offiziere als Ausbilder, Waffen und logistische Hilfe zugesagt werden. Der Plan sah vor, die nordamerikanischen Streitkräfte, die so eigentlich bis auf die Nationalgarde noch gar nicht geschaffen waren, auf dem amerikanischen Kontinent zu binden und aus dem Ersten Weltkrieg herauszuhalten.
Ein atemberaubender Plan, der unter anderem noch eine Einbeziehung der Japaner (!) vorsah und durchaus einige Chancen auf Erfolg gehabt hätte, wie man sagen muss. Denn selbst 1917 war die amerikanische Bevölkerung noch sehr kriegsfeindlich eingestellt. Niemand sah wirklich ernsthaft ein, warum amerikanische Jungs in einem Kampf alter Monarchien auf dem europäischen Kontinent ihr Leben lassen sollten. Der Krieg ging sie doch eigentlich nichts an. Und Präsident Woodrow Wilson war besonders aufgrund seines Slogans „Er hat uns aus dem Krieg herausgehalten“ 1916 wieder gewählt worden.
Alles sprach also dafür, dass die USA neutral bleiben würden, wenigstens unter Wilsons Ägide, und seine Amtszeit würde noch bis 1920 währen.
Wie gesagt, beinahe hätte dieser unglaubliche Verschwörungsplan geklappt. Aber es gab ein wesentliches Problem: Der deutsche Armeeverschlüsselungscode, mit dem auch das Zimmermann-Telegramm chiffriert worden war, war von der britischen Admiralität geknackt worden. Der Klartext wurde dadurch offenbar … doch würde das reichen, um den amerikanischen Präsidenten zu einer Intervention zu überreden? Würde dies das amerikanische Volk überzeugen? Ganz so wie Jahrzehnte später, als die Berliner Mauer fiel, stand für einige Tage lang alles atemlos auf der Kippe …
„Die Zimmermann-Depesche“ ist eines jener Werke, das einen Wendepunkt in der jüngeren Weltpolitik dokumentiert und ein singuläres Ereignis in den breiten Strom von älteren politischen Geschehnissen einbettet und dadurch erst in eine vernünftige Relation zueinander setzt. Barbara Tuchman hat zudem die brillante Gabe, die beteiligten Protagonisten und ihre Aktionen so präzise und nachvollziehbar zu beschreiben, dass die bisweilen wirklich bizarren und absurden Gedankenkapriolen erkennbar werden, die manche irrationalen Aktionen der Beteiligten nachvollziehbar machen.
Auch die Faktoren des Zufalls oder des persönlichen Ressentiments – beides Dinge, die vermeintlich keine große Rolle spielen sollten, wenn es um reine Fakten geht, die aber definitiv IMMER eine große, manchmal gar entscheidende Rolle in solchen Zusammenhängen spielen – werden dabei nicht ausgespart und bringen an vielen Stellen eine abenteuerliche Würze in die Darstellung. Gelegentlich fühlt man sich in einen Indiana Jones-Film versetzt, ohne Scherz. Oder in einen Geheimdienstthriller mit grotesken Untertönen.
Man lernt Diplomaten kennen, die von einer Position zur anderen schwanken. Man lernt Botschafter kennen, deren Schriftstücke von ihrem Präsidenten schlichtweg ignoriert werden. Man lernt Politiker kennen, die von den eigenen Militärs an der langen Leine wie Marionetten geführt werden und daran schier zerbrechen. Und man macht die Bekanntschaft mit Partylöwen mit doppeltem Gesicht, Banditen in Regierungsämtern, leichtgläubigen und naiven Staatsoberhäuptern, die sich in Schweigeklausur zurückziehen, anstatt Entscheidungen zu treffen.
Wahrlich, dieser tiefe Blick hinter die Kulissen rings um den Eintritt der Vereinigten Staaten in den Ersten Weltkrieg, der trotz Torpedierung neutraler Schiffe wie etwa der LUSITANIA, trotz der schrecklichen Schlachten auf dem alten Kontinent und der Tatsache, dass sich der Konflikt zum Weltbrand ausweitete, beinahe nicht erfolgt wäre, hat es in sich. Und wie schon der Klappentext sagt: „… vergleichbar einem Thriller von Eric Ambler“, genauso unfassbar liest sich dieser vermeintlich trockene Text, der es mit jedem Clive Cussler-Roman der Gegenwart mühelos aufnehmen kann.
Mehr noch: Manche der hierin dargestellten Strukturen und Informationen animieren den Leser durchaus dazu, sich vorzustellen, was wohl geschehen wäre, wenn – um mal ein Beispiel zu nennen – das Gerücht, die Japaner hätten damit begonnen, mit mexikanischer Unterstützung einen Flottenstützpunkt an der mexikanischen Pazifikküste errichtet, der Realität entsprochen hätte. Und was war mit den Millionen Schuss Munition, die die Deutschen nach Mexiko geliefert haben?
Wenn die Amerikaner tatsächlich durch das deutsch-mexikanische Komplott auf ihrem Heimatterritorium gebunden gewesen wären, hätte es durchaus reale Chancen dafür gegeben, dass das deutsche Kaiserreich den Ersten Weltkrieg für sich entscheidet. Die französische Armee hatte bereits 1916 gemeutert. Die Russen waren 1917 durch intrigante deutsche Schachzüge aus der Entente-Allianz herausgebrochen worden. Die Briten hatten bei den Dardanellen gegen das osmanische Reich eine verheerende Niederlage hinnehmen müssen und waren gründlich demoralisiert. Ihr Marinelord, Winston Churchill, hatte seinen Hut nehmen müssen. Die Entente-Staaten waren schwer verschuldet und ohne Wirtschafts- und Waffenhilfe aus Übersee quasi kaum mehr imstande, weiterzukämpfen.
Auch die Mittelmächte waren weitgehend am Boden, doch es kann als sicher gelten, dass ohne die frischen Entsatztruppen Amerikas die deutschen Heere im Frühjahr 1918 die Westfront überrannt und womöglich Paris erreicht hätten.
Es kam so nicht, das stimmt, wenigstens nicht in unserer Welt. Aber einen Hauch des „Was wäre gewesen, wenn …“ lässt sich bei Barbara Tuchman nachlesen. Und das Buch ist tatsächlich packend wie ein Thriller. Wer immer es zu lesen beginnt, wird das merken.
Es sei ausdrücklich zur Lektüre empfohlen, nicht nur für Geschichtsstudenten!
© 2013 by Uwe Lammers
Ja, das war ein ganz schön stürmischer Ritt, nicht wahr? Aber unglaublich packend, selbst in der Rezension – aber das Buch ist hundertmal besser, glaubt es ruhig. Lest es!
In der kommenden Woche geht es tief ins Erdinnere. Mehr sei noch nicht verraten.
Bis dann, mit
Oki Stanwers Gruß,
euer Uwe.