Rezensions-Blog 343: Melissa. Geheime Gelüste

Posted März 15th, 2022 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

ja, ihr wisst, wenn ihr meinem Blog schon eine Weile oder sogar einige Jahre folgt, dass ich immer wieder mal erotische Romane der Gegenwart bespreche. Nicht immer fallen solche Rezensio­nen positiv aus, weil viele Autoren und Autorinnen doch gar zu schematisch vorgehen und es sich viel zu einfach machen.

Mit dem vorliegenden Roman wurde ich diesbezüglich positiv überrascht. Auch wenn sich nicht klären ließ, ob Stella Masini ein Pseudonym für einen Autor oder eine Autorin ist, der/die sich in der Szene schon länger tummelt und mir vielleicht durch andere Werke schon vertraut sein könnte, vermochte dieser Ro­man definitiv zu überzeugen. Vor uns liegt eine durchaus span­nende Mischung aus Krimi und erotischem BDSM-Setting, das einen echten page-turner darstellt.

Neugierig geworden? Dann schaut mal weiter:

Melissa. Geheime Gelüste

Von Stella Masini

Elysion-Books

Leipzig 2016

268 Seiten, TB

9,90 Euro

ISBN 978-3-945163-96-2

Die junge Kunsthändlerin Melissa Koska steht direkt vor der nächsten Sprosse der Erfolgsleiter – aktuell ist sie in der Galerie Hendrik van Burtens in München angestellt, aber er vertraut ihr und ihrem Kunstsachverstand so sehr, dass er sie damit be­traut, in Frankfurt eine Dependance in Eigenregie aufzubauen. Alles sieht phantastisch aus, und sie freut sich ebenso wie ihre in der Galerie arbeitende Freundin Pia.

Doch dann trifft dieses Foto ein, das Melissa geradezu verstei­nern lässt.

Es ist ein Foto aus einem SM-Club in München, das eine nackte Frau zeigt, die an ein Andreaskreuz gefesselt ist.

Die Frau ist sie selbst.

Melissa erinnert sich voller Entsetzen an jenen nicht lange zu­rückliegenden Abend und an den SM-Club, den sie damals mit ihrem Noch-Lebensgefährten Noah besucht hat. Sie hatte ihm kurz zuvor gestanden, verborgene devote SM-Neigungen zu be­sitzen, von denen niemand Kenntnis hatte oder bekommen soll­te … aber eigentlich hätte es ausgeschlossen sein müssen, dass sie irgendwer bei diesem einmaligen Besuch in einer solchen Lage fotografiert!

Schlimmer noch: das Foto ist nur Mittel zum Zweck, denn ein unbekannter Erpresser meldet sich und fordert von ihr, binnen zehn Tagen ein Gemälde zu beschaffen.

Das Bild eines unbekannten Künstlers hängt in der Galerie des Kunsthändlers Maxim Lukes in München, mit dem Melissa flüch­tig bekannt ist. Und sie weiß, dass Maxim als persona non grata bei ihrem Chef Hendrik gilt. Maxim, so heißt es in Kunsthändler­kreisen, sei ein verruchter Macho, der ständig wechselnde Lieb­schaften habe, Frauen schamlos benutze und sie dann wie ge­brauchte Stofftaschentücher fortwerfe. Er hat auch schon mal sein Glück bei Melissa versucht, aber sie ließ ihn damals kaltblü­tig abblitzen.

Nun muss sie erneut zu ihm gehen und versuchen, ihm das Ge­mälde abzukaufen, und sie darf nicht mal den Grund dafür nen­nen.

Schwierig? Das ist noch harmlos gesprochen.

Es kommt noch schlimmer: Lukes redet zwar mit ihr, sagt aber zugleich, dass das Bild unverkäuflich sei.

Melissa sieht schon ihre Welt einstürzen … als er jählings konze­diert, es gäbe da allerdings schon einen Weg, der allein ihr offen stünde: Er sei bereit, ihr das Bild zu übergeben, wenn sie um­gekehrt einwilligt, eine Woche lang ihm allein zu gehö­ren und alles zu tun, was er von ihr verlange.

Eine absolut unmoralische Offerte, die sie vollkommen unver­schämt findet – aber warum, um alles in der Welt, erregt sie dann diese Aussicht? Warum schmecken Maxim Lukes´ Küsse so phantastisch, weshalb giert sie nach mehr?

Zögernd lässt sie sich auf dieses Arrangement ein und entdeckt unglaubliche, erstaunliche Dinge, die ihre kühnsten geheimen Sehnsüchte in den Schatten stellen.

Aber da ist immer noch der unbekannte Erpresser, dem das nicht in den Kram passt und der die Stress-Daumenschraube bei Melissa immer enger anzieht, bis ihre ganze Karriere auf dem Spiel steht …

Stella Masini ist eine weitere mir bislang unbekannte Erotik-Au­torin (möglicherweise auch nur ein Pseudonym, das ist in die­sem Literatursegment schwer zu entscheiden), die es mit dem vorliegenden Roman versteht, eine aufreizende Geschichte um das Ausleben geheimer devoter Begierden einerseits und raffi­nierter Dominanz andererseits auszubreiten. Dabei führt selbst die Phantasie des in der SM-Literatur durchaus recht bewander­ten Lesers immer wieder auf Abwege und wird auf interessante Weise überrascht. Im Gegensatz zu vielen anderen Werken die­ses Genres wird hier nicht eine Form des SM-Kamasutras herun­tergebetet, sondern durchaus das geboten, was der Klappentext verspricht: „außergewöhnliche Facetten des BDSM und … eine intensive Reise zu neuen Horizonten“.

Sehr reizvoll ist auch, bei aller Einsicht des hier fast notwendi­gen Tunnelblicks, der solche Romane üblicherweise auszeichnet, dass die Erpressergeschichte ein durchgängiges Spannungsmo­ment darstellt. Es gibt mehrere Verdächtige, die alle prinzipiell Motive haben könnten für diesen Erpressungsversuch, die durchgängig verdächtig bleiben: Maxim könnte diese Erpres­sung selbst in Szene gesetzt haben, um Melissa gefügig zu ma­chen. Er kennt sie, sie hat ihn abblitzen lassen (was in der Regel männlichen Besitzstolz anstachelt), außerdem kennt er den SM-Club gut und hätte sicherlich die Möglichkeit, ein entsprechen­des Foto zu machen. Melissas Chef könnte die Erpressung insze­niert haben, um Maxim Lukes´ Ruf zu ruinieren. Und ist Pia wirk­lich Melissas Freundin, oder hat sie aus Neid etwas inszeniert, um sich dafür zu rächen, dass sie von der erfolgreicheren Freun­din überflügelt worden ist? Oder hat ihr Ex-Freund Noah eventu­ell die Finger im Spiel, der sie vor Maxim Lukes nachdrücklich warnt?

Es soll nicht verraten werden, was davon zutrifft oder ob es nicht vielleicht noch anders kommt … aber die Geschichte bleibt fast buchstäblich bis zur letzten Seite spannend, was dazu geführt hat, dass ich das Buch binnen von nur zwei Tagen geradewegs verschlungen habe.

Fazit: Mission der Autorin gelungen – ein packender BDSM-Ro­man mit lebendigen Figuren und einer geschickt und gut gehal­tenen Spannungsinszenierung liegt hiermit vor, der Hunger auf weitere Werke der Verfasserin macht.

Klare Leseempfehlung!

© 2018 by Uwe Lammers

In der kommenden Woche vollziehen wir dann wieder das Kon­trastprogramm und reisen zurück in die Zeit des Holocaust mit einem wirklich erschütternden Roman, der eigentlich eine fikti­ve Autobiografie darstellt.

Mehr beim nächsten Mal.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

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