Liebe Freunde des OSM,
ich gebe freimütig zu, dass ich mich seit langem zu den Fans von Keith Laumers witzigen Romanen zähle, wiewohl ich sonst so meine Schwierigkeiten mit humoristischer SF habe. Humor ist meist etwas sehr Spezielles, und der leider schon recht lange verstorbene amerikanische Autor war jemand, der ihn recht feinsinnig und nicht mit der Brechstange in seine Romane einzupflegen wusste. Mitunter neigte er natürlich zu bizarren Übertreibungen, die aber, aufs Ganze gesehen, durchaus auch ihres Reizes nicht entbehren.
Wer schon einmal das Vergnügen hatte, einige seiner CDT-Romane oder Kurzgeschichtenbände um den Diplomaten James Retief zu schmökern und Gefallen an ihnen gefunden hat, der dürfte sich auch mit Kommodore Tancredi Dalton und der kosmischen Krisenlage anfreunden können, die Laumer in diesem Spätwerk vorstellt und auf ziemlich unkonventionelle Weise zu lösen versucht. Manchmal wünscht man sich durchaus, dass heutige irdische Diplomaten etwas von der frechen Lässigkeit dieses Mannes (oder eines James Retief) hätten. Aber davon kann heutzutage leider kaum mehr die Rede sein, in Zeiten von verbissenen Fake-News-Schlachten, übler Nachrede, political correctness und dergleichen. Da kann ja schon ein Schmunzeln falsch verstanden werden.
Keith Laumer war da sehr viel entspannter, und das merkt man seinen schelmischen Romanen an, die untergründig des Ernstes durchaus nicht entbehren. Sie als reine Unterhaltung zu verstehen, wäre darum verkehrt. Versteht darum diese schon über 20 Jahre alte Rezension von mir als Einladung an all jene, die mit Laumers Schreibe noch keine Berührung hatten … oder schon lange nicht mehr.
Einfach weiterlesen:
Der Krieg mit den Hukk
(OT: The Glory Game)
von Keith Laumer
Terra-Taschenbuch 362, August 1984
Moewig, 162 Seiten
Die Situation ist vertrackt: das irdische Imperium steht dem jungen Reich der nicht-humanoiden Hukk gegenüber, einer abenteuerlustigen, um nicht zu sagen: aggressiven Rasse, die – mit terranischer freundlicher Unterstützung der herrschenden harmoniesüchtigen Regierung – wirtschaftlich und technisch sowie militärisch aufgerüstet wurde, weil die Menschen ja auf die wenig ruhmreiche kolonialistische Vergangenheit zurückblicken und dies bei den Hukk nicht wiederholen möchten.
Als die Hukk anfangen, die ersten irdischen Kolonialplaneten zu belästigen und dann sogar zu besetzen, beschließt der Generalstab, den Hukk eine Lehre zu erteilen. Ein großes Manöver soll abgehalten werden, in dessen Verlauf die Hukk, die ihrerseits gerade eine stark armierte Flotte aufbauen, durch die bloße Präsenz der irdischen Flotte abgeschreckt werden dürften. So jedenfalls will es die offizielle Regierungspolitik.
Kommodore Tancredi Dalton, ein scharfsinniger und äußerst unverschnörkelter Kommandant eines erheblichen Teils der irdischen Flotte, erkennt jedoch, dass die Politik die Hukk grundlegend falsch einschätzt und zugleich krass unterschätzt. Als er von dieser Seite instrumentalisiert werden soll, zeigt sich das deutlich. Es gibt jedoch auch eine andere Seite neben den so genannten „Weichkurslern“, die Harmonie um jeden Preis wollen und selbst bereit sind, in der gewaltsamen Okkupation von Kolonialplaneten ein „bedauerliches Missverständnis“ zu sehen, das „sicher bald bereinigt wird“, sobald man neue Handelsverträge mit den Hukk abgeschlossen hat …
Die „Hartkursler“ sind im Verteidigungsministerium und der Flotte zuhause – und auch von der Seite soll Dalton bestochen werden, dahingehend diesmal, dass er das „Manöver“ für einige „Strafaktionen“ an den Hukk benutzt. Dalton sucht jedoch einen Mittelweg und bleibt weiter skeptisch.
Sein Misstrauen erweist sich als überaus brauchbar, als schließlich auf dem Weg zum Rendezvouspunkt der terranischen Flotten ein unidentifizierter Konvoi gemeldet wird, der auf dem Weg zur Erde ist. Die Hukk sind, allen Hypothesen zum Trotz, auf dem Weg, das Herz des irdischen Imperiums anzugreifen, und nur der draufgängerische Dalton ist in der Position, etwas dagegen tun zu können. Doch das ist erst der Anfang, denn natürlich hat eine solche Aktion ein diplomatisches Nachspiel, in dem Dalton versucht, sich geschickt anzustellen, aber …
Wer in dem Roman mit dem reißerischen Titel „Der Krieg mit den Hukk“ (ursprünglich „The Glory Game“) einen von jenen Romanen sucht, die durch Raumschlachten, Gemetzel und Heldentaten auffallen, hat sich zweifellos den falschen Roman ausgesucht. Wer hingegen schon auf der zweiten Seite über das Kürzel CDT stolpert (Corps Diplomatique Terrestrienne!), der kommt als Wissender aus dem Kichern nicht heraus, und in DIESER Hinsicht hält der Roman, was er verspricht.
Keith Laumer wurde im deutschen SF-Raum in erster Linie mit seinen Geschichten um den äußerst unorthodox vorgehenden Diplomaten des CDT, James Retief, bekannt, und dieser Roman spielt im selben Universum. Retief ist ein typischer Antiheld, der mit Gelassenheit und frechem Mut seine eigenen Vorgesetzten und deren Fehler bloßstellt und dasselbe mit der diplomatischen Gegenseite tut, wobei seine Verdienste selten Anerkennung finden und er im Corps eher abgestuft als hochgestuft wird. Das CDT erscheint als ein unnötig aufgeblasener, bürokratischer Wasserkopf, der so unsagbar langsam und ineffizient geworden ist und vor wirklichen Aktionen längst zurückschreckt, wenn sie auch nur einen Staubfussel auf den feinen Abendanzug fallen lassen oder, schlimmer noch, die Bügelfalten ruinieren könnten. Das Schicksal ganzer Völker ist demgegenüber bedeutungslos.
Dieser abstruse Moralkodex wird in diesem Roman gespiegelt und hinter einer Kalten-Krieg-im-Weltraum-Kulisse auf das Militär und die gesamte terranische Gesellschaft übertragen. Das unorthodoxe, intuitiv aber richtige Verhalten Retiefs wird in diesem Fall bei Kommodore Dalton gespiegelt, und die absolute Glanzleistung sind Laumers vor subtilem Wortwitz nur so triefenden Wortgefechte, insbesondere, als sich der Kommodore später vor Gericht verteidigen soll. Spätestens nach dem fünften „Nein, Sir“, das den wohl ausgefeilten Plan der „Weichkursler“ zertrümmert, liegt der Leser vor Kichern in der Ecke.
Moralische Folgerungen aus dem Roman zu ziehen, halte ich zwar nicht unbedingt für sinnvoll, aber es lohnt allemal, sie zu durchdenken. Und es ist wirklich schade, dass heutzutage kaum mehr jemand den Namen Keith Laumer kennt, und dass zwar „Altmeister“ wie Asimov, Ballard, Bradbury, Dick und andere (durchaus zu Recht) immer wieder mal Renaissancen erleben, dass jedoch seit dem Ende der Terra-Taschenbuchreihe Laumer vergessen ist.
Wer immer Keith Laumer nicht kennt, aber humorvolle SF mit schön ironischer Schärfe liebt, sollte es nicht versäumen, sich Bände um James Retief zu besorgen und zu genießen. „Der Krieg mit den Hukk“ gibt darauf nur einen leichten Vorgeschmack, kann aber leicht Appetit auf mehr machen. Da kann man nur „buon appetit“ wünschen …
© 1999 by Uwe Lammers
Ich stelle nach diesem Rezensions-Blog definitiv fest, dass ich mich mal wieder mehr um Keith Laumers Romane kümmern sollte … schon seit langem habe ich den Plan, die alten Romane ein neues Mal zu schmökern, um zu sehen, ob wohl eine Distanz von 30 Lesejahren etwas von ihrem Charme verringert hat. Mir will das nicht so scheinen.
Ihr kennt das vielleicht, der eine oder andere von euch, dass es irgendwie Romane gibt, die man unbedingt noch einmal lesen möchte, wiewohl man sie in und auswendig kennt. Ob es sich dabei um die voluminösen Highland-Romane von Diana Gabaldon handelt, um Dan Simmons‘ Hyperion-Zyklus oder den „Herrn der Ringe“ von Tolkien … es gibt einfach so Bücher, die verdienen es, mit etwas Abstand wieder gelesen zu werden. Laumers Werke gehören definitiv dazu.
Ist das mit dem Buch der kommenden Woche auch der Fall? Das kann ich noch nicht sagen, dafür ist die Lektüre definitiv nicht weit genug Vergangenheit. Aber anregend fand ich ihn durchaus.
Worum es geht, erfahrt ihr genau in einer Woche an dieser Stelle.
Bis dann, mit
Oki Stanwers Gruß,
euer Uwe.