Liebe Freunde des OSM,
ich bin Katzenfan, das zu leugnen, wäre völlig nutzlos. Ich bin das schon seit so vielen Jahren, dass ich eigentlich vergessen habe, wie lange ich den geschmeidigen, geheimnisvoll dreinschauenden Feliden schon fasziniert meine Aufmerksamkeit gewidmet habe. Wann immer ich durch Zufall über interessante Katzenbücher stolpere – etwa über „Insel der Katzen – Hydra“ oder jüngst „Die Katzen von Ephesos“ – , kann man relativ sicher meiner Aufmerksamkeit gewiss sein.
Nicht immer sind Bücher über Katzen so interessant und amüsant, dass ich sie rezensieren würde. Die Kzinti-Romane aus dem Ringwelt-Universum von Larry Niven etwa – die ja auch auf den raubkatzenartigen Kzin basieren – , haben mich irgendwie nie gereizt. Aber das hier, Leigh Rutledges Buch, in dem er in die Haut des Katers Hemingway schlüpft und aus dieser bodenständigen und bodennahen Perspektive die Absonderlichkeiten der menschlichen „Dosenöffner“ ins Visier nimmt … doch, das musste ich sehr bald nach dem Fund des Buches auf dem Wühltisch goutieren.
Und lachen konnte ich dabei, du lieber Himmel! Das Buch ist wirklich ein einziges Vergnügen, und dabei zudem noch definitiv intelligent geschrieben. Des Amüsements gibt es hier also gar viel, und ich bitte um Entschuldigung, dass ich euch diesen Buchtipp erst nach 18 Realjahren in meinem Rezensions-Blog zugänglich mache.
Wie das übrigens für so alte Werke, die ich inzwischen verschenkt habe, leider normal ist, habe ich die ISBN nicht griffbereit. In meinen alten Rezensionen legte ich darauf keinen Wert (und zugegeben, manche alten Romane HABEN überhaupt keine ISBN … Wie, das ist unmöglich, in Deutschland hat JEDES Buch eine ISBN? Tja, dann schaut euch beispielsweise mal alte Terra-Taschenbücher an und schüttelt ungläubig den Kopf. Die Buchwelt mag sich langsam verändern, aber sie verändert sich effektiv. Es gab auch Zeiten ohne Handys oder Internet, und die liegen noch nicht lange zurück). Heute ist das natürlich Standard. Im Zweifelsfall googelt ihr einfach den Autor und den Titel, dann werdet ihr sicher fündig, wenn auch natürlich nur noch antiquarisch.
Für Katzenliebhaber ist das hier jedenfalls ein amüsantes Schmankerl und ein kleiner Leckerbissen, der die Lektüre lohnt. Schaut lieber selbst:
Der schnurrende Philosoph
(OT: True Confessions and Lifelong Observations of a Well-Adjusted House Cat)
Von Leigh W. Rutledge
Heyne-TB 10994
192 Seiten
2000, 14.90 DM
Übersetzt von Gabriel Stein
Wenn ein Buch schon im Deutschen den entschärften Untertitel „Tagebuch eines eigenwilligen Katers“ trägt (das Original ist da etwas länger. Für die Anglophilen zum Mitkichern: True Confessions and Lifelong Observations of a Well-Adjusted House Cat), sollte man sich besser auf Angriffe aufs Zwerchfell vorbereiten … und doch wird man sich vermutlich in die Ecke kringeln, wenn man liest, was hier so für Dinge passieren.
Eigentlich hat die gute alte Mrs. Vigil ja nur einen Kater, den sie Hemingway nennt (unser Protagonist). Er ist etwa drei Jahre alt und stromert durch die gesamte Umgebung, kennt jeden Nachbarn und deren Haustiere, die Gärten, Zäune und Garagen. Natürlich. Wie das eben mit einem Kater so ist, man muss sich schließlich einen Überblick verschaffen über sein Revier, wenn man nicht gerade mit weltbewegenden Tätigkeiten beschäftigt ist. Als da wären?
Hm, Zeitung lesen etwa (was sich darin äußert, Mrs. Vigil unter die Zeitung zu kriechen und sie nachdrücklich aufzufordern, statt zu lesen eher zu streicheln). Oder Gardinenklettern. Auch schön ist es, zu Weihnachten beim Schmücken des Baumes zu helfen (natürlich entwickelt Hemingway GANZ ANDERE Vorstellungen davon, wie der Baum dekoriert werden soll. Logisch, hm?). Besonders nett ist es, Pakete einzupacken und sich im Tesafilm zu verheddern …
Auch eine intelligente Beobachtung des Katers ist es, den Nachbarn zuzuhören: der guten Mrs. Thornhill, die in Dauerfehde mit ihrer pubertierenden Tochter und deren Freund liegt. Der seltsamen, alten Mrs. Mintucket zuzuschauen, die mit ihren Schuhen redet und sie wie lebendige Wesen behandelt (bis sie auf einmal verschwunden ist, nachdem sie sehr flinke rote Sportschuhe angezogen hat! Wer den Film Forrest Gump kennt, wird danach eine Szene deutlich wiedererkennen1).
Oder den Passanten zu lauschen, die sich nicht einig sind, ob Katzen überhaupt denken können – sich dann aber Gedanken darüber machen, wer wohl die Katzen füttert, wenn die Menschheit bei einem Nuklearkrieg ausgerottet werden sollte. Schließlich überleben DANN (angeblich) nur Katzen und Kakerlaken. Und da erstere letztere nicht unbedingt als Mahlzeit schätzen, wird konstatiert, dass die Katzen deshalb also selbst in den menschenleeren Supermärkten shoppen gehen werden. Klar, oder …?
Auch wenn es sich bei der Bühne des Geschehens „nur“ um einen Straßenzug innerhalb einer Kleinstadt und zudem um ein einziges, aber recht ereignisreiches Jahr durchschnittlicher amerikanischer Familien handelt, lässt sich vieles philosophisch erschließen, was da so passiert. Der ganz normale Wahnsinn der Nachbarschaft sozusagen. Inklusive Katastrophen …
Leigh W. Rutledge, ein Mann, der es wissen muss – er ist Besitzer von 24 Katzen! – hat hiermit ein ausgesprochen humorvolles, höchst ironisches Buch geschrieben, das die menschliche Rasse aus dem vierbeinig-kätzischen Blickwinkel kritisch beäugt und feststellt, dass die Menschen die Katzen vielleicht manchmal nicht als denkende Wesen wahrnehmen, dass sie SELBST in den Augen der Katzen meist kaum besser wegkommen. Okay, in ihrer Funktion als „Dosenöffner“ sind sie natürlich unübertroffen …
Wenn Mrs. Vigil einmal sagt, ob es nicht schwer sein müsse, immer „süß und lieb zu wirken“, so könnte man im Umkehrschluss sagen, dass Menschen offenkundig meist eine Art von angeborenem Kuschelreflex besitzen müssen, weil sie sich im Angesicht von Katzen völlig verändern und ins Kindheitsstadium zurückfallen (man beobachte mal erwachsene Menschen im Angesicht von kleinen Katzen! Seht zu und staunt!) …
Wie, ihr meint, im Buch gäbe es eine Ausnahme? Miss Axe, die offenkundig allen Tieren den Kampf angesagt hat? Ja, natürlich. Aber ich will doch nicht alles verraten. Ich habe schließlich auch Bobbie Boop, Brigitte und Zacharias ausgelassen. Ganz zu schweigen von diesem Monster Wladimir …
Nein, alles verraten möchte ich nicht.
Dies ist dezidiert ein Buch für die Badewanne oder für den Schaukelstuhl, für sonnige Nachmittage, wenn man im Garten dösen möchte, ohne sich großartig anzustrengen. Am besten kommt das wohl, wenn man das Buch liest und eine Katze neben – oder auf sich hat. Das kann dann freilich die Lektüre etwas dehnen. Auf seine Kosten kommt der Leser aber garantiert. Und vielleicht, ja, vielleicht versteht man hinterher etwas mehr davon, weshalb die Katzen die Welt regieren, wie wir immer schon geahnt, aber nie gewusst haben …
© 2002 by Uwe Lammers
Nach meinem Geburtstag reise ich dann in eine völlig andere Denksphäre, da geht es dann nicht mehr um philosophierende Katzentiere, sondern um Seelenwanderung. Auch ein spannendes Thema, bei dem man gut über den Tellerrand schauen kann. Ihr werdet es sehen.
Nächste Woche erfahrt ihr dann mehr.
Bis bald, mit
Oki Stanwers Gruß,
euer Uwe.
1 Außerdem sind die „red shoes“ natürlich eine Anspielung auf die sagenhaften roten Schuhe im „Wizard of Oz“ von L. Frank Baum, aber das nur am Rande bemerkt.