Liebe Freunde des OSM,

vor fünf Wochen führte ich an dieser Stelle Pia Contis Erstlings­roman „Giulias Geheimnis“ ein, der ausdrücklich als Teil 1 eines Zweiteilers apostrophiert war. Ein erotisch-romantischer Roman mit BDSM-Zutaten aus dem Hause „Plaisir d‘Amour“. Heute möchte ich euch den zweiten Teil dieses Zyklus vorstellen, bei dem ich dann freilich auch deutliche Schwächen in der Hand­lungsführung konstatierte.

Einfaches Lesefutter, würde ich heute mit der Distanz von drei Lesejahren sagen. Und damit das Fazit bestätigen: Dies ist ein Roman zum Zeitvertreib, zur Zerstreuung, wenn man unbedingt Geschichten braucht, bei denen man sein Hirn nicht sehr anzu­strengen braucht. Vielleicht braucht ihr im Sommerurlaub ja sol­che Lektüre?

Schaut es euch einfach mal an:

Elisa – Verlockung der Unschuld

Von Pia Conti

Plaisir d’Amour

366 Seiten, TB (2016)

ISBN 978-3-86495-221-0

Preis: 12,90 Euro

Teil 2 der Serie „Italian Masters“

Da hat er ja ein goldiges Versprechen abgegeben!

Fabrizio Testi, seines Zeichens rigider dominanter Master in Flo­renz, hat das Kriegsbeil mit seinem alten Freund und nachmali­gen Gegner Alessandro Bertani begraben, nachdem er dessen zerrüttete Ehe mit Giulia Bertani gekittet hat.1 Im Zuge dieser Ereignisse hat Fabrizio sich aber von seiner Domina-Kollegin Lady Silvana überreden lassen, auf ihre Nichte aufzupassen, Elisa Bernini.

Da Fabrizio Inhaber eine gut situierten Galerie in Florenz ist, sieht er ein nur geringes Problem darin, Silvanas Nichte als Aus­hilfe einzustellen und so ein Auge auf sie zu haben. Sie soll, dem Vernehmen nach, ein ausgesprochenes Landei sein, erzka­tholisch erzogen und zweifellos sehr prüde. Vermutlich sogar recht schlicht und unattraktiv. Mit anderen Worten: ein Mühl­stein an seinem Hals.

Fabrizio verflucht sich längst dafür, Silvana sein Wort gegeben zu haben.

Auch Fabrizios Kollege in der Galerie, Nevio, ist höchst ungehal­ten darüber. Er ist sein Assistent und sieht, ob nun mit Recht oder nicht, seine Assistentenstelle bedroht. Eine Vorstellung, die freilich ziemlich abwegig ist, weil Elisa doch von Kunst gar nichts versteht.

Ach, Nevio wird sich schon wieder beruhigen, davon ist Fabrizio überzeugt. Das kann alles nicht so schlimm werden …

Es wird viel schlimmer.

Als Elisa eintrifft, erweist sie sich entgegen allen Vorstellungen als ein wunderschöner, goldhaariger Engel, der Fabrizio fas­sungslos macht und sowohl seine dominante Ader wie seine in diesem Fall wirklich sehr lästige Geilheit weckt. Aber eben gera­de weil sie so ein unschuldiger, süßer Engel ist – und Silvanas Nichte! – , deshalb ist sie natürlich absolut sakrosankt für ihn. Silvana wird ihn höchst eigenhändig kastrieren, wenn er Hand an sie legen würde, davon ist Fabrizio fest überzeugt.

Das ist die eine Seite des Problems.

Die andere besteht darin, dass Elisa von Fabrizio und seiner dunkel-maskulinen Ausstrahlung fasziniert wird. Längst schon fantasiert sie von unzüchtigen erotischen Praktiken, von einem gesichtslosen Fremden, der sie ungestüm zu unglaublichen Hö­hepunkten der Lust führt … und auf einmal hat dieser Fremde in ihren Träumen Fabrizios Gesicht!

Langfristig können sie also überhaupt nichts anderes tun, als dem gegenseitigen Drängen nachzugeben … auch wenn sich das völlig falsch anhört und anfühlt. Und als Elisa die Distan­ziertheit Fabrizios nicht mehr aushält, spioniert sie ihm nach und stößt auf zwei wichtige Geheimnisse – von denen sie eins umgehend in Lebensgefahr bringt …

Der zweite Band des (mutmaßlichen) Zweiteilers „Italian Mas­ters“ setzt den Handlungsfaden des ersten Bandes „Giulias Geheimnis“ weiter fort. Man lernt als neugieriger Leser einiges mehr über die Lebensumstände von Lady Silvana, über den im ersten Band eher stiefmütterlich behandelten Fabrizio Testi, und neue Personen erscheinen auf der Bühne des Geschehens. Die Handlung selbst ist lebendig, an vielen Stellen vergnüglich und äußerst kurzweilig, gewürzt mit zahlreichen, wenn auch flüchti­gen Schilderungen von Florenz, die man zweifellos aus Filmre­portagen oder Reiseführern übernehmen kann und für die man kaum selbst vor Ort gewesen sein muss. Gleichwohl ist die warmherzige Leidenschaft der Autorin für die italienische Land­schaft und Kultur deutlich zu fühlen, was die Geschichte schön belebt.

Die Handlung selbst ist doch, bei allem Respekt, eher ein wenig schlicht gestrickt, und die verhaltene Attraktion zwischen Elisa und Fabrizio zieht sich besonders in der ersten Romanhälfte deutlich, so süß sie auch dargestellt ist. In der zweiten Hälfte wird ihre gegenseitige Beziehung dann fast etwas flüchtig ge­schildert. Das hat zur Konsequenz, dass man Fabrizio den Mas­ter so gut wie gar nicht mehr abnimmt, und Elisas „Naivität“ weicht doch deutlich zu rasch einer willfährigen Neugierde. Es ist auch eher so, dass die „Unschuld“ den „Master“ verlockt als umgekehrt, was zu einer kuriosen (und vermutlich intendierten) Verdrehung des Romantitels führt.

Die angedeuteten Konfliktlinien im Roman entwickeln sich auch nicht wirklich, fand ich. Weder kam der innerfamiliäre Konflikt zwischen Elisa und ihrer Tante ernsthaft zum Tragen noch erfüll­te Elisas Freundin Davina die Rolle, die ich ihr in Gedanken zu­gedacht hatte. Ebenso seltsam unentschlossen wirkt Nevios Rol­le, und zum Schluss wurde dann, bei allem kurzzeitigen Stress, doch der wesentliche Problempunkt völlig abgebogen: die Sa­che mit dem „Schwarzen Zirkel“. Da blieb eigentlich alles im Halbgaren (weswegen ich vermute, dass es vielleicht beizeiten noch einen dritten Band geben wird, der bislang aber nicht in Sicht ist).

Für einen fast vierhundertseitigen Roman ist das doch ein wenig dünn. Ohne jetzt bösartig zu sagen, die Handlung sei unange­messen aufgeblasen worden, ist doch zu konstatieren, dass in jedem Clive Cussler-Roman auf weniger Seiten mehr passiert. Die Autorin sollte sich definitiv, was Handlungsspannung an­geht, mal ein paar gescheite Vorbilder suchen. Emotionale Spannung allein ist nicht alles, schon gar nicht, wenn eine kon­sequente Charakterzeichnung nicht aufrechterhalten wird. Und das war hier nicht der Fall.

Fazit: zwar ein gut lesbarer, unterhaltsamer Roman, aber nichts für den anspruchsvollen Leser, der wirklich Tiefgang sucht. Wer allerdings mit Contis Erstling „Giulias Geheimnis“ gut unter­halten wurde, der wird sich hier sicherlich ebenfalls wohlfühlen.

© 2017 by Uwe Lammers

In der kommenden Woche werden wir wieder historisch – und hochinteressant, versprochen, Freunde!

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Vgl. dazu Pia Conti: „Giulias Geheimnis“, 2015. Bzw. Rezensions-Blog 270 vom 27. Mai 2020.

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