Liebe Freunde des OSM,
es tut immer ein bisschen weh, finde ich, wenn man spürt, dass Autoren, die man eigentlich sehr gerne mag, mehr und mehr die Puste ausgeht und ihre Stoffe fadenscheinig werden wie zu oft getragenes Tuch. Als versierter Kenner der Vorgängerromane durchblickt man – in diesem speziellen Fall – die Struktur des Plots, enttarnt die Bösewichter, als ob man like Superman über einen Röntgenblick verfügte… mit der wenig erheiternden Konsequenz, dass man zunehmend genervt oder gelangweilt wird bei der Lektüre.
Romane, die entweder auf Tempo geschrieben worden sind (wie dieser hier ganz unübersehbar) oder solche, die sich mit einem viel zu geringen Personal durch die Romangeschichte bewegen, demonstrieren in der Regel, dass es die Autoren wahlweise nicht unbedingt nötig hatten, intelligenter zu schreiben oder, und das ist fataler, es gar nicht drauf hatten.
Nun, letzteres kann man von Clive Cussler und seinem Sohnemann eher nicht behaupten. Dass der Senior indes in die Jahre gekommen ist und Sohn Dirk ihm nur bedingt das Wasser zu reichen imstande ist, wird am vorliegenden Werk überdeutlich. Auch der Verlag hat sich hier nicht eben mit Ruhm bekleckert, möchte ich dazu ergänzend anmerken.
Ja, man kann den Roman lesen. Ja, als notorischer Fan ist man dazu vielleicht sogar genötigt. Aber ich wage die Mutmaßung, dass selbst Hardcore-Cussler-Fans sich nach Lektüre vielleicht genieren, dieses Buch sichtbar ins Regal zu stellen. Es ist einfach viel zu mittelmäßig.
Warum? Ach, schaut am besten einfach selbst:
Unterdruck
(OT: Poseidon’s Arrow)
Von Clive Cussler & Dirk Cussler
Blanvalet 38418
512 Seiten, TB
ISBN 978-3-38418-1
Aus dem Amerikanischen von Michael Kubiak
Fangen wir mit einer freundlichen Warnung an – wer mit der hohen Erwartung an diesen Roman herangeht, einen qualitativ ebenso soliden Stoff vorzufinden wie im Vorgänger „Wüstenfeuer“, der muss wohl unvermeidlich enttäuscht werden. Das hat nicht sonderlich viel damit zu tun, dass das Titelbild mal wieder so gar nicht zum Thema passt. Es GEHT zwar um ein Unterseeboot revolutionärer Struktur, aber dass es von einem Torpedo beschossen wird, kommt im gesamten Buch nicht vor. Doch das ist das kleinste Problem. Dröseln wir die Geschichte mal gescheit auf.
Im Oktober des Jahres 1943 ist das italienische Lasten-U-Boot „Barbarigo“ im Indischen Ozean auf der Heimfahrt. Es hat in Fernost für die Achsenmächte wichtige Fracht übernommen. Doch bedauerlicherweise kommt es nie am Ziel an, wiewohl es eine Flugzeugattacke durchaus übersteht. Es verschwindet spurlos… wenigstens hat es diesen Anschein.
Im Juni 2014 – also gemäß der amerikanischen Erstausgabe, die 2012 in den Handel kam, auf bewährte Weise gut zwei Jahre in der Zukunft – wird in der Mojave-Wüste in Kalifornien ein Sabotageanschlag von zwei südamerikanisch wirkenden Attentätern durchgeführt, der dazu führt, dass der gesamte Betrieb ausfällt.
Wenig später besucht der US-Präsident ein Marineunternehmen in Groton und wird hier in ein revolutionäres neues Projekt eingeweiht, das parallel zum Bau eines neuen U-Bootes finanziert wurde. Es handelt sich um das Projekt „Sea Arrow“ (womit der Bezug zum englischen Romantitel hergestellt wurde). Dieses Produkt des seiner Zeit weit voraus denkenden Wissenschaftlers Dr. Joseph Eberson arbeitet mit einem speziellen Antrieb, der es dem Fahrzeug ermöglichen wird, dreistellige Knotenzahlen unter Wasser zu erreichen. Doch ehe das Projekt abgeschlossen werden kann, findet Dr. Eberson auf geheimnisvolle Weise vor der Küste Kaliforniens den Tod. Das Boot, auf dem er sich befindet, sinkt auf den Meeresgrund.
Derweil macht Dirk Pitt, der Direktor der NUMA, mit seiner Frau Loren Urlaub an der Küste von Chile – und hier wird er zunächst Zeuge und dann beinahe Opfer eines offensichtlich wahnsinnig gewordenen Frachterkommandanten, dessen Schiff fast ein vollbesetztes Kreuzfahrtschiff rammt. Pitt kann in allerletzter Minute das Schlimmste abwenden. Und stößt auf ein Rätsel: Das Schiff ist vollkommen verlassen… zu zwei Dritteln sind die Frachträume leer, teilweise gibt es aber noch seltsames Erz darin. Und einen grässlich verkohlt wirkenden Toten, für den es keine Erklärung gibt.
Eines der zahllosen Rätsel der Weltmeere, mutmaßt er und denkt sich vordergründig nichts weiter. Das ist nun ein Fall für die Versicherungen, und der gröbste Schaden konnte schließlich abgewendet werden. Pitt ahnt nicht, dass er auf eine verheerende Spur gestoßen ist, die ihn und zahllose andere Personen in akute Lebensgefahr bringen wird.
Wieder zurück in den Staaten wird er von seinem vormaligen Chef, Admiral James Sandecker, inzwischen Vizepräsident der Vereinigten Staaten, dazu bewegt, das Boot des verschollenen Dr. Eberson zu heben. Seine beiden Gefährten wurden tot an die mexikanische Küste angespült. Dirk Pitt nimmt an, dies sei gewissermaßen eine Routinegeschichte und recht schnell abzuschließen. Die NUMA ist als ausführendes Organ gewählt worden, weil so schnell kein gescheites Tauchgerät in die Wassertiefe vorstoßen kann, in der das Wrack liegt, und weil die NUMA Erfahrung mit derlei Bergeunternehmen hat. Von der US-Regierung wird ihnen außerdem die schöne und findige Ermittlerin Ann Bennett zur Seite gestellt. Dummerweise ist Pitt nicht in alle Details der Geschichte eingeweiht worden, und das durchaus mit voller Absicht. Folgerichtig kommt es zu Komplikationen.
Tatsächlich finden sie das Wrack relativ schnell und neben dem Toten – und grässlich verbrannten Dr. Eberson (!) – auch das, was noch an Bord war, nämlich ein länglicher Kasten. Der wird ihnen jedoch buchstäblich unter den Augen weggestohlen, und Ann Bennett geht ihnen bei dieser Gelegenheit ebenfalls verloren.
Dirk Pitt und sein Kompagnon, Albert Giordino, machen sich umgehend an die Verfolgung, die sie mitten ins Chaos von Mexiko führt, Verkehrspolizisten gegen sie aufbringt und schließlich zu einem blutigen Finale in einer Stierkampfarena leitet.
Doch auch danach ist ihnen durchweg unklar, was hier eigentlich vorgeht… nur soviel schimmert immer stärker durch: Eberson hat eine revolutionäre Erfindung gemacht, und er wurde umgebracht, wobei die Erfindung gestohlen werden sollte. Das hat nicht ganz funktioniert. Die Jagd nach Ebersons Erkenntnissen geht weiter und fordert weitere Menschenleben.
Aber wer steckt hinter all diesen Geschehnissen, was ist letztlich das Ziel all dieser kriminellen Energien? Und was hat es mit dem Erzbrocken auf sich, den Pitt auf dem Frachter vor Valparaiso an sich genommen hat? All diese Dinge hängen eng miteinander zusammen, ebenso ein Saboteur namens Pablo, der ungerührt über Leichen geht (und den ganzen Roman hindurch keinen Nachnamen bekommt!). Und dann sind da noch dieser arglistige Industrielle namens Edward Bolcke und sein raffinierter Plan, die Weltwirtschaft in ein unglaubliches Chaos zu stürzen – ein Plan, der gelingen könnte… ja, wenn es da nicht einen wütenden Dirk Pitt gäbe… und außerdem nicht minder wütende Chinesen…
Wieder einmal haben Clive Cussler und sein Sohn Dirk einen Roman zusammen geschrieben. Diesmal scheint es allerdings definitiv so gewesen zu sein, dass Daddy weniger daran Anteil hatte als der Sohnemann, und der hat, was eine großräumige Hintergrundidee des Werkes angeht, noch eine Menge dazulernen zu müssen. Zwar liest sich das Buch durchaus rasant, das ist unübersehbar und treibt die Lektüre bisweilen 100 Seiten am Tag voran. Die Kürze des Romanskripts und die mehr als 80 (!) Kapitel hingegen signalisieren unübersehbar, dass die Geschichte primär auf Tempo geschrieben wurde, auch zahlreiche „bekannte“ Situationen im Roman, die man aus anderen Werken Cusslers kennt, deuten darauf hin. Was aber etwa den Isaac Bell-Romanen von Justin Scott zum unbestreitbaren Vorteil gereicht und auch bei den frühen OREGON-Abenteuern atemberaubende Spannung induzierte, führt an dieser Stelle dann nur dazu, dass man gar zu sehr als Leser meint, man sei in einer modernisierten Form von „Doc Savage“ gelandet, die mit ein wenig „Indiana Jones“ und „James Bond“ gekreuzt wurde. Action first, scheint die Hauptdevise gewesen zu sein.
Will heißen: es wird entführt, gejagt, entführt, gejagt, geflohen und eingefangen… und dabei geht der eigentliche Handlungsfaden ziemlich rasch vor die Hunde. Die „Barbarigo“-Geschichte ist, im Gegensatz zu den historischen Handlungslinien früherer Cussler-Romane, erkennbar nur ein wenig zeitgenössischer Zierrat und trägt zur eigentlichen Geschichte nichts bei. Die Illustrationen sind eher bescheiden ausgeführt, vom unpassenden Cover sprach ich schon. Der „Villain“ des Romans hat ein eher handliches Westentaschenformat, und der finstere Pablo besitzt im Grunde genommen gar keine Persönlichkeit. Selbst der gemeine Verräter, der letzten Endes (wenig überraschend) enttarnt wird und dem Leser schon lange vorher als quasi einzig Verdächtiger klar ist, hat keine Größe.
Es bleibt darum, bei aller Rasanz der Handlung, doch nach der Lektüre ein schaler Nachgeschmack zurück. Man hat das dumpfe und unbefriedigende Gefühl, dass dieses Buch eine Auftragsarbeit war, zu der die Verfasser gedrängt wurden. Sie haben es spürbar nicht mit Leidenschaft für die Sache geschrieben. Und das ist wirklich bedauerlich.
Ein wenig davon bildet sich sogar noch im deutschen Titel ab: Es war dem Verlag offenbar ebenfalls nicht möglich, a) ein gescheites Titelbild zu finden (das wäre allerdings sehr schwer geworden, muss ich nach Lektüre gestehen), als auch b) einen passenden Titel zu erdenken. „Unterdruck“ ist jedenfalls so ziemlich der unmotivierteste und unpassendste Titel für einen Cussler-Roman, den ich je gesehen habe. Mehr als Durchschnitt ist dieses Buch jedenfalls nicht und im Grunde nur für eingefleischte Fans zu empfehlen. Sehr bedauerlich. Hoffen wir darauf, dass der nächste Roman aus der Familienschreibwerkstatt deutlich besser ausfällt.
© 2017 by Uwe Lammers
Hm, 500 Seiten for nothing? Nein, ganz so arg würde ich das nicht sagen wollen. Es ist aber leider nicht sehr weit davon entfernt. Ganz anders, das verspreche ich euch, ist es mit dem Klassiker der Science Fiction, den ich euch kommende Woche präsentieren werde. Der lohnt sich wirklich!
Bis dann, mit
Oki Stanwers Gruß,
euer Uwe.