Liebe Freunde des OSM,
ihr kennt das von meinem Rezensions-Blog: ich stelle da gern auch mal Dinge vor, die in die Vergessenheit geraten sind oder die als vergriffen klassifiziert werden müssen und nur noch antiquarisch zu finden sind. So etwas haben wir hier wohl wieder vor uns. Das Comicalbum, das ich heute mal vorstellen will, ist schon über 25 Jahre alt, und meine Rezension stammt ebenfalls nicht gerade von gestern, sondern hat auch schon ihre runden 15 Jahre auf dem Buckel. Aus dem Stegreif kann ich gar nicht sagen, ob die Rezension überhaupt jemals erschienen ist.
Nun denn, ihr kommt jetzt jedenfalls in den Genuss einer ziemlich wilden Parallelweltgeschichte, die nicht einfach nur ein Whodunnit-Krimi ist (wobei der Mörder im Grunde genommen feststeht, was aber nicht hilft, da es ihn in mehrfacher Ausführung gibt… eine der Wunderlichkeiten des vorliegenden Werkes). Stattdessen werdet ihr auch noch nach Dänemark entführt und in eine parallele Wirklichkeit.
Verwirrt genug? Dann reden wir jetzt mal Klartext:
Der rätselhafte 1. Mai
Band 1 der Serie „Der Dimensionsdetektiv“
Comic von Niels Søndergaard & Ole C. Christensen
Carlsen-Comics, September 1992
48 Seiten, Preis: damals 16.80 DM
Science Fiction aus Dänemark? Nun, weshalb nicht, dachte ich mir, als ich diesen Comic antiquarisch erstand und mir mit zunehmendem Genuss einverleibte. Es ist ein wildes Garn, und hierum geht es:
Clemens Skunk-Petersen ist ein kantiger, doch recht erfolgloser Privatdetektiv, der im Kopenhagen der frühen 90er Jahre sein Dasein fristet. Er kann nicht mal seine 21jährige Sekretärin Pippi finanzieren, weil ihm die Aufträge fehlen. Bis eines Morgens Ende April dieser bärtige, vermummte Typ in sein Büro kommt und ihm einen Auftrag verschafft. Das Entree ist schon recht abenteuerlich: ein dänischer Geldschein der Hitlerzeit, mit dem Aufdruck 1986. Und es wird noch wunderlicher:
Das Auto, mit dem der Klient ihn zu seinem Zielort bringen möchte, entpuppt sich als ein Gefährt, das zwischen unterschiedlichen Dimensionen pendeln kann, ein MDT („Mobiler Dimensions-Transformer“). Ihr Ziel liegt in einem Stockholm einer alternativen Welt, wo Clemens sich selbst trifft… nun, den Clemens dieser Welt, und das gleich in fünffacher Ausfertigung. Und dummerweise ist einer von ihnen mausetot, in der Nacht zuvor erschossen. Motiv: unklar. Mörder: unklar – aber offenkundig einer von den vier anderen Clemens.
Doch es gibt auf einmal auch noch mehrere Versionen von Clemens´ Sekretärin Pippi, und als wenn das noch nicht reichen würde, mischt sich auch noch seine alte, sexuell sehr aktive Freundin Nadja ein, die mit einem der anderen Clemens – in dieser Welt – verheiratet ist…
Ein aberwitziges, hochintelligent gestricktes Garn, das mit einer Vielzahl subtiler Anspielungen nicht spart und für den unvorbereiteten Leser eine Menge Vergnügen bereit hält, wobei nicht wenig durch die Tatsache eines durch und durch sozialistischen Dänemark ausgelöst wird. Gewiss: wenn man sich mit der dänischen Geschichte noch besser auskennen würde (als beispielsweise ich), wäre das sicherlich von Vorteil, aber es ist nicht zwingend notwendig. Der Titel selbst ist hingegen irreführend, weil es gar nicht um den 1. Mai geht, aber vielleicht klang das im Zusammenhang mit dem sozialistischen Dänemark einfach zugkräftiger. Einerlei.
Der manchmal doch etwas sehr grobe Zeichenstil tut dem Comic schon ein wenig Abbruch, weil ich sonst feiner gezeichnete Comics bevorzuge. Gewisse Ähnlichkeiten sind hier mit dem Tim- und Struppi-Zeichner Hervé nicht zu verleugnen, aber die Machart ist schlichter als bei ihm. Man spürt, dass es Zeichner und Autor mehr um die Story geht als um das optische Material, und das entschädigt dann doch erheblich.
Kann man mit Gewinn goutieren.
© 2004 by Uwe Lammers
Ja, ich erwähnte es, es ist ein recht abenteuerliches Garn, und es gibt noch einen zweiten Teil, den ich euch in ein paar Wochen präsentieren werde. In der kommenden Woche werden wir mal wieder bodenständiger… na ja, fast. Wir landen bei Clive Cussler, aber diesmal mischt sich ein wahrhaft mörderisches SF-Element ein, das mich wirklich ziemlich überrumpelte. Und ihr wisst, ich kenne mich bei Cussler eigentlich aus und bin nicht so leicht aus dem Gleichgewicht zu bringen. Diesmal jedoch… nun, mehr erfahrt ihr in einer Woche an dieser Stelle.
Bis dann, mit
Oki Stanwers Gruß,
euer Uwe.