Wochen-Blog 288: Das 14. BUCH – Eine scharf geschliffene Waffe

Posted September 9th, 2018 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

manchmal überrascht es mich, wie flink sich die Dinge ändern und veralten kön­nen. So geschah es gestern auch mit meinem Blogartikel 278, den ich, um euch ein wenig zu verwirren, erst vor rund 14 Tagen geschrieben habe, am 11. Febru­ar 2018. Heute schreiben wir den 27. Februar, aber bis ihr die eben erwähnten Zeilen lesen werdet, müsst ihr euch bis zum 1. Juli 2018 gedulden, und ehe ihr diese hier zu sehen bekommt, werden wir den 9. September schreiben.

Ja, ich arbeite weit im Voraus, und das ist gut so, denn aktuell kann ich noch nicht sagen, was das Jahr an Arbeitsbelastungen und Aufgaben bringen wird. Mein Denkhorizont reicht eigentlich zurzeit nur bis zum Convention „Raum & Zeit Continuum IV“ und dem vorgeschalteten Event „11hoch11 trifft Buch­markt“ (13.-15. April 2018, alles zusammen).

Und eher so en passant verschob sich zwischenzeitlich mein Aufmerksamkeits­fokus – weg von „primär lesen“ hin zu: „endlich mal längere Projekte abschlie­ßen“. Ihr wisst seit langem, dass ich an einer schier unüberschaubaren Zahl an parallelen Projekten arbeite, was meine Aufmerksamkeit disloziert, meine Kon­zentration zersplittert und zu konstanter Verzettelung führt.

Nachdem ich kürzlich quasi aus dem Stand die OSM-Kurzgeschichte „Die Ster­nengeborene“ abschloss, war mir klar, dass der Wind sich gedreht hatte – und ich nahm mich des langen Romans „Eine scharf geschliffene Waffe“ an und brachte ihn binnen Tagen zum Abschluss. Ein Werk, an dem ich nun wirklich seit fast acht Jahren mit vielen Unterbrechungen geschrieben habe. Der Roman um­fasst insgesamt 497 anderthalbzeilige Seiten, ein Glossar werde ich in den nächsten Tagen in aktualisierter Version in Angriff nehmen (natürlich gibt es längst einen ersten Entwurf, aber die Seitenzahlen haben sich gründlich ver­schoben, so dass ich die noch mal eruieren muss).

Der ausschlaggebende Punkt, warum ich diese Geschichte endlich abrunden konnte, lag in der Tatsache, dass ich jene Stelle fand, wo ich sie aufteilen konn­te. Denn es war, wie jüngst schon mal erwähnt, genau wie im Fall von „Der Platz der Steine“ – irgendwie hatte ich mich aufgrund des langen Zeitrahmens verheddert und Szenenblenden niedergeschrieben, die durch zu große temporale Lücken getrennt waren.

Indem ich daraus kurzerhand zwei Romane machte und die Dateien „Waffe 3“ und „Waffe 4“ in den neuen, zweiten Ghani-Roman „Licht und Schatten auf Dawson“ verschob, vollführte ich am 5. Februar 2018 quasi einen Befreiungs­schlag. Und auf einmal war alles ganz simpel: ich hatte schon seit zwei Jahren gewusst, dass die kleine Reisegruppe um Ghani kurz nach dem Aufbruch aus der Siedlung „Tor des Susquehenna“ Oki Stanwers LAGER erreichen würde… aber mir war durchaus unklar gewesen, wo ich da den „Cut“ setzen sollte.

Es ist doch sehr viel sinnvoller, damit zu warten und Ghanis Eingliederung ins LAGER erst im zweiten Roman an prominenter Stelle zu beschreiben“, sinnierte ich schließlich. Und so verfuhr ich dann auch.

Aber ich sollte an dieser Stelle noch mal etwas zurückrudern für die Leser, die mit den obigen Informationen nicht allzu viel anfangen können… und das ist wohl die Majorität von euch. Ich darf nie aus dem Blick verlieren, dass ihr ja im Gegensatz zu mir den vollen Überblick nicht habt, sondern auf die fertig publi­zierten Werke aus dem OSM und die Informationshäppchen angewiesen seid, die ich herausgeben kann.

Folgendes ist also der Background des vorliegenden 14. BUCHES meines priva­ten Romanarchivs:

Wir befinden uns im KONFLIKT 19 des Oki Stanwer Mythos. Ich begann am 1. Januar 1991, an diesem KONFLIKT zu schreiben, niedergelegt in der Serie „Oki Stanwer – Der Missionar“, die aktuell 55 Episoden Umfang hat.1 Der zentrale Handlungsschauplatz der frühen Bände ist ein Ort, der euch sehr vertraut sein dürfte: eine erdnahe Welt unter fremder Sonne, die man als Dawson bezeich­net.

Eine chinesische Raumexpedition zur Venus entdeckte in den 40er Jahren des 21. Jahrhunderts eine uralte Alienstation mit einem schwarzen Monolithen dar­in, dem so genannten „Tor der Ewigen Seligkeit“, das von der Spezies der Bau­meister zurückgelassen worden war und jeden verschlang, der sich ihm unter bestimmten Umständen näherte. Kenner des OSM wissen, dass es sich dabei um eines der zahllosen Portale des Baumeister-Transmitternetzes handelte. Was indes hinter all diesen Ereignissen stand, war eine gezielte Intervention eines Baumeisters, der die Menschheit und ihre Aufmerksamkeit dorthin lenkte.2

Ein Auswandererstrom bewegte sich schließlich dorthin, als die föderale Erd­regierung sich in eine rigide Überwachungsdiktatur zu verändern begann. Einer dieser Auswanderer war der junge Ire Ian Perry, der auf Dawson – das er noch „Swamp“ nannte – sein Heil in der Flucht suchte und stattdessen sein Schicksal fand, in Gestalt des jungen Kleini-Mädchens Sinaa, das seine Frau und die Mut­ter seiner Kinder wurde.3 Eines dieser Kinder war dann die in vielerlei Hinsicht talentierte kleine Senyaali, die eine ganz eigene Verbindung zu ihrer fremden Heimat entwickelte und spezielle Talente an den Tag legte.4

Doch all das spielte sich im Wesentlichen im Süden des Blackriver-Tales ab. Weiter nördlich, dort, wo das Baumeister-Portal stand, entstand unter unge­klärten Umständen eine kleine Stadt, die man fast mit einer Art Wildwestsied­lung vergleichen kann. Diese Ortschaft, mit Abstand das kulturelle Zentrum des Planeten, war First Valley.

In der OSM-Serie „Oki Stanwer – Der Missionar“ entdeckte ich bereits 1991, dass das ein höllischer Ort war: eine Stadt mit einer verrohten Stadtmiliz, der Stadtwache, einem dauergeilen Diktator, dem Obmann Alex Tschernowsky, der sich weibliche Neuankömmlinge selektieren ließ, um sie dann zu sich zu zitieren und sie ungeniert und ausdauernd zu vergewaltigen.

Ja, ein grässlicher Ort, ich sagte es schon.

Und irgendwo in der Wildnis von Dawson gab es noch etwas anderes – eine geheime Siedlung, die man nur als „das LAGER“ bezeichnete und die von einer legendären Gestalt beherrscht wurde: von Oki Stanwer.

An seiner Seite war neben einigen Helfern des Lichts auch eine rätselhafte, ver­schwiegene Asiatin, ein zierliches und unscheinbares Wesen namens Ghani, das über unbegreifliche Fähigkeiten verfügte.

Ich spürte sofort, dass sie keine Mutantin war, obwohl ihre Fähigkeiten sehr in diese Richtung gingen. Aber wiewohl ich nicht genau verstand, was sie war oder wo ihre Ziele lagen, begriff ich eines sehr schnell, während die Serie sich in den folgenden 15 Realjahren entwickelte – Ghani war mit Sicherheit alles andere als ein Mensch. Und damit begann ein faszinierendes Rätsel, das an meiner kreati­ven Seele beständig nagte wie ein tosender Strom am umliegenden Felsen.

Wer also war Ghani? Woher war sie gekommen, was war ihr Ziel? Ich vermoch­te es beim besten Willen nicht zu sagen, und das machte mich kribbelig – so et­was deutet immer auf komplexe, gefährliche Geheimnisse im Hintergrund des OSM hin. Und dass dieses unscheinbare, zierliche Persönchen eine gefährliche Wesenheit war, begriff ich sehr schnell. Ich verstand nur beim besten Willen nicht, warum.

Im Dezember 2010, während ich in der Serie schon in den 50er-Bänden ange­kommen war und zahlreiche erschreckende neue Entdeckungen auf Dawson und im direkten Umfeld dieser Welt gemacht hatte, sprang mich dann jene Idee an, die den Keim zum vorliegenden Roman bildete.

Wann, so dachte ich mir, war Ghani eigentlich nach Dawson gelangt? Und von woher? Wie hatte sie den Weg von First Valley, wo ja der Empfangstransmitter der Venus stand, zu Oki Stanwers LAGER gefunden? Das war schließlich alles an­dere als trivial, da niemand die Position des LAGERS zu kennen schien – Alex Tschernowsky brannte darauf, Oki Stanwers Machtbasis zu zerstören. Geheim­haltung war also absolut essentiell.

Die Arbeiten an dem vorliegenden Roman begannen am 26. Dezember 2010, und bis Silvester arbeitete ich jeden Tag daran – und kam auf erstaunliche 47 Skizzenseiten aus dem Stand bis Jahresende. Atemberaubende 47 Seiten, die sich heute auf mehr als 600 Seiten Skript verteilen und auf die eingangs er­wähnten inzwischen zwei Romane.

Der Schreibdruck war unglaublich, die Bilderflut schier überwältigend. Ich sah nicht nur schreckliche Protagonisten aus der Serie in ihrer frühen Brutalität wie­der – etwa den Verwalter Jefferson Carmichael und den brutalen Stadtwachen-Kommandanten Dave Haldane – , sondern ich warf auch erschreckende Blicke in die ferne Zukunft… in jene Welt, aus der Ghani stammte.

Eine Zeit, in der so etwas wie Planeten, Sonnen und Galaxien der Vergangenheit angehören. In der organisches Leben quasi nicht mehr existiert. Und in der Oki Stanwer ein mythisches Wesen ist, eine Legende, ein Mythos der grauen Vorzeit – wie es der Titel des OSM generell signalisiert. In jener fernen Zeit, wo die Zeit als Mixzeit existent ist und mal vorwärts, mal rückwärts fließt, wird immer noch gekämpft und ein schier unglaublicher Krieg geführt.

Ich wusste von diesem Krieg jenseits des RANDES schon seit 1994, als ich den KONFLIKT 23 „Oki Stanwer – Der Dämonenjäger“ abschloss, und Interventionen aus jenen fernen Zeitaltern waren mir längst vertraut. Aber lange war mir un­klar, inwiefern der Planet Dawson, der doch auf den ersten Blick so unspektaku­lär wirkt, ein derartiger Brennpunkt der Geschehnisse war.

Dawson, soviel war in der Zukunft immerhin noch bekannt, stellte etwas dar, was die zukünftigen Mächte ein „blindes Datenfenster“ nannten. Rahmenin­formationen über die dortigen Ereignisse waren bekannt, aber Detailrecherche vor Ort führte fast unausweichlich und ständig zum vollkommenen Verlust der ausgesandten Späher.

Dawson galt als gefährlicher Ort.

Es gab nur ein einziges Einfallstor dorthin: den Venus-Transmitter. Aber offen­sichtlich war die Venus bereits vor Jahrhunderten kontaminiert und versiegelt worden. Selbst der im Solsystem wirkende Baumeister, der sich seit langer Zeit in Deckung befand, musste letztlich seine Hilflosigkeit eingestehen. Und die Temporalschockwellen, die von Dawson ausgingen, wurden beständig stärker. Die Zukunft war in akuter Gefahr.

Auf Dawson befand sich Oki Stanwer, die zentrale Person des KONFLIKTS. Sein Leben war in größter Gefahr, und es war nahezu unmöglich, irgendwen zu sei­nem Schutz abzustellen.

So kam eine zukünftige Macht dahin, einen Emissär nach Dawson zu entsen­den, um die Ereignisketten in ihrem Sinn zu stabilisieren. Es galt, eine grundle­gende Intervention auszuführen. Aber aus den in die Zukunft übermittelten Daten war klar, dass jede Person, egal, welchem Volk sie entstammte, egal, wie gut sie technisch ausgestattet war, in dem Augenblick verloren sein würde, sobald sie den Transmitter auf Dawson verließ.

So wurde Ghani erschaffen und instruiert.

Ein Wesen, das äußerlich unscheinbar war, intern jedoch über Machtmittel jen­seits jeder Vorstellung verfügte – eine scharf geschliffene Waffe, erschaffen für jede Art von Intervention. Und in völliger Unkenntnis der eigenen Fähigkeiten.

Was sie zuallererst tun sollte, war eine Aufgabe, die unerwartet schwierig aus­fiel: sie sollte sich in die menschliche Gesellschaft integrieren, „implementie­ren“, wie sie es nannte. Und dabei stieß die völlig arglose Ghani auf die erstaun­lichsten Überraschungen. Eine zentrale darin war etwas, was sie nicht als Kom­plikation begriffen hätte: die menschliche Psyche und ihre irrationalen Untie­fen…

Es machte einen schier unglaublichen Spaß, kann ich euch versichern, diese zahllosen schrulligen Personen in First Valley und der Umgebung zu treffen und zu erleben, wie sie sozial interagierten. Die vergnüglichen Erstkontakterfahrun­gen, die Ghani durchmachte und manchmal fast zur Weißglut trieben, die amü­sierten mich zunehmend. Und während all das geschah, während sich Ghanis Fähigkeiten immer weiter entwickelten, fand ich so vieles über den Planeten Dawson, seine Bewohner und seine Struktur heraus, wie ich das nie für möglich gehalten hätte.

Dawson ist noch sehr viel schrecklicher, als sich das irgendwer bisher auszuma­len verstehen könnte – und wenn ihr denkt, dass ich da jetzt auf die dort leben­den gestaltwandelnden Berinnyer anspiele… Freunde, vergesst die Berinnyer, wirklich. Im Vergleich zu den Gefahren, die dort tatsächlich das Leben zur Hölle machen, sind sie wirklich vernachlässigbar. Wer mir nicht glaubt, kann das bei der Lektüre des Romans beizeiten genauer entdecken. Aber die Berinnyer sind tatsächlich nicht das Schlimmste, was Dawson aufzubieten hat. Bei weitem nicht.

Selbst Ghani täuscht sich lange Zeit vollständig über die Gefahr, in der sie und alle dort Lebenden schweben. Und auch nachdem sie eine zentrale Person des frühen 19. KONFLIKTS getroffen hat, den knorrigen Trapper Charles de Quentin, ist ihr überhaupt nicht klar, in welchem Minenfeld sie sich eigentlich bewegt – als ihr das schließlich bewusst gemacht wird, kennt ihr Entsetzen indes keine Grenzen mehr.

Dawson ist mit Recht die Hölle. Und Ghani muss unglaubliche Widerstände und Schwierigkeiten überwinden, um endlich ihr Ziel zu erreichen.

Beizeiten, denke ich, werde ich euch diesen faszinierenden Roman zugänglich machen, kann aber noch nicht sagen, in welcher Form genau – ob als E-Book oder zuvor in einer kapitelweisen Abdruckvariante oder als Printversion. Aber ich bin überzeugt davon, dass es jede Minute des Lesens wert ist – wie es auch jede Minute des Schreibens wert war.

Soviel also heute zum neuesten Werk der „Annalen der Ewigkeit“, dem OSM-Werk 1846. Demnächst steuere ich dann wieder andere Ufer an.

Bis nächste Woche, meine Freunde, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Vgl. dazu beizeiten die Serie „Oki Stanwer – Der Missionar“, begonnen 1991.

2 Vgl. zur Vorgeschichte die Story „Die Intervention“, Januar 2014.

3 Vgl. dazu den Roman „Ian und der Stein der Götter“, August 2010.

4 Vgl. dazu die Stories „Der Platz der Steine“, Juni 2015, und „Das Versteinerungs-Spiel“, Dezember 2016.

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