Rezensions-Blog 157: Lustnächte

Posted März 28th, 2018 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

gute Bücher sind immer zu kurz… ihr kennt dieses Fazit von mir, es trifft nahezu in allen Fällen zu. So ist das auch mit dem unten stehenden Roman, den ich buchstäblich verschlungen habe und aus dem ich mich nicht lösen konnte. Er befriedigt auf faszinierende Weise sowohl historisch-biografische Sehnsüchte als auch erotische Wunschvorstellungen und passte deshalb gleich auf zweierlei Weise in mein aktuelles Leseschema.

Dass sich hinter dem unspektakulär und rein erotisch wirkenden Titel und Cover eine raffinierte und sehr detailreiche Schatzsuche nach einem realen Schatz versteckt, konnte ich anfangs nicht ahnen, als ich mir das Buch antiquarisch kaufte. Aber ich wurde in mehrerlei Hinsicht überrascht: durch eine Autorin, die mit Witz und vergnüglichem Charme eine erotische Burleske erschuf, durch höchst sympathische Charaktere mit eigenem Kopf (der ihnen bisweilen ordent­lich selbst im Weg steht), und zum dritten durch die Reaktivierung einer alten Schatzsuchergeschichten-Sehnsucht, die mich gedanklich geradewegs in die 90er Jahre zurück katapultierte.

Ja, was mag wohl im Hochmittelalter geschehen sein, als der Orden der Tempel­ritter der Verdammnis anheimfiel und seine Schätze verschwanden? Wohin mö­gen sie verschwunden sein, und was war wohl an den Gründen dran, die zur Auslöschung des Ordens führten? Dieser Roman bietet für die Vorkommnisse eine mögliche Lösung an und führt zu einem abenteuerlichen und gefährlichen Geheimnis. Und natürlich gibt es der fleischlichen Liebe mehr als genug mit lei­denschaftlichen Protagonisten.

Schaut einfach mal weiter, ob ihr davon ebenso neugierig werdet wie ich vor ein paar Monaten:

Lustnächte

Von Barbara DuMont

Heyne 54555

288 Seiten, TB (2013)

zuvor 2011 bei Plaisir d’Amour erschienen

ISBN 978-3-453-54555-7

Frauen sind für den sinnlichen und stürmischen Liebhaber Pierre LeBreton ei­gentlich nur angenehme Gesellschaft für eine oder maximal mehrere Nächte. Er neigt dazu, seine Gespielinnen in munterem Wechsel in sein Bett zu ziehen, und bislang fährt der Architekt damit gut. Er führt in seiner Heimat Frankreich ein eigenes Architekturbüro, zusammen mit seinem Juniorpartner Marc Meunier und seinem Lebenspartner Jean-Luc. Das ändert sich, als die deutsche Touristin und Historikerin Beatrix Greifenberg, auf dem Weg in den Frankreich-Urlaub, übernächtigt mit ihrem Kleinwagen seinen Gartenzaun zu Brennholz verarbeitet und dabei verletzt wird.

Denn ohne es zu wollen, fühlt Pierre sich unweigerlich zu dieser schönen, jun­gen Frau hingezogen, und sein Ansinnen ist es – natürlich – , sie kurzerhand erst mal in sein Bett abschleppen zu wollen. Womit er sich dann aber, ganz unty­pisch, Zeit lässt. Es dauert, bis er zu begreifen beginnt, dass er diese Frau nicht nur für ein kurzweiliges erotisches Abenteuer besitzen, sondern er mit ihr et­was durchaus Ernsteres anfangen will.

Und auch die sinnliche Beatrix, oft sanft französisch „Beatrice“ angesprochen, fühlt sich zu dem charmanten Franzosen hingezogen. Sie hat allerdings auch ih­ren Stolz und macht es ihrem „Retter“ nicht eben leicht, von ihm erstürmt zu werden. Also ersinnt Pierre einen Plan, um sie in seiner Nähe zu halten. Der Zu­fall macht es ihm leicht.

Er hat kurz zuvor bei der Renovierung eines alten Klosters ein verborgenes, in Latein abgefasstes Dokument gefunden. Pierres Freunde recherchieren nun, dass dieses Dokument offensichtlich auf einen legendären historischen Schatz hinweist – auf die verschollenen Reichtümer des untergegangenen Templer-Rit­terordens. Da Beatrix Historikerin ist, zeigt sie sich natürlich anfangs – ebenso wie Pierre – skeptisch, doch sie fängt bald Feuer, als sich die Indizien immer mehr verdichten. Und um sie in seiner Nähe zu halten, begibt er sich mit ihr auf abenteuerliche Schatzsucher in Südfrankreich.

Offensichtlich hat der gute Abbé Saunière, gestorben während des Ersten Welt­kriegs, in der südfranzösischen Ortschaft Rennes-les-Château über viele Jahre hinweg unglaublich viel Geld besessen, das er unter anderem dazu nutzte, die Pfarrkirche gründlich zu renovieren… wobei er einige seltsame Änderungen vornahm. Pierre und Beatrix machen sich also auf den Weg nach Rennes-les-Château und stecken bald bis über beide Ohren tief in den verwirrenden Pfaden der Vergangenheit fest. Dabei entdecken sie, in Zusammenarbeit mit Marc, wie hochkomplex doch der so bieder scheinende Pfarrer mit der örtlichen Hierarchie und seinen Standeskollegen in Nachbargemeinden verflochten war. Und ehe sie sich versehen, spüren sie auch dem unsoliden Liebesleben des Abbé nach, klettern in Burgruinen umher, besuchen Museen und studieren Bücher, die die Kurie kurzerhand wieder weitgehend hat einstampfen lassen. Rätselhafte Kontenbewegungen und ein Geheimorden, der „Orden von Sion“, scheinen in die Angelegenheit mit involviert zu sein.

Während Pierre auf zunehmend stürmischere Weise an sein Liebesziel gelangt und wieder und immer wieder seine „Beatrice“ zu abenteuerlichen Liebesspielen verführt – zunehmend mit ihrem hitzigen Einverständnis – , wird für ihn die Suche nach dem Templerschatz zunehmend unwichtig. Er fand sie bedeut­sam genug, um Beatrix in seiner Nähe zu halten… doch dummerweise hat SIE nun Feuer gefangen und will davon nicht ablassen.

Pierre amüsiert das, da er es weiterhin für eine aussichtslose Angelegenheit hält. Er ist immer noch nicht von der Realität des Schatzes überzeugt, selbst als er einen abendlichen „Spanner“ in Rennes-les-Château auf derbe Weise davon abgebracht hat, sie beide weiter zu beobachten. Er denkt sich nichts dabei, dass dieser „Spanner“ den Priesterkragen getragen hat – schlicht, weil er einfach liebeskrank oder, wie Beatrix das manchmal sagt, „schwanzgesteuert“ ist (was sie durchaus genießt). Als problematisch sieht sie indes, dass Pierre ein zwar charmanter, aber offensichtlich notorischer Lügner ist. Wie soll sie seinen Liebesbeteuerungen also Glauben schenken?

Dass sie die ganze Zeit unter Beobachtung stehen, ist ihnen allen bis zuletzt nicht klar. Und auf diese Weise geraten sie dann auch in Lebensgefahr… denn bislang ist noch jeder, der dem Templerschatz nachspürte, ums Leben gekom­men…

Sämtliche Personen in diesem Roman sind frei erfunden“, steht fast mahnend über dem Impressum dieses erotischen Romans – allein das ist schon verblüf­fend, denn aus anderen Romanen dieser Struktur kenne ich derlei „Sicherheits­hinweise“ nicht… doch bei fortschreitender Lektüre wurde mir klar, warum das notwendig war zu betonen. Die ganzen Ereignisse rings um Rennes-les-Château sind so erstaunlich dicht dargestellt, dass man als Leser tatsächlich den Eindruck gewinnt, es handelte sich bei den erwähnten Personen um Gestalten der Zeit­geschichte. Die Autorin nimmt sich sehr viel Zeit und Raum, um nicht nur die historische Tiefendimension bis hin zur Zeit Jesu Christi auszuleuchten und die weithin bekannte Vergangenheit des Templerordens darzustellen, sondern sie verwendet dieselbe Sorgfalt auch auf die französischen Kirchenprotagonisten, die südfranzösischen Adeligen und die Locations. Da dabei die Kirche nur be­dingt gut wegkommt, war es zweifellos eine gute Vorsichtsmaßnahme, den zi­tierten Satz ins Impressum aufzunehmen.

Ich vermute, einen Gutteil der intensiven Schilderung ist auf solche Werke zum Thema zurückzuführen, wie sie Lincoln/Baigent/Leigh historisch und Dan Brown belletristisch verfasst haben. Zahlreiche Details des Romans dürften aus solchen Vorlagen 1:1 übernommen und lediglich mit neuen Namen ausstaffiert worden sein. Da ich in diesen Werken aber nicht sehr belesen bin, ist das jetzt aktuell nur eine Mutmaßung.

Der Roman fährt jedenfalls auf interessante Weise zweigleisig. Auf der einen Seite haben wir die klassische – und in diesem Fall außerordentlich stürmische – Liebesgeschichte zwischen Pierre und seiner ungläubigen Beatrix, die sich sehr vergnüglich liest. Das hat nicht zuletzt mit den Eifersuchtsanfällen der Prot­agonisten zu tun, die zwar mehrheitlich unsinnig sind, dem Roman aber einiges Feuer verleihen. Über den Ausgang der Liebelei mit all ihren Höhen und Tiefen sei nichts verraten, das muss der Leser selbst lesend und genießend erfahren. Bedauerlich ist natürlich, dass hierbei die Person der Beatrix biografiehistorisch vollkommenes Brachland bleibt. Da hätte man sich schon gelegentlich etwas mehr gewünscht, vielleicht auch mehr über die Zeitspanne, die ihr zur Verfü­gung steht und über familiäre oder berufliche Bindungen an die Heimat… da herrscht eigentlich gähnende Leere, wie ich rückblickend konstatieren muss.

Der zweite Handlungsstrang, der sonst in erotischen Romanen schnell zur Ne­bensache wird, wenn es zwischen den Hauptpersonen „zur Sache“ geht (habe ich oft genug in anderen Romanen dieses Couleurs erlebt), ist derjenige, in dem den Spuren des Templerschatzes nachgegangen wird. Und tatsächlich wird die­ser Strang, ungeachtet aller erotischen Wirren, bis zum Schluss stringent durch­gehalten. Das fand ich sehr beachtlich, zumal er so komplex strukturiert war, dass lange Zeit unklar blieb, worin eigentlich der Schatz bestand, nach dem ge­sucht wurde, oder ob die Suche in irgendeiner Weise zum Ziel führen würde. Dieser Handlungsstrang ist mit viel Liebe zum Detail ausgebaut, was mir sehr gut gefallen hat. Und das hat nicht nur damit zu tun, dass ich a) Historiker bin und b) Schatzsuchergeschichten nun mal für mein Leben gern lese. Es ist einfach ein schönes, plausibles Setting, das ich in vielen anderen Büchern dieser Art sonst schmerzlich vermisse.

Das ist also das Positive an diesem äußerst lesbaren Roman, der sich mühelos in drei Lesetagen verschlingen lässt – wie es mir widerfuhr. Bedauerlich ist in mei­nen Augen allerdings, dass die Autorin sich am Schluss dazu hinreißen ließ, un­bedingt noch ihr historisches Detailwissen an den Mann bringen zu wollen und meinte, die verbliebenen Unklarheiten aufhellen zu müssen. Meiner Ansicht nach ist sie damit, ohne jetzt Details verraten zu wollen, deutlich übers Ziel hin­ausgeschossen. Die letzten knapp 20 Seiten des Romans hätte sie m. E. besser anders gestalten sollen… ah, aber sei’s drum. Alles in allem hat mir der Roman gut gefallen – und für einen Debütroman ist er ausgezeichnet gelungen.

Sollte man sich für einen Urlaub warmhalten, das Buch macht wirklich gute Lau­ne und inspiriert vielleicht auch zu dem einen oder anderen erotischen Abenteuer mit der Partnerin oder dem Partner.

© 2017 by Uwe Lammers

Na, das war eine turbulente kleine Achterbahnfahrt durchs moderne Frank­reich, nicht wahr? Auch in der kommenden Woche machen wir eine Reise… al­lerdings kehren wir damit ins viktorianische England zurück, zum weltberühm­testen „ermittelnden Detektiv“, der eine ungeheuerliche Entdeckung macht.

Näheres dazu gibt es in der kommenden Woche an dieser Stelle.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

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