Liebe Freunde des OSM,
tja, es gibt gut durchdachte Zyklen, ob nun phantastisch oder nicht, und es gibt solche, die es dann nicht so wirklich sind. Unter die guten rechne ich beispielsweise Diana Gabaldons phantastisch süffig lesbaren Highland-Zyklus um Claire Randall… pardon, ich meine natürlich Claire Beauchamp Randall Fraser, um der Wahrheit die Ehre zu geben.1 Die Trilogie von Wilson und Shea hingegen ist, um beim Thema zu bleiben, am Anfang wild und abgefahren, in der Mitte ziemlich schräg und bizarr… und jetzt, im Schlussband, da geht ihr dann die Luft ziemlich drastisch aus.
Es ist bedauerlich, das sagen zu müssen, und vielleicht liegt diese Ansicht allein im Belieben des anspruchsvollen Rezensenten. Möglicherweise habe ich einfach zu wenig Input, was Kabbalistik, Mystizismus, Esoterik allgemein und Freimaurerei im Speziellen angeht, so dass mir wesentliche Anspielungen verborgen blieben. Das ist ja beispielsweise fast so gewesen, als ich Umberto Ecos phantastisch lesbaren Roman „Das Foucaultsche Pendel“ vor vielen Jahren verschlang (nein, leider habe ich davon keine Rezension gemacht, und um das nachzuholen, müsste ich das Buch erneut lesen… das kann dauern, ihr kennt sicherlich den SUB, den Stapel ungelesener Bücher… der ist bei mir wirklich ganz enorm).
Gleichwohl, mein Fazit ist, dass der vorliegende Zyklus zum Ende hin doch stark an Fahrt, Plausibilität und innerer Stringenz nachgelassen hat und man vielleicht als Leser sogar ganz froh ist, „dieses wirre Garn“ hinter sich zu lassen. Das wäre möglicherweise etwas arg hart geurteilt, immerhin ist der Zyklus im Ganzen ein interessantes Experiment gewesen. Aber dass er eines gewissen konsequenten roten Fadens entbehrt, lässt sich kaum bestreiten.
Ihr meint, ich machte zu viel Vorrede? Also schön, dann kommen wir doch besser zur Sache. Auf ins letzte Gefecht der Illuminaten… oder so ähnlich:
Illuminatus!
Band 3: Leviathan
(Illuminatus! – Leviathan)
von Robert Anton Wilson & Robert Shea
Kailash, Hugendubel 2002
286 Seiten
Erstausgabe: 1978
Übersetzt von Udo Berger
So, Jungs, Rüstung angeschnallt, Acid eingeworfen, Gitarren gestimmt und auf zum letzten Gefecht Gut gegen Böse! Wer noch nicht geschnallt hat, worum’s geht, hat eh längst aufgegeben. Drum gleich ans Eingemachte:
Wir erinnern uns, dass die bösen Illuminaten dabei sind, der Menschheit den endgültigen Stoß zu versetzen. Sie wollen dies vermittels unterschiedlicher Verschwörungen schaffen, die etwa mit dem Eiland Fernando Poo zu tun haben oder mit einer hochtoxischen Substanz Anthrax Leprosy Pi (ALP) beziehungsweise einem monströsen deutschen Woodstock-Imitat an den Ufern des Totenkopf-Sees bei Ingolstadt.
Während erstere beiden Komponenten sich im Laufe des zweiten und zu Beginn dieses Romans als Tarnmanöver entpuppen, die nichtsdestotrotz für reichlich Wirbel sorgen und letzten Endes auch den Präsidenten der Vereinigten Staaten das Leben kosten, hat es das unverfängliche Rockfestival ziemlich in sich: ein Festival, das auf einem gewaltigen, mit Stacheldraht eingezäunten Areal stattfindet, in das Wachttürme eingelassen sind („Die Deutschen kennen sich mit solcher Organisation aus…“), zu toben beginnt.
Hier kommt es nun zur finalen Schlacht zwischen dem verbrecherischen (?) Genius Hagbard und seinen Begleitern, es tauchen SS-Zombietruppen auf, Adolf Hitler himself und so einiges andere. Und schließlich wird Hagbard mitsamt seinem Unterseeboot LEIF ERIKSON doch tatsächlich mit dem heimlichen Herrscher der Welt konfrontiert – mit dem monströsen Leviathan…
Puh, und damit war der Trip dann aus, Leute. Interessanterweise 170 Seiten vor dem Schluss des Buches. Ich bin der Meinung, dort hätten die Autoren aufhören sollen, denn der letzte Abschnitt ist eigentlich eher geeignet, jede Menge Verwirrung und Konfusion zu erzeugen denn wirkliche Aufklärung zu schaffen. Die eher launigen 80 Seiten (!) Anhänge bringen die Geschichte auch nicht so richtig weiter und vermitteln mehr den Eindruck, die Seiten hätten noch dringend mit wirren Quasi-Fakten gefüllt werden müssen.
Anstatt wirklich etwas Beeindruckendes, Überraschendes an den Schluss zu stellen, was den Leser vor Fassungslosigkeit aus den Socken hebt, versumpft es eigentlich. Der dritte Band trägt einen Verlegenheitstitel (was Besseres als „Leviathan“ fiel ihnen wohl nicht ein), der Titel des 10. Abschnittes – „Der zehnte Trip, oder Malkuth – Lebewohl Planet Erde“ – ist bombastisch und völlig unzutreffend.
Der Zyklus ist also beeindruckend, abgefahren, wild und spannend zu lesen, aber definitiv nicht bis zum Schluss durchdacht. Vermutlich hat zum Ende hin die Wirkung der Joints nachgelassen. Schade.
© 2004 by Uwe Lammers
Wie bereits einleitend erwähnt… die hochgespannten Erwartungen ließen sich zum Ende hin nicht mehr wirklich aufrechterhalten. Das soll uns aber alle nicht davon abhalten, weiterhin mehrteilige Romanzyklen zu schmökern und hier vorzustellen. Ich habe da noch ein paar interessante Rezensionspakete in petto, das nächste davon wird am 29. November im Rezensions-Blog 140 starten, also in drei Wochen. Aber welcher Zyklus das dann sein wird, möchte ich heuer noch nicht verraten.
In der kommenden Woche machen wir einen der seltenen Ausflüge ins Genre der Fantasy, das sich in diesem Fall mit den historischen Abenteuergeschichten vermischt. Der Name des Autors ist dabei Programm: Robert E. Howard. Näheres erfahrt ihr in der kommenden Woche.
Bis dann, mit
Oki Stanwers Gruß,
euer Uwe.
1 Für die Neugierigen nachzulesen in den Rezensions-Blogs 50, 55 und 60. Die weiteren Romane ihres Zyklus werden beizeiten besprochen werden.