Liebe Freunde des OSM,

willkommen zu einer neuen Folge der Fehlerlese im OSM. Es ist schon ein paar Monate her, dass ich eine Stelle in den alten Episoden meines weitgespannten Epos ausfindig machte, die mich beim Abschreiben zum Kopfschütteln und La­chen animierten. Und weil das ja so ist, möchte ich euch an diesem Amüsement teilhaben lassen. Das ist auch deshalb sinnvoll, weil ihr die Rohepisoden in die­ser Form sonst ja nie zu sehen bekommen werdet, sondern nur die fein abge­schliffenen, ergänzten, präzisierten Werke, die dann dauerhaft als E-Books zum Schmökern bereitstehen.

Vor drei Wochen tauchten wir in die „Zwischenwelten“ ab, also in den Mikro­kosmos des 14. OSM-Universums. Wir erinnern uns: in der Galaxis Hun’arc sind der kristalline Helfer des Lichts Klivies Kleines und seine Reisegefährten unter­wegs, um die Bedrohung auszuschalten, die von den immer noch gefährlichen Dienervölkern der Dämonenwaffe Rookax ausgeht. Rookax selbst konnte zwar neutralisiert werden, aber die Raumschiffskonstrukteure aus dem Volk der Cal­narer sowie die Waffentechniker vom Volk der Synox sind nach wie vor im Zentrum der Galaxis aktiv… und da das Reich der Cranyaa, das Oki Stanwer in seinem Kampf gegen TOTAM zur Seite stehen soll, nach der Tsoffag-Attacke arg am Boden liegt, kann ein Angriff der beiden Restvölker der Vielvölker-Allianz des Rookax durchaus verheerende Folgen haben.

Zu dumm für sie alle ist, dass TOTAM inzwischen an der Peripherie von Hun’arc erschienen ist und sich anschickt, mittels seiner Dämonen Dienervölker zu re­krutieren. Dabei geraten natürlich die doppelköpfigen Echsenwesen, die Calna­rer, ebenso in den Fokus wie die paranoiden Kristallwesen, die Synox.

Als Klivies Kleines mit der Lichtfestung OREOC also ins System Le Konji einfliegt, um die Calnarer auf die Seite des Lichts zu ziehen, geht so ziemlich alles schief, was nur schief gehen kann: zwei Dämonen von TOTAM erscheinen und machen seine Anstrengungen zunichte, Kleines´ „Kontaktmann“, wenn man das so sagen kann, entpuppt sich als gestörter Psychopath… und dann bricht auch Kleines´ alte Krankheit wieder aus, eine Art schwarzer Schuppenkrebs, der ihn lahmlegt.

Das ist aber erst der Anfang und gewissermaßen das Präludium zu dem, was heute thematisiert werden soll. OREOC entschließt sich dazu, einen drastischen Schritt zu machen, um Kleines zu helfen: er verkleinert Kleines´ Gefährten Goo­nex, Kama-Ke und Lasa-On und schickt sie mit einem Gefährt in das Innere von Kleines, damit sie dort seinen Krankheitsherd ausfindig machen und ihn gesun­den lassen.

Wem diese Idee vertraut vorkommt, dem kann ich nur zustimmen. Sie ist struk­turell einwandfrei aus einem alten SF-Hollywoodfilm geklaut. 1984 war ich eben noch sehr stark abhängig von visuellem Fernseh-Input. Aber das betrifft nur die Oberfläche.

Das Innere des Mikrokosmos ist dann durchaus innovativ – notwendigerweise, denn es handelt sich hier ja nicht um einen menschlichen Mikrokosmos mit Adern, Blutkörperchen und dergleichen, sondern um das Innenleben eines gi­gantischen Kristallwesens. Das erforderte schon einige Denkleistung.

Dummerweise geht auch in diesem Mikrokosmos so ziemlich alles schief, auf abenteuerliche Weise: kaum dort eingedrungen, werden die beiden Cranyaa und der Soogrer aus Kleines´ Gefolge von unbekannten Raumschiffen (!) atta­ckiert und havarieren. Kama-Ke und Lasa-On geraten dabei in Gefangenschaft. Der Soogrer Goonex zögert jedoch, das Wrack zu verlassen… und wird prompt Zeuge einer Raumschlacht und dann von den Angreifern an Bord genommen.

Und dabei beginnen die wirklich grotesken Verrenkungen der Handlung: wäh­rend Kama-Ke und Lasa-On von steinartiger Substanz umhüllt werden und da­mit keine Bewegung mehr machen können (bitte merken!), trifft Goonex mit ei­nem Kegelwesen zusammen, das über einen facettierten Kugelkopf verfügt und an der Schnittstelle über zwölf Kurztentakel.

Obwohl Goonex dieses Wesen noch nie gesehen haben kann, hat er überhaupt keine Zweifel, wer das ist. Das liest sich dann in der Episode 37 „Zentrum des Bösen“ folgendermaßen:

Als er wieder erwachte, lag er in einer erhellten Kammer, und vor ihm stand ein eigenartiges Wesen. Es besaß einen kegelförmigen Körper und acht Stummel­beine sowie zwölf Tentakel.

Es fragte Goonex: ‚Was hat ein Soogrer in meinem Reich zu tun?‘

Der Soogrer verstand plötzlich, wer vor ihm stand und staunte: ‚Timor-Dol!’“

Da musste ich unweigerlich lachen, und ich vermute, das könnt ihr euch gut vorstellen. An dieser Szene geht so ziemlich alles schief, was schief gehen kann: zwei Wesen unbekannter Spezies, die sich noch nie gesehen haben, können mühelos miteinander kommunizieren (erinnert euch bitte mal an die yantihni­sche Linguistin Vaniyaa und die Shonta-Kommunikation in Band 10 der Serie „Oki Stanwer und das Terrorimperium“ (TI), also in dem E-Book „Das Ma­schinenvolk“. Da hatte ich aber definitiv dazu gelernt.

Woher erkennt außerdem Timor-Dol (er ist es übrigens tatsächlich!) einen Soog­rer? Und woher erkennt Goonex einen DIGANTEN (so der Volksname Timor-Dols)? Rätsel über Rätsel. Aber darum geht es nur am Rande. Tatsache ist, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Goonex von den zahllosen DIGANTEN aus­gerechnet gerade den „legendären“ Timor-Dol trifft, doch geradezu absurd klein.

Nun, es IST Timor-Dol, und angeblich hat er vor Jahrhunderttausenden in der Galaxis Hun’arc gewirkt, als die Soogrer noch nicht zu den Sternen flogen. Hier habe ich natürlich kindisch-leichthin unterstellt, dass die soogrerische Historie Hunderttausende von Jahren umfasst. Auch das ist einigermaßen albern. Man vergleiche hierzu mal die vergleichsweise „kurze“ Zeitspanne von „nur“ 200.000 Jahren, die auf dem Planeten Nylviidin in der TI-Serie verstrichen ist (siehe dazu das E-Book „Auf Götterpfaden“).

Absurd.

Aber das ist ja auch erst der Anfang.

Schauen wir uns, um diesen Beitrag nicht über Gebühr zu verlängern, nun an, wie es mit den Cranyaa weitergegangen ist: sie sind von dieser steinartigen, grauen Substanz so eingehüllt worden, dass sie sich kaum mehr bewegen kön­nen. Dabei werden sie – völlig unlogisch – voneinander getrennt (was mir die Möglichkeit gab, anschließend eine spektakuläre und absurde Befreiungsaktion zu inszenieren, ich komme dazu gleich). Sie erreichen einen grauen Asteroiden, auf dem eine Art schwarzer Fontäne aus dem Boden schießt: die Materialisie­rungsform des Dämons Zsolseg von TOTAM.

Wie ist er ins Innere von Klivies Kleines´ Körper gelangt, und wann? Nobody knows, und ich thematisiere das auch überhaupt nicht. Wie hat er sein Diener­volk – sinnigerweise „Steins“ genannt – unterworfen, und woher sind die ge­kommen? Wird auch nicht gesagt. Inwiefern hat Zsolseg Kleines´ Kristallkrebs-Krankheit ausgelöst?

Man erfährt rein gar nichts darüber. Dabei ist das doch nun wirklich das zentrale Movens dieser Trilogie! In einem Schulaufsatz würde man sagen: Thema ver­fehlt.

Wird noch schöner. Wir erinnern uns, die Cranyaa wurden bewegungsunfähig gemacht. Nun heißt es in Band 37 weiter:

Lasa-On spürte, wie ihr ‚Stein‘ landete. Er setzte auf einem grauen Kristallbro­cken auf, und weitere Steine landeten rings um sie. Der Panzer um die Cranyaa-Kommandantin wich etwas, gab aber nur die Beine frei – sie sollte vorwärts gehen.“

Insofern alles noch im grünen Bereich und logisch. Dann wird Lasa-On, ohne dass Kama-Ke das mitbekommt, von dem Dämon Zsolseg übernommen. Komi­scherweise kann Kama-Ke vorher noch die schwarze Fontäne sehen und begrei­fen, dass dies ein Dämon von TOTAM ist. Er ist selbst ja noch von dem „Stein­panzer“ umhüllt und kann lediglich gehen. Aber dann geht es so weiter:

Kama-Ke stand, umringt von einem guten Dutzend Steins, auf einem Platz auf der Oberfläche des GRAUEN Asteroiden. Er sah, wie man die bewusstlose Lasa-On heranführte…

Er hatte von Kleines schon genug über Dämonen gehört, um zu wissen, dass das einer war. Er wollte Lasa-On töten! Das begriff der ehemalige Kommandant der Orakelwache rasch. Und er handelte danach.

Die Waffe, die ihm die Steins in maßlosem Leichtsinn gelassen hatten, wurde eingesetzt. Kama-Ke legte auf den Steins an, der direkt vor dem Dämon stand – und drückte ab. In einer donnernden Detonation zerplatzte Steins 0. Kama-Ke hatte auf stärkstes Blasterfeuer umgestellt und verschoss tödliche Strahlen…“

Um es abzukürzen: der Handstreich gelingt, er bringt Lasa-On in seine Gewalt und kann flüchten. Aber… wenn ihr jetzt gerade rätselt, wie das wohl möglich ist, wo er doch oben noch in dem Steinpanzer gefangen war, der auf einmal ver­dunstet zu sein scheint, so seht ihr dasselbe, was mir auch bei der Lektüre und Abschrift auffiel.

So heroisch die Befreiungstat auch sein mag – unter den oben geschilderten Umständen ist das einfach unmöglich. Er müsste sich zuvor aus der Panzerung der Steins befreien, wovon keine Rede ist, anderenfalls wäre er zum hilflosen Zuschauen verdammt.

Tja, Gedankensprünge kommen in den beiden Episoden – Nr. 37 „Zentrum des Bösen“ und 38 „Das Gigant-Syndrom“ nicht nur hier vor, sie durchziehen diese ganzen Seiten wie Krebs-Metastasen. Schauen wir uns noch einen Aspekt an, ehe ich diese Seiten für heute schließe:

Goonex und Timor-Dol haben sich nach anfänglichen Irritationen angefreundet. Timor-Dol ernennt den Soogrer, den er nie zuvor gesehen hat, umgehend und sehr naiv zu seinem Stellvertreter über die Streitmacht der NEGATIVEN, wäh­rend er selbst gegen den Dämon Zsolseg in den Kampf zieht (mit dem er offen­bar schon ein paar Jahrtausende zu tun hat, aber offenbar kann er ihn erst aus­findig machen, nachdem die Cranyaa gefangen genommen worden sind… auch dies ein ziemlich theatralischer Dramatisierungseffekt, über dessen Plausibilität wir uns nicht unterhalten wollen).

In der Außenwelt beginnt Klivies Kleines´ Kristallkörper jäh zu wuchern und den Planeten Runix zu überwuchern. Im Mikrokosmos macht sich das durch heftige Helligkeitsentladungen bemerkbar, und alles, was sich dort aufhält, wird – be­quem – vom Vergrößerungseffekt ebenfalls betroffen.

Als Goonex dies das erste Mal registriert (Bd. 38, Kap. 2), liest sich das so:

Und plötzlich spürte und sah Goonex, wie sich der Mikrokosmos in erschre­ckender Weise veränderte. Mit einem Schlag glühte weißes Licht auf, das von al­len Seiten kam.

Es gab keinen Schatten mehr!

Der Soogrer schrie auf.

Flog der Mikrokosmos auseinander? War dies Klivies Kleines´ Ende?“

Streiten wir uns nicht über die theatralische Semantik dieser Stelle, die mir heutzutage selbst nicht mehr gefällt: ungeachtet dessen ist das eine hochdra­matische Szene, und der Leser fragt sich – wie geht es jetzt weiter? Nun, die Antwort erfolgt dann in Kapitel 7, nachdem Timor-Dol Kama-Ke gerettet hat, wobei der Cranyaa aber schwer verletzt worden ist. Und das Kapitel geht los mit:

‚Kannst du ihn nicht retten?‘, flehte Goonex.

Der massige Timor-Dol schüttelte seine Tentakel. Er blickte auf Kama-Ke, dessen Mittelleib die (Medoroboter) geöffnet und untersucht hatten. „Es ist nichts mehr zu machen…’“

Äh, fragt sich der Leser, und was ist mit dem „auseinanderfliegenden Mikrokos­mos“? Was ist da passiert? Warum ist davon keine Rede mehr? Antwort: ich habe es einfach aus dem Blick verloren und vergessen.

Gott, habe ich mich geärgert, als ich das bei der Abschrift entdeckte.

Dieser kleine Dreiteiler umfasst gerade mal 45 handschriftliche Seiten und steckt so dermaßen voller Handlungsfehler, Anschlussfehler, massiver Logikpro­bleme und vor allen Dingen höchst flüchtiger Darstellung von Personen, Dialo­gen und Locations, dass ich mich wirklich wundere, warum frühere Leser dieser Bände (ja, es gab durchaus welche in den späten 80er Jahren) sich dazu nie ge­äußert haben. Das reine Chaos, wirklich, nicht nur im Mikrokosmos, sondern auch in meinem damaligen Kopf!

Au Backe, kann ich nur sagen. Und ich glaube, solche Klopfer gibt es in den frü­hen Episoden noch eine ganze Menge. Dazu sage ich wieder was, wenn ich weitere entdecke.

Für heute verlasse ich euch und freue mich schon darauf, in der kommenden Woche mit euch eine legendäre Grüne Galaxis zu besuchen: Bytharg.

Schön neugierig bleiben!

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

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