Liebe Freunde des OSM,
willkommen ein weiteres Mal in der farbenprächtigen, üppigen Phantasie des Jack L. Chalker, der die bizarre Sechseck-Welt mit seinen Kreaturen bevölkert und sie dann in Konflikte gestürzt hat. Ich erwähnte bereits, dass mich diese Roman – den hier eingeschlossen – in den frühen 80er Jahren sehr angeregt haben, mein kreatives Hauptwerk, den Oki Stanwer Mythos, niederzuschreiben. Infolgedessen konnte es kaum ausbleiben, dass ich auch nach der Neulektüre anno 2001 beim Niederschreiben dieser Rezension einen entsprechenden Verweis einfließen ließ.
Vor vier Wochen habe ich euch in das Abenteuer des Antor Trelig geschickt, der in die Sechseck-Welt verschlagen wurde. Wer den Roman „Exil Sechseck-Welt“ gelesen hat und am Schluss etwas unbefriedigt blieb, erfährt hier nun, warum das der Fall war – die Geschichte geht ja noch weiter.
Was das heißt? Lest lieber selbst:
Entscheidung in der Sechseck-Welt
(OT: Quest for the Well of Souls)
von Jack L. Chalker
Goldmann 23348
256 Seiten, TB
April 1980
Übersetzt von Tony Westermayr
Seit dem „Krieg auf der Sechseck-Welt“ sind 22 Jahre vergangen. Wie erinnerlich wurden zwei Gruppen Menschen auf diese Steuerwelt der Markovier verschlagen, auf der 1560 intelligente Rassen in eigens für sie genormten Hexagon-Refugien leben. Einmal handelte es sich um die Raumpilotin Mavra Chang und die beiden Schwammsüchtigen Nikki Zinder – Tochter des genialen Erfinders Gilgam Zinder – und den Aufseher Renard, der auf dem Asteroiden Neu-Pompeji des größenwahnsinnigen Antor Trelig gedient hatte. Die zweite Gruppe bestand aus dem von Neu-Pompeji flüchtenden Antor Trelig, dem hypnotisierten Erfinder Gilgam Zinder und dem Wissenschaftler Ben Yulin, die, durch die Kraft des Computers Obie verwandelt, ebenso wie die Gruppe 1 auf der Sechseck-Welt abstürzten.
Während Mavra Changs Raumschiff, zerplatzt in 9 autonome Kapseln, im „menschlichen“ Süden strandete und im Verlauf des Krieges um die Sechseck-Welt schließlich in dem eisigen Hexagon Gedemondas vernichtet wurde, liegt das zweite Raumschiff – und damit die einzige Möglichkeit, jemals wieder den Asteroiden Neu-Pompeji zu erreichen, der nach wie vor voll funktionsfähig war – im nördlichen Hexagon Uchjin, wo es keinen Sauerstoff gibt und niemand heran kann. Zudem ist es unmöglich, die Äquatorbarriere zu überwinden, so dass alle Parteien und alle Kämpfer, die noch überlebt haben, jeden Versuch aufgeben, sich mit diesem Gedanken zu beschäftigen, auch nur daran zu denken, Neu-Pompeji, den neuen Mond der Sechseckwelt, zu erreichen.
Sollte man meinen.
Aber man irrt sich.
Es ist richtig: die grauenhaft verwandelte Mavra Chang, deren menschlicher Körper durch halb durchgeführte magische Metakompilierung mit Maultierbeinen versehen wurde und eigentlich lebensunfähig ist, denkt nicht mehr daran. Gilgam Zinder, untergetaucht im wörtlichsten Sinne des Wortes in einem High-Tech-Wasserhexagon, KANN nicht daran denken. Ben Yulin, inzwischen Herr über hundert Frauen und siebzehn Töchter, ist auch ganz zufrieden mit seinem Dasein.
Aber da gibt es noch Antor Trelig, zwar zwischenzeitlich in dem von froschähnlichen Makiem bewohnten gleichnamigen Hexagon ebenfalls verheiratet und mit 20 Kindern gesegnet, hat nicht aufgegeben. Vor allen Dingen betrachtet er Mavra Chang als permanente Bedrohung und schickt nun endlich einen Trupp Killer los, die sie töten sollen.
Aber diese Nieten versagen, und Mavra und ihr Geliebter/„Sohn“ Joshi flüchten, ohne sich um die Überwachung durch ihre Kontrolleure, riesenbiberhafte Ambreza, zu kümmern. Auch der steinalte, an die Südpolarzone gefesselte „Herr“ der Sechseck-Welt, der reptiloide Serge Ortega, der Mavra stets mit Hypnobehandlung davon überzeugt hat, dass ihr Dasein glücklich und zufrieden sei, erfährt zu spät davon.
Zudem geraten die Dinge auch sonst in Bewegung: Zwei Wesen aus der Nordhemisphäre, so genannte Yugash – einer davon ist allerdings ein Fanatiker! – schaffen es, in den Süden zu gelangen. Der Fanatiker schließt sich mit Antor Trelig zusammen, der zweite mit Ben Yulin und dem früheren Aufseher Renard. Erneut liefern sich die alten Kontrahenten ein Kopf-an-Kopf-Rennen in Richtung Norden, um an das gestrandete Raumschiff zu kommen. Zwischendurch gilt es aber, sicherheitshalber auch noch Mavra Chang zu finden, die auf dem Weg ihrer Flucht durch ahnungslose, wohlmeinende Geningenieure zusammen mit ihrem lieben Joshi in Schweine transformiert wurden, vollends unfähig zu sprechen und zudem auf der Flucht durch ein wüstenhaftes Hexagon, wo sie in die Gewalt der Mucrol geraten, fleischfressende, hundeartige Wesen mit dampfbetriebenen Wüstenpanzern…
Als die Protagonisten schließlich zeitgleich im Norden ankommen, beginnen ihre Schwierigkeiten aber erst. Zwar gelangen sie in der Tat unter großen Problemen nach Neu-Pompeji, aber dann werden sie von einem ihrer Teilnehmer überlistet und ausgesperrt. Und dieser Verräter kann problemlos Obie kontrollieren, den – neben dem Schacht der Seelen von der Seckseck-Welt selbst – größten und mächtigsten Computer, den es jemals gab. Die einzige Chance scheint darin zu bestehen, ganz Neu-Pompeji in die Luft zu sprengen. Aber es fragt sich, ob dazu noch genügend Personen da sind. Denn ganz rasch werden aus den sieben Überlebenden fünf, dann vier, dann drei…
Was immer man von den Sechseck-Welt-Romanen sagen kann, kurzweilig sind sie allemal. Das gilt auch für diesen hier, der den formellen Abschluss der Sechseck-Welt-Trilogie darstellt, Band 2 des Unterzyklus „Krieg der Sechseck-Welt“. Ohne das Verständnis des letzten Romans ist dieser hier schlicht nicht zu verstehen. Da es sich allerdings im groben und ganzen um eine Wiederholung des Wettlaufs aus dem zweiten Sechseck-Welt-Band handelt, gibt es doch schon Stellen, die ein wenig nerven.
Dass das für mich nicht ganz so zutraf, liegt auf der Hand. Mit den Yugash traf ich die nächsten Protagonisten-Vorbilder des Oki Stanwer Mythos wieder und habe mich sehr darüber gefreut. Das Schicksal von Mavra Chang war äußerst dramatisch und mir bis zum Schluss so nicht mehr in Erinnerung. Und der Kampf im Kontrollzentrum in Bozog kam auch, weil völlig vergessen, sehr gut. Im Beschreiben bizarrer, fremder Spezies des Nordens entwickelt Chalker eine gewisse Brillanz, die noch besser käme, wenn der Roman nicht so entsetzlich gekürzt worden wäre. Das erwähnte ich ja auch in der vergangenen Rezension bereits. So packt er, was für einen Roman mit 500-600 Seiten locker gereicht hätte, in einen nicht mal halb so dicken „Schmöker“, der sich darum weitgehend wie eine Aneinanderreihung farbiger Details liest. Die Psychen der Personen werden diesmal jedoch besser geschliffen und ausgearbeitet, und das Ende macht den Eindruck eines richtigen Dramas.
Dennoch… so GANZ das Ende ist es nicht. Es gibt noch zwei weitere Bände. Das Problem Antor Trelig löst sich in diesem Band wie auch die Schwierigkeit mit dem Schwamm-Syndikat. Aber was sonst noch passiert, das müsst ihr nachlesen, wenn ihr den Band antiquarisch oder in der Bücherei mal zu fassen bekommt…
© by Uwe Lammers, 2001
Ich werde nach wie vor das nagende Gefühl nicht los, dass die Westermayr-Übersetzung eine arge Kürzung des Gesamtromans ist. Und es wäre sicherlich für die Verleger der Jetztzeit mal eine schöne Möglichkeit, das zu prüfen und beizeiten eine vollständige Version vorzulegen, die sicherlich entschieden umfangreicher wäre.
Auch könnte es zweckmäßig sein, diese Welt einmal wieder zu besuchen und Abenteuer darauf zu beschreiben. Ich meine, wenn so relativ eingeschränkte Welten wie die des Sherlock Holmes sich in hundertfachen Varianten ausdehnen, wäre die Sechseck-Welt sicherlich ein Dorado für phantastischste, farbenprächtige Abenteuer der unglaublichsten Art. Vielleicht erinnert sich mal jemand Maßgebliches an diesen Vorschlag, wenn dieser Blogartikel eine gewisse Bekanntheit erreicht hat. Mich – und sicherlich nicht nur mich allein – würde das sehr freuen.
Auch im Blogartikel der kommenden Woche greifen wir auf einen „alten Bekannten“ zurück, nämlich auf niemand Geringeren als Clive Cussler, von dem ich jüngst wieder einmal einen Roman (mit Coautor Graham Brown) gelesen habe, den ich auch in Bälde für meinen Blog rezensieren werde. Dass diese Rezi den Weg in den Blog vor 2018 findet, halte ich indes für unwahrscheinlich. Es gibt noch gar zu viele andere Cussler-Rezensionen, die vorher das Licht der digitalen Öffentlichkeit erblicken sollen.
So eben auch derjenige der kommenden Woche. Da geht es, verwirrenderweise, um einen verschwundenen Zug. Wer Genaueres wissen möchte, schaue nächste Woche wieder hier herein, er wird dann schlauer sein.
Bis dann, mit
Oki Stanwers Gruß,
euer Uwe.