Rezensions-Blog 84: Würste der Hölle

Posted November 2nd, 2016 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

deutsche Sprache schwere Sprache“, heißt es manchmal radebrechend von auswärtigen Gästen, die zumindest einigen Aufwand betreiben, die wirklich komplizierte deutsche Sprache zu beherrschen. Es gab auch mal jemanden, der unser Idiom „the awful german language“ nannte und bei dem Versuch, es zu erlernen, so wütend wurde, dass er ein äußerst unterhaltsames Buch dazu ge­schrieben hat (das werde ich sicherlich beizeiten auch in den Rezensions-Blog einarbeiten). Doch heute soll es nicht um Mark Twain gehen, sondern um Titus Arnu, einen pfiffigen Journalisten mit dem Gespür, wenn etwas wirklich so gar nicht funktioniert (Bastian Sick lässt grüßen).

Er hat schon einen Band solcher verbaler Entgleisungen herausgegeben, über den ich mich köstlich amüsiert habe (und nein, das hat jetzt nichts mit Schaden­freude zu tun, wie ja so gern missverstanden wird). Ich betrachte solche Samm­lungen als Stimmungsaufheller, und es gibt ja auch wirklich die kuriosesten Schilder und schriftlichen Zeugnisse. Nur mal so unter uns – vor vielen Jahren las ich hier in Braunschweig ein Schild, auf dem stand, ohne Witz, „Bin Laden fertig“. Wenn ich es recht erinnere, war das ein Hinweisschild auf eine Laden­schließung. Man konnte das auch anders verstehen…

Titus Arnu hat nun jedenfalls aus der Not eine Tugend gemacht und kommen­tiert eingesandte Fotos von Urlaubern aus aller Herren Länder, um anschlie­ßend sicherlich gutes Geld mit dem veröffentlichten Buch zu machen. Wer so etwas mag und über das Werk im Buchhandel stolpern sollte, der kann das Ki­chern gern schon an Ort und Stelle beginnen.

Einen kleinen Vorgeschmack darauf gibt es jetzt:

Würste der Hölle

Übelsetzungen. Neue Sprachpannen aus aller Welt

von Titus Arnu (Hg.)

Langenscheidt

Berlin und München 2008

132 Seiten, TB

ISBN 978-3-468-29850-9

Mal Hand aufs Herz – es ist schon wirklich urkomisch, wenn man Geburtstags­geschenke auspackt und sich auf einmal einem Glas Bockwürsten gegenüber sieht. Ich schaute also am vergangenen Sonntag auch nicht gerade intelligent drein, als das geschah.

Meine Freundin Conny reichte mir ein weiteres Geschenk und meinte nur: „Das gehört dazu. Du verstehst das schon, wenn du es auspackst.“

Und fürwahr, so war es: darin nämlich fand sich dieses Buch, das auf meiner Wunschliste gestanden hatte. Da lachte ich schon, als ich es anschaute, und heute, nachdem ich es ausgelesen habe und meine Lachmuskeln reichlich stra­paziert wurden, dachte ich mir: ich sollte es mal wenigstens kurz rezensieren, ob nun für die Leute, die generell wenig zu lachen haben oder weil sie dringend danach verlangen, mal wieder so richtig herzhaft in Bus oder Bahn loszuprusten und die Mitmenschen zu verwirren.

Das hier ist das richtige Mittel dazu.

Wieder einmal hat Titus Arnu Fotos von Urlaubern gesammelt und mit frechen Kommentaren zur Irreführung und Erläuterung versehen, und er verirrt sich da­bei gelegentlich schon in wirklich abenteuerliche, um nicht zu sagen: phantasti­sche Gefilde. Ein paar Zitate mögen das deutlich machen.

Schon im Vorwort fängt es ziemlich wild an: „Urlaub kann die Hölle sein. Am Strand lauern tödliche ‚Warnmarinestachel’. Im Wald wimmelt es von ‚lanusen­den Tieren’. Auf dem Gemüsemarkt muss man mit gefährlicher ‚Pilzmanipulati­on’ rechnen. Und dann noch dieses furchtbare Essen: Es gibt ‚Rasur zum Eisen’, ‚Carpaccio mit Geldstrafe des Tiers’ oder ‚Falten verrückter mit Birkenpilz und Paprika’.“

Das klingt doch nicht eben anheimelnd, nicht wahr? Vielleicht… na ja, also viel­leicht sollte man doch lieber auf den Urlaub verzichten, wo man doch – meis­tens zumindest – so sehr am Leben und eigenen Wohlergehen hängt? Aber Arnu hat natürlich auch noch gute Argumente, die dann für das Gegenteil spre­chen:

Urlaub kann aber auch wunderbar sein. Eine Kirche in Frankreich wartet mit ei­nem ‚Zerstäuber der Umgebungsmusik’ auf. Das ist schön. Ein Trampolin in Kroatien ermöglicht es, aus der Arbeitszeit zu springen.1 Das ist befreiend. Ein Schild in China bittet Touristen: ‚Please fall into water carefully’ – bitte fallen Sie vorsichtig ins Wasser! Das ist nett. Und die Gemeinde Cisano am Gardasee heißt Besucher herzlich zum ‚Hundertjährigen Vögelfest’ willkommen. Das ist einfach geil…“

Da bleibt dem ahnungslosen Leser doch ein wenig die Spucke weg. Und man wird, so ging es mir wenigstens, unweigerlich neugierig, was denn nun schon wieder alles im Ausland schief gegangen ist und auf Schildern verewigt wurde, zum Gaudium der Leserschaft.

In sieben Kapiteln, von „Zu Gast bei Freunden“ über „Badespaß“, „Mahlzeit!“, „Vorsicht!“ bis hin zu „Chinglish“, „Alles verboten!“ und „Gewusst wie“ werden Urlaubsfreuden, Bademoden, Essenssitten, allgemeine (und bisweilen gemein­gefährliche) Warnungen vor dem Leser ausgebreitet, außerdem ist die beliebte Rubrik „Was passiert wohl, wenn Chinesen versuchen, unvollkommenes Englisch zu schreiben“ (das Resultat nennt man dann „Chinglish“ und das ist besonders abenteuerlich, meistens etwas für ausgebuffte Rätselfreaks) dabei, und am Ende finden wir die Abteilung „Bedienungsanleitungen“, für die man offenbar ein eigenes chaotisches Hochschuldiplom benötigt, um sie zu verstehen.

Uns begegnen in diesem Buch, um nur mal so eine kleine, höchst unvollständi­ge Auswahl zu präsentieren, auswärtige Zahnärzte, die auf Hartz-IV-Patienten in Spanien abonniert sind, Schauderterrassen, Furienwohnungen, „das knospen Indianische Wirtschaft“, wo „everysection pro-beschleunigt“ ist, Tickets zum Be­such eines Leuchtturms sind zu „erlegen“ (womöglich mit der Schrotflinte?), ei­gentümliche „Zimmervonsicherheitsdienste“ müssen erst graviert und dann be­schleunigt werden, Wertgegenstände werden im „Seif des Hotels“ eingeseift und sind hinterher schön sauber, Protokolle werden bekämpft, in tschechischen Supermärkten gibt es Geheimbedarf und Zweige zu kaufen, in Turin soll man Opfergaben für die Hordentücher hinterlassen… und das ist alles nur der An­fang…

Wahrlich, es ist manchmal zum Brüllen komisch, was hier präsentiert wird. Die Welt ist verrückter, als wir uns das ausmalen, und die Beherrschung der deut­schen Sprache im Ausland ist doch selbst in EU-Mitgliedsländern gelegentlich… nun, sagen wir es behutsam… suboptimal. Titus Arnu, der hiermit schon den zweiten Band seiner „Übelsetzungen“ präsentiert, hat eine wirklich erfrischen­de, sehr kurzweilige Sammlung von Kuriositäten vorgelegt, die man mühelos in zwei Tagen „inhalieren“ und als Stimmungsaufheller benutzen kann. Wer sonst nichts oder zu wenig zu lachen hat oder sich von den obigen Beispielen inspi­riert fühlt, sollte zugreifen. Das Buch ist im allgemeinen Buchhandel erhältlich, und das Gekicher und Lachen entschädigt für jeden ausgegebenen Euro. Großes Indianerehrenwort! Oder wie die Inder das sonst nennen…

© by Uwe Lammers, 2011

Nun, ich denke, ich habe nicht wirklich zu viel versprochen, oder? Es lohnt sich tatsächlich. Und das Lesevergnügen entfernt euch für eine Weile aus der Wirk­lichkeit, ganz so, wie es ein gutes Buch tun sollte.

Nächste Woche macht ihr eine ungewöhnliche Erfahrung an diesem Ort – da stelle ich euch nämlich gleich VIER Autoren auf einmal vor, die in vier unter­schiedlichen Welten agieren. Nein, nein, nicht als Coautoren. Wie dann? Nun, da lasst euch mal überraschen. Auch dieses Buch hat es dann wirklich wieder in sich.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Mich deucht, Zeitmaschinen sind dagegen komplizierte Apparate… wie war das noch mal mit der Phantastik in diesem Buch…?

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